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OGH vom 24.03.1994, 6Ob549/94

OGH vom 24.03.1994, 6Ob549/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schwarz als weitere Richter in der Abhandlung des Nachlasses nach der am gestorbenen Elisabeth S*****, wegen des Antrages des Vorerben Paul S*****, vertreten durch Dr.Siegfried Dillersberger und Dr.Helmut Atzl, Rechtsanwälte in Kufstein, auf grundbücherliche Löschung der fideikommissarischen Substitution zugunsten der am gestorbenen Silvia S*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der zu A 282/90 des BG Kufstein abzuhandelnden Verlassenschaft nach der genannten Nacherbin, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr.Heinz Neuschmid, Notariatskandidat, 6330 Kufstein, Georg-Pirmoser-Straße 5, gegen den zum Beschluß des Bezirksgerichtes Kufstein vom , GZ A 162/59-24, ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom , AZ 1 b R 148/93(ON 27), den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben und die angefochtene Rekursentscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des antragsabweisenden erstinstanzlichen Beschlusses abgeändert.

Text

Begründung:

Die am im 63.Lebensjahr gestorbene Erblasserin hatte in ihrem Testament vom den jüngeren ihrer beiden Söhne "zum Alleinerben und im Falle seines Ablebens seine beiden ehelichen Kinder Silvia...und Verena...zu gleichen Teilen zu Nacherben" berufen. In den Nachlaß fiel unter anderem der Hälfteanteil an einer städtischen Liegenschaft mit einem dreigeschoßigen Wohnhaus. Die beiden damals noch minderjährigen Enkelkinder der Erblasserin wurden der Abhandlung nicht beigezogen. Es war ihnen daher die Möglichkeit genommen, zum Antritt der Nacherbschaft bereits vor der Einantwortung des Nachlasses an den Vorerben Erbserklärungen abzugeben. Im Zuge der Einantwortung des Nachlasses an den Vorerben wurde allerdings zur Sicherung der minderjährigen Nacherbinnen gemäß § 158 Abs 1 AußStrG in die Verbücherungsanordnung der Einantwortungsurkunde die Beschränkung durch die fideikommissarische Substitution zugunsten der beiden Töchter des Vorerben aufgenommen und demgemäß auch die Verbücherung der Abhandlungsergebnisse durchgeführt.

Als der Vorerbe mit der Eigentümerin des zweiten Hälfteanteils an der Wohnhausliegenschaft im Jahre 1986 einen Wohnungseigentumsvertrag abschloß, wurde die fideikommissarische Substitution ausdrücklich auf die beiden nunmehrigen Anteile des Vorerben (36/244-Anteile mit Wohnungseigentum am Geschäftslokal top Nr. 1 und 86/244-Anteile mit Wohnungseigentum an der Wohnung top Nr. 3 im zweiten Obergeschoß) bezogen, womit die beiden inzwischen volljährig gewordenen Nacherbinnen ausdrücklich einverstanden waren und was daher die substitutionsgerichtliche Genehmigung fand.

Silvia, die ältere der beiden Nacherbinnen ist am gestorben. Sie war ledig und hinterließ den am geborenen Sohn Marco. Diesen hat sie in einem am errichteten Testament als ihren Universalerben eingesetzt. Die Einleitung einer Abhandlung ist bisher unterblieben.

Das Wohn- und Geschäftshaus auf der Liegenschaft, deren Hälfteanteil in die Substitutionsmasse gefallen war, wurde aufgestockt. Auch in Ansehung der neu geschaffenen Wohneinheiten soll Wohnungseigentum begründet werden; dazu müssen die Anteile, mit denen schon bisher Wohnungseigentum verbunden war, im Verhältnis von 144 : 420 verkleinert werden und auf die neu zu schaffenden Anteile des Vorerben (53/420-Anteile mit Wohnungseigentum an der Wohnung top Nr. 4 sowie 35/420-Anteile mit Wohnungseigentum an der Wohnung top Nr. 7) soll die fideikommissarische Substitution zugunsten der jüngeren Vorerbin allein ausgedehnt werden.

Der Vorerbe beantragte die substitutionsgerichtliche Genehmigung des Wohnungseigentumsvertrages und die Löschung der (zufolge Ablebens dieser Nacherbin) von ihm als gegenstandslos erachteten fideikommissarischen Substitution zugunsten seiner älteren Tochter Silvia.

Das Abhandlungsgericht hat diesen Antrag abgewiesen, weil nach der Aktenlage zwar davon auszugehen sei, daß die Erblasserin mit ihrer Formulierung, die beiden ehelichen Kinder des zum Alleinerben eingesetzten Sohnes "im Falle seines Ablebens", das heißt für die Zeit nach dessen Tod, "zu gleichen Teilen zu Nacherben" zu berufen, ihre beiden Enkeltöchter nur mit dem allgemeinen Ausdruck einer gleichen Teilung im Sinne des § 560 ABGB als Nacherbinnen eingesetzt habe, so daß das Recht aus der Nacherbschaft, bevor es wegen Wegfalls der einen Nacherbin in Ansehung ihrer Kopfquote erlösche, der anderen Nacherbin zuwüchse, im vorliegenden Fall einer befristeten Nacherbschaft aber das aus der Berufung zum Nacherben angefallene Recht Gegenstand eines Überganges auf die Erbeserben im Sinne des § 537 ABGB wäre (Transmission vor Akkreszenz, diese wieder vor Intestaterbfolge oder im Falle der Nacherbschaft vor deren Hinfälligkeit). Das Recht der der verstorbenen Nacherbin angefallenen Nacherbschaft werde noch in deren Verlassenschaftsverfahren abzuhandeln sein.

Das Rekursgericht änderte den antragsabweisenden Beschluß des Abhandlungsgerichtes derart, daß es den Antrag auf grundbücherliche Löschung der zugunsten der verstorbenen Vorerbin haftenden fideikommissarischen Substitution verlaßgerichtlich genehmigte. Dazu sprach das Rekursgericht aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt. Weiters sprach das Rekursgericht aus, daß eine Revisionsrekurszulässigkeitsvoraussetzung im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG nicht vorliege.

Das Rekursgericht sah sich dazu bestimmt, allein aus dem Wortlaut des Testamentes vom die Absicht der Erblasserin festzustellen, einer Anwachsung des Nacherbrechtes an eine ihrer beiden zu gleichen Teilen eingesetzten Enkeltöchter vor einer Weitergabe des bereits angefallenen Rechtes aus der Nacherbschaft an Erben einer Nacherbin Vorrang einzuräumen. Der Sohn der verstorbenen Enkeltochter werde daher durch dessen Tante verdrängt.

Die Verlassenschaft nach der verstorbenen Vorerbin ficht die abändernde Rekursentscheidung wegen qualifiziert unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Wiederherstellung des antragsabweisenden erstinstanzlichen Beschlusses zielenden Abänderungsantrag an.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht Grundsätze der Auslegung letztwilliger Erklärungen unrichtig angewandt hat. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Letztwillige Anordnungen, daher auch fideikommissarische Substitutionen, sind nach dem wahren Willen des Erblassers auszulegen, soweit dieser Wille in einer formgültigen Erklärung erkennbaren Ausdruck gefunden hat. Zur inhaltlichen Bestimmung zweifelhafter Anordnungen kann aber auch auf Beweismittel zurückgegriffen werden, die nicht in Testamentsform errichtet sind. § 615 Abs 2 ABGB, aber auch die Regelungen der §§ 554 ff ABGB, insbesondere jene über die Anwachsung, sind Auslegungsregeln (Kralik Erbrecht, 176), die es nicht ersparen, nach dem wahren konkreten Anordnungswillen des Erblassers zu forschen, soweit der Wortlaut der letztwilligen Verfügung hiezu Anlaß bietet (vgl zB JBl 1990, 581 mit Anm von Eccher).

Die Erblasserin hat nach ihrem Sohn dessen zwei eheliche Töchter zu gleichen Teilen als Nacherbinnen berufen und damit ihre Anordnung mit der gesetzlichen Erbfolgeordnung nach Linien in inhaltliche Übereinstimmung gebracht, wie sie auch schon bei der Erbseinsetzung selbst (unter Berufung auf Vorempfänge ihres älteren Sohnes) in inhaltlicher Übereinstimmung mit der gesetzlichen Erbfolgeordnung vorgegangen war. Das läßt Zweifel daran aufkommen, daß sie eine Transmission des Nacherbrechtes zugunsten einer Person, die abstrakt dem Kreis ihrer eigenen gesetzlichen Erben angehörte, durch einseitige Begünstigung einer ihrer beiden Enkeltöchter (kraft Anwachsung) wirklich ausschließen hätte wollen.

Keinesfalls bietet der Testamentswortlaut für sich allein eine hinreichende Grundlage dafür, das mit dem Ableben der Erblasserin ihrer nachverstorbenen Enkeltochter bereits angefallene Recht aus der befristeten Nacherbschaft ungeachtet des Vorhandenseins eines nachgelassenen Sohnes der verstorbenen Vorerbin als dem Recht der Schwester der Vorerbin angewachsen anzusehen.

Daß der der verstorbenen Enkeltochter zugedachte Nacherbschaftsteil im Sinne des § 560 ABGB "erledigt" wäre, ist nach der Aktenlage keinesfalls mit der vom Rekursgericht zugrundegelegten Gewißheit anzunehmen und wird allenfalls in einem Rechtsstreit zu klären sein.

Die Aktenlage und die Behauptungen des Antragstellers allein sind keine taugliche Grundlage, ein Erlöschen der zugunsten der nach der Erblasserin verstorbenen Enkeltochter angeordneten fideikommissarischen Substitution oder den Zuwachs des der inzwischen verstorbenen Enkeltochter zugedachten Anteils an der Nacherbschaft an die überlebende Schwester anzunehmen.

In Stattgebung des außerordentlichen Revisionsrekurses war daher der antragsabweisende erstinstanzliche Beschluß wieder herzustellen.