OGH vom 10.10.2002, 6Ob164/02i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Firmenbuchsache der B***** Aktiengesellschaft in Liquidation mit dem Sitz in B*****, FN *****, infolge Revisionsrekurses der Abwickler DI E*****, vertreten durch Öffentlicher Notar Dr. Peter Zdesar & Partner in Villach, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 76/02g-6, womit infolge Rekurses der Abwickler der Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom , GZ 5 Fr 1636/02f-2, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
In dem beim Landesgericht Klagenfurt geführten Firmenbuch ist zu FN ***** die B***** Aktiengesellschaft in Liquidation eingetragen. Die Auflösung der Gesellschaft war von der Hauptversammlung am beschlossen worden. Einziger Aktionär ist die Ö***** Aktiengesellschaft.
In der Hauptversammlung vom wurde die Umwandlung der Aktiengesellschaft gemäß § 239 AktG in eine Gesellschaft mbH mit der Firma B***** GmbH i.L. beschlossen.
Die Abwickler der Aktiengesellschaft meldeten den Umwandlungsbeschluss zur Eintragung in das Firmenbuch an. Das Firmenbuchgericht lehnte die Eintragung des Umwandlungsbeschlusses ab, weil eine formwechselnde Umwandlung einer Aktiengesellschaft im Abwicklungsstadium in eine Gesellschaft mbH in Liquidation dem Zweck der Abwicklung widerspreche und daher gemäß § 205 AktG unzulässig sei.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Dass im Abwicklungsfall die Vorschriften für nicht aufgelöste Gesellschaften gelten, spreche gegen die Zulässigkeit einer formwechselnden Umwandlung im Liquidationsstadium. Die rechtsformändernde Umwandlung sei auf eine Weiterführung des Unternehmens gerichtet. Die Abwicklung habe hingegen den Zweck, die Vollbeendigung der nicht mehr werbenden Aktiengesellschaft herbeizuführen. Im Liquidationsstadium solle eine neue Normenlage die Liquidation nicht verzögern bzw erschweren. Wirtschaftliche Aspekte, die mit einem Rechtsformwechsel einhergehen und eine Liquidation erschweren könnten, seien im Einzelfall nicht abzusehen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Zulässigkeit einer formändernden Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mbH im Liquidationsstadium fehle.
Der von den anmeldenden Abwicklern erhobene Revisionsrekurs ist aus dem vom Gericht zweiter Instanz genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Rekurswerber stehen auf dem Standpunkt, die formwechselnde Umwandlung einer Aktiengesellschaft in Abwicklung in eine Gesellschaft mbH in Liquidation und der gegenständlichen Gesellschaft im Besonderen helfe Kosten sparen, diene daher der Erhaltung des Liquidationskapitales und somit dem Interesse der Gesellschaftsgläubiger und dem Interesse der Gesellschafter, sodass sie mit dem Abwicklungszweck vereinbar sei.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu hat der Senat erwogen:
Die Auflösung der Aktiengesellschaft (§ 203 AktG) bedeutet nicht deren Ende als juristische Person; sie besteht als Abwicklungsgesellschaft fort (§ 205 Abs 1 AktG; Schiemer in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG3 § 205 Rz 1 und 2; Kastner/Doralt/Nowotny, Gesellschaftsrecht5 321; vgl SZ 63/216). Gemäß dem im 8. Teil des Aktiengesetzes gelegenen § 205 Abs 2 sind bis zum Schluss der Abwicklung die Vorschriften der vorausgehenden Teile anzuwenden, soweit sich aus diesem Unterabschnitt (über die Abwicklung: §§ 205 bis 215 AktG) oder aus dem Zweck der Abwicklung nichts anderes ergibt. Nimmt man die Wortfolge "die Vorschriften der vorausgehenden Teile" wörtlich, so wären die im 11. Teil, Erster Abschnitt des Aktiengesetzes - daher dem Unterabschnitt über die Abwicklung nachfolgenden Teil - enthaltenen Vorschriften über die Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mbH (§§ 239 bis 244 AktG) auf eine Aktiengesellschaft im Abwicklungsstadium nicht anwendbar.
Schiemer (aaO § 205 Rz 6) vertritt, die Norm sei wegen der alleinigen Bezugnahme auf die dem Unterabschnitt über die Abwicklung vorausgehenden Teile ergänzungsbedürftig, weil die Anordnung, die Anwendbarkeit anderer Vorschriften an dem Zweck der Abwicklung zu messen, gleicherweise auch für die dem Unterabschnitt nachfolgenden Gesetzesteile gelte. Daher sei § 205 Abs 2 AktG so zu verstehen, wie es § 264 Abs 2 dAktG klarstellend formuliere: "Soweit sich aus diesem Unterabschnitt oder aus dem Zweck der Abwicklung nichts anderes ergibt, sind auf die Gesellschaft bis zum Schluss der Abwicklung die Vorschriften weiterhin anzuwenden, die für nicht aufgelöste Gesellschaften gelten." Dem ist Bachner (in Münchener Komm AktG2 § 264 Rz 89) ausdrücklich beigetreten.
Auch Kastner/Doralt/Nowotny (aaO 321) sind der Auffassung, dass § 205 Abs 2 AktG so zu verstehen sei, dass während der Abwicklung die allgemeinen aktienrechtlichen Vorschriften weiter gelten, sofern sich aus den Abwicklungsbestimmungen und dem Abwicklungszweck nichts anderes ergebe.
Zum dem § 205 Abs 2 AktG wortgleichen § 205 Abs 2 dAktG 1937 führt Barz (in Groß Komm AktienG2 § 205 Rz 2) aus, dass die Vorschriften der vorausgehenden Teile des Aktiengesetzes anzuwenden sind, sei nicht wörtlich zu nehmen. Es sei kein Grund ersichtlich, warum während der Abwicklung nicht auch eine Verschmelzung, Vermögensübertragung und Umwandlung (§§ 233 ff dAktG 1937) möglich sein sollte.
Die oben wiedergegebene Fassung des § 264 Abs 2 dAktG 1965 (jetzt § 264 Abs 3 dAktG) sollte klar stellen, dass nur die Vorschriften über die werbende Gesellschaft ergänzend anzuwenden sind (Hüffer in Münchener Komm AktG2 § 264 Rz 1 mN in FN 1).
Angesichts dieses Befundes ist auch der Senat der Auffassung, dass entgegen dem zu engen Wortlaut - der nach, bei dem von ihnen verfolgten Ziel nicht verständlichen, Meinung der Revisionsrekurswerber dem Willen des Gesetzgebers entsprechen soll - nicht nur die Vorschriften der vorausgehenden Teile, sondern auch jene der nachfolgenden Teile - also alle Vorschriften, die für nicht aufgelöste Gesellschaften gelten - anwendbar sind, sofern sich aus den Abwicklungsbestimmungen und dem Abwicklungszweck nichts anderes ergibt. Anzuwenden sind hiernach die Vorschriften, die für die werbende Gesellschaft gelten, soweit sie für die im Erlöschen befindliche Gesellschaft passen (Barz aaO § 205 Rz 2; vgl § 92 GmbHG).
Die in den §§ 239 bis 244 AktG normierte Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mbH und die in den §§ 245 bis 253 AktG geregelte Umwandlung einer Gesellschaft mbH in eine Aktiengesellschaft haben bloß eine formwechselnde Umwandlung zum Gegenstand (NZ 1989, 221; Jabornegg in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG3 § 239 Rz 2; Kastner/Doralt/Nowotny, Gesellschaftsrecht5 331). Bei der formwechselnden Umwandlung bleibt die Identität der ursprünglichen Gesellschaft ohne Eingriff in ihre Rechtspersönlichkeit bestehen (GesRZ 1972, 25; NZ 1989, 221; Jabornegg aaO § 239 Rz 2; Kastner/Doralt/Nowotny aaO 331). Sie führt ohne Abwicklung und ohne Vermögensübertragung zur Fortsetzung der nämlichen Gesellschaft als Kapitalgesellschaft unter Wechsel der maßgeblichen gesetzlichen Normen (§§ 241, 250 AktG; NZ 1989, 221; Jabornegg aaO § 239 Rz 3; Kastner/Doralt/Nowotny aaO 331). Für die alten Schulden haftet die bisherige Rechtsperson in ihrer neuen Organisationsform weiter (Jabornegg aaO § 239 Rz 3). Die formwechselnde Umwandlung einer aufgelösten Aktiengesellschaft und einer aufgelösten Gesellschaft mbH ist im Gesetz nicht geregelt. Jabornegg (aaO § 239 Rz 8) meint, die Umwandlung im Abwicklungsstadium sei unzulässig, weil sie mit dem Abwicklungszweck unvereinbar sei. Solange allerdings ein Fortsetzungsbeschluss (§ 215 AktG) zulässig sei, werde auch ein gleichzeitig gefasster Umwandlungsbeschluss als zulässig angesehen werden müssen. Koppensteiner (GmbHG2, § 92 Rz 16) ist der Auffassung, die Umwandlung einer aufgelösten Gesellschaft mbH nach §§ 245 ff AktG dürfte nicht mehr zulässig sein. Gellis/Feil (GmbHG3 § 92 Rz 8) vertreten, eine formwechselnde Umwandlung einer Gesellschaft mbH im Stadium der Auflösung sei nicht praktikabel, sie müsste erst rückgewandelt werden (zur analogen Anwendbarkeit des § 215 AktG auf aufgelöste Gesellschaften mbH s SZ 15/2; SZ 37/137; 1 Ob 2014/96z; 6 Ob 131/98b; 8 Ob 277/00v; Koppensteiner aaO § 84 Rz 29 und 30). Das deutsche Aktiengesetz 1937, das in Österreich mit Wirksamkeit vom eingeführt wurde (Straube in Straube, HGB2 Einführung Rz 31) und im österreichischen Aktiengesetz 1965 teils unverändert, teils angepasst übernommen wurde (vgl RV 301 BlgNR 10. GP), enthielt ebenfalls keine ausdrückliche Regelung der Zulässigkeit der formwechselnden Umwandlung einer aufgelösten Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mbH. Es wurde die Auffassung vertreten, eine bereits aufgelöste Gesellschaft könne nur dann formwechselnd umgewandelt werden (§§ 257 bis 287 dAktG 1937), wenn nach den für die bisherige Rechtsform gültigen Vorschriften die Rückwandlung in eine werbende Gesellschaft noch möglich sei und dies gleichzeitig mit der Umwandlung beschlossen werde (Böttcher/Meilicke, Umwandlung und Verschmelzung von Kapitalgesellschaften5 [1958] 363; vgl Barz in Groß Komm AktG2 § 215 Rz 5).
Die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland ist jetzt anders. Eine formwechselnde Umwandlung (ein Formwechsel) einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mbH oder umgekehrt (§§ 190 bis 213, 238 bis 250 dUmwG 1995) ist gemäß § 191 Abs 3 dUmwG auch bei aufgelösten Rechtsträgern möglich, wenn ihre Fortsetzung in der bisherigen Rechtsform beschlossen werden könnte. Die Bestimmung erfordert keinen Fortsetzungsbeschluss, sondern nur die Möglichkeit hier zu. Es bleibt vor und nach Durchführung des Formwechsels allein Sache der Anteilsinhaber, ob und wann der Rechtsträger wieder zum werbenden Unternehmen werden soll (Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, UmwGStG [2001] § 191 UmwG Rz 34 f).
Der Senat ist der Auffassung, dass die Umwandlung einer aufgelösten Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mbH in Liquidation nicht zulässig ist, weil die §§ 239 ff AktG aus folgenden Gründen auf die im Erlöschen befindliche Aktiengesellschaft nicht passen:
Ob, bei welchen Rechtsträgern, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Ausgestaltung eine Umwandlung zulässig ist, ist eine rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers (vgl Jabornegg aaO § 239 Rz 2). Bei einer Umwandlung wird - wie das Rekursgericht zutreffend ausführte - ein Unternehmen typischerweise fortgeführt (Kastner/Doralt/Nowotny aaO 319). Die Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft in Liquidation sieht das Gesetz nicht vor. Dass der Gesetzgeber von der Umwandlung eines werbenden Unternehmens ausgeht, zeigt etwa § 247 AktG, wonach - zum Schutz künftiger Gläubiger (Kastner/Doralt/Nowotny aaO 334) - auf die Umwandlung einer Gesellschaft mbH in eine Aktiengesellschaft die aktienrechtlichen Gründungsvorschriften anzuwenden und insbesondere Gründungsprüfer einzuschalten sind.
Zum Schutz der Gläubiger der in Abwicklung stehenden Aktiengesellschaft bestimmt § 213 Abs 1 AktG für die Verteilung des Vermögens unter die Aktionäre (§ 212 AktG) eine Sperrfrist von einem Jahr ab der dritten Veröffentlichung des Gläubigersaufrufs (§ 208 AktG). Hingegen beträgt die Sperrfrist bei einer Gesellschaft in Liquidation nur drei Monate (§ 91 Abs 3 GmbHG) ab der nur einmal zu veröffentlichenden Aufforderung an die Gläubiger (§ 91 Abs 1 GmbHG). Die Gläubigerschutzbestimmung des § 213 Abs 1 AktG könnte daher bei einer Umwandlung in eine Gesellschaft mbH in Liquidation umgangen werden.
Bei der Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mbH sieht § 243 AktG zum Schutz der bisherigen Gläubiger (Kastner/Doralt/Nowotny aaO 333; Jabornegg aaO § 243 Rz 1) einen Sicherstellungsanspruch der Gesellschaftsgläubiger vor, deren Forderungen vor der Veröffentlichung der Eintragung der Umwandlung in das Firmenbuch begründet wurden. Sie können sich innerhalb von sechs Monaten nach der Veröffentlichung der Umwandlung bei der Gesellschaft mbH melden und sind sicherzustellen, soweit sie nicht Befriedigung verlangen können. Dieser Sicherstellungsanspruch könnte die Abwicklung erschweren und verzögern.
Schließlich können der Umwandlung widersprechende Aktionäre ihre Geschäftsanteile (zu denen ihre Aktien mit der Eintragung der Umwandlung in das Firmenbuch geworden sind, § 241 AktG) der Gesellschaft mbH zur Verfügung stellen (§ 244 Abs 1 AktG). Die der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Geschäftsanteile sind durch die Gesellschaft für Rechnung des Gesellschafters durch öffentliche Versteigerung zu verkaufen (§ 244 Abs 2 AktG). Das Verwertungsverfahren richtet sich nach § 179 Abs 3 Satz 2 bis 6 AktG und ist umständlich.
All dies zeigt, dass der Zweck der Abwicklung, die Rechtsverhältnisse der Aktiengesellschaft zu Dritten (§ 209 Abs 1 AktG) und zu ihren Aktionären (§ 212 AktG) zu beenden und damit die Voraussetzungen für die Vollbeeendigung der nicht als werbenden Gesellschaft fortzusetzenden Aktiengesellschaft möglichst bald, jedoch ohne unnötigen Vermögensverlust zu schaffen (Schiemer in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG3 § 205 Rz 1 und § 209 Rz 2) beeinträchtigt werden könnte. Ist zudem die Umwandlung in eine Gesellschaft mbH in Liquidation positiv-rechtlich nicht vorgesehen, ist daher von der Unzulässigkeit einer formwechselnden Umwandlung einer aufgelösten Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mbH in Liquidation auszugehen. Damit vereinbar ist die Ansicht, dass ein Umwandlungsbeschluss mit einem zulässigen Fortsetzungsbeschluss verbunden werden kann. Mit der Eintragung des Fortsetzungsbeschlusses in das Firmenbuch wird die Gesellschaft nämlich wieder zur werbenden (Schiemer aaO § 215 Rz 1 und 8). Die Eintragung des Fortsetzungsbeschlusses vor der Fassung des Umwandlungsbeschlusses zu fordern, wäre nur ein umständlicher Formalismus.
Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen.