OGH vom 27.02.2008, 3Ob20/08z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer sowie Dr. Jensik und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Reinhard S*****, vertreten durch Mag. Peter Wach, Rechtsanwalt in Graz, wider die verpflichtete Partei Gerhard Wilhelm A*****, wegen 5.000 EUR sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 4 R 122/07a-29, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Stainz vom , GZ 5 E 10/06y-25, zum Teil mit einer Maßgabe bestätigt und zum Teil der Rekurs zurückgewiesen wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Verfahrensgegenstand ist die Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ 163 ..., bestehend aus den Grundstücken 165/1, 165/3, 166/1, 167, 278/2 und 179.
Das Erstgericht forderte mit Beschluss vom (ON 3) die betreibende Partei auf, binnen vier Wochen einen Kostenvorschuss zur Deckung der für die Schätzung und den Verkauf voraussichtlich auflaufenden Kosten zu erlegen. Dieser Beschluss wurde der betreibenden Partei am zugestellt.
Mit Beschluss vom (ON 21) gab das Erstgericht den Beteiligten bekannt, dass aufgrund des Ergebnisses der Beschreibung und Schätzung der Liegenschaft diese mit insgesamt 14.000 EUR bewertet werde. Es sei beabsichtigt, dem Versteigerungsverfahren die gesetzlichen Versteigerungsbedingungen zu Grunde zu legen. Eine der Dienstbarkeiten sei ohne Anrechnung auf das Meistbot, zwei weitere Dienstbarkeiten in Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen. Eine amtswegige gruppenweise Versteigerung der Grundstücke finde nicht statt, weil kein einfacher Grundbuchstand vorliege. Mit Schriftsatz vom (ON 23) beantragte die betreibende Partei die gruppenweise Versteigerung der Grundstücke 165/1, 165/3, 166/1, 167 und 278/2 (im Folgenden als „Gruppe 1" bezeichnet) sowie des verbleibenden Grundstücks 179 (im Folgenden als „Gruppe 2" bezeichnet). Bei einer gruppenweisen Versteigerung sei ein wesentlich höherer Versteigerungserlös zu erwarten, weil die Grundstücke der Gruppe 1 eine wirtschaftliche Einheit bildeten, an der der Eigentümer der benachbarten Grundstücke interessiert sei; ein anderer Interessent beabsichtige hingegen, allein das - von der Gruppe 1 weit entfernt gelegene - Grundstück der Gruppe 2 (ein Teichgrundstück) zu erwerben. Weiters beantragte der betreibende Gläubiger, die Liegenschaftsgruppen jeweils mit drei Vierteln des Schätzwerts auszubieten.
Das Erstgericht wies den Antrag auf Änderung der gesetzlichen Versteigerungsbedingungen durch gruppenweise Versteigerung als verspätet ab. Ein solcher Antrag wäre gemäß § 146 Abs 2 EO innerhalb der zum Erlag des Kostenvorschusses für die Schätzung der Liegenschaft offen stehenden Frist - hier also binnen vier Wochen ab Zustellung des Beschlusses ON 3 am - zu stellen gewesen. Diese vierwöchige Frist sei zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrags bereits seit langem abgelaufen gewesen. In der Begründung des Beschlusses führte das Erstgericht weiters aus, es bestehe kein Anlass zur amtswegigen gruppenweisen Versteigerung, weil ein nicht einfacher Grundbuchstand iSd der Entscheidung 3 Ob 32/99y vorliege, sodass eine gruppenweise Versteigerung nicht in Betracht komme. Zum Antrag auf Ausbietung zu 3/4 des Schätzwerts sei vor Entscheidung den Beteiligten noch Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der betreibenden Partei, soweit er sich gegen die Abweisung des Antrags auf Änderung der gesetzlichen Versteigerungsbedingungen durch gruppenweise Versteigerung richtete, mit der Maßgabe keine Folge, dass der genannte Antrag nicht ab-, sondern zurückgewiesen werde. Soweit sich der Rekurs dagegen richtete, dass das Erstgericht nicht von Amts wegen eine Änderung der gesetzlichen Versteigerungsbedingungen durch Anordnung der gruppenweisen Versteigerung festgelegt hat, wurde er zurückgewiesen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der (ordentliche) Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit eines Rekurses gegen die Verweigerung der amtswegigen Abänderung der gesetzlichen Versteigerungsbedingungen fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist nicht zulässig.
1. Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Zurück- bzw Abweisung des Antrags auf Änderung der gesetzlichen Versteigerungsbedingungen richtet, liegt absolute Unzulässigkeit vor:
Hat das Erstgericht einen Antrag nach § 146 Abs 1 Z 1 EO wegen Verspätung „abgewiesen" (statt zurückgewiesen) und hat das Rekursgericht aus denselben Gründen den Antrag zurückgewiesen, so liegt in Wahrheit ein bestätigender Beschluss vor, weil beide Vorinstanzen inhaltlich eine Formalentscheidung getroffen und übereinstimmend die Verspätung des Antrags bejaht haben (RIS-Justiz RS0044265). Ist aber der erstrichterliche Beschluss zur Gänze bestätigt worden, ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ( § 78 EO,§ 528 ZPO).
2. Soweit sich der Revisionsrekurs dagegen wendet, dass die Versteigerungsbedingungen nicht von Amts wegen abgeändert wurden, ist er wegen Wegfalls der Beschwer unzulässig:
Die betreibende Partei brachte ihren Revisionsrekurs am (per Fax voraus am ) ein.
Mit Beschluss vom (ON 34) gab das Erstgericht unter anderem „in Abänderung der Schätzwertbekanntgabe vom " nunmehr bekannt, dass eine amtswegige gruppenweise Versteigerung der Liegenschaft EZ 163 stattfinde. Die Liegenschaft werde gemäß § 146 Abs 1 Z 1 EO einmal als Ganzes und dann in Gruppen angeboten; der Schätzwert der Grundstücksgruppe 1 (ausschließlich des Zubehörs) betrage laut dem Sachverständigengutachten gerundet 7.150 EUR; der Schätzwert der Grundstücksgruppe 2 (ausschließlich des Zubehörs) gerundet 9.720 EUR. Die in der Schätzwertbekanntgabe vom angestellten Überlegungen zum nicht einfachen Grundbuchstand träfen nicht zu, da die Dienstbarkeiten bestimmten Grundstücken zuordenbar seien. Entsprechend dem Antrag der betreibenden Partei sei das geringste Gebot betreffend die beiden Grundstücksgruppen jeweils mit 75 % des Schätzwerts (also mit 5.362,50 EUR und 7.290 EUR) festzulegen.
Mit dem Beschluss vom (ON 34) ist den Anträgen des Revisionsrekurswerbers somit vollständig entsprochen worden. Der Lösung der vom Rekursgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage, ob ein Rekurs gegen die Verweigerung der amtswegigen Abänderung der Versteigerungsbedingungen zulässig sei, kommt daher in der Hauptsache nur mehr theoretische Bedeutung zu. Der betreibenden Partei fehlt aus diesem Grund nunmehr das Rechtsschutzinteresse. Dieses muss auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel gegeben sein. Ist das Rechtsschutzinteresse aber - wie hier - noch vor der Entscheidung weggefallen, macht dies ein an den Obersten Gerichtshof gerichtetes Rechtsmittel unzulässig und führt zu dessen Zurückweisung (stRsp RIS-Justiz RS0002495).
Da im vorliegenden Fall das Rechtsschutzinteresse aber erst nach der Einbringung des Revisionsrekurses und somit „nachträglich" iSd § 50 Abs 2 ZPO wegfiel, ist dies hier iVm § 78 EO bei der Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu berücksichtigen. Soweit es für die Entscheidung über diese Kosten von Bedeutung ist, muss daher trotz Wegfalls des Rechtsschutzinteresses geprüft werden, ob das Rechtsmittel in der Sache Erfolg gehabt hätte. Dies ist erforderlich, um zu erreichen, dass der Revisionsrekurswerber, der ohne Wegfall der Beschwer seine Kosten erhalten hätte, diese auch zugesprochen bekommt (Fucik in Rechberger³ § 50 ZPO Rz 2). Diese Prüfung ergibt:
Gemäß § 146 Abs 1 Z 1 EO idF der EO-Novelle 2000 hat das Gericht, wenn dadurch voraussichtlich ein höherer Erlös zu erzielen sein wird, auf Antrag oder - wenn dies offenkundig ist -, auch von Amts wegen festzulegen, dass mehrere Grundstücke eines Grundbuchskörpers einzeln oder in Gruppen zu versteigern sind und dass der Grundbuchskörper vor der Erteilung des Zuschlags zweimal, und zwar einmal als Ganzes und dann die einzelnen Grundstücke ausgeboten werden soll. Der Antrag nach Abs 1 Z 1 ist spätestens innerhalb der zum Erlag des Kostenvorschusses für die Schätzung der Liegenschaft offen stehenden Frist zu stellen (§ 146 Abs 2 EO; dazu krit Mini, Das Versteigerungsverfahren nach der EO-Novelle 2000, 106). Ist ein (rechtzeitiger) Antrag nach inhaltlicher Prüfung abgewiesen worden, steht dagegen der Rekurs offen. Ist der Antrag jedoch - wie hier - verspätet erfolgt und deswegen zurückgewiesen worden, kann ein verspäteter Antrag als Anregung verwertet und zum Anlass für ein amtswegiges Vorgehen iSd § 146 Abs 1 Z 1 EO genommen werden (Puster, Zwangsversteigerung² Rz 530). Wird diese Anregung nicht aufgegriffen bzw erachtet das Gericht die Voraussetzungen für eine amtswegige Abänderung der Versteigerungsbedingungen als nicht gegeben, bleibt es bei den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen, ohne dass darüber eine gesonderte Beschlussfassung zu erfolgen hat. Die gesetzlichen Versteigerungsbedingungen sind dann im Versteigerungsedikt enthalten. Die Beantwortung der vom Rekursgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage, ob auch die Nichtvornahme einer amtswegigen Abänderung anfechtbar ist, würde voraussetzen, dass die angefochtene Entscheidung tatsächlich den Charakter eines Beschlusses hat, also einer Willenserklärung des Gerichts, mit der es unter Einhaltung der verfahrensrechtlichen Formen entweder eine verfahrensrechtliche Entscheidung oder in den vom Gesetz zugelassenen Fällen eine Entscheidung über ein Rechtsschutzbegehren trifft. Fehlt einer Erklärung des Gerichts der Charakter einer Entscheidung, dann ist ein Rekurs unzulässig (RIS-Justiz RS0106917; Zechner in Fasching/Konecny²
Vor §§ 514 ff Rz 26). Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht anlässlich der beschlussmäßigen Ab- (richtig: Zurück-)weisung des Antrags auf Abänderung der gesetzlichen Versteigerungsbedingungen im Rahmen der Beschlussbegründung mitgeteilt, seiner Ansicht nach lägen die Voraussetzungen für eine amtswegige Abänderung der gesetzlichen Versteigerungsbedingungen nicht vor. Es handelt sich somit um keine gerichtliche Entscheidung im Sinne einer hoheitlichen Willenserklärung, mit der eine Anordnung getroffen oder Rechtsfolgen ausgesprochen werden, sondern um eine bloße Mitteilung über eine Frage der Verfahrensgestaltung. Nach der Rechtsprechung kann ein Zwangsversteigerungsverfahren durch verfahrensleitende richterliche Verfügung derart getrennt werden, dass es für einzelne in Exekution gezogene Liegenschaften gesondert geführt wird. Die Einheit des Exekutionsverfahrens wird aber dadurch nicht beseitigt, sodass etwa ein berechtigter Antrag des Verpflichteten auf gemeinsame Versteigerung der Liegenschaften zur Aufhebung der Trennung führen musste. Der Trennungsbeschluss selbst ist unanfechtbar (RIS-Justiz RS0101998). Nach Auffassung des erkennenden Senats ist daher auch die unterlassene Vornahme einer möglichen Abänderung der gesetzlichen Versteigerungsbedingungen nach § 146 Abs 1 Z 1 EO von Amts wegen nicht anfechtbar. Schon aus diesem Grund ist die Rechtsansicht des Rekursgerichts zutreffend, wonach ein gegen eine derartige Mitteilung gerichteter Rekurs als unzulässig zurückzuweisen ist. Wäre der Revisionsrekurs aber auch ohne nachträglichen Wegfall der Beschwer erfolglos geblieben, hat der Revisionsrekurswerber die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen (§§ 40, 50 ZPO iVm § 78 EO).