OGH vom 06.12.1994, 4Ob568/94
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Helga K*****; 2) Renate M*****, beide vertreten durch Dr.Claudius Kain, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ö***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Nikolaus Siebenaller, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 150.000 S), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgericht vom , GZ 41 R 537/94-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , GZ 30 C 1651/92d-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das stattgebende Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 19.886 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 11.400 S Barauslagen und 1.414,32 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit "Bestandvertrag" vom 12.1./ gaben Alfred und Paula R*****, je als Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch der KG W***** einen Teil des zu dieser Liegenschaft gehörigen Grundstücks Nr. 473/1 laut beiliegendem Lageplan der "M***** Gesellschaft mbH zur Errichtung und zum Betrieb einer näher umschriebenen Zapfstelle für die Dauer von 20 Jahren bis zum in Bestand. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hat Paula R***** mit Kenntnis der Bestandnehmerin auf der ihr zur Hälfte gehörigen Liegenschaft - gegenüber der zu errichtenden Zapfstelle - ein Gasthaus betrieben, in welchem sie ua auch Getränke in Flaschen zum Mitnehmen sowie Süßigkeiten zum Verkauf anbot.
Punkt XV. des "Bestandvertrages" vom 12.1./ lautet wie folgt:
"Der Bestandnehmer verpflichtet sich ausdrücklich, keine wie immer geartete Konkurrenz für die (richtig wohl: den) Gasthausbetrieb der Bestandgeber zu betreiben oder zu dulden".
Die beiden Klägerinnen sind schon seit längerer Zeit - jedenfalls noch vor dem - anstelle von Alfred R***** zu je einem Viertel Eigentümer der Liegenschaft geworden. Nach Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung und den Ausbau der Zapfstelle schlossen Paula R***** und die beiden Klägerinnen als Bestandgeber mit der "M***** Gesellschaft mbH als Bestandnehmerin am einen "Nachtrag zum Bestandvertrag vom 12.1/" ab, mit welchem das Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit verlängert, der Bestandzins angehoben und der Bestandnehmerin das Recht zur Änderung oder Erweiterung der Tankstelle auf ihre Kosten eingeräumt wurde, wozu die Bestandgeber schon jetzt ihre Zustimmung erteilten.
Punkt VI. des "Nachtrages" lautet wie folgt:
"Im übrigen bleiben die Bestimmungen des Bestandvertrages vom 12.1./ ....., soweit in diesem Vertragsnachtrag nicht anderes festgesetzt wurde, unverändert aufrecht".
In den auf den Abschluß des "Nachtrages" vom folgenden Jahren hat die "M***** Gesellschaft mbH die Tankstelle neu gestaltet und auch einen Raum angebaut. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt ist die Beklagte anstelle der "M***** Gesellschaft mbH in den Bestandvertrag eingetreten; sie hat die Tankstelle an einen Stationär verpachtet, welcher dort seit etwa 1991 auch ein Tankstellen-Shop führt, in welchem er im eigenen Namen und auf eigene Rechnung alkoholfreie Getränke in Dosen, Kaugummi, Zuckerln, Schokoladen, Chips, Popcorn, Salzgebäck und Toilettenartikel zum Verkauf anbietet.
Seit einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor Klageeinbringung betreibt die Erstklägerin anstelle von Paula R***** das vis-a-vis der Tankstelle gelegene Gasthaus, in welchem sie auch alkoholfreie Getränke in Dosen, Kaugummi, Zuckerln, Chips und Schokoriegel zum Verkauf anbietet. Paula R***** ist nicht mehr Miteigentümerin der Liegenschaft; deren Hälfteeigentümerin ist jetzt Karin S*****, die aber - so wie auch die Zweitklägerin - am Gasthausbetrieb der Erstklägerin in keiner Weise beteiligt ist.
Unter Berufung auf das durch den "Nachtrag" vom unberührt gebliebene Konkurrenzverbot des Punktes XV. des "Bestandvertrages" vom 12.1./, welches dadurch verletzt werde, daß im Bestandgegenstand den Tankstellenkunden alkoholfreie Getränke (zB Coca-Cola in Dosen) und verschiedene Süßwaren (Toblerone, Kaugummi, Erdnüsse, Kokoskuppeln, Finessa, Balisto, Schokoladen udgl), angeboten und verkauft würden, begehren die beiden Klägerinnen zuletzt die Verurteilung der Beklagten, es zu unterlassen, auf dem Grundstück Nr. 473/1 der KG W***** alkoholfreie Getränke und sonstige, im Gastgewerbebetrieb der Erstklägerin angebotene und in Verkehr gebrachte Waren wie insbesondere Kaugummi, Zuckerl, Schnitten, Schokolade und Schokoladeriegel, Chips, Popcorn und Soletti zum Verkauf anzubieten. Durch die im Bestandvertrag vereinbarte Wettbewerbsklausel sei der Betreiber der Gastwirtschaft geschützt. Karin S***** habe mit dem Gasthausbetrieb überhaupt nichts zu tun, deren Betreiber seien die beiden Klägerinnen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Den Klägerinnen, jedenfalls aber der Zweitklägerin, fehle die Aktivlegitimation, seien sie doch zusammen nur Hälfteeigentümer der in Bestand gegebenen Liegenschaftsteile. Das vertragliche Konkurrenzverbot räume den Bestandgebern (den Miteigentümern der Liegenschaft) nur eine Gesamthandforderung ein. Selbst wenn man deren Geltendmachung der ordentlichen Verwaltung zurechne, wäre nur die Mehrheit der Miteigentümer klageberechtigt. Die auf dem in Bestand genommenen Liegenschaftsteil errichtete Tankstelle werde von einem selbständigen Pächter (Stationär) betrieben, der nur alkoholfreie Getränke in Dosen verkaufe. Hiezu sei er aber seit der Gewerberechtsnovelle 1988 berechtigt. Auch ein vertragliches Konkurrenzverbot unterliege der Umstandsklausel. Die gesetzliche Erweiterung der Befugnisse des Tankstellenbetriebsgewerbes habe daher zur Folge, daß die Beklagte und ihr Stationär an die Konkurrenzklausel nach 25jähriger Laufzeit insoweit nicht mehr gebunden seien.
Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, es auf dem Grundstück Nr. 473/1 der Liegenschaft EZ ***** KG W***** zu unterlassen, alkoholfreie Getränke und sonstige, im Gastgewerbebetrieb der Erstklägerin angebotene und in Verkehr gebrachte Waren wie insbesondere Kaugummi, Zuckerl, Schnitten, Schokolade und Schokoriegel, Chips, Popcorn und Salzgebäck zum Verkauf anzubieten. Die Durchsetzung des aus einer Verletzung der Konkurrenzklausel des Bestandvertrages abgeleiteten Unterlassungsanspruches sei weder eine Maßnahme der ordentlichen noch der außerordentlichen Verwaltung der Liegenschaft, betreffe doch die vertragliche Nebenabrede ein selbständiges Schutzobjekt, das auf den jeweiligen Miteigentümer als Betreiber des Gasthauses abstelle. Im übrigen könne jeder Miteigentümer rechtswidrige Eingriffe im Interesse der Gesamtheit abwehren. Auch die Zweitklägerin habe daher ein Interesse an der Aufrechterhaltung des auf der gemeinsamen Liegenschaft geführten Gasthausbetriebes der Erstklägerin. Die Beklagte müsse sich das Verhalten des Stationärs zurechnen lassen, der im Rahmen des Tankstellen-Shops eine Konkurrenztätigkeit im Sinne der vereinbarten Konkurrenzklausel ausübe, bestehe doch in Ansehung des beanstandeten Warensortiments eine Konkurrenzsituation zum Gasthausbetrieb der Erstklägerin. Auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage könne sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil hier die Vertragsparteien offensichtlich mit der Möglichkeit einer Änderung der Gesetzeslage gerechnet hätten, sei doch der Betreiber einer Tankstelle im Jahre 1965 zur Führung eines "Nebenhandelsgewerbes" gar nicht berechtigt gewesen, das Konkurrenzverbot aber dennoch vereinbart worden.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Zwar sei auch der bloße Minderheitseigentümer zur Geltendmachung einer Unterlassungspflicht berechtigt, wenn diese aus dem rechtswidrigen Eingriff eines Dritten in das gemeinschaftliche Eigentumsrecht resultiere; hier gehe es aber um die Verletzung eines vertraglichen Konkurrenzverbotes, also um eine Vertragsverletzung, welche eine Angelegenheit der Verwaltung der Liegenschaft sei. Ob es sich dabei um eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung handle, könne dahingestellt bleiben, weil die beiden Klägerinnen gemeinsam nur Hälfteeigentümer der Liegenschaft seien. Ihnen fehle daher die Aktivlegitimation, zumal sich dem Wortlaut der Konkurrenzklausel auch nicht entnehmen lasse, daß nur der jeweilige Betreiber des Gasthauses zur Geltendmachung des vereinbarten Wettbewerbsverbotes berechtigt sein solle.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Die Klägerinnen leiten den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht aus einem deliktischen Eingriff der Beklagten in ihre absolute Position als Miteigentümerinnen der teilweise in Bestand gegebenen Liegenschaft ab, in welchem Fall jeder Teilhaber - selbst der Minderheitseigentümer - zur Abwehr rechtswidriger Eingriffe Dritter in das gemeinschaftliche Recht befugt wäre (Gamerith in Rummel, ABGB2 Rz 6 zu § 828 und die dort angeführte Rsp), sondern aus der Verletzung eines vertraglich vereinbarten Konkurrenzverbotes durch den Bestandnehmer, also aus einer Vertragsverletzung. Ein solcher Anspruch der Bestandgeber ist zwar, wenn sich die Bestandsache - wie hier - im Miteigentum mehrerer Bestandgeber befindet und die Parteien des Bestandvertrages nichts anderes vereinbart haben, eine Gesamthandforderung nach § 848 Satz 2, § 890 ABGB (Gamerith aaO Rz 5 zu § 848; NZ 1986, 275; MietSlg 39.064 ua), die demnach im allgemeinen nur entweder von allen Bestandgebern (Miteigentümern) gemeinsam oder von jenem Miteigentümer, der die ganze Gemeinschaft im Sinne des § 848 Satz 2 ABGB "ordentlich vorstellt", geltend gemacht werden kann; das gilt aber dann nicht, wenn die Gesamthandforderung Leistungen wie Räumung, Unterlassung, Wiederherstellung des früheren Zustandes oder Abgabe von Erklärungen betrifft, die zwangsläufig allen Mitgläubigern in gleicher Weise zustatten kommen: Solche Leistungen, die ihrer Natur nach alle Mitgläubiger befriedigen, kann jeder einzelne Mitgläubiger (Miteigentümer) auch ohne Sicherstellung nach Art des § 890 ABGB geltend machen (Gamerith aaO Rz 5 zu § 890 und die dort angeführte Lehre und Rsp). Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes sind die beiden Klägerinnen daher schon als Mitbestandgeber (Mitgläubiger) zur Geltendmachung des vertraglichen Unterlassungsanspruches legitimiert, mögen sie auch jeweils nur Minderheits- und zusammen nur Hälfteeigentümer des in Bestand gegebenen Liegenschaftsteiles sein.
Zum vertraglichen Konkurrenzverbot selbst hat der erkennende Senat folgendes erworgen:
Mögen auch Konkurrenzverbote im allgemeinen einschränkend auszulegen sein, so darf doch gemäß § 914 ABGB nicht an ihrem buchstäblichen Sinn gehaftet werden, sondern es ist die Absicht der Parteien, d.i. der objektiv erkennbare Zweck des Vertrages, maßgebend, der sich aus der Übung des redlichen Verkehrs ergibt (MR 1988, 20 - Pommes-frites = GesRZ 1988, 107 = RdW 1988, 88 = WBl 1988, 31). Fraglos liegt aber der klar erkennbare Zweck des im Bestandvertrag des Jahres 1965 vereinbarten Konkurrenzverbotes darin, den gegenüber der Tankstelle des Bestandnehmers gelegenen Gasthausbetrieb nicht durch den konkurrenzierenden Vertrieb oder Ausschank von Speisen, Lebensmitteln, Reiseproviant und Getränken zu beeinträchtigen. Schon aus der Formulierung "keine wie immer geartete Konkurrenz" leuchtet hervor, daß der angestrebte Wettbewerbsausschluß in möglichst umfassender Weise bewirkt werden sollte.
Nach den Feststellungen findet aber nun eine dem Wettbewerbsverbot widerstreitende Konkurrenzierung des Gasthausbetriebes der Erstklägerin im Tankstellen-Shop der Beklagten statt. Der aus der Vereinbarung hervorleuchtende umfassende Schutzzweck des Konkurrenzverbotes verbietet selbst geringfügige Wettbewerbseingriffe, sodaß es entgegen der Meinung der Beklagten auf den Umfang der im Gasthausbetrieb der Erstklägerin tatsächlich angebotenen und umgesetzten gleichartigen Waren nicht ankommt. Dieser umfassende Zweck des im Jahre 1965 vereinbarten und 1985 verlängerten Wettbewerbsverbotes schließt auch eine Bedachtnahme auf gewerberechtliche Befugnisse des Tankstelleninhabers aus. Zu diesen Zeitpunkten hätte nämlich ein Tankstellenbetreiber zu einem Gastgewerbetreibenden nur in Wettbewerb treten können, wenn er die entsprechenden (zusätzlichen) Gewerbeberechtigungen erlangt hätte. Die Beklagte kann sich daher auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß seit der Gewerberechtsnovelle 1988 ein zum Betrieb von Tankstellen berechtigter Gewerbetreibender auch zum Kleinhandel mit bestimmten Waren und mit alkoholfreien Erfrischungstränken in verschlossenen Gefäßen berechtigt ist (§ 119 Abs 2 Satz 2 GewO 1973 idF der GRNov 1988; nunmehr § 171 Abs 2 Satz 2 GewO 1994), wozu aber Gastgewerbetreibende schon seit jeher (auch) berechtigt waren (vgl nunmehr § 144 GewO 1994). Ebensowenig kann in der auf die Dauer des - seit 1985 auf unbestimmte Zeit verlängerten - Bestandvertrages vereinbarten Geltung des Konkurrenzverbotes allein schon eine sittenwidrige Knebelung des Bestandnehmers liegen, stand der Abschluß eines Bestandvertrages und dessen Verlängerung doch im privatautonomen Belieben des (der) Eigentümer(s) der Bestandsache und lag es doch auch zweifellos im berechtigten Interesse eines Miteigentümers auf Bestandgeberseite, daß der Bestandnehmer auf dem ihm in Bestand gegebenen Liegenschaftsteil dessen unmittelbar benachbarten Gewerbebetrieb nicht konkurrenziert.
Die Beklagte muß sich den festgestellten Betrieb des Tankstellen-Shops ihres Stationärs schon deshalb als eigenen Verstoß gegen das vertragliche Konkurrenzverbot und damit als Verletzung einer wesentlichen Vertragspflicht zurechnen lassen, weil sie als Bestandnehmerin nicht nur die Verpflichtung zur Unterlassung eigener Konkurrenzhandlungen trifft, sondern ausdrücklich auch diejenige, eine Konkurrenzierung (durch Dritte) nicht zu dulden (vgl JBl 1983, 592).
Diese Erwägungen führen bereits in Stattgebung der Revision zur Wiederherstellung des Ersturteils einschließlich seines Ausspruches im Kostenpunkt, zumal dieser auch unangefochten geblieben ist.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Bemessungsgrundlage konnte jedoch mangels anderweitiger Behauptung nur der aus Beilage B hervorgehende umsatzunabhängige Jahresbestandzins von 57.600 S bzw der in der Revision verzeichnete niedrigere Ansatz sein.