OGH vom 20.03.2007, 4Ob31/07y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Johann S*****, vertreten durch Engin-Deniz Reimitz Hafner Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Markus B*****, 2. Mag. Axel M*****, beide vertreten durch Pistotnik Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in Wien, 3. Wolfgang Z*****, vertreten durch Dr. Hubert Simon, Rechtsanwalt in Wien, 4. Sonja M*****, vertreten durch Mag. Andreas Köttl, Rechtsanwalt in Salzburg, 5. Inge S*****, vertreten durch Dr. Josef Goja, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen insgesamt 33.429,50 EUR sA (Revisionsinteresse 6.685,90 EUR sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 26/06h-87, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 4 Cg 60/01i-83, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die spätere Gemeinschuldnerin A***** GmbH (im Folgenden: GmbH) wurde im Juli 1999 gegründet. Die Fünftbeklagte war Gründungsgesellschafterin und ab - neben der von Anfang an als Geschäftsführerin tätigen Viertbeklagten - kollektiv vertretungsbefugte Geschäftsführerin. Mit Schreiben vom erklärte die Fünftbeklagte gegenüber sämtlichen Gesellschaftern ihren Rücktritt als Geschäftsführerin. Die Gesellschafter nahmen diese Erklärung zur Kenntnis. Bei einer Besprechung am wurde vereinbart, dass die Fünftbeklagte zum ausscheiden solle; ihr Angestelltenverhältnis wurde zu diesem Termin gekündigt, und sie hat mit Ablauf dieses Tags jede Tätigkeit für die GmbH eingestellt. Mit Notariatsakt vom trat die Fünftbeklagte ihren Geschäftsanteil an vier Personen (darunter drei bisherige Gesellschafter der GmbH) ab. Gleichzeitig verpflichtete sich die GmbH, ein ihr von der Fünftbeklagten im Juli 1999 gewährtes Darlehen, das mit S 225.194,75 (= 16.365,54 EUR) samt Zinsen aushaftete, bis spätestens zurückzuzahlen. In einer außerordentlichen Generalversammlung der GmbH am beschlossen die Gesellschafter, das Stammkapital der GmbH unter Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts der bisherigen Gesellschafter von 70.000 EUR auf 116.656,66 EUR zu erhöhen. Mit der Vorbereitung dieser Kapitalerhöhung und der Anwerbung von Investoren war die Fünftbeklagte nicht befasst. Am trat der Kläger mit notarieller Beitritts- und Übernahmeerklärung der GmbH bei und übernahm einen Erhöhungsteilbetrag von 2.332,83 EUR sowie ein Agio von 31.096,67 EUR. Er zahlte daraufhin 33.429,50 EUR. Diese Leistung wurde dem Gesellschaftskonto am gutgeschrieben. Am überwies die GmbH von ihrem Geschäftskonto wie vereinbart 250.000 S (= 18.168,21 EUR) als Darlehensrückzahlung an die Fünftbeklagte. Am wurden die Kapitalerhöhung und der neue Gesellschafter in das Firmenbuch eingetragen. Mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet.
Der Kläger begehrt von den fünf Altgesellschaftern der GmbH jeweils ein Fünftel seiner Einlage, nämlich je 6.685,90 EUR sA Er sei mit Beitritts- und Übernahmserklärung vom im Zuge einer Kapitalerhöhung der GmbH als Neugesellschafter beigetreten und habe neben dem auf ihn entfallenden Erhöhungsteilbetrag von 2.332,83 EUR noch ein Agio von 31.096,67 EUR an die GmbH gezahlt. Die GmbH sei im Zeitpunkt des Eintritts des Klägers als Gesellschafter insolvent gewesen, der Kläger habe daher für seine Kapitaleinlage einen in Wahrheit wertlosen Geschäftsanteil an der GmbH erworben. Dieses Rechtsgeschäft zwischen dem Kläger und der GmbH sei wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Werts und infolge Wandlung aufzuheben. Die Altgesellschafter seien durch die Rückzahlung von Bankkrediten mit den durch die Kapitalerhöhung aufgebrachten Mitteln von ihrer Haftung als Bürgen und Zahler frei geworden und dadurch bereichert. Auch die Fünftbeklagte habe von der GmbH am aus im Zuge der Kapitalerhöhung erlangten Geldern 250.000 S (= 18.168,21 EUR) ausgezahlt erhalten. Der Kläger besitze nach Wandlung des Vertrags zwischen ihm und der GmbH einen Verwendungsanspruch gegenüber den Altgesellschaftern. Die Beklagten hafteten auch aus dem Titel des Schadenersatzes, weil sie den Kläger anlässlich der Kapitalerhöhung nicht über die tatsächlichen Vermögensverhältnisse der GmbH aufgeklärt hätten. Die Fünftbeklagte werde als Gesellschafterin im Rahmen der Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung, wegen eines Delikts nach § 122 GmbHG und wegen der unrichtigen Darstellung der Vermögensverhältnisse der Gesellschaft im Rahmen der Anwerbung des Klägers als neuen Gesellschafters in Anspruch genommen. Der Schadenersatzanspruch gegen die Fünftbeklagte werde insbesondere auch auf Konkursverschleppung im Hinblick auf § 69 KO und § 159 Abs 2 StGB gestützt. Nach dem Inhalt des im Strafverfahren ergangenen Gutachtens (Beil ./F) sei die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin in der zweiten Jahreshälfte 1999 eingetreten und zu diesem Zeitpunkt für die Beteiligten subjektiv erkennbar gewesen. Damals sei die Fünftbeklagte Geschäftsführerin der GmbH und daher verpflichtet gewesen, einen Antrag auf Konkurseröffnung zu stellen. Wäre dies rechtzeitig geschehen, hätte der Kläger keinen Vermögensschaden erlitten, weil er dann nicht Gesellschafter der GmbH geworden wäre.
Die Fünftbeklagte wendete ein, mit Schreiben vom die Geschäftsführung niedergelegt, mit jede Tätigkeit für die GmbH eingestellt und mit Notariatsakt vom ihre Geschäftsanteile abgetreten zu haben. Mit der Aufnahme neuer Gesellschafter habe sie nichts zu tun gehabt. Der Kläger könne nach Eintragung als Gesellschafter im Firmenbuch keine Mängel der Übernahme von Gesellschaftsanteilen geltend machen. Er besitze auch keinen Verwendungsanspruch gegen die Fünftbeklagte, weil die GmbH mit der beanstandeten Zahlung eine Darlehensverbindlichkeit erfüllt habe. In dem Zeitraum, in dem die Fünftbeklagte Geschäftsführerin gewesen sei, sei die Gemeinschuldnerin weder zahlungsunfähig noch überschuldet gewesen. Die auf Konkursverschleppung gestützten Schadenersatzansprüche seien verjährt.
Das Erstgericht wies mit Teilurteil das Klagebegehren gegenüber der Fünftbeklagten ab. Ein Bereicherungsanspruch setze die Auflösung des Übernahms- und Beitrittsvertrags vom ex tunc voraus, weil nur dann eine rechtsgrundlose Leistung vorläge. Mängel der Übernahme könnten aber nach Eintragung im Firmenbuch nicht mehr geltend gemacht werden. Eine Anfechtung der Übernahmserklärung nach diesem Zeitpunkt sei ausgeschlossen, womit dem Rückabwicklungsanspruch gegenüber der Fünftbeklagten die Grundlage fehle. Da die Fünftbeklagte weder an der Kapitalerhöhung noch an der Werbung neuer Investoren beteiligt gewesen sei, könne ihr kein schadensstiftendes Verhalten vorgeworfen werden. Für Vorgänge nach dem sei sie nicht mehr verantwortlich. Wann die materielle Insolvenz der GmbH eingetreten sei, stehe nicht fest; damit sei dem weiteren Vorwurf, die Fünftbeklagte hätte noch während ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin die Konkurseröffnung beantragen müssen, der Boden entzogen.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob vom Schutzzweck des § 69 Abs 2 KO auch Personen umfasst seien, die sich nach beschlossener Kapitalerhöhung an einer GmbH beteiligt hätten und in der Folge aus dem Titel des Schadenersatzes ihre Kapitalbeteiligung von den zur Konkursanmeldung verpflichteten Vertretern der GmbH persönlich zurückverlangten. Das im Strafverfahren erstattete und vom Kläger vorgelegte Sachverständigengutachten sei verlesen worden. Die Ausführungen des Sachverständigen stützten den Standpunkt des Klägers, die Zahlungsunfähigkeit der GmbH sei objektiv bereits im zweiten Halbjahr 1999 eingetreten und subjektiv für die Geschäftsführung im gleichen Zeitraum erkennbar gewesen. Gegenteilige Beweisergebnisse lägen nicht vor. Bei dieser Beweislage habe der Kläger daher davon ausgehen können, seiner Beweispflicht nachgekommen zu sein, auch wenn sich das Sachverständigengutachten nicht unmittelbar auf die Fünftbeklagte beziehe, die ja nicht Beschuldigte im Strafverfahren gewesen sei. Im Fall gegenteiliger Meinung wäre die Erstrichterin verpflichtet gewesen, den Kläger darüber aufzuklären und ihm die Gelegenheit zu geben, allfällige weitere Beweisanträge zu stellen. Die negative Feststellung zum Zeitpunkt der Konkursreife der GmbH sei aber aus rechtlichen Gründen nicht entscheidungswesentlich, weshalb der aufgezeigte Verfahrensmangel nicht schlagend werde und auf die Tatsachenrüge nicht näher einzugehen sei.
Der Kläger habe seinen Schadenersatzanspruch gegen die Fünftbeklagte auch darauf gestützt, diese habe die sie als Geschäftsführerin der GmbH treffende Verpflichtung nach § 69 KO verletzt, die Konkurseröffnung zu beantragen; im Fall rechtzeitiger Antragstellung wäre es nicht zu seinem Eintritt in die Gesellschaft und damit auch nicht zum Schaden gekommen. § 69 KO sei ein Schutzgesetz im Sinn des § 1311 ABGB, und zwar grundsätzlich zugunsten aller durch die nicht rechtzeitige Konkurseröffnung geschädigten Gläubiger. Umstritten sei, ob einem Neugläubiger - der seine Konkursforderungen erst „nach objektiv erkennbarem Insolvenzeintritt" erworben habe - der Ersatz des Vertrauensschadens nur bei einer dem Vertreter der insolventen Gesellschaft ausnahmsweise persönlich zurechenbaren Verletzung der Aufklärungspflichten oder schon wegen schuldhafter Verletzung der Konkursantragspflicht durch die persönlich für die Antragstellung verantwortlichen organschaftlichen Vertreter zustehe. Dies hänge davon ab, ob der Schutzzweck der Konkursantragspflicht nur darauf gerichtet sei, die Gesamtheit der Gläubiger vor einer weiteren Verschlechterung ihrer Befriedigungsaussichten zu schützen, oder ob die Konkursantragspflicht auch potenzielle Gläubiger vor einer Kreditierung an die insolvente Gesellschaft bewahren solle. Der Kläger sei nicht einem Neugläubiger vergleichbar, der mit der bereits insolventen Gesellschaft kontrahiert und eine Forderung erworben habe. Die Gesellschafter hätten vielmehr am (ungeachtet einer möglicherweise schon damals bestehenden Insolvenz der Gesellschaft) eine Kapitalerhöhung beschlossen und im Rahmen deren Durchführung den Kläger als neuen Gesellschafter gewonnen, weil er - seinem Vorbringen nach - über die wahren Verhältnisse der GmbH nicht aufgeklärt worden sei. Während des Zeitraums der Geschäftsführertätigkeit der Fünftbeklagten sei eine Kapitalerhöhung nicht im Raum gestanden; die Fünftbeklagte habe auch eine allfällige mangelhafte Aufklärung des Klägers vor Abschluss des Beitritts- und Übernahmevertrages nicht zu verantworten. Vom Schutzzweck des § 69 Abs 2 KO seien keine "Neugläubiger" umfasst, die sich nach beschlossener Kapitalerhöhung an einer GmbH beteiligt hätten und in der Folge aus dem Titel des Schadenersatzes ihre Kapitalbeteiligung von den Geschäftsführern persönlich rückersetzt begehrten und die Aufhebung des Beitritts- und Übernahmevertrages anstrebten. Mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs komme es deshalb nicht darauf an, ob die Fünftbeklagte die Pflicht, einen Konkursantrag zu stellen, verletzt habe, und wann die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der GmbH eingetreten sei. Damit müsse auch der Einwand, die Schadenersatzansprüche seien verjährt, nicht geprüft werden. Auch der auf § 1041 ABGB gestützte Verwendungsanspruch bestehe nicht zu Recht. Mängel eines Beitritts- und Übernahmevertrages anlässlich einer Kapitalerhöhung - wie Irrtum, List, Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes ua - könnten nämlich nur bis zur Eintragung der Kapitalerhöhung geltend gemacht werden; nach diesem Zeitpunkt könne der Vertrag nicht mehr ex tunc aufgelöst werden. Sobald ein Beschluss auf Erhöhung des Stammkapitals im Firmenbuch eingetragen worden sei, wirke er gegenüber jedermann, weshalb die Übernahmserklärung oder der Übernahmsvertrag gegenüber der GmbH nicht mehr angefochten werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; das Rechtsmittel ist berechtigt im Sinne seines Aufhebungsantrags.
1. Der Kläger macht geltend, im Fall der Übertretung eines Schutzgesetztes hafte der Verletzer für alle Schäden, deren Verhinderung die betreffende Norm zumindest mitbezwecke. § 69 KO verfolge den Zweck, Neugläubiger einer insolventen Gesellschaft vor Vertrauensschäden zu schützen, insolvente Gesellschaften aus dem Rechtsverkehr zu ziehen und jene zu schützen, die sich mit solchen Vertragspartnern nicht einlassen würden. Auch Neugesellschafter, die der Gesellschaft in der Krise im Zuge einer Kapitalerhöhung beigetreten seien, fielen unter den Schutzzweck dieser Norm, mache es doch keinen Unterschied, ob die außergerichtliche Sanierung eines insolvenzgefährdeten Unternehmens durch Kapitalzufluss eines dritten Kreditgebers oder eines neu eintretenden Gesellschafters im Zuge einer Kapitalerhöhung versucht werde. Werde letzterer vor dem Eintritt in die Gesellschaft nicht über deren wahren finanziellen Verhältnisse aufgeklärt, sei er gleich schutzwürdig wie ein Kreditgeber, der infolge fehlender Informationen eine „faule" Forderung gegen die Gesellschaft erwerbe. In beiden Fällen handle es sich um einen sich typisch aus der Insolvenz ergebenden Schaden.
2. Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist nur für jene Schäden zu haften, welche die übertretene Verhaltensnorm gerade verhindern sollte (Rechtswidrigkeitszusammenhang; RIS-Justiz RS0022933). Bei der Frage, welche Schadensfolgen dem Haftenden noch zuzurechnen sind, muss deshalb stets untersucht werden, aus welchen Gründen die die Haftpflicht anordnende Norm aufgestellt wurde und welche Schäden nach dem Zweck des Gesetzes von der Ersatzpflicht noch erfasst werden sollen (4 Ob 2079/96f = RIS-Justiz RS0027553 [T5]). Entscheidend ist der Normzweck, der durch teleologische Auslegung zu ermitteln ist und für den personalen, gegenständlichen und modalen Schutzbereich bedeutsam ist, wonach sowohl der Geschädigte als auch die Art des Schadens und die Form seiner Entstehung vom Schutzzweck erfasst sein müssen (Karner in KKB, § 1295 Rz 9 mwN). Es genügt dabei, dass die Verhinderung des Schadens bloß mitbezweckt ist; die Norm muss aber die Verhinderung eines Schadens wie des später Eingetretenen beabsichtigt haben (2 Ob 2028/96s = RIS-Justiz RS0027553 [T6]).
3. § 69 Abs 2 KO verpflichtet unter anderem den Geschäftsführer einer GmbH, bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Konkurseröffnung spätestens binnen 60 Tagen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit die Konkurseröffnung zu beantragen. Es ist allgemein anerkannt, dass diese Bestimmung zumindest weitere Schmälerungen der Befriedigung der Gläubiger einer insolventen juristischen Person verhindern will; sie ist deshalb ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB (RIS-Justiz RS0065125) zugunsten aller durch die nicht rechtzeitige Konkurseröffnung geschädigten Gläubiger der Gesellschaft (Nachweise bei Dellinger in Konecny/Schubert, § 69 KO Rz 70; stRsp RIS-Justiz RS0027441 und RIS-Justiz RS0027475 [T6]).
4. Umstritten ist, ob der Schutzzweck der Konkursantragspflicht nur darauf gerichtet ist, die Gesamtheit der Gläubiger vor einer weiteren Verschlechterung ihrer Befriedigungsaussichten zu schützen, oder ob diese Pflicht auch potentielle Gläubiger vor einer Kreditierung an die insolvente Gesellschaft bewahren soll. Die österreichische Lehre ist in dieser Frage tief gespalten. Die einen nehmen an, dass die Konkursantragspflicht die Teilnehmer am rechtsgeschäftlichen Verkehr vor dem Erwerb „fauler Forderungen für gutes Geld" schützen soll, der Vertrauensschaden also vom Schutzzweck erfasst sei; die anderen billigen der Konkursantragspflicht nur den engeren Schutzzweck einer Verhinderung von Quotenverschlechterung im Interesse der Gesamtgläubigerschaft zu (zum Meinungsstand ausführlich Dellinger aaO Rz 84 ff).
5. Im Anlassfall wird der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens nicht von einem „Neugläubiger" geltend gemacht, der seine Forderung gegen die spätere Gemeinschuldnerin erst nach Eintritt von deren Zahlungsunfähigkeit erworben hat, sondern von einem „Neugesellschafter", der sich nach beschlossener Kapitalerhöhung erstmals an der späteren Gemeinschuldnerin beteiligt hat; eine Quotenverschlechterung im zuvor aufgezeigten Sinn zu Lasten des Klägers kommt damit hier von vornherein nicht in Betracht.
6.1. Höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt. Im Zusammenhang mit Ersatzansprüchen von Neugläubigern hat der Oberste Gerichtshof in seiner älteren Rechtsprechung Vertrauensschaden zugesprochen, in den letzten Jahren hingegen (beginnend mit der Entscheidung 1 Ob 608/87 = SZ 60/179 und gestützt auf die ältere Rechtsprechung des BGH) einen allein auf die Verletzung des § 69 KO gestützten Vertrauensschadenersatzanspruch der Neugläubiger regelmäßig verneint (RIS-Justiz RS0023910; weitere Nachweise bei Dellinger aaO Rz 84).
6.2. Beginnend mit der Entscheidung II ZR 292/91 (= BGHZ 126, 181) hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung zur Haftung bei Insolvenzverschleppung aufgegeben und spricht nunmehr bei Verletzung der Konkursantragspflicht Neugläubigern Vertrauensschadenersatz zu (zuletzt etwa BGH , II ZR 390/03; zu dieser Position s näher Dellinger aaO Rz 85).
6.3. Nach dieser Rechtsprechungswende in Deutschland hat der 7. Senat in einer Entscheidung, die sich mit dem Umfang des Schadenersatzes von Neugläubigern befasst (7 Ob 2339/96p = SZ 70/215), im Anschluss an Reich-Rohrwig (GmbH-Recht² I Rz 2/474) die Auffassung vertreten, § 69 KO und § 159 Abs 1 Z 2 StGB solle die Wirkung zuerkannt werden, die die Konkursantragspflicht naheliegenderweise bezwecke, nämlich insolvente Gesellschaften aus dem Rechtsverkehr zu ziehen und daher jene zu schützen, die sich sonst mit dieser Gesellschaft nicht einlassen würden; dementsprechend sei dem Neugläubiger stets der Vertrauensschaden zu ersetzen. Mit diesem Ansatz lehnt sich der 7. Senat offenbar an die Position des BGH in seiner jüngeren Rechtsprechung an. Bereits in der Entscheidung 6 Ob 656/90 = SZ 65/155 hat der Oberste Gerichtshof das negative Vertragsinteresse (den Vertrauensschaden) eines Neugläubigers als ersatzfähig anerkannt.
7.1. Dellinger (aaO Rz 87 ff) verweist in seiner Analyse des Normzwecks von § 69 Abs 2 KO darauf, dass den Gesetzesmaterialien kein Hinweis darauf zu entnehmen sei, die Bestimmung diene auch dem Schutz vor Vertrauensschäden. Gegen eine weite Interpretation des Schutzzwecks der Konkursantragspflicht spreche, dass dadurch der Geschäftsführer auch in Fällen, in denen ihm nur Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, außerhalb einer gesetzlichen oder vertraglichen Sonderbeziehung einer sehr weit reichenden Haftung ausgesetzt würde. Keine Rechtfertigung für eine derart weit reichende Haftung liefere das Gläubigerschutzkonzept des Kapitalgesellschaftsrechts, bestehe doch in Österreich - anders als in Deutschland - eine allgemeine Konkursantragspflicht für jeden zahlungsunfähigen Schuldner. Vor diesem unterschiedlichen Hintergrund sei das vom BGH angeführte Argument, die Konkursantragspflicht sei Konsequenz der beschränkten Haftung, nicht in das österreichische Recht übertragbar. Dem Argument des BGH, die Grundlage einer Haftung des Geschäftsführers gegenüber Neugläubigern liege in der Nichtentfernung der GmbH aus dem Rechtsverkehr, sei entgegenzuhalten, dass ein Konkursantrag die GmbH nur auflöse, aber nicht aus dem Rechtsverkehr entferne; im Fall eines Ausgleichsantrags bestehe die GmbH sogar als werbende Gesellschaft fort. Für natürliche Personen gelte überhaupt, dass sie auch nach Stellung eines Konkursantrags zunächst mit all ihren Schulden weiterlebten und im Fall des Verschweigens ihrer Lage bei fortgesetzter Kreditaufnahme weiterhin eine Bedrohung für den Rechtsverkehr bildeten; bei dieser Personengruppe bezwecke die Konkursantragspflicht daher allein die Sicherung der Konkursmasse und die möglichst gleichmäßige Befriedigung der Konkursgläubiger. Insolvente Kapitalgesellschaften würden meist erst durch die Amtslöschung (§ 40 Abs 1 FBG) aus dem Verkehr gezogen; der Konkursantrag bringe daher - mangels öffentlicher Bekanntmachung - per se noch keine Gefahrenbeseitigung mit sich. Auch nach diesem Zeitpunkt sei die GmbH nicht vollbeendet und damit die Gefahr, eine „faule" Forderung zu erwerben, nicht ausgeschlossen. Vertrauensschadenersatz setzte die Verletzung einer vertrauensschützenden Norm und nicht bloß die Nichtbeseitigung einer Gefahrenquelle voraus. Die Konkursantragspflicht des § 69 Abs 2 KO sei keine solche vertrauensschützende Norm, sie bezwecke nur die Erhaltung der Konkursmasse.
7.2. Schumacher (in Buchegger, Insolvenzrecht4 § 69 Rz 112 ff) schließt daraus, dass der Gesetzgeber mit der 60 Tage-Frist des § 69 Abs 2 KO eine zeitlich sehr kurze Frist zur Sanierung einer zahlungsunfähig gewordenen GmbH zur Verfügung stelle, dass durch diese Norm - als Zusatzeffekt - auch die Konkursmasse geschützt werden solle. Typischerweise begrenze aber eine zeitliche Befristung von außergerichtlichen Sanierungsversuchen vor allem die Gefahr, dass neue Gläubiger nach Ausbruch der finanziellen Krise im Vertrauen auf die aufrechte Zahlungsfähigkeit/Nichtüberschuldung Leistungen erbrächten, dafür aber keine Gegenleistung oder nur eine Konkursquote erhielten. Die Erfüllung der Insolvenzantragspflicht verhindere damit gerade den Eintritt des Risikos der Neugläubigerschäden. § 69 Abs 2 KO habe daher jedenfalls auch den Schutz der Neugläubiger vor Vertrauensschäden zum Ziel. Für diesen Standpunkt spreche auch die einem insolventen Schuldner eingeräumte Möglichkeit, rechtzeitig die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens zu beantragen. Damit werde das insolvente Unternehmen zwar nicht aus dem Geschäftsverkehr gezogen, aber eine Aufsicht des Masseverwalters und der Gläubiger über den Geschäftsbetrieb begründet; ein mit dem Schuldner neu kontrahierender Gläubiger erwerbe diesfalls eine voll zu befriedigende Geschäftsführungsforderung, die im Fall eines Anschlusskonkurses als Masseforderung zu behandeln sei. Diese schuldnerische Handlungsalternative genüge der Antragspflicht des § 69 Abs 2 KO deshalb, weil auch sie die Neugläubiger vor typischen Vertrauensschäden schütze.
8.1. Der Senat hält die von Schumacher und Reich-Rohrwig zum Ersatz von Vertrauensschäden von Neugläubigern bei Konkursverschleppung vertretene Position für überzeugend und schließt sich ihr an. Es ist dann nur konsequent, diese Auffassung gleichermaßen auf Neugesellschafter - wie hier den Kläger - zu übertragen, die durch den erstmaligen Erwerb von Geschäftsanteilen einer insolventen GmbH einen Vermögensschaden erleiden.
8.2. Die voranstehenden Erwägungen lassen sich vor dem Hintergrund des hier zu beurteilenden Sachverhalts in folgender Weise zusammenzufassen:
Die Erfüllung der Pflicht, die Konkurseröffnung gemäß § 69 Abs 2 KO zu beantragen, bezweckt nicht nur den Schutz von Altgläubigern vor der durch eine Konkursverschleppung eintretenden Quotenverschlechterung, sondern auch den Schutz von Neugesellschaftern vor Vermögensschäden, die diese durch eine Gesellschaftsbeteiligung nach dem für die Antragspflicht gemäß § 69 Abs 2 KO maßgebenden Zeitpunkt im Vertrauen auf die Werthaltigkeit ihrer Investition erleiden; solchen Neugesellschaftern ist daher im Fall einer Verletzung des § 69 Abs 2 KO durch den Geschäftsführer einer GmbH der Vertrauensschaden zu ersetzen.
9. Die Fünftbeklagte hat - nach den Behauptungen des Klägers - den durch Erwerb einer wertlosen Beteiligung an der GmbH eingetretenen Vermögensschaden des Klägers deshalb schuldhaft verursacht, weil sie es in der zweiten Jahreshälfte 1999 als damalige Geschäftsführerin der GmbH trotz der für sie erkennbaren Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft unterlassen habe, einen Antrag auf Konkurseröffnung zu stellen. Dieser Vertrauensschaden fällt unter den Schutzzweck des von der Fünftbeklagten - nach einem geltend gemachten Klagegrund - verletzten § 69 Abs 2 KO.
9.1. Ob der vom Kläger verfolgte Schadenersatzanspruch zu Recht besteht, kann nach dem bisherigen Verfahrensstand nicht abschließend beurteilt werden. Das Berufungsgericht hat nämlich die negative Feststellung des Erstgerichts, es könne nicht festgestellt werden, ob die GmbH bereits vor dem zahlungsunfähig oder überschuldet gewesen sei, nicht übernommen und das Verfahren insoweit infolge Verletzung der Anleitungspflicht für an sich ergänzungsbedürftig gehalten, von einem Ergänzungsauftrag jedoch auf Grund einer vom erkennenden Senat nicht geteilten Rechtsansicht Abstand genommen. Es bedarf somit der vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltenen Verfahrensergänzung dazu, ob die GmbH bereits in der zweiten Jahreshälfte 1999 zahlungsunfähig war und ob dies für die Fünftbeklagte erkennbar war.
9.2. Die Fünftbeklagte hat das Bestehen eines Schadenersatzanspruchs unter anderem mit dem Einwand bestritten, ihr sei keinerlei Fehlverhalten vorzuwerfen (Schriftsatz ON 14 S 4). Darin liegt aber auch die Behauptung der alleinigen Verantwortlichkeit des Klägers für den von ihm behaupteten Vermögensschaden. Der Prozessstandpunkt der Fünftbeklagten ist damit einer Behauptung des Alleinverschuldens des Geschädigten am eingetretenen Schaden gleichzuhalten. In der Behauptung des Alleinverschuldens liegt aber als minus auch der Einwand eines Mitverschuldens des Geschädigten (1 Ob 154/98y = SZ 71/139; RIS-Justiz RS0027044). Im fortgesetzten Verfahren wird mit den Parteien daher zu erörtern sein, ob und inwieweit der Kläger den behaupteten Schaden durch eine allfällige Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten selbst verschuldete, obliegt es doch grundsätzlich jedem, der als Gesellschafter in eine GmbH einzutreten beabsichtigt, die damit für ihn verbundenen finanziellen Risken nach Beschaffung entsprechender Informationen eigenverantwortlich abzuschätzen. Es wird insofern zunächst an der Fünftbeklagten liegen, ein Eigen-(mit-)verschulden des Klägers durch konkrete Prozessbehauptungen zu substanziieren.
10. In Ansehung des geltend gemachten Verwendungsanspruchs tritt der Oberste Gerichtshof der im Einzelnen vom Berufungsgericht begründeten Ansicht bei. Insofern genügt gemäß § 510 Abs 3 ZPO ein Verweis auf die Richtigkeit dieser Gründe.
11. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.