OGH vom 11.11.1998, 7Ob268/98g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schalich, Dr. Tittel und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter St*****, vertreten durch Dr. Jakob Oberhofer und Dr. Johannes Hibler, Rechtsanwälte in Lienz, wider die beklagte Partei Qu***** AG, ***** vertreten durch Dr. Helmut Mäser, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 13 Cg 1045/92z des Landesgerichtes Innsbruck (Streitwert S 115.883,47), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 1 R 121/98y-11, womit - im Ergebnis - der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 13 Cg 301/97w-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S
8.112 bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten S 1.352 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Im Verfahren 13 Cg 1045/92z des Landesgerichtes Innsbruck erwirkte die Beklagte am ua gegen den Kläger ein Versäumungsurteil gemäß der §§ 396, 398 ZPO, mit dem der Kläger zur Zahlung von S 117.667,46 sA an die Beklagte verurteilt wurde. Die Klage enthielt das Tatsachenvorbringen, daß die Beklagte dem Kläger über dessen Antrag einen Teilzahlungskredit eingeräumt habe, der wegen eingetretenen Terminsverlustes in der eingeklagten Höhe zur Rückzahlung fällig geworden sei.
Mit der vorliegenden, ausdrücklich nur auf den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 1 ZPO gestützten Wiederaufnahmsklage beantragt der Kläger, ihm die Wiederaufnahme des Verfahrens 13 Cg 1045/92z des Landesgerichtes Innsbruck zu bewilligen und das Versäumungsurteil vom , soweit es ihn betrifft, aufzuheben. Der im Prozeß als Beweismittel angebotene Kreditantrag sei ihm erst am zugekommen. Erst dadurch habe er feststellen können, daß die auf dieser Urkunde aufscheinende Unterschrift nicht von ihm stamme. Er erkenne darin die Handschrift seiner geschiedenen Ehefrau, die diesen Kreditantrag gefälscht habe. Das Vorbringen der Beklagten im Vorprozeß und das auf dieser Grundlage ergangene Versäumungsurteil beruhten daher auf einer falschen Urkunde.
Das Erstgericht wies - mit Urteil - die Wiederaufnahmsklage ab. Im Vorprozeß seien keine Beweise aufgenommen worden. Das Versäumungsurteil sei wegen der Säumnis des Beklagten mit der Erstattung der Klagebeantwortung ergangen. Es sei daher nicht auf die in Rede stehende Urkunde gestützt worden. Die Klage beruhe daher nicht auf einem gesetzlichen Wiederaufnahmsgrund.
Das Gericht zweiter Instanz hob das Urteil des Erstgerichtes aus Anlaß der Berufung auf und wies die Wiederaufnahmsklage zurück. Die Wiederaufnahmsklage sei zwar auch gegen ein Versäumungsurteil zulässig. Allerdings müsse der Wiederaufnahmskläger durch den Wiederaufnahmsgrund selbst benachteiligt sein und dürften im Wiederaufnahmsstreit alle jene Tatsachen, die von der Fiktion des § 396 ZPO betoffen würden, nicht berührt werden. Die Wiederaufnahmsklage gegen ein Versäumungsurteil sei insbesondere dann zulässig, wenn der Beklagte mangels Beweismitteln und damit ausreichender Verteidigung gegen sich ein Versäumungsurteil ergehen habe lassen, später solche Beweismittel jedoch auffinde. In einer solchen Wiederaufnahmsklage habe der Kläger zu behaupten, daß bei Anlegung eines objektiven Maßstabes ein verständiger Beklagter in der gleichen Situation eine Prozeßeinlassung in den Vorprozeß verweigert hätte. Entscheidungen in diesem Sinn seinen allerdings zum Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO ergangen, den der Kläger ausdrücklich nicht geltend mache. Wäre das geschehen, dann fehlten aber Ausführungen in der Klage darüber, daß der Kläger ohne sein Verschulden außerstande gewesen sei, die neuen Tatsachen oder Beweismittel schon im Vorprozeß rechtzeitig geltend zu machen, was zur Zurückweisung der Klage schon im Vorprüfungsverfahren führen hätte müssen. Der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 1 ZPO sei jedenfalls nicht gegeben. Er liege nur dann vor, wenn eine Urkunde, auf welche die Entscheidung gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht sei. Die vorsätzliche Fälschung der Urkunde im Sinne der §§ 223 f StGB müsse demnach für das Zustandekommen der Entscheidung kausal gewesen sein. Das könne aber auf eine in einer Klage als Beweismittel angebotene Urkunde dann nicht zutreffen, wenn es zu keiner Beweisaufnahme gekommen, sondern ein dem Klagebegehren stattgebendes echtes Versäumungsurteil im Sinne der §§ 396 und 398 ZPO ergangen sei. Ein solches stützte sich nicht auf die in der Klage angebotenen Beweismittel, sondern auf das in der Klage enthaltene, den Gegenstand des Rechtsstreites bildende Tatsachenvorbringen, welches gemäß § 396 ZPO für wahr zu halten sei, soweit es nicht durch vorliegende Beweise widerlegt werde. Der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund sei daher nicht geeignet, die Wiederaufnahme des durch ein Versäumungsurteil abgeschlossenen Vorprozesses zu rechtfertigen. Das Erstgericht hätte die Wiederaufnahmsklage schon im Vorprüfungsverfahren gemäß § 538 ZPO mit Beschluß zurückweisen müssen. Komme erst das Berufungsgericht zum Ergebnis, daß die Wiederaufnahmsklage, über die das Erstgericht entschieden habe, auf keinen gesetzlichen Anfechtungsgrund gestützt sei, so habe es aus Anlaß der Berufung das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage in sinngemäßer Anwendung des § 543 ZPO mit Beschluß zurückzuweisen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der "Rekurs" des Klägers.
Rechtliche Beurteilung
Aus § 543 ZPO ergibt sich, daß eine unschlüssige Wiederaufnahmsklage in jeder Lage des Verfahrens mit Beschluß zurückzuweisen ist (RZ 1990/71; Kodek in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 543; Fasching IV 558 f). Sofern sich das Gericht dabei in der Entscheidungsform vergreift und mit Urteil erkennt, liegt in Wahrheit dennoch ein Beschluß vor, welcher mit Rekurs anzufechten ist (SZ 18/56; SZ 10/19; EvBl 1958/64; JBl 1990, 253; Kodek aaO; Fasching aaO). Das Erstgericht hat mit seiner Begründung, daß kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 530 Abs 1 Z 1 ZPO vorliegt, eine Unschlüssigkeit der vorliegenden Wiederaufnahmsklage wahrgenommen. Das Gericht zweiter Instanz hatte somit als Rekursgericht die "Berufung" als Rekurs zu behandeln, was im Ergebnis auch geschehen ist. Das Rekursgericht hat mit seiner Entscheidung inhaltlich den vom Erstgericht wahrgenommenen Zurückweisungsgrund bestätigt. Es liegt demnach ein bestätigender Beschluß des Rekursgerichtes vor, der jedoch gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht absolut unanfechtbar ist, weil die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde. Diese Ausnahme von der Unanfechtbarkeit bestätigender Beschlüsse des Rekursgerichtes kommt nur bei der konformen Zurückweisung von solchen Klagen zur Anwendung, mit denen keine Sachentscheidung angestrebt, sondern eine bloße Formalentscheidung bekämpft wird (RZ 1993/64; RZ 1993/66; Kodek aaO Rz 3 zu § 528 ZPO). Es liegen auch die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO vor, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehlt, ob der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 1 ZPO vorliegt, wenn ein Versäumungsurteil gemäß § 396 ZPO erlassen wurde und eine gefälschte oder verfälschte Urkunde Anlaß für die für wahr zu haltenden Behauptungen des Klägers war. Der als Revisionsrekurs zu behandelnde Rekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Gemäß § 530 Abs 2 Z 1 ZPO kann ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden, wenn eine Urkunde, auf welche die Entscheidung gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht ist. Das angefochtene Urteil ist dann auf diese Urkunde gegründet, wenn sie für die Entscheidung kausal war (RZ 1992/63; Fasching aaO 503; Kodek aaO Rz 3 zu § 530 ZPO). Es genügt zwar mitwirkende Kausalität, die bereits dann gegeben ist, wenn die Urkunde neben anderen Erkenntnisquellen mit herangezogen wurde, das Urteil also unter Außerachtlassung der fälschlich nachgemachten Urkunde oder bei Benützung des unverfälschten Urkundentextes anders hätte ausfallen können (Fasching aaO; ders LB**2 Rz 2054). Die gefälschte oder verfälschte Urkunde muß demnach als Beweismittel aufgenommen, ihr (unrichtiger) Inhalt in die Feststellungen eingeflossen sein. Daß eine gefälschte oder verfälschte Urkunde bloß Anlaß für Tatsachenbehauptungen war, die gemäß § 396 ZPO bei der Fällung eines Versäumungsurteiles für wahr zu halten waren, reicht daher für die Begründetheit der Entscheidung darauf im Sinne des § 530 Abs 1 Z 1 ZPO nicht aus.
Gemäß § 396 ZPO ist in den dort und in § 398 ZPO genannten Säumnisfällen das tatsächliche Vorbringen der erschienenen Partei, soweit dasselbe nicht durch vorliegende Beweise widerlegt wird, für wahr zu halten und auf dieser Grundlage auf Antrag der erschienenen Partei über das Klagebegehren durch Versäumungsurteil zu erkennen. Grundlage eines solchen Versäumungsurteils sind demnach nicht die von der obsiegenden Partei genannten Beweismittel, sondern die von ihr vorgetragenen Tatsachenbehauptungen. Die Wahrheitsfiktion schließt jede Beweisaufnahme aus (Rechberger in Rechberger aaO Rz 2 zu §§ 396, 397 ZPO).
Zutreffend haben daher die Vorinstanzen erkannt, daß der Kläger nicht den gesetzlichen Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 1 ZPO geltend gemacht hat. Daraus folgt aber, daß die Wiederaufnahmsklage zu Recht zurückgewiesen wurde. Der Kläger macht das Auffinden der Urkunde ausdrücklich nicht als Grund für eine Wiederaufnahme gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend. Ob die Voraussetzungen hiefür vorlägen, muß daher nicht geprüft werden.
Das Rechtsmittel des Klägers hatte daher keinen Erfolg.
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Gemäß § 23 RATG idF BGBl I 140/97 ist - entgegen dem Kostenverzeichnis der Beklagten - für das Revisionsrekursverfahren weder ein doppelter noch ein dreifacher Einheitssatz vorgesehen.