OGH vom 22.11.1994, 4Ob561/94
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Rudolf P*****, Maschinenarbeiter, ***** 2.) Otto P*****, Pensionist, ***** 3.) Theresia S*****, Pensionistin, ***** 4.) Elfriede S*****, Hausfrau, ***** 5.) Melitta S*****, Hausfrau,***** alle vertreten durch Dr.Christian Függer und Dr.Joachim Brait, Rechtsanwälte in St.Pölten, wider die beklagte Partei Günther A*****, Angestellter,***** vertreten durch Dr.Stefan Gloß und Dr.Hans Pucher, Rechtsanwälte in St.Pölten, wegen Feststellung der Nichtigkeit eines Übergabsvertrages (Streitwert S 198.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 252/93-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten vom , GZ 1 Cg 210/91-19, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Kläger sind die gesetzlichen Erben nach ihrem am verstorbenen Bruder Leopold P*****. Mit Notariatsakt vom hatte Leopold P***** dem Beklagten die Liegenschaft EZ 781 KG W***** gegen Gewährung eines Fruchtgenußrechtes und Erbringung von Pflege- und Betreuungsleistungen übergeben. Leopold P***** war zum Zeitpunkt der Errichtung des Notariatsaktes längst nicht mehr geschäftsfähig.
Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht das Feststellungsurteil des Erstgerichtes, daß der Notariatsakt nichtig und die Liegenschaft Nachlaßaktivum der Verlassenschaft nach Leopold P***** sei. Die zweite Instanz sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur die Frage, ob die Kläger, die mangels Durchführung eines Verlassenschaftsverfahrens nach Leopold P***** keine Gelegenheit hatten, Erbserklärungen abzugeben und daher nicht Rechtsnachfolger des Erblassers sind, dennoch zur Erhebung der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des vom Erblasser abgeschlossenen Vertrages aktiv legitimiert sind. Dies trifft zu:
Rechtliche Beurteilung
Die Kläger sind zwar nicht die Vertreter der Verlassenschaft nach Leopold P*****. Sie machen aber nicht Rechte der Verlassenschaft geltend, wenn sie auf Feststellung der Nichtigkeit des zwischen dem Erblasser und dem Beklagten geschlossenen Übergabevertrages klagen. Gemäß § 228 ZPO kann u.a. auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß jenes Rechtsverhältnis oder Recht durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Es entspricht stRsp des Obersten Gerichtshofes, daß das Rechtsverhältnis nicht zwischen den Parteien des Feststellungsprozesses bestehen muß; es kann auch zu oder zwischen Dritten bestehen, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung gerade gegenüber dem Beklagten hat, weil sich das Rechtsverhältnis auf die rechtliche Position des Klägers auswirkt (JBl 1970, 34; RZ 1977/60; MietSlg 31.687; JBl 1986, 55; SZ 63/35; Fasching III 64; Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 6 zu § 228).
Da die durch die Geschäftsunfähigkeit des Vertragspartners gemäß § 865 Satz 1 ABGB hervorgerufene absolute Nichtigkeit eines Vertrages nicht nur von den Vertragspartnern oder deren Rechtsnachfolgern, sondern auch von einem nicht am Vertrag beteiligten Dritten geltend gemacht werden kann, hat das Berufungsgericht das rechtliche Interesse der Kläger als berufene gesetzliche Erben nach Leopold P***** zu Recht bejaht, weil im Hinblick auf diesen Übergabevertrag bisher eine Verlassenschaftsabhandlung mangels (eines sonstigen) Vermögens nicht durchzuführen war und die Kläger daher gar keine Möglichkeit hatten, Erbserklärungen abzugeben. Das Feststellungsurteil schafft aber Rechtswirkungen zwischen den Parteien für eine allfällige Schadenersatzpflicht des Beklagten im Falle der Weitergabe der Liegenschaft an einen gutgläubigen Dritten und für ein Rückabwicklungsbegehren der Kläger nach ihrer Einantwortung als Erben nach Leopold P***** entfaltet.
Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes in der Begründung seines Zulässigkeitsausspruches bestehen aber keine von dieser Rechtsansicht abweichende Entscheidungen. In der Entscheidung RZ 1977/60 wurde das rechtliche Interesse der Klägerin an der Nichtigerklärung nur deshalb verneint, weil die Mutter der Klägerin, die über eine Liegenschaft mit Schenkungsvertrag verfügt hatte, noch am Leben war und somit noch gar nicht sicher war, ob der Klägerin das Erbe nach ihrer Mutter überhaupt anfallen werde.
Daß auch dem ruhenden Nachlaß der Anspruch auf Feststellung der Nichtigkeit des Übergabevertrages zusteht, beseitigt nicht das nach der Rechtsprechung anerkannte rechtliche Interesse der berufenen Erben an der Feststellung der Nichtigkeit des zwischen dem Erblasser und einem Dritten geschlossenen Vertrages.
Die Revision des Beklagten war daher - ungeachtet des nicht bindenden Ausspruches (§ 508 a ZPO) des Berufungsgerichtes, daß die ordentliche Revision zulässig sei - war mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen. Dabei konnte sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Die Kläger haben darin nicht auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten hingewiesen.