OGH vom 17.04.2020, 5Ob212/19s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. B***** D*****, 2. Z***** B*****, beide vertreten durch die Ankershofen Goess Hinteregger Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Grundbucheintragungen ob EZ ***** KG *****, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , AZ 46 R 263/19w, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom , TZ 1202/2019, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Antragsteller sind aufgrund eines Bestandvertrags vom Bestandnehmer einer Wohnung, die im Wohnungseigentum steht. Das Bestandverhältnis war bis zum befristet. Dieses Bestandrecht ist im Grundbuch zu C-LNr 24 bei dem entsprechenden Mindestanteil der Vermieterin eingetragen („Bestandrecht gemäß Bestandvertrag vom 2015-06-30 Urteil 2015-3-27 bis 2019-6-19 zugunsten ... [der Antragsteller]“).
Gemäß Punkt II. Abs 1 des Bestandvertrags vom kann dieser durch einseitige Erklärung des Bestandnehmers um jeweils zehn Jahre beliebig oft verlängert werden. In einer Erklärung vom gab die mit dem Bestandrecht belastete Wohnungseigentümerin und Vermieterin bekannt, ein solches Verlängerungsschreiben der Bestandnehmer erhalten zu haben. Zugleich erteilte sie ihre ausdrückliche Zustimmung, dass aufgrund dieser Urkunde im Grundbuch ob C-LNr 24 die Eintragung des neuen (vorläufigen) Endtermins des Bestandvertrags mit vorgenommen werde.
Unter Berufung auf diese Erklärung beantragten die Antragsteller, in C-LNr 24 den neuen (vorläufigen) Endtermin des Bestandvertrags mit „“ einzutragen.
Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Die Eintragung der Änderung der Dauer eines im Grundbuch einverleibten Bestandrechts sei unzulässig. Durch diese Änderung (Verlängerung) werde ein neuer Bestandvertrag begründet, der nur im laufenden Rang verbüchert werden könne. Die Verdinglichung eines Bestandrechts bedürfe dabei auch dann eines neuen Vertrags und dessen eben nur im laufenden Rang möglichen Verbücherung, wenn das Bestandverhältnis wie eventuell hier im Hinblick auf die vereinbarte Option weiter bestehe. Die Optionsvereinbarung im Bestandvertrag vom in Verbindung mit der einseitigen Erklärung vom ersetze die erforderliche neue grundbuchstaugliche Urkunde und deren Einverleibung im laufenden Rang nicht.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge. Die Verlängerung des Bestandrechts durch einseitige Erklärung des Bestandnehmers sei als neues Bestandrecht iSd § 9 GBG anzusehen, weil der zugrunde liegende Bestandvertrag eine Befristung mit einem bestimmten Endtermin und nur zusätzlich die Möglichkeit der einseitigen Verlängerung aufweise. Auch der Gesetzeswortlaut spreche für diese Auffassung, zumal § 9 GBG nur die Eintragung eines Bestandrechts, nicht jedoch die Verlängerung eines solchen vorsehe. Es liege auch keiner der in § 20 GBG vorgesehenen Fälle einer grundbücherlichen Anmerkung vor. Die ausdrücklich begehrte „Eintragung“ im Rang des ursprünglichen Bestandrechts scheide daher aus. Die Entscheidung des Erstgerichts und dessen Verweis auf Vorjudikatur – wenngleich dort offenbar befristete Bestandverträge ohne einseitige Verlängerungsmöglichkeit des Bestandnehmers beurteilt worden seien – seien im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil zur Verbücherung der Verlängerung eines bereits einverleibten (befristeten) Bestandrechts keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen abzuändern und den Grundbuchsantrag zu bewilligen. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1.1. Das Bestandrecht kann im Grundbuch eingetragen werden (§ 9 GBG; § 1095 ABGB). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt der Eintragung des Bestandrechts aber keine allgemein dingliche Wirkung gegenüber dritten Personen zu (RIS-Justiz RS0020428, RS0122463). Die Wirkung der Eintragung des Bestandrechts beschränkt sich im Wesentlichen auf die in § 1120 ABGB vorgesehenen Rechtswirkungen. Sie beseitigt also insbesondere das Kündigungsrecht des Erwerbers der Liegenschaft nach § 1120 ABGB (2 Ob 147/12z; RS0020428 [T1, T 2]).
1.2. Die Verbücherung von Bestandverträgen setzt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs grundsätzlich voraus, dass deren zeitliche Dauer bestimmt oder zumindest bestimmbar ist (RS0020445). Für die Annahme einer solchen zeitlichen Bindung reicht es allerdings aus, dass der Inhalt des zu verbüchernden Vertrags insoweit für einen Bestandnehmer vorteilhaft ist, als das Vertragsverhältnis ohne seine Zustimmung erst nach der bedungenen Zeit erlischt. Demgemäß genügt es, dass der Bestandgeber für sich und seine Rechtsnachfolger auf die Geltendmachung von Kündigungsgründen verzichtet, die ein Rechtsnachfolger bei einem unverbücherten Bestandrecht zur ordentlichen Aufkündigung des Bestandvertrags heranziehen könnte (5 Ob 27/19k; RS0108658; RS0020428 [T3, T 4]; RS0020445 [T3, T 4]). Das Abstellen auf eine bestimmte Zeit soll – ähnlich wie bei den Personaldienstbarkeiten – immerwährende die Liegenschaft belastende Nutzungsverhältnisse ausschließen (2 Ob 75/52; Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht² § 19 GBG Rz 18).
1.3. Aus dem Verbot der Einverleibung von Bestandverträgen auf unbestimmte Zeit folgt, dass sich aus der vorzulegenden Vertragsurkunde auch die vereinbarte Bestanddauer oder die entsprechenden Modifikationen des ordentlichen Kündigungsrechts ergeben müssen (5 Ob 146/15d; Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht2§ 19 GBG Rz 21).
2.1. Das verbücherte Bestandrecht kann mit der Beendigung des Bestandvertrags gelöscht werden. Im Hinblick auf den zu gewährleistenden Schutz eines potentiellen Erwerbers muss das verbücherte Bestandrecht nach Ablauf der bedungenen Zeit aber auch dann gelöscht werden, wenn das Bestandverhältnis nicht beendet, sondern ausdrücklich oder stillschweigend verlängert wurde. Das neuerliche Bestandrecht kann in diesem Fall trotz des Weiterbestehens des Bestandverhältnisses (zufolge Erneuerung des Bestandvertrags iSd § 1114 ABGB) nur im laufenden Rang neuerlich eingetragen werden (1 Ob 136/22 = SZ 4/34; 1 Ob 228/48 = SZ 21/116 = JBl 1948, 477; RS0024825; EvBl 1934/360; Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht² § 19 GBG Rz 29; Feil/Friedl in Feil/Friedl/Bayer, GBG § 9 Rz 54). Es kann nicht etwa nur die Abänderung der Dauer des einverleibten Bestandrechts Gegenstand einer Eintragung sein (Feil/Friedl in Feil/Friedl/Bayer, GBG § 9 Rz 54).
2.2. Daran ändert es auch nichts, wenn die Verlängerungsvereinbarung auf der Ausübung einer schon im Bestandvertrag eingeräumten Option beruht. Die Option ist ein Vertrag, durch den eine Partei das Recht erhält, ein inhaltlich vorausbestimmtes Schuldverhältnis in Geltung zu setzen. Sie gewährt also ein Gestaltungsrecht (RS0115633 [T2]; RS0019191 [T3]). Beim Vertragsabschluss aufgrund einer Option handelt es sich um einen zweiaktigen Vorgang, der einem Offert und der nachfolgenden Annahmeerklärung ähnlich ist (RS0115633). Das Schuldverhältnis kommt erst mit Ausübung der Option (und nicht schon mit deren Vereinbarung) zustande (RS0115633 [T3]; RS0019191 [T4]).
2.3. Die Ausübung einer Verlängerungsoption führt demnach im Ergebnis zu einer Erneuerung des Bestandvertrags und im Sinn der dargestellten Judikatur zur Löschung des Bestandrechts nach Ablauf der ursprünglich bedungenen Zeit. Die von den Antragstellern begehrte Abänderung der Dauer des einverleibten Bestandrechts ist daher auch in diesem Fall nicht zulässig. Das darauf basierende Bestandrecht kann nur im laufenden Rang neuerlich eingetragen werden.
3.1. Die Prüfung eines entsprechenden Gesuchs hat nach den Erfordernissen der § 26 ff GBG zu erfolgen und muss § 32 GBG genügen. Gemäß § 26 Abs 2 GBG muss der Privaturkunde, aufgrund der die Einverleibung eines Rechts begehrt wird, ein gültiger Rechtsgrund für das einzutragende Recht zu entnehmen sein. Darüber hinaus ist nach § 32 Abs 1 lit b GBG eine ausdrückliche Aufsandungserklärung Voraussetzung für die Eintragung. § 31 Abs 1 GBG fordert für die Einverleibung aufgrund von Privaturkunden, dass die Unterschriften der Parteien auf den Urkunden gerichtlich oder notariell beglaubigt sind (5 Ob 27/19k).
3.2. Ergeben sich die in materieller und formeller Hinsicht konstitutiven Voraussetzungen der vorzunehmenden Grundbuchshandlung – wie im Fall eines Vertragsabschlusses durch Ausübung einer Option – nur aus mehreren Urkunden zusammen, dann sind alle einzelnen von ihnen Urkunden, aufgrund deren im Sinn des § 87 Abs 1 GBG die betreffende Eintragung erfolgen soll (vgl RS0061072; RS0061070; RS0061050). Voraussetzung der Bewilligung ist in diesem Fall die Vorlage aller dieser Grundbuchsurkunden im Original oder der ausdrückliche Hinweis auf das Erliegen der Originalurkunde beim Grundbuchgericht (§ 87 GBG; § 10 Abs 2 ERV; vgl RS0061072 [T3]). Beim Vertragsabschluss aufgrund einer Option sind das die Optionsvereinbarung und die Ausübungserklärung, sowie im Fall der befristeten Möglichkeit der Ausübung der Option der Nachweis des rechtzeitigen Zugangs der Ausübungserklärung (vgl RS0108978 [Annahme eines befristeten Anbots]). Für die Einverleibung eines Bestandrechts ist zudem die in grundbuchsfähiger Form beigebrachte Zustimmung (Aufsandungserklärung) des Bestandgebers und Eigentümers erforderlich (5 Ob 142/17v; RS0024852; RS0020437; RS0131737; Rassi in Kodek,Grundbuchsrecht² § 19 Rz 12).
4. Zusammengefasst erfolgte die Abweisung des Gesuchs der Antragsteller zu Recht. Dem Revisionsrekurs musste daher ein Erfolg versagt bleiben.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00212.19S.0417.000 |
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