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OGH vom 29.01.2008, 1Ob276/07f

OGH vom 29.01.2008, 1Ob276/07f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Maximilian H*****, vertreten durch Dr. Elisabeth Constanze Schaller, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Antragsgegner Dr. Raimund V*****, vertreten durch Dr. Thomas Ebner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalts, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 48 R 261/07y-24, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 4 Fam 4/07b-19, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Erstgerichts wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner ist schuldig, dem Antragsteller binnen 14 Tagen die mit 665,66 EUR (darin 110,94 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Im Revisionsrekursverfahren ist allein strittig, ob der Antragsgegner (Vater) verpflichtet ist, dem Antragsteller (Sohn) ab dem weiterhin Unterhalt - in der unstrittigen Höhe von 850 EUR monatlich - zu leisten.

Der Antragsteller ist Student der Rechtswissenschaften und hat im Sommersemester 2007 mit seinem 10. Semester begonnen. Die durchschnittliche Studiendauer liegt bei 11,9 Semestern, wovon drei Semester auf den ersten, vier Semester auf den zweiten und die restliche Studienzeit auf den dritten Abschnitt entfallen. Der Antragsteller beendete den ersten Studienabschnitt nach rund vier Semestern, den zweiten nach (weiteren) fünf Semestern. Seit Jänner 2007, also mit Beendigung des zweiten Studienabschnitts, besteht wieder der Anspruch auf den Bezug der Familienbeihilfe. Unstrittig ist, dass der Antragsgegner nach Ablauf des Oktobers 2006 seine Unterhaltszahlungen eingestellt hat. Aus einer im Verfahren erster Instanz vorgelegten Urkunde (ON 14) ergibt sich, dass der Antragsteller am im dritten Studienabschnitt die Teilprüfung aus Verfassungsrecht mit der Note „Sehr gut" abgelegt hat; dies hat der Antragsgegner in seiner Äußerung (ON 18) nicht bestritten.

Der Antragsteller beantragte nun, den im Jahr 1994 mit 8.000 ATS (= 581,38 EUR) festgesetzten Unterhalt auf 850 EUR pro Monat zu erhöhen. Er betreibe sein Studium zügig und lege laufend Prüfungen ab.

Der Antragsgegner wandte im Wesentlichen ein, das Studium werde nicht mehr ernsthaft und zielstrebig betrieben, weshalb der Antragsteller als selbsterhaltungsfähig zu betrachten sei. In den beiden ersten Studienabschnitten sei die durchschnittliche Studiendauer erheblich überschritten worden. Der Antragsteller habe auch für die Zeit des fünften bis neunten Semesters deshalb keine Familienbeihilfe bezogen, weil kein entsprechender Nachweis für ein zielstrebiges Studium erbracht habe werden können. Dadurch, dass die durchschnittliche Studiendauer der ersten beiden Studienabschnitte überschritten worden sei, sei der Unterhaltsanspruch definitiv erloschen.

Das Erstgericht gab dem Erhöhungsantrag für den Zeitraum ab dem statt. Ein noch nicht selbsterhaltungsfähiges studierendes Kind habe so lange Anspruch auf Unterhalt, als es sein Studium ernsthaft und zielstrebig betreibe, was in der Regel zu bejahen sei, wenn die durchschnittliche Studiendauer für das betreffende Fach nicht überschritten werde. Bei in Studienabschnitten gegliederten Studien sei die Regelung des § 2 Abs 1 lit b FamLAG eine geeignete Orientierungsgrundlage für die Frage, ob das Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben werde. Grundsätzlich sei die durchschnittliche Studiendauer auf die einzelnen Studienabschnitte zu beziehen. Der Unterhaltsanspruch erlösche, wenn die durchschnittliche Studiendauer eines Studienabschnitts überschritten werde, lebe jedoch wieder auf, wenn das Kind den entsprechenden Studienabschnitt beendet habe. Der tatsächliche Studienfortgang sei jeweils ex post zu beurteilen; nicht von Bedeutung sei dagegen, ob die Beendigung des Studiums bzw eines Studienabschnitts in der durchschnittlichen Zeit möglich oder wahrscheinlich sei. Auch wenn im konkreten Fall die Beendigung des Studiums in der durchschnittlichen Studiendauer nicht wahrscheinlich sei, weil sich der Antragsteller bereits im 10. Semester befinde und der im Jänner 2007 begonnene dritte Studienabschnitt eine Mindeststudiendauer von drei Semestern vorsehe, stehe für die Zeit bis zur Erreichung der durchschnittlichen Gesamtstudiendauer Unterhalt zu. Der Antragsteller habe bisher weder die durchschnittliche Studiendauer des dritten Abschnitts noch die durchschnittliche Gesamtstudiendauer überschritten, weshalb ihm seit Abschluss des zweiten Studienabschnitts wieder Unterhalt zustehe.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Erhöhungsbegehrens ab und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Bei der Beurteilung der Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit der Verfolgung des Studiums sei nur der tatsächliche Studienfortgang ex post zu betrachten. Es komme nicht darauf an, ob es möglich oder wahrscheinlich ist, dass das Studium oder ein Studienabschnitt in der durchschnittlichen Zeit beendet werde. Entscheidend sei die durchschnittliche Studiendauer für das betreffende Studium, wobei auf einzelne Studienabschnitte abzustellen sei. Dabei sei zu prüfen, ob entweder die durchschnittliche Gesamtstudiendauer bereits überschritten sei oder die durchschnittliche Studiendauer eines einzelnen Studienabschnitts. Im vorliegenden Fall sei unstrittig, dass die durchschnittliche Studiendauer sowohl im ersten als auch im zweiten Abschnitt um jeweils rund 1,5 Semester überschritten worden sei. Bereits daraus ergebe sich, dass der Antragsteller das Studium nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben habe. Die Zuerkennung von Familienbeihilfe sei lediglich ein Indiz für das ernsthafte oder zielstrebige Betreiben des Studiums. Da deren Bezug jedoch auch von anderen Parametern abhänge, könne nicht jedenfalls davon ausgegangen werden, dass eine Unterhaltspflicht bestehe, sobald Familienbeihilfe gewährt werde. Es liege auch kein Anlasspunkt dafür vor, dass der Antragsteller nunmehr sein Studium mit einem größeren Fleiß betriebe als bisher. Auch aus dem vorgelegten Zeugnis über die abgelegte Prüfung aus Verfassungsrecht ergebe sich nicht, dass ein besonders zügiger Fortschritt im gesamten dritten Abschnitt zu erwarten wäre. Ein automatisches Wiederaufleben der Unterhaltspflicht bei Erreichen eines neuen Studienabschnitts sei entgegen der Ansicht des Erstgerichts der Judikatur nicht zu entnehmen. Insgesamt könne zumindest seit dem Überschreiten der durchschnittlichen Studiendauer des zweiten Abschnitts nicht mehr vom zielstrebigen Verfolgen eines Studiums gesprochen werden. Seit diesem Zeitpunkt sei der gesamte Unterhaltsanspruch erloschen, weshalb das Erhöhungsbegehren abzuweisen sei. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur hier zu beurteilenden Konstellation höchstgerichtliche Judikatur nicht vorläge.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig und berechtigt.

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Antragsteller sein Studium zwar langsam, aber im Übrigen zielstrebig und erfolgreich betreibt. Auch wenn davon auszugehen ist, dass er es während der durchschnittlichen Studiendauer von rund 12 Semestern zu keinem Abschluss bringen werde, bestehen doch keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Studienabschluss überhaupt unterbleiben werde. Auch der Gesetzgeber des FamLAG geht ersichtlich davon aus, dass die Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit des Betreibens eines Studiums nicht allein deshalb endgültig verneint werden darf, weil der Studierende in vergangenen Studienabschnitten „gebummelt" hat. In der Judikatur (RIS-Justiz RS0047687, RS0083694) wurde daher auch anerkannt, dass aus der Erfüllung der Kriterien für die Gewährung von Familienbeihilfe im Allgemeinen abgeleitet werden kann, dass das Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wird.

Entscheidend für das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs ist daher nicht, ob ein Studium in der Vergangenheit mit ausreichender Intensität betrieben wurde, sondern ob im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt diese Voraussetzung zu bejahen ist (vgl nur 3 Ob 571/94 ua). Eine ausreichende Grenze für eine unzumutbare Belastung des Unterhaltspflichtigen bildet stets die durchschnittliche Gesamtstudiendauer der betreffenden Studienrichtung. Wie bereits das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Unterhaltspflichtige regelmäßig für einen längeren Zeitraum nicht weiter Unterhalt zu gewähren.

Im vorliegenden Fall beträgt die durchschnittliche Studiendauer rund zwölf Semester. Der Antragsteller befand sich zum Zeitpunkt der Entscheidung der ersten Instanz im zehnten Semester, hatte die durchschnittliche Studiendauer daher noch nicht ausgeschöpft. Da kein Anlass dafür besteht, den Antragsgegner gegenüber jenen anderen Unterhaltspflichtigen zu privilegieren, die zwölf Semester lang Unterhalt zu leisten haben - sofern die Unterhaltsberechtigten die durchschnittliche Studiendauer gerade „ausschöpfen" -, steht dem Antragsteller, der derzeit sein Studium nicht nachlässig betreibt, Unterhalt zu. Dabei ist unerheblich, ob man - da der vergangene Studienverlauf und Studienerfolg bereits beurteilt werden kann - einen ununterbrochenen Unterhaltsanspruch annimmt, der mit Ablauf des zwölften Studiensemesters enden wird, oder ob man annimmt, der Unterhaltsanspruch sei in den beiden ersten Studienabschnitten jeweils für einige Zeit „erloschen" und in der Folge „wieder aufgelebt". Ab dem besteht jedenfalls der Unterhaltsanspruch des Antragstellers in der (unstrittigen) Höhe von 850 EUR monatlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 AußStrG. Für das Verfahren erster Instanz hat der Antragsteller Kostenersatz nicht angesprochen. Die Bemessungsgrundlage für den Revisionsrekurs beträgt gemäß § 58 Abs 1 JN (nur) 9.670,32 EUR, da Verfahrensgegenstand allein das Unterhaltserhöhungsbegehren von 268,62 EUR monatlich ist.