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OGH vom 23.01.2007, 1Ob276/06d

OGH vom 23.01.2007, 1Ob276/06d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch die Ebert Huber Liebmann Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen EUR 160,67 sA und Feststellung (Streitwert EUR 6.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 165/06h-13, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben vom , GZ 6 Cg 52/06b-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 416,16 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

In einer gegen die nunmehrige Klägerin wegen §§ 6 und 7a MedG geführten Medienrechtssache wurde der dortige Antragsteller schuldig erkannt, der Klägerin EUR 836,30 an Vertretungskosten zu ersetzen. Das von der Klägerin angerufene Exekutionsgericht wies deren Antrag, ihr die Exekution auch zur Hereinbringung von 4 % Zinsen aus dem Kostenbetrag von EUR 836,30 ab dem Datum des Kostenbestimmungsbeschlusses () zu bewilligen, „mangels Exekutionstitels" ab. Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs nicht Folge; der Revisionsrekurs war jedenfalls unzulässig. Das Rekursgericht verwarf die Argumentation der Klägerin, die Exekution wäre auf Grund der Bestimmung des § 54a ZPO, die lex specialis zu § 7 Abs 1 EO sei, zu bewilligen. Die Regelung in § 54a ZPO widerspreche der allgemeinen Regel des § 1 EO iVm § 7 EO, wonach immer ein individueller Rechtsakt als Exekutionstitel vorliegen müsse. Die Regelung sei daher einschränkend zu beurteilen und könne nicht ohne weiteres auf vergleichbare Fälle ausgedehnt werden. So decke der Wortlaut des § 54a ZPO etwa nicht den Zinsenzuspruch für in einem Vergleich enthaltene Kosten. § 74 Abs 1 zweiter Satz EO erkläre ausdrücklich, dass § 54a ZPO auf die Kosten des Exekutionsverfahrens nicht anzuwenden sei. Dies unterstreiche den Ausnahmecharakter des § 54a ZPO. Der Oberste Gerichtshof habe zwar § 54a ZPO auch auf Kostenbeträge für anwendbar erklärt, die in einem Schiedsspruch zuerkannt wurden, und dazu ausgeführt, das Gesetz beschränke die Zinsenverpflichtung nicht auf Urteile und Beschlüsse im sogenannten ordentlichen Zivilverfahren, sondern sehe sie für (alle) Kostenzusprüche in Entscheidungen über die Kostenersatzpflicht vor. Auf Grund dieser weiten Formulierung müsse daher davon ausgegangen werden, dass der Oberste Gerichtshof die Bestimmung des § 54a ZPO auf alle (nicht nur in der ZPO geregelten) zivilgerichtlichen Verfahren angewendet wissen wolle. Hier stamme der Kostentitel allerdings nicht einmal aus einem Zivilverfahren im weiteren Sinn, sondern aus einem Strafverfahren nach dem MedienG. Dem Gesetzgeber wäre es durchaus möglich gewesen, in die Strafprozessordnung oder in das MedienG eine inhaltlich dem § 54a ZPO entsprechende Norm aufzunehmen. Eine analoge Anwendung des § 54a ZPO auf Kostenbeschlüsse eines Strafverfahrens erscheine nicht möglich.

Die Klägerin begehrte nun den Ersatz der ihr im Rekursverfahren entstandenen Kosten sowie der bis zum Tag der Klageeinbringung entgangenen Zinsen aus dem Titel der Amtshaftung; weiters die Feststellung der Haftung der Beklagten für den aus der Entscheidung des Rekursgerichts noch entstehenden Zinsenschaden von 4 % pro Jahr aus EUR 836,30 ab . Die vom Rekursgericht vertretene Rechtsansicht sei unvertretbar, weil für die Verzinsung eines gerichtlich zuerkannten Kostenbetrags nicht zwischen zivil- und strafgerichtlichen Kostenentscheidungen zu unterscheiden sei. Dies sei auch gerade daraus abzuleiten, dass für Exekutionskosten in § 74 Abs 1 Satz 2 EO eine ausdrückliche Ausnahme normiert worden sei. In der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung habe der Oberste Gerichtshof ausdrücklich klargestellt, dass § 54a ZPO für alle Kostenentscheidungen gelte.

Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, es sei der genannten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nicht zu entnehmen, dass § 54a ZPO auch auf strafgerichtliche Kostenzusprüche Anwendung zu finden hätte. Keineswegs sei die vom Rekursgericht vertretene Rechtsansicht unvertretbar gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Entscheidung des Rekursgerichts sei jedenfalls als vertretbar anzusehen. Sie weiche weder von einer klaren Gesetzeslage, noch von einer ständigen Rechtsprechung ab. Das Rekursgericht habe sich mit der zu 3 Ob 287/98x ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs befasst und begründet, warum diese auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anzuwenden sei. Berücksichtige man überdies, dass der Gesetzgeber des Außerstreitgesetzes durch § 78 Abs 4 AußStrG eine neue Gesetzeslage herbeigeführt habe, erscheine die Argumentation des Rekursgerichts, § 54a ZPO sei nicht ohne weiteres auf vergleichbare Fälle auszudehnen, nicht bloß „vertretbar", sondern möglicherweise sogar „richtig". Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass § 54a ZPO auf alle zivil- und auch strafrechtlichen Entscheidungen anzuwenden wäre, hätte er § 78 Abs 4 AußStrG nicht einführen müssen. So habe aber der Gesetzgeber des AußStrG 2005 deutlich gezeigt, dass § 54a ZPO eine Sondervorschrift der ZPO sei, deren Anwendung auf andere Verfahrensarten ausdrücklich angeordnet werden müsse. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 4.000, nicht jedoch EUR 20.000 übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Nach der Entscheidung 3 Ob 287/98x sei klar, dass § 54a ZPO für sämtliche in einem Zivilverfahren im weitesten Sinne ergangenen Kostenzusprüche heranzuziehen sei. Daraus ergebe sich aber nicht zwingend, dass auch Kostenzusprüche in einem Strafverfahren davon umfasst sein sollten. Einerseits finde sich die materiellrechtliche Verpflichtung, vom zugesprochenen Kostenbetrag gesetzliche Verzugszinsen zu zahlen, in der ZPO, die die verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen für das sogenannte ordentliche Zivilverfahren, aber auch für das Schiedsverfahren oder das besondere Verfahren in Außerstreitsachen nach dem § 37 Abs 1 MRG schaffe. Andererseits sei die genannte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gerade zur Kostenentscheidung eines Schiedsgerichts ergangen. Auch wenn darin von einer Anwendbarkeit auf „(alle) Kostenzusprüche in Entscheidungen über die Kostenersatzpflicht" die Rede sei, könnten die Rechtsausführungen doch nicht gänzlich losgelöst von dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt gesehen und hieraus geschlossen werden, dass § 54a ZPO auf jegliche Art eines Kostenexekutionstitels ungeachtet seines Zustandekommens, etwa hier in einem Strafverfahren nach dem MedienG, anzuwenden sei. Das Rekursgericht des Anlassverfahrens habe sich mit dieser Problematik ganz konkret auseinandergesetzt und sei nach sorgfältiger Abwägung der dafür und dagegen sprechenden Argumente zu dem jedenfalls vertretbaren Schluss gekommen, dass eine analoge Anwendung des § 54a ZPO auf in einem Strafverfahren ergangene Kostenbeschlüsse nicht möglich erscheine. Die Entscheidung des Rekursgerichts des Anlassverfahrens sei als jedenfalls vertretbar anzusehen. In Anbetracht „der Bedeutsamkeit der Angelegenheit für die Streitteile" erscheine die Annahme eines EUR 4.000 übersteigenden Entscheidungsgegenstands gerechtfertigt. Die Revision sei zulässig, weil ein Klärungsbedarf zur Frage der Anwendbarkeit des § 54a ZPO auf Kostenbestimmungsbeschlüsse im Strafverfahren bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision ist nicht jedenfalls unzulässig, weil der Oberste Gerichtshof auch in Fällen wie dem vorliegenden an den Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts gebunden ist. Sie erweist sich jedoch als unzulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu lösen ist. Zutreffend haben bereits die Vorinstanzen darauf hingewiesen, dass im Anlassverfahren die Frage zu beantworten war, ob die Bestimmung des § 54a ZPO auch auf in einem Strafverfahren nach dem MedienG ergangene Kostenzusprüche analog anzuwenden ist. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Rechtsauffassung des Rekursgerichts im Anlassverfahren sei als jedenfalls vertretbar anzusehen, stellt entgegen den Rekursausführungen keine grobe Fehlbeurteilung dar, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste.

Dem neuerlich dargelegten Argument, der Oberste Gerichtshof habe in seiner zu 3 Ob 287/98x ergangenen Entscheidung davon gesprochen, dass § 54a ZPO auf „(alle) Kostenzusprüche in Entscheidungen über die Kostenersatzpflicht" anzuwenden sei, haben schon die Vorinstanzen zutreffend entgegengehalten, dass diese Entscheidung den Kostenzuspruch eines Schiedsgerichts zum Gegenstand hatte und kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass der Oberste Gerichtshof beabsichtigt hätte, auch zu Kostenzusprüchen im medienrechtlichen Strafverfahren Stellung zu nehmen. Die Revisionswerberin übersieht auch, dass § 54a ZPO keine Norm des Exekutionsverfahrens ist, die generelle Bedeutung für alle denkbaren Kostenzusprüche hätte. Hätte der Gesetzgeber Derartiges beabsichtigt, hätte er wohl eine entsprechende Bestimmung in die EO eingefügt und es nicht bei einer Regelung im zivilverfahrensrechtlichen Kontext (einschließlich einzelner Verweisungen) belassen. Berücksichtigt man letztlich, dass auch die Revisionswerberin keine materiell-wertenden Argumente dafür ins Treffen führt, einen kostenersatzberechtigten Antragsgegner im Medienverfahren hinsichtlich der Verzinsung seines Kostenersatzanspruchs gleich zu behandeln wie einen Kostengläubiger aufgrund eines in einem Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche ergangenen Kostentitels, ist nicht zu erkennen, warum die Verneinung einer analogen Anwendung des § 54a ZPO unvertretbar sein sollte. Da bereits die Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung das für einen Amtshaftungsanspruch erforderliche Verschulden des Entscheidungsorgans ausschließt, kommt es für den Ausgang dieses Verfahrens nicht darauf an, ob letztlich eine Analogie vielleicht doch sachgerechter wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass sich ihr Schriftsatz als zweckentsprechende Rechtsverteidigungsmaßnahme darstellt.