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OGH vom 12.01.2005, 7Ob266/04z

OGH vom 12.01.2005, 7Ob266/04z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Clemens D*****, geboren am , über den Revisionsrekurs der W***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Illedits, Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Rekursgericht vom , GZ 6 R 198/04v-16, womit der Rekurs der nunmehrigen Revisionsrekurswerberin gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom , GZ 1 P 19/02h-13, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Mutter des mj Clemens, Christine D*****, ist Alleineigentümerin der bebauten Liegenschaft EZ ***** GB ***** M*****, ob der zur Sicherung einer Erbteilsforderung des Minderjährigen von EUR 115.200 (sA) zu dessen Gunsten ein Pfandrecht einverleibt wurde. Hinsichtlich der Liegenschaft bestand eine Gebäude-Feuerversicherung bei der A***** AG, die gegenüber dem Erstgericht (als Pflegschaftsgericht) die Erklärung abgab (sog. "Sperrschein"), sie werde nach einem Feuerschaden den vom Pfandrecht des Minderjährigen erfassten Entschädigungsbetrag nur mit Zustimmung des Gerichtes zur Auszahlung bringen, solange die Sicherung der Verwendung des Geldes zum Wiederaufbau nicht gegeben sei; weiters werde sie jede Kündigung des Versicherungsvertrages oder Herabsetzung der Versicherungssumme oder des Haftungsumfanges sowie jeden Verzug in der Prämienzahlung gemäß den Bestimmungen des § 101 VersVG dem Gericht bekannt geben. Mit Eingabe vom ersuchte die Mutter das Erstgericht, diese "Vinkulierung" der Feuerversicherung aufzuheben, weil sie bei der W***** AG (im Folgenden Revisionsrekurswerberin genannt) eine neue Versicherung zu besseren Konditionen abgeschlossen habe. Das Erstgericht forderte daraufhin die A***** AG zur - in der Folge auch vorgenommenen - Devinkulierung auf und ermächtigte die Mutter zum Abschluss einer Eigenheim- und Haushaltsversicherung bei der Revisionsrekurswerberin, wobei die Mutter auch noch aufgefordert wurde, die Revisionsrekurswerberin anzuleiten, die Vinkulierung vorzumerken und die neue Versicherungsnummer mitzuteilen. Mit - von der Revisionsrekurswerberin als Beschluss angesehenem - Schreiben vom richtete das Erstgericht an diese ein (nicht näher erläutertes) "Ersuchen um Vinkulierung" der erwähnten Versicherung und um "Übersendung eines Vollzugsberichtes". Den dagegen erhobenen Rekurs der Revisionsrekurswerberin wies das Gericht zweiter Instanz unter Hinweis auf die "mit einer fast identen Ausgangslage ergangene" Entscheidung 9 Ob 7/04a zurück. Wie in dieser Entscheidung ausgeführt worden sei, sei eine Sperre, wodurch ohne gerichtliche Zustimmung eine Vertragskündigung oder Minderung der Versicherungssumme nicht erfolgen könne, nur so zu verstehen, dass zuwiderlaufende Handlungen der Betroffenen ohne Wirkung blieben. Hiedurch komme aber nicht zum Ausdruck, dass damit der Versicherung ein Kündigungsverbot erteilt oder eine - durch den Vertrag allenfalls gedeckte - Änderung der Vertragsbedingungen untersagt werden solle. Folglich lasse die Formulierung des Beschlusses keine Beschwer des Rechtsmittelwerbers erkennen. Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels sei ein Eingriff in die geschützte Rechtssphäre, wofür aber die Berührung bloß wirtschaftlicher, ideeller oder sonstiger Interessen nicht genüge. Auch der interne Verwaltungsaufwand könne eine solche Beschwer nicht begründen. Diesen Ausführungen folgend sei auch der gegenständliche Rekurs mangels Rekurslegitimation als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Daran vermöge der Hinweis auf die Entscheidung 8 Ob 32/04w, in der in einem praktisch identen Fall der Rechtsmittelwerberin Beschwer und damit Rechtsmittellegitimation gegen den Beschluss auf Sperre einer Versicherungspolizze zugebilligt worden sei, nichts zu ändern. Diese Entscheidung gehe nämlich in keiner Weise auf die Vorentscheidung des 9. Senates des Obersten Gerichtshofes ein und setze sich auch inhaltlich mit den dort ins Treffen geführten Argumenten nicht auseinander. Diese Konstellation, wonach zwei aktuelle und einander im Ergebnis widersprechende oberstgerichtliche Entscheidungen zur Frage einer Beschwer des Rechtsmittelwerbers vorlägen, habe allerdings die Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses im Hinblick auf die sich aus diesem Spannungsfeld ergebende erhebliche Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG zur Folge.

In ihrem wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revisionsrekurs widerspricht die Revisionsrekurswerberin unter Berufung auf die Entscheidung 8 Ob 32/04w und die Ausführungen von Petrusch, Sperren von Sachversicherungen durch Pflegschaftsgerichte, VR 2004, 90 der Rechtsansicht des Rekursgerichtes. Die erstgerichtliche Anordnung greife in ihre Rechtsstellung als Vertragspartner des Versicherungsnehmers ein. Es werde daher beantragt, die Entscheidungen der Vorinstanzen ersatzlos zu beheben. Der Revisionsrekurs ist, da wegen einer (zum Teil scheinbaren) Judikaturdivergenz eine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofes angezeigt erscheint, zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Da im gegenständlichen - von allen Beteiligten als Beschluss angesehenen - Schreiben des Erstgerichtes vom ohne weitere Erläuterung um "Vinkulierung" der Versicherung ersucht wird, ist zunächst anzumerken, dass die sogenannte "Vinkulierung" einer Versicherungsforderung gesetzlich nicht geregelt ist. Ihr Inhalt richtet sich nach der Vereinbarung der Parteien (vgl VR 1997, 165 sowie RIS-Justiz RS0106149; vgl auch ) und ergibt sich mangels individueller Absprachen daher in der Regel aus Formularen, die von der Kredit- bzw der Versicherungswirtschaft verwendet werden (vgl Feneyes ÖBA 1991, 14 f; Kömürcü-Spielbüchler,

Die Vinkulierung von Versicherungen 8 ff). Nach herrschender Auffassung (SZ 35/123; EvBl 1970/263; VersE 1274; VersE 1329; VR 1987, 29, 67 und 359; VersR 1989, 448; VR 1993/310; 7 Ob 2194/96i, SZ 69/212; Feneyes aaO 15 ff; ders ÖBA 1998, 339; Komürcü-Spielbüchler aaO 10 f; Grassl-Palten, Feuerversicherung und Realkredit 26 ff;

dieselbe, Zur "Vinkulierung" von Versicherungsverträgen, RdW 1997,

387; Ertl in Rummel3, § 1392 Rz 3) ist darunter als "fester Kern",

also als Charakteristikum und unumgänglicher Mindestinhalt eine

Zahlungssperre zu Gunsten des Vinkulargläubigers mit der Wirkung zu

verstehen, dass Leistungen des Versicherers an den

Versicherungsnehmer nur mit Zustimmung des Vinkulargläubigers möglich

sind (SZ 69/212; 7 Ob 304/99b, SZ 73/19 = RdW 2000/503 = ZIK 2000/88

= JBl 2000, 583 = ÖBA 2000/912 = VR 2001/528 = VersE 1864 = NZ 2001,

223). Im vorliegenden Fall haben die Beteiligten, insbesondere auch die Revisionsrekurswerberin, das Ersuchen des Erstgerichtes um "Vinkulierung" dahin interpretiert bzw verstanden, dass ohne gerichtliche Zustimmung eine Vertragskündigung, Minderung der Versicherungssumme oder Auszahlung nicht erfolgen könne. Die gegenständliche Vinkulierungsklausel ist damit mit jenen wortgleich bzw ganz vergleichbar, die den Vorjudikaten 9 Ob 7/04a (vom ), 6 Ob 233/03p (vom ), 8 Ob 32/04w (vom ), 7 Ob 54/04y (vom ), 7 Ob 123/04w (vom ) und zuletzt 7 Ob 257/04a (vom ) sowie 6 Ob 14/04h (vom ) zugrundeliegen. In letzterer Causa sah die Sperrklausel auch eine Meldepflicht über allfällige Prämienrückstände vor. Rechtsmittelwerberin in allen diesen Causen war jeweils die auch hier einschreitende Revisionsrekurswerberin. Mit Ausnahmen der Entscheidungen 8 Ob 32/04w und 6 Ob 14/04h wurden alle (zum Teil außerordentlichen) Revisionsrekurse mangels Beschwer der Rechtsmittelwerberin zurückgewiesen. Während zu 8 Ob 32/04w abweichend von allen anderen Entscheidungen bei vergleichbarem Sachverhalt die Beschwer der Revisionsrekurswerberin bejaht wurde, hat der 6. Senat in der Entscheidung 6 Ob 14/04h betont, dass er (weiterhin) den Versicherer durch eine entsprechende Sperrklausel dann nicht für beschwert erachte, wenn das betreffende Kind selbst Eigentümer des Versicherungsobjektes und Versicherungsnehmer sei. Dann müsse der Versicherer derartige Sicherungsmaßnahmen akzeptieren, weil sie ausschließlich die Sphäre seines Vertragspartners beträfen, dessen Verfügungsgewalt vom Gesetz beschränkt werde. Die bekämpften Maßnahmen hätten ihre Grundlage in der Aufsichtspflicht des Gerichtes über die Verwaltung des Vermögens Pflegebefohlener durch den gesetzlichen Vertreter des Kindes (§ 193 AußStrG idF des KindRÄG 2001) und setzten das Vorhandensein eines Kindesvermögens voraus. Existiere ein solches, könne das Gericht Sicherungsmaßnahmen treffen, die auch in bestehende Verträge eingreifen könnten, wie etwa die Sperre von Bankguthaben oder andere dem § 382 EO entsprechende Maßnahmen (§ 193 Abs 1 AußStrG). Sei das Kind selbst Eigentümer des Versicherungsobjektes gebe eine Auszahlungssperre nur die gesetzliche Rechtslage wieder, weil eine schuldbefreiende Zahlung an Pflegebefohlene eben nur an deren gesetzliche Vertreter, ab einer gewissen Höhe auch nur unter Mitwirkung des Pflegschaftsgerichtes erfolgen könne. Ohne vermögenswerte Rechte des Pflegebefohlenen am Versicherungsobjekt bedeuteten Sicherungsmaßnahmen aber einen Eingriff in fremde Vertragspositionen, hier in diejenige des Versicherers und der Mutter als Versicherungsnehmerin. Bei einem derartigen Eingriff könne aber eine Beschwer des Versicherers nicht mehr verneint werden. Seine vertragliche Rechtsposition erfahre Einschränkungen. Die verfügten Unterlassungs- und Handlungspflichten begründeten dann eine Beteiligtenstellung und eine Rekurslegitimation des Versicherers, in dessen Rechtssphäre hier schon dadurch eingegriffen werde, dass er bei einer Befolgung der Aufträge der Versicherung unter Umständen dem Risiko ausgesetzt sei, berechtigten Forderungen des Vertragspartners (der Mutter) nicht Folge leisten zu können. Die Anordnung einer Meldepflicht über Prämienrückstände sei eine in die Rechtssphäre des Versicherers eingreifende Verfügung. Schon deshalb könne eine Beschwer des Versicherers hier - anders als bei den Vorentscheidungen des OGH - nicht verneint werden. Der erkennende Senat erachtet diese Erwägungen für zutreffend und schließt sich den Rechtsausführungen an. Entscheidend ist demnach, ob dem mj Clemens im vorliegenden Fall vermögenswerte Rechte am versicherten Objekt zukommen. Dies ist, wie in allen übrigen erwähnten Entscheidungen (s 7 Ob 257/04a), im Hinblick auf das Pfandrecht des Minderjährigen an der gegenständlichen Liegenschaft aber auch hier der Fall. Zufolge dieses Pfandrechtes ist ein vermögenswerter Erhaltungsanspruch des Minderjährigen an der Liegenschaft seiner Mutter zu bejahen und die gegenständliche Sicherungsmaßnahme nach § 193 Abs 1 AußStrG vorgesehen bzw zulässig. Die in 6 Ob 14/04h abstrakt aufgezeigten rechtlichen Möglichkeiten, die doch zur Bejahung einer Beschwer der Versichererin führen könnten, kommen aber hier nicht zum Tragen, weil sich derzeit keine konkreten Differenzen aus dem gegenständlichen Versicherungsvertrag ergeben. Die Revisionsrekurswerberin ist daher in ihrer Rechtsposition nicht beeinträchtigt. Die eine Beschwer des Versicherers grundsätzlich bejahende Entscheidung 8 Ob 32/04w muss als vereinzelt bezeichnet werden. Dass aus den lediglich zweitinstanzliche Rechtsprechung referierenden Ausführungen von Petrusch (aaO) nichts zu gewinnen ist, wurde bereits in 7 Ob 257/04a hingewiesen.

Da das Rekursgericht eine Beschwer und damit eine Rechtsmittellegitimation der Revisionsrekurswerberin zutreffend verneint hat, muss der Revisionsrekurs erfolglos bleiben.