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OGH vom 25.08.2005, 6Ob161/05b

OGH vom 25.08.2005, 6Ob161/05b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Firmenbuchsache des Antragstellers Josef A*****, vertreten durch Dr. Maria Brandstetter, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegner 1.) G***** mit dem Sitz in J*****, und 2.) A***** mit dem Sitz in Wien, beide vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Überprüfung der angebotenen Barabfindung, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 3 R 192/03i, 61 Fr 3174/03z-8, womit der Beschluss des Landes- als Handelsgericht Innsbruck vom , GZ 61 Fr 3174/03z-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des Verfahrens zur Überprüfung der angebotenen Barabfindung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

Die Erstantragsgegnerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin der G***** Aktiengesellschaft; sie ist durch Umwandlung nach § 1 ff UmwG aus dieser Aktiengesellschaft hervorgegangen und wurde am ins Firmenbuch eingetragen. Vor Beschlussfassung über ihre Umwandlung hatte die außerordentliche Hauptversammlung der Aktiengesellschaft am mit einer Mehrheit von jedenfalls 9/10 des gesamten Grundkapitals eine nicht verhältniswahrende Spaltung im Sinne des § 8 Abs 3 SpaltG beschlossen. Beschlossen wurde die Abspaltung von Vermögensteilen zur Neugründung der A***** AG, der Zweitantragsgegnerin. Die Anteile an der durch die Abspaltung neu gegründeten Gesellschaft wurde den Inhabern der im Zeitpunkt des Spaltungsbeschlusses im Streubesitz befindlichen Aktien an der zu spaltenden Gesellschaft zugeteilt. Diese Aktionäre - darunter auch der Antragsteller - schieden im Zuge der Abspaltung aus der übertragenden Gesellschaft aus. Gleichzeitig bot die Hauptgesellschafterin der zu spaltenden Gesellschaft den ausscheidenden Minderheitsaktionären eine bare Zuzahlung von 16,64 EUR pro Aktie, die diese an der neu gegründeten Gesellschaft erworben hatten, an. Jenen Minderheitsaktionären die dieses Barabfindungsanbot nicht annahmen, bot die Hauptgesellschafterin - für den Fall der Erhebung eines Widerspruchs gegen den Spaltungsbeschluss - eine Barabfindung von 18,10 EUR pro Aktie an. Die Zweitantragsgegnerin wurde auf bestimmte Dauer errichtet, sie endet nach ihrer Satzung automatisch am .

Gemäß § 9 Abs 1 SpaltG in der durch das EU-GesRÄG BGBl 1996/304 geänderten Fassung (nunmehr in der Fassung Euro-Justiz-Begleitgesetz BGBl I 1998/125) steht jedem Anteilsinhaber, der bei einer nicht verhältniswahrenden Spaltung gegen den Spaltungsbeschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat, das Recht auf angemessene Barabfindung seiner Anteile zu, es sei denn, er ist an allen beteiligten Gesellschaften im gleichen Verhältnis wie an der übertragenden Gesellschaft beteiligt.

§ 9 Abs 2 SpaltG iVm § 225c Abs 3 AktG beschränken das Antragsrecht von Minderheitsaktionären auf gerichtliche Überprüfung der angebotenen Barabfindung an eine zumindest einprozentige Beteiligung oder eine Beteiligung mit zumindest 70.000,-- EUR.

Der Antragsteller begehrt die gerichtliche Überprüfung des Barabfindungsbetrags. Er ist mit 0,0024 % am Grundkapital der zu spaltenden Aktiengesellschaft beteiligt, sein Anteil erreichte nicht 70.000,-- EUR. Er wie auch andere Minderheitsaktionäre hatten in der außerordentlichen Hauptversammlung der zu spaltenden Aktiengesellschaft Widerspruch gegen den Spaltungsbeschluss erhoben. Die Gesamtbeteiligung der an der außerordentlichen Hauptversammlung teilnehmenden (oder vertretenen) Minderheitsaktionäre, die Widerspruch erhoben hatten, betrug 0,0238 % des Grundkapitals (und weniger als 70.000,-- EUR). Der Antragsteller macht geltend, er werde durch die nicht verhältniswahrende Abspaltung seiner Aktien enteignet. Die Verweisung des § 9 Abs 2 SpaltG auf § 225c Abs 3 AktG, der die Antragslegitimation von einer Mindestbeteiligung am Grundkapital abhängig mache, sei nicht verfassungskonform.

Das Erstgericht wies den Überpüfungsantrag unter Hinweis auf § 9 Abs 2 SpaltG iVm § 225c Abs 3 AktG ab.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass der Überprüfungsantrag zurückgewiesen werde. Es teilte die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers nicht. Der Gesetzgeber habe die Mindestbeteiligungsschwelle eingeführt, um einen Missbrauch des Antragsrechts hintanzuhalten, die Bindung von Minderheitsrechten an prozentuelle oder nominelle Schwellenwerte sei systemkonform und angesichts der Kosten des gerichtlichen Überprüfungsverfahrens im öffentlichen Interesse und sachlich gerechtfertigt. Der Minderheitsaktionär werde auch nicht enteignet, weil er ein Wahlrecht zwischen dem Verbleib in einer dem Spaltungskreis angehörenden Gesellschaft und der Ausübung seines Austrittsrechts mit Barabfindungsanspruch habe. Die Barabfindung sei auch nicht willkürlich festgelegt, ihre Angemessenheit werde durch externe Spaltungsprüfer beurteilt. Ein verfassungswidriger Eingriff in das Eigentum sei nicht gegeben. Der Gleichheitsgrundsatz werde auch trotz der im Umwandlungsrecht anders lautenden Regelung nicht verletzt, weil der unterschiedlich gewährte Rechtsschutzanspruch der Minderheit durch die verschiedenen Rechtsfolgen der jeweiligen Umgründungsmaßnahme sachlich gerechtfertigt sei. Der Gesetzgeber sei durch das Recht auf den gesetzlichen Richter auch nicht dahingehend determiniert, dass er bestimmten Personen in einem Verfahren Parteistellung gewähren müsse. Das Recht auf Zugang zum Gericht sei nicht absolut und könne Einschränkungen unterworfen werden, solange damit ein legitimes Ziel verfolgt werde und eine vernünftige Verhältnismäßigkeitsbeziehung bestehe. Die gesetzlich vorgesehene Zugangsbeschränkung sei aus öffentlichem Interesse und auf Grund sachlicher Erwägungen gerechtfertigt; sie verfolge ein legitimes Ziel und sei im Hinblick auf den niedrigen Schwellenwert auch nicht unverhältnismäßig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig und berechtigt.

In seinem Revisionsrekurs regte der Antragsteller eine Befassung des Verfassungsgerichtshofs nach Art 140 Abs 1 B-VG mit dem Ziel an, die Wortfolge „§ 225c Abs 3 und 4 sowie „in § 9 Abs 2 SpaltG ersatzlos aufzuheben.

In seiner Entscheidung vom , GZ 6 Ob 132/04m erachtete der Senat die in § 9 Abs 2 SpaltG in der geltenden Fassung enthaltene Verweisung auf § 225c Abs 3 und 4 AktG in der derzeit geltenden Fassung insoweit als verfassungsrechtlich bedenklich, als diese Verweisung die Einschränkung der Antragsrechte von Minderheitsaktionären nach § 225c Abs 3 Z 2 AktG im Sinn einer Mindestbeteiligung umfasst. Er stellte gemäß Art 89 Abs 2 zweiter Satz iVm Art 140 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, die Wortfolge „§ 225c Abs 3 und 4 sowie" im dritten Satz des § 9 Abs 2 SpaltG idF BGBl 1996/304 als verfassungswidrig aufzuheben. Auf die eingehenden Ausführungen der Entscheidung 6 Ob 132/04m wird hingewiesen.

Der Verfassungsgerichtshof hat über diesen Antrag mit Erkenntnis vom , GZ G 129/04-17 ua zu Recht erkannt:

Die Wortfolge „§ 225c Abs 3 und 4 sowie" im dritten Satz des § 9 Abs 2 des Bundesgesetzes über die Spaltung von Kapitalgesellschaften (SpaltG), BGBl Nr 304/1996, wird als verfassungswidrig aufgehoben. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft. Die aufgehobene Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im BGBl I verpflichtet."

In seinen Entscheidungsgründen teilte der Verfassungsgerichtshof die Bedenken des Senats im Hinblick auf eine Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Regelung. Von den Argumenten der Entscheidung in 6 Ob 132/04m ausgehend und unter Berücksichtigung der Einwendungen der Gesellschaft kam der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis, „dass das Hinausdrängen von Gesellschaftern unter gleichzeitigem Ausschluss von Gesellschaftern, deren Beteiligung unter der sogenannten „Erheblichkeitsschwelle" liegt, vom Antragsrecht nach § 9 Abs 2 SpaltG, einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentum darstellt und auch sachlich nicht zu rechtfertigen ist".

Die Bestimmungen über die Mindestbeteiligung des Gesellschafters als Voraussetzung seiner Antragslegitimation sind im vorliegenden Fall nicht mehr anzuwenden. Dem Antragsteller steht daher ein Antragsrecht auf Überprüfung der Barabfindung unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung schon nach § 9 Abs 1 SpaltG zu.

Dem Revisionsrekurs des Minderheitsgesellschafters war daher Folge zu geben, die Entscheidungen der Vorinstanzen waren aufzuheben und dem Erstgericht die Einleitung des Verfahrens zur Überprüfung der Barabfindung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen. Für das fortzusetzende Verfahren wird das Erstgericht die §§ 225d bis 225m AktG (mit den in § 9 Abs 2 SpaltG angeführten Einschränkungen) anzuwenden haben.