OGH vom 04.09.2008, 2Ob182/08s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers Michael S*****, vertreten durch Mag. Thomas Riedler und Dr. Peter Nader, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Antragsgegner mj Julian L*****, geboren am , *****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, Jugendwohlfahrt, Hammersteinplatz 1, 5280 Braunau am Inn, diese vertreten durch Dr. Manfrid Lirk, Rechtsanwalt in Braunau am Inn, wegen Rechtsunwirksamerklärung eines Vaterschaftsanerkenntnisses, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis als Rekursgericht vom , GZ 6 R 80/08v-29, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Vorinstanzen haben einen Irrtum des Antragstellers bei der Abgabe des Vaterschaftsanerkenntnisses iSd § 164b ABGB aF (nunmehr: § 164 Abs 1 Z 3 lit a ABGB idF FamErbRÄG 2004, BGBl I 2004/58) verneint. Dazu äußert sich der Antragsteller in seinem Revisionsrekurs nicht. Er nimmt vielmehr ausschließlich auf den ebenfalls in § 164b ABGB aF (nunmehr: § 164 Abs 1 Z 3 lit b ABGB nF) geregelten Tatbestand Bezug, der eine nachträglich eingetretene Änderung seines Kenntnisstands über die gegen seine Vaterschaft sprechenden Umstände erfordert. Anders als in Ehelichkeitsbestreitungsfällen ist dieses Erfordernis nicht nur für die Auslösung der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist für die Antragstellung (früher: Klage) von Bedeutung (vgl 2 Ob 571/91), sondern tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Anwendung der zitierten Norm.
Die frühestens mit der Geburt des Kindes beginnende Ausschlussfrist, die bis zum Inkrafttreten des FamErbRÄG 2004 mit einem Jahr ab Entdeckung der genannten Umstände bemessen war und seither gemäß § 164 Abs 2 ABGB nF zwei Jahre beträgt (vgl die Übergangsregelung in Art IV § 5 FamErbRÄG 2004), beginnt zu laufen, wenn diese Umstände von so großer Beweiskraft sind, dass der Anerkennende die Abstammung von ihm als höchst unwahrscheinlich ansehen kann; einzelne Verdachtsmomente reichen nicht aus (vgl 1 Ob 501/90; 7 Ob 534/91; 2 Ob 571/91; 3 Ob 313/05h; je zu Ehelichkeitsbestreitungsklagen; ferner 3 Ob 72/01m; RIS-Justiz RS0048265; Hopf in KBB2 § 164 Rz 6; Schwimann in Schwimann, ABGB3 I § 164 Rz 21). Dabei ist auf den Maßstab eines objektiv-verständig denkenden Mannes abzustellen (1 Ob 501/90).
Der Antragsteller hat nicht behauptet, nach Abgabe des Anerkenntnisses von neuen Tatsachen Kenntnis erlangt zu haben, die objektiv geeignet gewesen wären (neue) Zweifel an seiner Vaterschaft zu erwecken. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatte er vielmehr seit Beginn der Schwangerschaft der Mutter des Antragsgegners Kenntnis davon, dass auch die Vaterschaft eines anderen Mannes mit zumindest gleich großer Wahrscheinlichkeit möglich war. Nach herrschender Auffassung können neue, gegen die Vaterschaft des Anerkennenden sprechende Umstände zwar auch darin bestehen, dass die Glaubhaftmachung (von vornherein vorhandener, den Zweifel an der Vaterschaft begründender Tatsachen) erst nachträglich durch neue Beweismittel, so etwa durch eine DNA-Analyse möglich wird (Schwimann aaO § 164 Rz 21 mwN). In einem solchen Fall beginnt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 164b Satz 2 ABGB aF bzw des § 164 Abs 2 ABGB nF aber bereits mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem eine aussichtsreiche Beweisführung für die Vaterschaft eines anderen Mannes durch Einholung eines Gutachtens objektiv möglich ist (vgl SZ 56/71; 3 Ob 72/01m; RIS-Justiz RS0048296).
Der in 3 Ob 72/01m beurteilte Fall hatte einen nahezu identen Sachverhalt zum Gegenstand. Der Oberste Gerichtshof ging in dieser Entscheidung von der Verfristung der Klage auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses aus, weil eine aussichtsreiche erbbiologisch-anthropologische Untersuchung wesentlich früher, als sie tatsächlich durchgeführt wurde, möglich gewesen wäre. Obwohl sich die Vorinstanzen im vorliegenden Fall auf diese Entscheidung ausdrücklich beriefen, geht der Antragsteller in seinem Revisionsrekurs auf die darin dargelegten Grundsätze nicht ein. Er lässt ferner die Ansicht der Vorinstanzen unwidersprochen, wonach im konkreten Fall die Einholung einer DNA-Analyse zum Zweck der Klärung der Vaterschaft jedenfalls schon zu einem mehr als zwei Jahre vor der Antragstellung gelegenen Zeitpunkt objektiv möglich gewesen wäre.
Bei dieser Sachlage wird mit dem Hinweis auf (zweitinstanzliche) Rechtsprechung, nach welcher die bloße Kenntnis vom Mehrverkehr der Mutter mangels ausreichender Beweiskraft die Antragsfrist nicht in Gang setzen könne, kein die Kriterien des § 62 Abs 1 AußStrG erfüllendes Abweichen der Vorinstanzen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dargetan.