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OGH vom 29.03.2000, 7Ob263/98x

OGH vom 29.03.2000, 7Ob263/98x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen des Klägers Dr. Walter Aichinger als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der C***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Werner Steinacher und Dr. Alfred Hammerer, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. Norman G*****, vertreten durch Dr. Herbert Hübel, Rechtsanwalt in Salzburg, 2. DDr. Dieter R*****, vertreten durch Schuppich, Sporn und Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, 3. Dr. Werner S*****, vertreten durch Dr. Gerwin Brandauer, Rechtsanwalt in Salzburg, 4. Dipl. Vw. Helmut S*****, vertreten durch Dr. Friedrich Gehmacher und Dr. Helmut Hüttinger, Rechtsanwälte in Salzburg, 5. Dr. Wilfried K*****, vertreten durch Dr. Gerwin Brandauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen zu 1.) S 251.100 und S 50.685 sA (12 Cg 362/93w), zu 2.) S 669.600 sA (12 Cg 363/93t), zu 3.) S 194.026 sA (12 Cg 367/93f), zu 4.) S 160.000 sA (12 Cg 58/93i) und zu 5.) S 660.000 sA (12 Cg 60/93h) infolge Rekurses der klagenden Partei und der dritt- und fünftbeklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 73/97b-155, mit dem das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ 12 Cg 362/93w (verbunden mit 12 Cg 363/93t, 12 Cg 367/93f, 12 Cg 58/93i und 12 Cg 60/93h)-131, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Rekurse werden zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch von Kosten für die Rekursbeantwortungen wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Dem auf die §§ 84 Abs 5 und 99 AktG gestützten Klagebegehren wurde vom Erstgericht hinsichtlich der erst-, zweit- und viertbeklagten Partei dem Grunde nach mit Teil- und Zwischenurteil stattgegeben, dieses jedoch hinsichtlich der dritt- und fünftbeklagten Partei abgewiesen.

Das Berufungsgericht hob zufolge von Berufungen des Klägers, sowie der erst-, der zweit- und der viertbeklagten Parteien dieses Urteil zur Gänze auf. Das erstinstanzliche Verfahren sei, wie die Beklagten zu Recht rügten, mangelhaft geblieben, weil es ein Sachverständigengutachten aus dem parallel zum Zivilverfahren laufenden Strafverfahren, in das aber nicht alle der hier Beklagten involviert seien, ohne Zustimmung der Beklagten verwertet, das heißt den Feststellungen der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt habe, weshalb gegen § 281a ZPO verstoßen worden sei. Da zum Berufungsgericht bejahten erheblichen Verfahrensmangel noch keine Rechtsprechung ergangen sei, sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zuzulassen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen Aufhebungsbeschluss gerichteten Rekurse des Masseverwalters sowie der dritt- und der fünftbeklagten Partei erweisen sich als unzulässig, weil entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes, der für den Obersten Gerichtshof bei Beurteilung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels nicht bindend ist, keine erhebliche Rechtsfrage geltend gemacht wird. Zufolge der Unzulässigkeit der erhobenen Rechtsmittel kann sich die Darstellung auf die Nichterheblichkeit der geltend gemachten Rechtsfrage beschränken.

Der Kläger macht in seinen Rechtsmitteln, soweit es den vom Berufungsgericht aufgegriffenen Verfahrensmangel betrifft, geltend, dass letzteres verpflichtet gewesen wäre, in der Sache selbst zu erkennen; nicht alle, sondern nur die erst-, die zweit- und die drittbeklagte Partei hätten die Verwertung der Beilage ./PPP als Verfahrensmangel gerügt; bei den Beklagten handle es sich nur um einfache Streitgenossen, sodass der Verfahrensmangel für jeden Streitgenossen selbständig zu beurteilen sei; die Frage der Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes sei daher für jeden der Streitgenossen getrennt zu beurteilen; alle Beklagten hätten sich rügelos auf die Vorlage die die Beilage ./PPP enthaltenden Beilagen ./AAA und ./CCC eingelassen; nur die erst-, die zweit- und die viertbeklagte Partei hätten die Verwertung der Beil./PPP als Verfahrensmangel in ihrer Berufung gerügt; die vom Erstgericht auf die Beilage ./PPP gegründeten Feststellungen hätten sich auch aus den anderen, unmittelbar aufgenommenen Beweisen ergeben; keiner der Beklagten habe die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, obwohl sie dafür beweispflichtig gewesen wären, dass sie mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers bzw Aufsichtsrates gehandelt hätten und der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre. Die dritt- und die fünftbeklagte Partei machen in ihrem Rechtsmittel, soweit es den vom Berufungsgericht aufgegriffenen Verfahrensmangel betrifft, geltend, dass das Berufungsgericht verpflichtet gewesen wäre, in der Sache selbst zu erkennen, dass die Beilage ./PPP mangels ihrer Beteiligung am Strafverfahren weder verlesen noch als Gutachten verwendet hätte werden dürfen, dass das Berufungsgericht zu klären gehabt hätte, ob die Beilage ./PPP hinsichtlich der am Strafverfahren beteiligten Beklagten im Beweisverfahren verwendet hätte werden dürfen, hinsichtlich der anderen Beklagten jedoch nicht und dass eine einheitliche Beweiswürdigung hinsichtlich aller Beklagten nicht denkbar sei, der Kläger habe die vom Berufungsgericht als Aufhebungsgrund herangezogene Mangelhaftigkeit gar nicht gerügt.

Alle Beteiligten haben jeweils Rekursbeantwortungen erstattet.

Die drei Rekurse konzentrieren sich im wesentlichen auf die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 281a ZPO bei der vorliegenden Verfahrenskonstellation. Richtig ist, dass sich die Beklagten bei Vorlage der Beilagen ./AAA bis ./CCC nicht dagegen ausgesprochen haben, dass diese Gutachtensteile zum Gegenstand des vorliegenden Zivilverfahrens werden, sehr wohl haben sich aber die dritt- und die fünftbeklagte Partei gegen die Zulassung der Beilage ./PPP als Beweismittel in diesem Verfahren ausgesprochen. Bei den Beilagen ./AAA bis ./CCC handelt es sich um Teilgutachten ohne abschließende Stellungnahme des Gutachters im Strafverfahren, denen daher - ohne der Beweiswürdigung des Erstgerichtes im folgenden Verfahrensgang vorgreifen zu wollen - nicht der Beweiswert eines Sachverständigengutachtens, wie dies die Beilage ./PPP darstellt, zukommt. Die Vorlage der Beilage ./PPP erfolgte mit Schriftsatz des Klägers vom (ON 118), der in der mündlichen Streitverhandlung vom vorgetragen wurde, die Urkunde hingegen wurde ohne Verlesung zum Akt genommen (AS 145 in ON 125). Schon vor dieser Verhandlung haben die zweit-, die dritt- und die fünftbeklagte Partei die Zurückweisung dieses Beweismittels aus anderen aber nicht rekursgegenständlichen Gründen beantragt (AS 83 in ON 122 und AS 159 in ON 125) ebenso der Viertbeklagte (AS 159 in ON 125), allerdings nur mit den Worten "sogenannte Gutachten" unter gleichzeitiger Bestreitung seiner Richtigkeit. Der Erstbeklagte stellte ausdrücklich den Antrag, das Sachverständigengutachten im Zivilverfahren zu wiederholen (AS 233 in ON 125). Der Schriftsatz des Zweitbeklagten, in dem er sich gegen die Verwertung des vorgelegten Sachverständigengutachtens im Zivilverfahren aussprach (AS 117 in ON 124) wurde zwar vom Erstgericht zurückgewiesen. Der Zweitbeklagte stellte in der darauffolgenden mündlichen Streitverhandlung jedoch den gleichen Antrag (AS 159 in ON 125). Sämtliche beklagten Parteien haben die Richtigkeit der Beilage ./PPP bestritten.

Die Beurteilung eines in diesem Zusammenhang dem Erstgericht unterlaufenen Verfahrensmangel hat zufolge der Übergangsbestimmung nach Art XXXII Z 1 lit d WGN 1997 nach der alten Gesetzeslage, die Vorgangsweise nach dem nach der geänderten Fassung durch die letztzitierte Norm zu erfolgen. Während nach der alten Gesetzeslage die Beteiligung der Parteien am Strafverfahren Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 281a ZPO war, ist nunmehr eine Anwendung auch gegenüber einer daran nicht beteiligten Partei möglich, wenn diese ausdrücklich der Verlesung zustimmt. Die Unanwendbarkeit des § 281a ZPO ist und war immer dann gegeben, wenn sich eine der Parteien gegen eine derartige Vorgangsweise ausgesprochen hat (vgl Stohanzl ZPO8 § 281a Anm 1).

Der Kläger ist für den Eintritt eines von den Beklagten verschuldeten Schadens beweispflichtig; erst dann obliegt es den beklagten Geschäftsführern bzw Aufsichtsratsmitgliedern zu behaupten und zu beweisen, dass sie die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters erfüllt haben oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre oder dass ihnen die Einhaltung dieses Sorgfaltsgebotes unverschuldet unmöglich war (vgl EvBl 1986/86).

Die durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 eingeführte Lockerung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch § 281a ZPO ermöglicht dem Gericht die Verlesung der Gutachten von Sachverständigen, die in einem anderen gerichtlichen Verfahren über das gleiche Beweisthema abgelegt, verfasst oder erstattet wurden, dann, wenn beide Parteien am früheren Verfahren beteiligt waren und keiner von ihnen ausdrücklich das Gegenteil beantragt; dies kann ohne jede Begründung geschehen (vgl Fasching LB2 Rz 677). Dementsprechend reicht für die Unanwendbarkeit der Vorgangsweise nach § 281a ZPO auch eine unzutreffende oder falsche Begründung der betroffenen Partei für die Ablehnung. Die in der Rechtsprechung schon bejahte Frage, ob der Verzicht auf die Unmittelbarkeit ausdrücklich erklärt und protokolliert werden müsse (vgl JBl 1971, 96), stellt sich daher im vorliegenden Fall nicht, weil die Ablehnung sämtlicher Beklagten, die Beilage ./PPP als Sachverständigengutachten zum Gegenstand des vorliegenden Zivilverfahrens zu machen, evident ist. § 281a ZPO setzt das Prinzip der materiellen Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nicht außer Kraft. Die Verlesung des schriftlichen Sachverständigengutachtens bleibt daher jedenfalls dann unzulässig, wenn die unmittelbare Beweisaufnahme wegen der größeren Sachnähe einen höheren Beweiswert verspricht (vgl Bajons, FS Fasching zum 65. Geburtstag, 52). Dass das Erstgericht die für die Haftungsfrage der Beklagten entscheidenden Feststellungen aus der Beilage ./PPP getroffen hat, ist ebenfalls offenkundig. Das Erstgericht hat dieeses Gutachten nicht bloß, wie es ausführt, zur Abrundung der Sachverhaltsdarstellung herangezogen, so wurden die Feststellungen über die Nichterreichbarkeit des Gesellschaftszwecks, die Feststellungen, dass die Beklagten die (widerstreitenden) Interessen des Konzerns vor die Interessen der Anleger gestellt und deren Interessen nicht wahrgenommen haben sowie zahlreiche weitere, für die Beurteilung der Haftungsfrage wesentliche Feststellungen (Seiten 65, 86, 90 f und 91 f) darauf gestützt. Auch sind die Erwägungen des Sachverständigen in die Beweiswürdigung des Erstgerichts eingeflossen. Damit trifft auch der vom Berufungsgericht aufgegriffene Gedanke einer Verletzung des in Art 6 EMRK garantierten rechtlichen Gehörs durch die Vorgangsweise des Erstgerichtes zu (vgl dazu Bajons aaO 51 f), weil durch die Vorlage eines Sachverständigengutachtens als Beilage ohne weitere Beweisaufnahmen das den Parteien zustehende Frage- und Antragsrecht gegenüber dem Sachverständigen verweigert wurde. Zufolge der Weigerung der Beklagten, die Beilage ./PPP als Beweismittel gleich einem Sachverständigengutachten zu verwerten, wäre es am hiefür beweispflichtigen Kläger gelegen gewesen, die Wiederholung dieses Sachverständigengutachtens im Zivilverfahren zu beantragen bzw hätte das Erstgericht den gegen diese Vorgangsweise gestellten Beweisanträgen der Beklagten Folge geben müssen.

Die Anwendung des § 281a ZPO darf bei einfachen Streitgenossen nicht zur unterschiedlichen Beurteilung der Zulässigkeit der davon betroffenen Beweismittel führen. Dass die Beklagten (allenfalls) nur einfache Streitgenossen sind, führt auch nicht dazu, dass Verfahrensmängel, die die Stoffsammlung betreffen und die Beweiswürdigung beeinflussen können, nur zugunsten jener von mehreren Parteien berücksichtigt werden können, die sie auch geltend gemacht haben. Die Stoffsammlung kommt nämlich in der Regel allen Streitgenossen zugute, die Beweise werden nur einmal aufgenommen und einheitlich gewürdigt (Fucik in Rechberger, ZPO2 Rz 1 zu § 13). Die sich aus § 13 ZPO ergebende grundsätzliche Selbständigkeit der Prozessführung der einzelnen Streitgenossen muss nämlich eingeschränkt werden, soweit der Prozessstoff und dessen Sammlung in Betracht kommt, wenn Verhandlung, Beweisaufnahme und Urteil gemeinsam erfolgen; alle für alle Streitgenossen gemeinsamen Beweismittel müssen bei freier richterlicher Beweiswürdigung dieselbe Würdigung finden; soweit Streitgenossen am gemeinschaftlichen Verfahren beteiligt waren, sind die in diesem Verfahren gepflogenen Beweiserhebungen für alle verwertbar (Fasching II 189 f). Diese vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht ist in evidenter Weise vom Gesetz gedeckt, sodass keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt. Nur bei einer Änderung der bisherigen Stellungnahme sämtlicher Beklagten im weiteren Verfahren könnte daher die Beilage ./PPP Gegenstand des Beweisverfahrens werden.

Beim vorliegenden Umfang des Beweisverfahrens ist es ebenfalls evident, dass eine Behebung des vorliegenden Verfahrensmangels durch das Berufungsgericht selbst zu einem wesentlich höheren Kostenaufwand geführt hätte. Eine Beweisergänzung durch das Berufungsgericht kommt daher nicht in Frage.

Alle Rekurse waren daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO. Da keine der Rekursbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der Rekurse hinwies, war das darin erhobene Kostenbegehren abzuweisen.