OGH vom 12.02.2002, 4Ob29/02x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Alix Frank Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Bartl und Dr. Anton Cuber, Rechtsanwälte in Graz, wegen Unterlassung (Streitwert 32.702,78 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 3.633,64 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 135/01i-13, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG handelt, wer als Mitbewerber bewusst in den gesetzlichen Vorbehaltsbereich einer fremden Gewerbeberechtigung eingreift, um so im Wettbewerb einen Vorsprung gegenüber seinen gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen (stRsp ua ÖBl 1990, 7 - Rupertitag; ÖBl 1991, 67 - Bankfeiertag; ÖBl 1992, 120 - Plakatkampagne; ÖBl 1994, 17 - Contact; ÖBl 1994, 213 - Haushaltsübliche Reinigungsarbeiten; ÖBl-LS 01/1), weil er dann ein Gewerbe ohne Gewerberechtigung, die erst den Zugang zur Ausübung des Gewerbes ermöglicht, ausübt (ÖBl 1998, 186 - Warenrepräsentator mwN; 4 Ob 259/01v). Bewusst handelt, wessen Auffassung über den Umfang seiner Befugnisse durch das Gesetz nicht so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten werden kann. Ob ein Verstoß gegen § 1 UWG vorliegt, hängt daher davon ab, ob die Rechtsauffassung des Beklagten im Gegensatz zu einem klaren Gesetzeswortlaut, zur offenkundigen Absicht des Gesetzgebers oder allenfalls zu einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung steht (ÖBl 1994, 213 - Haushaltsübliche Reinigungsarbeiten mwN).
Die angefochtene Entscheidung weicht von dieser Rechtsprechung nicht ab, wenn sie einen Verstoß der Beklagten gegen § 216 Abs 1 GewO (Bewilligungspflicht ua für Präparate, die zur diagnostischen Verwendung ohne Berührung mit dem menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind) und damit eine Wettbewerbsverletzung deshalb annimmt, weil die Beklagte in ihren Filialen Schwangerschaftstests verkauft, ohne über eine Gewerbeberechtigung als Drogist zu verfügen. Dass die Lieferantin der Beklagten vom - für den Vollzug der Gewerbeordnung gar nicht zuständigen - Gesundheitsministerium eine anderslautende Auskunft bekommen hat, beseitigt angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts der übertretenen Bestimmung der Gewerbeordnung die Verantwortlichkeit der Beklagten nicht.
Entgegen den Ausführungen der Rechtsmittelwerberin rechtfertigt das öffentliche Interesse des Gesundheitsschutzes eine Einschränkung des Grundrechts auf Erwerbsfreiheit in diesem Punkt, weil es zweifellos sachlich geboten ist, den Verkauf von Schwangerschaftstests solchen Vertriebsformen vorzubehalten, mit denen die Möglichkeit einer fachkundigen Beratung verbunden ist: Wird nämlich eine Schwangerschaft infolge unsachgemäßer Anwendung oder Auswertung des Tests nicht rechtzeitig erkannt, kann - etwa infolge einer nicht entsprechenden Lebensführung - eine Gefahr für die Gesundheit von Mutter und/oder Fötus eintreten. Wegen der insoweit klaren Rechtslage war die Anregung der Beklagten, ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten, nicht aufzugreifen.
Von den Fragen, ob ein Schwangerschaftstest ein Medizinprodukt iSd MedizinprodukteG ist, und ob Medizinprodukte generell in Selbstbedienung abgegeben werden dürfen, hängt die Entscheidung nicht ab, weil der Tatbestand des § 216 GewO nicht auf den Handel mit Medizinprodukten abstellt.