Suchen Hilfe
OGH 25.04.2018, 3Ob18/18w

OGH 25.04.2018, 3Ob18/18w

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen C*****, geboren am ***** 2014; Mutter: Mag. S*****, vertreten durch Dr. Andrea Wukovits Rechtsanwältin GmbH in Wien; Vater: DI *****, vertreten durch Dr. Günter Wappel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Obsorge und Kontaktrecht, über die außerordentlichen Revisionsrekurse des Vaters und der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom , GZ 20 R 75/17d-189, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Das Revisionsrekursverfahren wird bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Ablehnungsanträge des Vaters gegen die Erstrichterin unterbrochen.

2. Die Akten werden dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, sie erst nach Rechtskraft der Entscheidung über diesen Ablehnungsantrag dem Obersten Gerichtshof wieder vorzulegen.

Text

Begründung:

Beide Eltern bekämpften die rekursgerichtliche Entscheidung vom mit außerordentlichen Revisionsrekursen vom . Der Vater machte die Befangenheit der Erstrichterin in seinen (nachfolgenden) Rekursen vom gegen die Beschlüsse des Erstgerichts ON 207 und 208 sowie im Rekurs vom gegen den Beschluss ON 250 jeweils als Nichtigkeitsgrund geltend.

Rechtliche Beurteilung

Das Verfahren über die dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegten Revisionsrekurse ist zu unterbrechen.

Die Geltendmachung der Befangenheit ist noch nach der Erlassung der erstgerichtlichen Entscheidung bis zur Rechtskraft zulässig (RIS-Justiz RS0041933, RS0042028). Wird dem Ablehnungsantrag stattgegeben, ist gemäß § 25 letzter Satz JN erforderlichenfalls auszusprechen, ob und in welchem Umfang Verfahrenshandlungen der abgelehnten Richterin aufzuheben sind (RIS-Justiz RS0045994). Davon könnten auch die von den außerordentlichen Revisionsrekursen erfassten erstgerichtlichen Entscheidungen betroffen sein (RIS-Justiz RS0042046), die mit einem schweren Verfahrensmangel iSd § 58 Abs 4 Z 1 AußStrG behaftet wären (2 Ob 202/16v). An den in Rechtskraft erwachsenen Beschluss des Ablehnungsgerichts ist auch das Rechtsmittelgericht im Hauptverfahren gebunden (RIS-Justiz RS0042079).

Das Revisionsrekursverfahren ist daher bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Ablehnung zu unterbrechen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen C*, geboren am * 2014; Mutter: M*, vertreten durch Dr. Andrea Wukovits Rechtsanwältin GmbH in Wien; Vater: D*, vertreten durch Dr. Günter Wappel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Obsorge und Kontaktrecht, über die außerordentlichen Revisionsrekurse des Vaters (ON 217) und der Mutter (ON 218) gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom , GZ 20 R 75/17d-189, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Das Revisionsrekursverfahren wird fortgesetzt.

2. Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters wird zurückgewiesen.

3. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

Im vorliegenden Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren mit äußerst hohem Konfliktniveau verkündete das Erstgericht in der Tagsatzung vom , ON 111, den Beschluss, wonach 1. der Mutter die bisher gemeinsame Obsorge vorläufig alleine zukomme; Punkt 2. lautet: „Dem Kindesvater […] wird gemäß § 107 Abs 2 AußStrG ein vorläufiges Kontaktrecht in der Form eingeräumt, dass er berechtigt ist den Minderjährigen ein Mal in der Woche in der Dauer von 2 bis 3 Stunden unter Begleitung der Besuchsbegleitung S* zu sehen. Die konkreten Tage und Zeiten sind von den Eltern im Einvernehmen mit der Besuchsbegleitung zu vereinbaren.“

Das Erstgericht fertigte in der Folge den mündlich verkündeten Beschluss als ON 114 aus und fasste am einen weiteren Beschluss, in dem es – einem zwischenzeitigen Antrag der Mutter (ON 113) folgend – Punkt 2. der ON 114 dahin „ergänzte“, dass es der Mutter freistehe, auch eine andere für diese Tätigkeit qualifizierte Besuchsbegleiterin, insbesondere eine Besuchsbegleiterin des Familienbundes Niederösterreich, zu bestimmen (ON 115).

Das Rekursgericht gab mit dem nunmehr gegenständlichen Beschluss (ON 189) dem Rekurs des Vaters gegen den Beschluss ON 114 teilweise Folge, indem es die vorläufige Obsorgeentscheidung ersatzlos behob, die vorläufige Kontaktrechtsregelung mit Besuchsbegleitung jedoch bestätigte. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für nicht zulässig. Später behandelte es denselben Rekurs als auch gegen den Beschluss ON 115 gerichtet, hob diesen auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf (ON 245).

Gegen die Bestätigung der vorläufigen Kontaktregelung erhob der Vater einen außerordentlichen Revisionsrekurs (ON 217). Auch die Mutter brachte einen außerordentlichen Revisionsrekurs gegen die Rekursentscheidung ON 189 ein, womit sie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen vorläufigen Obsorgeentziehung anstrebt (ON 218). Der Vater erstattete dazu – ohne Freistellung durch den Obersten Gerichtshof – eine Revisionsrekursbeantwortung (ON 230).

Nach Verfahrensergänzung entschied das Erstgericht mit Beschluss vom , ON 268, wie folgt: „Dem Kindesvater […] wird gemäß § 107 Abs 2 AußStrG ein vorläufiges Kontaktrecht in der Form eingeräumt, dass er berechtigt ist den minderjährigen [...] ein Mal in der Woche in der Dauer von 2 bis 3 Stunden unter Begleitung der Besuchsbegleitung Hilfswerk Niederösterreich zu sehen. Die konkreten Tage und Zeiten des Kontaktrechtes sind von den Eltern im Einvernehmen mit dem Hilfswerk Niederösterreich zu vereinbaren.“

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat Folgendes erwogen:

Zu 1. Die Ablehnung der Erstrichterin durch den Vater in den Rekursen gegen die Beschlüsse des Erstgerichts ON 207, 208 und 250 wurde zwischenzeitig rechtskräftig zurückgewiesen. Das mit Beschluss vom unterbrochene Revisionsrekursverfahren ist daher – im Sinn des Antrags des Vaters – fortzusetzen.

Zu 2. Der Revisionsrekurs des Vaters ist unzulässig:

Der Beschluss ON 268 stellt nach seinem Spruch eine einheitliche Neuregelung des vorläufigen Kontaktrechts dar, die jene durch den Beschluss ON 114 ersetzt und diesen damit für die Zukunft teilweise (wenn auch geringfügig) abändert. Da sich auch dessen Begründung mit den Voraussetzungen der Regelung eines vorläufigen Kontaktrechts (§ 107 Abs 2 AußStrG) auseinandersetzt
– welche Ausführungen überflüssig wären, wenn es nur um die Änderung der Person des Besuchsbegleiters ginge – muss in Verbindung mit dem unzweifelhaften Spruch bei der gebotenen objektiven Auslegung (RIS-Justiz RS0008802) davon ausgegangen werden, dass eine einheitliche Neuregelung des vorläufigen Kontaktrechts vorliegt, also der Beschluss ON 114 vollständig ersetzt wurde. In diesem Sinn hat ohnehin auch der Vater den Beschluss ON 268 verstanden, weil er in seinem Rekurs dagegen eine Abänderung nicht nur hinsichtlich der Besuchsbegleitung begehrte, sondern auch zum Ausmaß des Kontaktrechts.

Da § 107 Abs 2 Satz 3 AußStrG vorsieht, dass ua einer vorläufigen Kontaktrechtsregelung vorläufige Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit zukommt, sofern – was hier nicht der Fall ist – das Gericht diese nicht ausschließt, trat die Neuregelung mit Zustellung des Beschlusses ON 268 mit sofortiger Wirkung an die Stelle der vorangegangenen Regelung ON 114 (vgl 7 Ob 153/18b). Ihre Wirksamkeit endet mit der Rechtskraft der endgültigen Kontaktregelung (sofern es nicht zu einer neuerlichen Änderung des vorläufigen Kontaktrechts kommen sollte). Darauf, ob der Beschluss ON 268 schon in Rechtskraft erwachsen ist, kommt es daher nicht an.

Nach ständiger Rechtsprechung setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer voraus, weil es nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen ist, rein theoretische Fragen zu entscheiden (RIS-Justiz RS0002495; Kodek in Rechberger, ZPO4 Vor § 461 Rz 9 mwN). Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist nicht nur die formelle, sondern auch die materielle Beschwer (RIS-Justiz RS0041868; RS0006497). Sie liegt vor, wenn der Rechtsmittelwerber in seinem Rechtsschutzbegehren durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt wird, er also ein Bedürfnis auf Rechtsschutz gegenüber der angefochtenen Entscheidung hat (RIS-Justiz RS0041746; RS0043815). Ist das nicht der Fall, ist das Rechtsmittel auch dann zurückzuweisen, wenn die Entscheidung formal vom Antrag abweicht (RIS-Justiz RS0041868 [T14, T15]; zu allem jüngst 8 Ob 52/18g).

Kann ein Rechtsmittel seinen eigentlichen Zweck, die Rechtswirkungen der bekämpften Entscheidung durch eine Abänderung oder Aufhebung zu verhindern oder zu beseitigen, nicht mehr erreichen, dann fehlt es am notwendigen Rechtsschutzinteresse (RIS-Justiz RS0002495 [T43, T78]). Die Beschwer muss zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels gegeben sein und zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen; andernfalls ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0041770; RS0006880). Diese Grundsätze gelten auch im Verfahren außer Streitsachen (RIS-Justiz RS0002495 [T81]; RS0006598) und im Besonderen für ein zeitlich überholtes Kontaktrecht (RIS-Justiz RS0002495 [T2]; RS0006526 [T1]; RS0006880 [T10, T16]; RS0041770 [T36]; zu allem jüngt 7 Ob 153/18b und 3 Ob 203/17z mwN).

Im vorliegenden Fall ist die Beschwer des Vaters weggefallen: Ist doch die mit dem Revisionsrekurs bekämpfte vorläufige Kontaktrechtsregelung ON 114, was die Vergangenheit (die Zeit vor Zustellung des Beschlusses ON 268) betrifft, jedenfalls überholt, sodass eine meritorische Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über das Rechtsmittel des Vaters nur noch theoretische Bedeutung hat (3 Ob 135/18a mwN). Aber auch für die Zeit danach und die Zukunft entfaltet sie keinerlei Rechtswirkungen mehr, weil sie durch die nachfolgende Entscheidung ON 268 mit sofortiger Wirkung ersetzt wurde. Eine Überprüfung der diesbezüglichen Rekursentscheidung ON 189 könnte daher nur noch von theoretischem Interesse sein, weil sie auf die Rechtssphäre des Vaters keinen Einfluss mehr hat. Sein Revisionsrekurs ist daher als unzulässig zurückzuweisen. Daran könnte auch eine – theoretisch mögliche
nachträgliche – Aberkennung der vorläufigen Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit (vgl Beck in Gitschthaler/Höllwerth § 107 AußStrG Rz 41) nichts ändern, weil dies nicht zum Wiederaufleben der früheren Regelung führt (vgl 7 Ob 153/18p [P 3.4.])

Zu 3. Die Zurückweisung eines außerordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage bedarf keiner Begründung (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00018.18W.0425.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAD-54531