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OGH vom 20.09.1994, 4Ob554/94

OGH vom 20.09.1994, 4Ob554/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Staatsanwaltschaft Wien, ***** wider die beklagten Parteien 1.) Eva Maria S 2.) Dobrivoj S*****, dieser vertreten durch Dr.Alfred Peter Musil, Rechtsanwalt in Wien, als Prozeßkurator, wegen Ehenichtigkeit, infolge Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgericht vom , GZ 47 R 2093/93-32, womit infolge Berufung der zweitbeklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom , GZ 8 C 45/91f-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die zweitbeklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der beiden Beklagten wurde am vor dem Standesamt Wien-Währing geschlossen. Die Erstbeklagte ist Österreicherin, der Zweitbeklagte jugoslawischer Staatsbürger. Zweck der Eheschließung war es, dem Zweitbeklagten einen Befreiungsschein gemäß § 15 Abs 1 Z 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) zu verschaffen, um es ihm zu ermöglichen, in Österreich einer geregelten Beschäftigung nachzugehen und eine Aufenthaltsbewilligung zu bekommen. Eine eheliche Lebensgemeinschaft zwischen den Beklagten war weder geplant, noch ist sie zustandegekommen.

Mit der Behauptung, daß die Ehe nur zu dem Zweck geschlossen worden sei, um dem Zweitbeklagten eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung in Österreich und in der weiteren Folge die österreichische Staatsbürgerschaft zu verschaffen, begehrt die klagende Staatsanwaltschaft die Nichtigerklärung der Ehe.

Nur der Zweitbeklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Ehe sei in der Absicht, eine Lebensgemeinschaft aufzunehmen, geschlossen worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es könne nicht festgestellt werden, daß die Möglichkeit, durch die Eheschließung auch die Staatsbürgerschaft leichter zu erwerben, für den Zweitbeklagten von entscheidender Bedeutung für die Heirat gewesen sei. Werde die Ehe nur oder überwiegend zu dem Zweck geschlossen, daß ein Ausländer einen Befreiungsschein erlange, so sei das wertungsmäßig dem vom Gesetzgeber ausdrücklich geregelten Fall der Staatsbürgerschaftsehe gleichzuhalten. Hier liege eine planwidrige Gesetzeslücke vor, so daß ein Analogieschluß zu ziehen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. § 23 EheG beruhe auf dem reichsdeutschen Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechtes der Eheschließung und Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet vom . Die Vorläuferbestimmung (Art I des Gesetzes gegen Mißbräuche der Eheschließung vom , RGBl I S. 979, welcher § 1325a in das BGB einführte) habe nur die Nichtigkeit derjenigen Ehe vorgesehen, die ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen wurde, der Frau die Führung des Namens des Mannes zu ermöglichen. Auf Wunsch österreichischer Stellen sei § 23 EheG dahin erweitert worden, daß auch die Staatsbürgerschaftsehe aufgenommen wurde. Gerade in Österreich sei es nämlich vorgekommen, daß unerwünschte Ausländerinnen eine Formehe eingingen, um durch den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft die Möglichkeit zu einer beruflichen Niederlassung in Wien zu erhalten. Die Absicht des Gesetzgebers sei also dahin gegangen zu verhindern, daß Ausländerinnen durch Heirat mit einem Inländer eine Beschäftigungsmöglichkeit in Österreich erlangten. Da dies seinerzeit im wesentlichen nur über den Erwerb der Staatsbürgerschaft möglich war, sei die Staatsbürgerschaftsehe unter Nichtigkeitssanktion gestellt worden.

Die Lage habe sich mittlerweile rechtlich, wirtschaftlich und sozial wesentlich geändert. Nunmehr bewirke der Eheabschluß nicht mehr automatisch den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch den ausländischen Ehepartner. § 23 EheG wäre in diesen Belang daher streng genommen überhaupt obsolet. Auch das Ausländerbeschäftigungsgesetz habe wesentliche Änderungen gebracht. Der früher ausschlaggebende Einfluß der österreichischen Staatsbürgerschaft und deren Bedeutung für eine Arbeitsmöglichkeit in Österreich sei zurückgedrängt worden. Dem Eheabschluß komme aber für die Arbeitsmöglichkeit eines Ausländers in Österreich auch jetzt noch entscheidende Bedeutung zu. Nach § 3 AuslBG sei für die Arbeitsmöglichkeit von Ausländern im Inland eine Beschäftigungsbewilligung oder ein Befreiungsschein Voraussetzung. Während die Beschäftigungsbewilligung an eine Vielzahl erschwerender Voraussetzungen gebunden sei und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Inland nur eingeschränkt gestatte, träfen all diese Beschränkungen für einen Ausländer mit Befreiungsschein nicht zu; dieser werde vielmehr einem Österreicher gleichgestellt. Zum Erwerb eines Befreiungsscheines genüge es, daß der Ausländer mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet ist und seinen Wohnsitz im Bundesgebiet hat. Daraus folge, daß der Eheabschluß eines Ausländers mit einem österreichischen Partner noch immer wesentliche Bedeutung habe. In diesem Belang bestehe ein gewaltiger Regulierungsbedarf, weil das Schlepperunwesen sehr große Ausmaße angenommen habe. Zur Verwirklichung der ursprünglichen Intentionen des Gesetzgebers - nämlich unerwünschte Ausländerbeschäftigung in Österreich zu verhindern - müsse daher vom restriktiven Verständnis des § 23 EheG abgegangen werden. Zwar könne mangels Vorliegens einer planwidrigen Gesetzeslücke nicht Analogie angewendet werden, weil § 20 EheG ausdrücklich die Annahme zusätzlicher Nichtigkeitstatbestände für unstatthaft erkläre. Wohl aber sei eine extensive Interpretation des § 23 EheG möglich. Eine historisch-teleologische Interpretation stelle auf die Absicht des Gesetzgebers und damit auf jenen Zweck ab, der mit dem Gesetz verwirklicht werden sollte. Diese Auslegung führe dazu, daß eine bloße Befreiungsscheinehe gleichfalls im Sinne des § 23 EheG nichtig sein müßte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Zweitbeklagten ist nicht berechtigt.

Nach § 23 Abs 1 EheG ist eine Ehe dann nichtig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen ist, der Frau die Führung des Familiennamens des Mannes oder den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Mannes zu ermöglichen, ohne daß die eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden soll. Zur Zeit der Formulierung des Gesetzeswortlauts und auch noch zur Zeit der Rezeption des Ehegesetzes in den Rechtsbereich der zweiten Republik war nach dem damals geltenden Staatsbürgerschaftsrecht nur ein Erwerb der Staatsbürgerschaft des Mannes durch die Frau und nicht auch umgekehrt vorgesehen. Das hat sich mittlerweile geändert. Seit dem Inkrafttreten der StbG-Novelle 1983 ist die Eheschließung eines inländischen Staatsbürgers mit einer Person, die diese Staatsbürgerschaft nicht besitzt, für deren Staatsbürgerschaftserwerb nicht nur dann Tatbestandsmerkmal, wenn es sich bei dem Fremden um eine Frau handelt ("Ausländerin" in § 4 StbG 1949 oder "eine Fremde" in § 9 StbG 1965), sondern auch dann, wenn der Fremde der männliche Ehepartner ist (der andere "Ehegatte" geschlechtsneutral in § 11a StbG idgF). Wie der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen hat, trat mit dieser Änderung des Staatsbürgerschaftsrechtes in Ansehung des Nichtigkeitsgrundes nach dem zweiten Fall des § 23 Abs 1 EheG nachträglich eine unbeabsichtigte, systemwidrige Lücke auf, welche ungeachtet des § 20 EheG aus dem verfassungsgesetzlichen Gleichbehandlungsgebot im Sinne der Analogie zu schließen ist (SZ 61/262). Die geänderte staatsbürgerschaftsrechtliche Lage hat die Regelung nach dem zweiten Fall des § 23 Abs 1 EheG auch nicht deshalb gegenstandslos gemacht, weil nunmehr die Eheschließung nicht mehr kraft Gesetzes (§ 4 StbG 1949) zum Erwerb der Staatsbürgerschaft führt, noch diese durch Erklärung des Fremden, der einen Inländer geheiratet hat, herbeigeführt wird (§ 9 StbG 1965), sondern nunmehr - bei Vorliegen weiterer gesetzlicher Voraussetzungen - einen Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft (§ 11a StbG 1965 idgF) begründet (SZ 61/262; Pichler in Rummel ABGB2 Rz 2 zu § 23 EheG).

Der Oberste Gerichtshof hat auch schon - in ausdrücklicher Abkehr von JBl 1993, 245 und unter Ablehnung der gegenteiligen Meinung Pichlers (aaO Rz 1; im gleichen Sinn Schwimann in Schwimann, Praxiskommentar Rz 4 zu § 23 EheG; Stormann, ÖStA 1989, 79 f) - dargelegt, daß auch die ausschließliche oder überwiegende Absicht, durch die Eheschließung nur die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und/oder den unbehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen, ohne nach Erfüllung der Voraussetzungen die österreichische Staatsbürgerschaft anzustreben, für die Nichtigerklärung der Ehe auslange (8 Ob 577/93). Der 8.Senat hat dazu ausgeführt:

"Gerade die inzwischen eingetretene Rechtsänderung (Novelle vom , BGBl 1992/475, zum Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl 1975/218, deren Anlaß die Gleichstellung von Angehörigen österreichischer Staatsbürger mit Angehörigen von EWR-Staatsbürgern war, RV 489 und AB 634 BlgNR 18.GP) zeigt, daß diese Auslegung [in JBl 1993, 245] unzutreffend sein muß. Nach der durch diese Novelle dem § 1 Abs 2 neu angefügten lit l findet dieses Gesetz auf Ausländer, die mit einem Inländer die Ehe geschlossen haben, keine Anwendung. Sie haben daher ab Eheschließung die gleichen Arbeitsmöglichkeiten wie Inländer; für sie ist der Arbeitsmarkt völlig liberalisiert.

Obwohl allgemein bekannt war, daß es immer wieder, und wegen der Beschränkung der Kontingente in vermehrtem Ausmaß, zu Eheschließungen kam, die bloß der Erlangung der unbeschränkten Arbeitsmöglichkeit im Inland dienen, unterließ es der Gesetzgeber, diesem Umstand durch eine ausdrückliche Regelung Rechnung zu tragen, etwa indem er im Ausländerbeschäftigungsgesetz für solche Fälle den Entzug der unbeschränkten Arbeitsmöglichkeit vorgesehen hätte, obwohl er verwandten Problemen im Zusammenhang mit der Änderung persönlicher Verhältnisse (zB Scheidung) in dieser Novelle durchaus Rechnung trug (§ 3 Abs 7,§ 14 a Abs 1 und 3 AuslBG idF der Nov.). Dies läßt nur den Schluß zu, daß zwar die Liberalisierung nur echte Ehen betreffen sollte, der Gesetzgeber aber eine ausdrückliche Regelung dieses Problems nicht für nötig hielt, weil er der Meinung war, für Fälle mißbräuchlicher Erschleichung der freien Arbeitsmöglichkeit in Österreich durch Schließung einer Scheinehe ohnedies bereits ausreichend Vorsorge getragen zu haben.

Die heutige Gesetzeslage führt dazu, daß der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft für einen Ausländer allenfalls nur noch von untergeordnetem Interesse ist:

Die österreichische Staatsbürgerschaft gibt nicht nur politische Rechte, wie zB das Wahlrecht, sie legt den Staatsbürgern auch Pflichten, wie zB die Wehrpflicht auf; sie ermöglicht aber auch den unbeschränkten Aufenthalt und die unbeschränkte Arbeitsmöglichkeit in Österreich. Erstere Rechte sind für "zugereiste Ausländer" erfahrungsgemäß nur von geringem Interesse bzw gar nicht erwünscht, entweder, weil sie mit dem Verlust gleichartiger Rechte im Heimatland verbunden sind oder auch nur deshalb, weil sie auch mit Pflichten (zB Wehrdienst) verbunden sind. Die für solche Ausländer wesentlichen Rechte, nämlich das Recht des unbeschränkten Aufenthalts und der unbeschränkten Arbeitsmöglichkeit in Österreich, erlangen sie nach der nunmehr geltenden Rechtslage bereits mit der Eheschließung.

§ 23 EheG bezweckte, den Mißbrauch der Einrichtung der Ehe zwecks Erwerb des Namens des Mannes oder der Staatsbürgerschaft und der damit verbundenen wesentlichen Rechte zu verhindern. Ursprünglich konnten die Ausländer die für sie wesentlichen Rechte des unbeschränkten Aufenthalts und der unbeschränkten Arbeitsmöglichkeit in Österreich nur über den Erwerb der Staatsbürgerschaft erlangen; dies war für die Frau am leichtesten durch Eheschließung mit einem Inländer möglich; deshalb sanktionierte der Gesetzgeber des EheG die ausschließlich oder überwiegend zu diesem Zweck geschlossene Ehe mit Nichtigkeitssanktion; jetzt ist es möglich, diese Rechte, die früher nur mit der Staatsbürgerschaft verbunden waren, auch ohne deren Erwerb bereits mit der Eheschließung mit einem Inländer zu erreichen, weshalb auch die ausschließlich oder überwiegend nur zu diesem Zweck geschlossenen Ehen mit Nichtigkeitssanktion geahndet werden müssen; andernfalls führte dies dazu, daß § 23 Abs 1 zweiter Fall EheG weitestgehend unanwendbar würde. Dies kann dem Gesetzgeber schon deshalb nicht als Absicht unterstellt werden, hält er doch auch an der Nichtigkeitssanktion der Namensehe (§ 23 Abs 1 erster Fall EheG) fest, obwohl das öffentliche Interesse an der Verhinderung derartiger Scheinehen wesentlich geringer als im vorliegenden Fall ist."

Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung - und damit auch der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht - an.

Dieser Auslegung des § 23 EheG steht § 20 EheG - wonach eine Ehe nur in den Fällen der §§ 21 bis 25 EheG nichtig ist - nicht entgegen. Daß - wie das Berufungsgericht meint - eine erweiternde Interpretation des § 23 EheG zu diesem Auslegungsergebnis führen kann, trifft zwar nicht zu, weil der äußerste mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung absteckt (Bydlinski in Rummel ABGB2 Rz 17 zu § 6; Koziol/Welser9 I 21; SZ 57/181) und der "Erwerb der Staatsangehörigkeit" die Erlangung eines bloßen Befreiungsscheines nicht in sich schließt (Breycha, Über die Nichtigkeit der Arbeitsbewilligung, RZ 1994, 98 ff [100]). Sehr wohl ist aber das Füllen einer planwidrigen Gesetzeslücke - insbesondere auch einer solchen, die erst nach Erlassung eines Gesetzes aufgetreten ist (Koziol/Welser aaO 25) - zulässig. Die analoge Anwendung eines Tatbestandes ist nur dann ausgeschlossen, wenn ersichtlich ist - wie z. B. in § 1 Abs 1 StGB (Eine Strafe .... darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die unter eine ausdrückliche gesetzliche Strafdrohung fällt) -, daß der Gesetzgeber die Rechtsfolge nur eintreten lassen will, wenn gerade die Voraussetzungen des geregelten Tatbestandes erfüllt sind, also die Nichtregelung dem Plan des Gesetzes entspricht; ein solcherart "ausschließender Charakter" eines Rechtssatzes ist allerdings nicht zu vermuten, sondern muß besonders erwiesen werden (Koziol/Welser aaO 26). Aus dem Wortlaut des § 20 EheG ergibt sich dieser Beweis nicht; er macht nur klar, daß die Nichtigkeitsgründe im EheG taxativ aufgezählt sind. Auch eine taxativ gedachte Aufzählung kann aber lückenhaft sein (Bydlinski aaO Rz 2 zu § 7; Breycha aaO; SZ 59/177 = EvBl 1987/9).

Bei Einführung des § 23 EhG (und auch noch bei dessen Rezeption in die Rechtsordnung der zweiten Republik) konnte der Gesetzgeber die spätere Entwicklung - nämlich die Änderungen des Staatsbürgerschaftsrechtes sowie die nunmehrige Regelung von Aufenthalt und Beschäftigung von Ausländern in Österreich - nicht in Betracht ziehen. Der Zweck des Verbotes der Staatsbürgerschaftsehe war - wie schon das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Materialien (DJ 1938, 1105; ebenso Rilk, Das neue Eherecht 166) zutreffend ausgeführt hat - die Verhinderung des Zuzuges von Ausländerinnen auf den inländischen Arbeitsmarkt. Aus demselben rechtspolitischen Zweck muß dann aber heute auch jede Ehe für nichtig erklärt werden, die nur oder überwiegend zu dem Zweck geschlossen wird, gemäß § 15 Abs 1 Z 2 AuslBG BGBl 1975/218 idgF einen Befreiungsschein zu erlangen, der dem Inhaber die Beschäftigung im Inland ermöglicht (§ 3 Abs 1 leg cit), oder auch leichter eine Aufenthaltsbewilligung § 3 Abs 1 Z 1 Aufenthaltsgesetz [AufG]) - nach Ablauf eines Jahres ab Eheschließung (§ 3 Abs 2 AufG) - zu bekommen. Hier ist daher eine Gesetzesanalogie zulässig (Breycha aaO), die darin besteht, daß eine bestimmte gesetzliche Regel im Einklang mit ihrer ratio, aber über ihren Wortlaut hinaus, auf den "ähnlichen Fall" erstreckt wird; die Ähnlichkeit besteht gerade in der "Gleichheit des Rechtsgrundes und des Schutzbedürfnisses" (Bydlinski aaO Rz 4 zu § 7; Koziol/Welser aaO 26; SZ 57/194; SZ 58/139 uva).

Im Hinblick auf die jugoslawische Staatsangehörigkeit des Zweitbeklagten ist freilich noch eine Erörterung des Kollisionsrechtes geboten:

Nach § 17 Abs 1 IPRG sind die Voraussetzungen der Eheschließung, der Ehenichtigkeit und der Aufhebung für jeden der Verlobten nach seinem Personalstatut, also gemäß § 9 IPRG nach dem Recht des Staates, dem die Person angehört, zu beurteilen. § 17 IPRG regelt somit nicht nur die sachlichen Ehevoraussetzungen, sondern auch die Rechtsfolgen einer Verletzung der sachlichen Ehevoraussetzungen, und zwar alle Rechtsfolgen des maßgeblichen Rechtes, die an die Mißachtung sachlicher Voraussetzungen geknüpft sind. Von einer Wirkung einer derartigen Verletzung wird freilich immer das gesamte Eheverhältnis erfaßt, unabhängig davon, ob die Verletzung beide Personalstatute oder nur eines von ihnen betrifft. Deshalb sind zunächst die in Frage kommenden Bestimmungen des österreichischen und des für den Zweitbeklagten maßgeblichen jugoslawischen Rechtes einander gegenüberzustellen und zu beurteilen (SZ 62/159; EvBl 1990/8; 8 Ob 577/93).

In der für den Zweitbeklagten (zur Zeit der Eheschließung 1989) maßgeblichen jugoslawischen Rechtsordnung (Grundgesetz über die Ehe vom idgF) findet sich ein dem Art 23 EheG vergleichbarer (allerdings weiter gefaßter) Tatbestand: Nach Art 43 dieses Gesetzes ist eine Ehe, die nicht zum Zwecke der Lebensgemeinschaft der Ehegatten geschlossen wurde, nichtig. Diese Nichtigkeit ist (nur) dann gegeben, wenn a) beide Ehegatten einvernehmlich die Ehe zu einem anderen Zweck und nicht zum Zweck der Lebensgemeinschaft geschlossen haben; eine die Lebensgemeinschaft ausschließende Absicht nur eines Ehegatten reicht daher nicht aus; b) die Ehegatten die Lebensgemeinschaft auch tatsächlich nicht verwirklicht haben (Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Jugoslawien 44). Nach Artikel 44 dieses Gesetzes steht das Recht auf Klageerhebung wegen Nichtigerklärung der Ehe ua aus dem Grunde des Artikel 43 auch dem Staatsanwalt zu.

Über die Folgen der Verletzung materieller Ehevoraussetzungen entscheidet das "verletzte" Recht, also jenes Personalstatut, dessen Vorschriften nicht eingehalten wurden (Schwimann, Grundriß des IPR 205; derselbe in JBl 1979, 341 ff, besonders 345; EvBl 1990/8); es bestimmt daher nicht nur Art und Umfang der eherechtlichen Sanktion, sondern auch die Einzelheiten ihrer Geltendmachung, insbesondere die Klageberechtigung des Staatsanwaltes. Bei Verletzung beider Personalstatuten ist zunächst zu prüfen, welche Sanktionen wirksam werden, wobei die Wirksamkeit entweder unmittelbar kraft Gesetzes (etwa die Nichtehe) oder durch gerichtliche Geltendmachung von den dazu berechtigten Personen ausgelöst werden und insoweit von Parteiendisposition abhängen kann. Kommt auf diese Weise die Sanktion nur eines der Personalstatuten zur Geltung und bleibt der Mangel nach dem anderen Personalstatut mangels Geltendmachung ohne Sanktion, dann tritt eine Konkurrenz der beiden an sich vorliegenden Mangelfolgen gar nicht ein (EvBl 1990/8). Hängt daher die Sanktion der beiden Statuten - wie hier - von der Geltendmachung ab, so entscheidet zunächst das zeitliche Zuvorkommen, wenn auch etwa die schwerere Sanktion einer leichteren nachfolgen kann (Schwimann, Grundriß 205). Zu einer echten Konkurrenz kommt es nur dann, wenn durch zweiseitige Ehehindernisse abweichende Rechtsfolgen beider Personalstatuten gleichzeitig ausgelöst werden; nur in diesem Fall gilt der - in der deutschen Lehre einhellig anerkannte - Grundsatz "des ärgeren Rechtes", demzufolge das Recht mit der strengeren Sanktion den Ausschlag gibt.

Im vorliegenden Fall hat der österreichische Staatsanwalt den nach österreichischem Eherecht bestehenden Nichtigkeitstatbestand der Staatsbürgerschaftsehe gemäß § 23 Abs 1 Ehe geltend gemacht; für die Annahme, daß auch der jugoslawische Staatsanwalt nach Art 44 Abs 1 des erwähnten jugoslawischen Gesetzes Klage erhoben hätte, fehlen alle Anhaltspunkte. Schon wegen des Zuvorkommens des österreichischen Staatsanwaltes führt daher der mit der gleichen Rechtsfolge (der Nichtigerklärung der Ehe) ausgestattete österreichische Verletzungstatbestand zur Anwendung österreichischen Sachrechtes (EvBl 1990/8).

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.