OGH vom 21.12.2015, 5Ob210/15s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj D*****, geboren *****, und B*****, geboren *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter R*****, vertreten durch Mag. Andrea Posch, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 42 R 353/15w 91, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht entzog den Eltern das Recht der Aufenthaltsbestimmung und übertrug es an den zuständigen KJHT. Gleichzeitig betraute es die Mutter vorläufig alleine mit der Pflege und Erziehung der beiden Minderjährigen.
Das von den Eltern angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung im Punkt Aufenthaltsbestimmung. Den Antrag der Mutter auf Übertragung der vorläufigen Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung wies es hingegen ab.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.
1. Die mit der Obsorge betraute Person, der die Pflege und Erziehung zusteht, hat zufolge § 162 Abs 1 Satz 1 ABGB idF KindNamRÄG 2013 (zuvor: § 146b) auch das Recht, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen.
2. Die Mutter beruft sich auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 146b ABGB aF, die eine Aufteilung von Aufenthaltsbestimmungsrecht und sonstiger Pflege und Erziehung zwischen Elternteilen im Rahmen der Zuteilung der Obsorge nicht zulässt (2 Ob 153/12g = RIS Justiz RS0128591). Diese Frage ist jedoch nicht mehr relevant:
3. Der zuständige KJHT hat nach Erlassung des erstinstanzlichen Beschlusses gemäß § 211 Abs 1 ABGB idF KindNamRÄG 2013 (zuvor § 215 ABGB) vorläufig die Unterbringung der beiden Minderjährigen in einem Krisenzentrum angeordnet und binnen 8 Tagen beantragt, die Pflege und Erziehung an ihn zu übertragen. Das Erstgericht stellte am über Antrag der Mutter unanfechtbar die Zulässigkeit dieser Maßnahme fest (§ 107a Abs 1 AußStrG). Die im Rahmen der Interimskompetenz nach § 211 Abs 1 ABGB getroffene vorläufige Maßnahme bleibt somit entweder bis zur Endentscheidung des Gerichts über die Obsorge oder bis zu ihrer faktischen Beendigung durch den KJHT wirksam (5 Ob 33/15m mwN). Bis dahin steht dem KJHT kraft Gesetzes (§ 211 Abs 1 letzter Satz ABGB) die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung zu ( Weitzenböck in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 211 ABGB Rz 2 f; Höllwerth in Gitschthaler , KindNamRÄG 2013, 228; Hopf in KBB 4 § 211 Rz 2; Beck in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 107a Rz 5).
4. Diese nach Beschlussfassung der ersten Instanz eingetretene Entwicklung hat das Rekursgericht im vorliegenden Obsorgestreit im Sinne der ständigen Rechtsprechung (RIS Justiz RS0006893; RS0106312) zu Recht berücksichtigt. Eine Übertragung der vorläufigen Obsorge an die Mutter im Bereich Pflege und Erziehung scheidet aufgrund der gesetzlichen Befugnisse des KJHT aus.
5. Weder das Erst noch das Rekursgericht haben über ein Kontaktrecht der Mutter entschieden. Das Rekursgericht hat im Rahmen der rechtlichen Beurteilung dazu nur angeregt, bis zur endgültigen Entscheidung des Erstgerichts in diesem Obsorgestreit von allen Seiten eine Lösung zu suchen, die den Interessen aller Beteiligten, vorrangig aber jenen der Kinder Rechnung trägt.
6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00210.15S.1221.000