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OGH vom 12.06.1986, 6Ob533/86

OGH vom 12.06.1986, 6Ob533/86

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Schobel, Dr.Riedler und Dr.Schlosser als Richter in der Vormundschaftssache der minderjährigen Angelique O***, geboren , infolge Revisionsrekurses des Bezirksjugendamtes für den 20.Bezirk, 1200 Wien, Brigittaplatz 10, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom , GZ44 R 3.517/85-47, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom , GZ3 P 148/85-44, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien wurde die Vormundschaft über die minderjährigen Kinder Angelique O*** zu 7 P 135/81 und Arne O*** zu 7 P 134/81 geführt.

Am beantragte das Bezirksjugendamt für den

20. Bezirk in Wien, für die minderjährige Angelique O*** einen monatlichen Unterhaltsvorschuß von S 500,--, auszahlbar zu Handen der Mutter Irene S***, zu gewähren.

Mit Beschluß vom , der dem Bezirksjugendamt am zugestellt wurde, übertrug das Bezirksgericht Innere Stadt Wien seine Zuständigkeit zur Besorgung der Vormundschaft über die minderjährige Angelique O*** zur Gänze an das Bezirksgericht Floridsdorf. Ein gleichartiger Beschluß betreffend den minderjährigen Arne O*** erging am .

Am übermittelte das Bezirksgericht Floridsdorf den Vormundschaftsakt betreffend die minderjährige Angelique wieder dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien mit dem Bemerken, daß der Akt nicht zur Weiterführung übernommen werde.

Hierauf bewilligte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien mit Beschluß vom für die minderjährige Angelique einen Unterhaltsvorschuß von S 500,-- monatlich für die Zeit vom bis . Dieser Beschluß wurde dem Bezirksjugendamt am und dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien am zugestellt.

Bereits am richtete das Bezirksjugendamt ein Schreiben an das Bezirksgericht Floridsdorf, welches dort am einlangte und von dem offenbar eine Kopie dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien übermittelt wurde, die bei diesem am einlangte. Darin teilte das Bezirksjugendamt mit, daß der Vater der "minderjährigen O***-Kinder" am verstorben ist und der Antrag gestellt wird, das Bezirksjugendamt vom Amt des Einhebungskurators für die beiden Minderjährigen Arne und Angelique O*** zu entheben. Das Bezirksjugendamt nahm in seinem Schreiben Bezug auf die Sterbeurkunde des Standesamtes Wien-Hietzing Nr. 3303/83 und teilte auch mit, daß die Verlassenschaft zu 6 A 390/83 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien anhängig ist. Erst am faßte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Beschluß, die gewährten Unterhaltsvorschüsse mit Wirksamkeit vom einzustellen, und ersuchte den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, ab Unterhaltsvorschüsse nicht auszubezahlen. Dieser Beschluß wurde dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien am zugestellt. Dieser beantragte am , das Kind, den gesetzlichen Vertreter des Kindes und die Mutter zur Bezahlung des zu Unrecht gewährten Unterhaltsvorschusses von S 9.100,-- (das sind die Beträge für die Zeit vom bis und aufgrund einer früheren Unterhaltsvorschußgewährung auch für die Zeit vom bis ) zu verpflichten. Das Erstgericht verpflichtete "das Bundesland Wien vertreten durch das Bezirksjugendamt für den 20.Bezirk" zur Rückzahlung des im Zeitraum vom bis zu Unrecht ausbezahlten Unterhaltsvorschusses von S 4.500,-- und wies das Begehren, auch die minderjährige Angelique O*** und deren Mutter Irene S*** zur Rückzahlung zu verpflichten, zur Gänze sowie das Begehren gegenüber dem Bundesland Wien für die Zeit vom bis ab. Es vertrat die Ansicht, da dem Jugendamt der Tod des Vaters der Kinder bereits am zur Kenntnis gelangt sei, hätte es seine Stellungnahme spätestens Ende August 1983 abgeben können. Bei rechtzeitiger Mitteilung hätte das Erstgericht den Unterhaltsvorschuß nur für die Zeit vom bis bewilligt, weshalb eine Verletzung der Mitteilungspflicht des Bezirksjugendamtes vorliege. Die Mutter habe dagegen vom Tode des Vaters keine Kenntnis gehabt und der Unterhaltsvorschuß sei gutgläubig verbraucht worden. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Bezirksjugendamtes nicht Folge. Es vertrat gleichfalls die Ansicht, das Bezirksjugendamt habe seine Mitteilungspflicht verletzt und dies sei (offenbar für die Auszahlung des Vorschusses) auch kausal gewesen.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Bezirksjugendamtes für den 20.Bezirk in Wien mit den Anträgen, die Beschlüsse der Vorinstanzen zu beheben, eventuell dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Im Hinblick auf die Ausführungen im seinerzeitigen Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß, wonach das Bezirksjugendamt den Rekurs im eigenen Namen erhebe, da es nicht zur Vertretung der Stadt Wien berechtigt sei, und den Hinweis im nunmehrigen Revisionsrekurs, daß es den Revisionsrekurs als Bezirksverwaltungsbehörde erhebe, war zunächst die Rechtsmittellegitimation des Bezirksjugendamtes zu prüfen.

Diese ist nicht gegeben.

Gemäß § 9 Abs 2 UVG wird die Bezirksverwaltungsbehörde - soweit sie das Kind nicht ohnehin als Amtsvormund (§ 16 JWG) oder als besonderer Sachwalter (§ 22 JWG, § 198 Abs 3 ABGB) vertritt - mbt der Zustellung des Beschlusses, mit dem Vorschüsse gewährt werden, an sie von Gesetzes wegen besonderer Sachwalter des Kindes zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche. Die Bezirksverwaltungsbehörde ist daher in diesem Verfahren Vertreter des Kindes. Der Ansicht von Wentzel-Piegler (im Klang-Komm. 2 , I/2, 348), nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz sei als Träger der vormundschaftlichen Rechte und Verbindlichkeiten der Bund anzusehen, kann im Hinblick auf die historische Entwicklung der Amtsvormundschaft nicht beigepflichtet werden (vgl. dazu Edelbacher, Amtsvormund und Haftung, ÖJZ 1955, 70 ff.; Beitner, Die Amtsvormundschaft nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz JBl.1957, 33 ff. und 65 ff.; Ourednik, Das Wiener Jugendwohlfahrtsrecht 85 f.). Edelbacher weist mit Recht darauf hin, daß zwar ein Amt nicht Träger von Rechten ist, es aber dennoch fähig ist, Handlungen zu setzen und rechtlich bedeutsame Erklärungen abzugeben. Allerdings trifft nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung die Haftung der Bezirkshauptmannschaft als Vormund oder besonderer Sachwalter jene Gebietskörperschaft, der sie funktionell zuzurechnen ist, das sind das Bundesland für die Bezirkshauptmannschaft und die Statutarstadt für ihren Magistrat (Pichler in Rummel, ABGB Rz 4 zu § 264; Edelbacher, a.a.O. 73; Kaniak, Einige Bemerkungen zur Amtshaftung, JBl.1957, 472; Beitner, a. a.O. 68; Ourednik, a.a.O. 87; SZ 55/24). Gleiches gilt auch für die Haftung auf Grund der Verletzung der Mitteilungspflicht als gesetzlicher Vertreter gemäß § 21 UVG (SZ 55/24; Anfragebeantwortung des Bundesministeriums für Justiz in ÖA 1977, Folge 37, S. 10). Daraus ergibt sich, daß im Verfahren über die Rückzahlung von Unterhaltsvorschüssen, wenn die Zahlungspflicht des Bundeslandes wegen Verletzung der Meldepflicht des Jugendamtes geltend gemacht wird, das Bundesland als Rechtsträger und Haftungspflichtiger Partei ist. So wurde auch in dem der Entscheidung SZ 52/69 zugrunde gelegenen Haftungsfall der Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes vom Bundesland Kärnten als dem zur Zahlung verhaltenen Rechtsträger und nicht von der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau-Jugendamt erhoben.

Da der vorliegende Revisionsrekurs vom Bezirksjugendamt für den

20. Bezirk ausdrücklich als Bezirksverwaltungsbehörde erhoben wurde und Gegenstand des Rechtsmittels ausschließlich die Frage ist, ob das Bundesland Wien zahlungspflichtig ist, kommt dem Bezirksjugendamt keine Rechtsmittellegitimation zu. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

Das Erstgericht wird allerdings dem Bundesland Wien, welches bisher am Verfahren nicht beteiligt war, die Beschlüsse erster und zweiter Instanz zuzustellen haben.