OGH vom 21.12.2017, 5Ob209/17x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin R***** eGen, *****, wegen Einverleibung eines Pfandrechts in EZ ***** KG *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Einschreiterin MMag. U***** H*****, vertreten durch Mag. Anton Spielmann, Notar in Hall in Tirol, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , AZ 54 R 75/17a, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom , TZ 3495/2015, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass es lautet:
„Der Antrag,
in EZ ***** KG *****
auf Anteil B-LNR 4
4 ANTEIL: 106/294
M***** H*****
b 2071/2013 Wohnungseigentum an Top 2
auf Anteil B-LNR 5
5 ANTEIL: 7/294
M***** H*****
b 2071/2013 Wohnungseigentum an Top 5
auf Anteil B-LNR 6
6 ANTEIL: 8/294
M***** H*****
b 2071/2013 Wohnungseigentum an Top 7
die Einverleibung des Pfandrechts im Höchstbetrag von 110.000 EUR für R***** eGen, *****,
zu bewilligen, wird abgewiesen.“
Text
Begründung:
Mit dem als Schenkungs- und Wohnungseigentumsvertrag titulierten Notariatsakt vom übertrug die ursprüngliche Eigentümerin an ihren Sohn und ihre Tochter Miteigentumsanteile an der Liegenschaft EZ *****, mit welchen jeweils Wohnungseigentum verbunden ist.
Die Einschreiterin und Revisionsrekurswerberin ist die aus dem Vertrag vom begünstigte Tochter.
Der Sohn ist aufgrund des Vertrags vom unter anderem Miteigentümer von 106/294-Anteilen untrennbar verbunden mit Wohnungseigentum an Top 2 (B-LNR 4), zu 7/294-Anteilen untrennbar verbunden mit Wohnungseigentum an Top 5 (B-LNR 5) und zu 8/294-Anteilen untrennbar verbunden mit Wohnungseigentum an Top 7 (B-LNR 6). Hinsichtlich dieser Miteigentumsanteile ist unter B-LNR 4c, B-LNR 5c und B-LNR 6c jeweils zu TZ 2071/2013 das „Nachfolgerecht gem. Pkt. VIII. Not. Schenkungs- und Wohnungseigentumsvertrag 2013-01-14 für [Anm.: die Tochter]“ eingetragen.
Punkt VIII. des in der Urkundensammlung erliegenden notariellen Schenkungs- und Wohnungseigentumsvertrags vom hat folgenden Wortlaut:
„VIII. Für den Fall, dass Herr [Anm.: Bruder], geb. […], vor Frau [Anm.: der Tochter], geb. [...], ohne Hinterlassung von leiblichen oder adoptierten Nachkommen verstirbt bedingt sich die Geschenkgeberin hiemit aus, dass seine [...]-Anteile samt WE an der Wohnung Top 2, an der Garage Top 5 und an der Garage Top 7 in EZl ***** GB [...] sogleich nach Ableben des Herrn [Anm.: des Bruders], geb. [...], in das Eigentum von Frau [Anm.: der Tochter], geb. [...], überzugehen haben.
Der Eigentumsübergang im Falle des Eintrittes des Substitutionsfalles erfolgt grundsätzlich unentgeltlich. Sollten die vorangeführten Liegenschaftsanteile samt WE zum Zeitpunkt des Eintrittes des Substitutionsfalles jedoch grundbücherlich belastet sein, so sind diese Belastungen von der Begünstigten aus diesem Besitznachfolgerecht mitzuübernehmen.
Herr [Anm.: der Bruder], geb. [...], räumt im Sinn der vorstehenden Bestimmungen dieses Vertragspunktes zugunsten von Frau [Anm.: der Tochter], geb. [...], das Besitznachfolgerecht an seinen [...]-Anteilen jeweils samt WE in EZl. ***** GB [...] ein und wird diese Rechtseinräumung von Frau [Anm.: der Tochter] gleichzeitig verbindlich angenommen.
Für den Fall des Eintrittes des Substitutionsfalles erteilt Herr [Anm.: der Bruder], geb. [...], daher schon jetzt seine ausdrückliche Einwilligung, dass unter Vorlage seiner Sterbeurkunde auf der Liegenschaft in EZl. ***** GB [...] nachstehende Grundbuchshandlungen vorgenommen werden, nämlich:
[…].“
Unter Vorlage der Pfandurkunde vom begehrte das antragstellende Kreditinstitut die Einverleibung eines Pfandrechts im Höchstbetrag von 110.000 EUR auf den Anteilen B-LNR 4, B-LNR 5 und B-LNR 6 des Bruders.
Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag mit Beschluss vom und veranlasste am die irrtümlich unterbliebene Zustellung an die besitznachfolgeberechtigte Tochter.
Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Besitznachfolgerin nicht Folge. Die vertragsmäßig übernommene Verpflichtung, eine Liegenschaft einem Dritten zu übergeben oder zu hinterlassen, habe Ähnlichkeit zur fideikommissarischen Substitution und beschränke wie diese die Rechte des Eigentümers auf die eines Nutznießers. Auch ein vertragliches Besitznachfolgerecht schließe eine Verpfändung der Substanz aus, sodass eine dem vertraglichen Veräußerungs- und Belastungsverbot vergleichbare Verfügungsbeschränkung gegeben sei, die bei weiteren Eintragungen zu berücksichtigen sei. Dabei komme es entscheidend auf den Sinngehalt des in Punkt VIII. des Vertrags geregelten Besitznachfolgerechts an, der hier gemäß § 5 GBG als im Hauptbuch eingetragen anzusehen sei. Diese Bestimmung könne dem Wortlaut nach nicht anders verstanden werden, als dass dem jeweiligen Geschenknehmer Belastungen uneingeschränkt freigestellt seien. Auch sei hier das üblicherweise mit einem Besitznachfolgerecht angepeilte Ziel, dem Begünstigten die Position eines zeitlich befristeten Eigentümers oder Fruchtnießers zu verschaffen und durch ein dinglich wirkendes Belastungs- und Veräußerungsverbot das Nachfolgerecht zu garantieren, nicht zu erkennen, habe die Mutter grundsätzlich ihr Eigentum bereits gerecht zwischen ihren beiden Kindern je zur Hälfte aufgeteilt und durch diese Regelung erkennbar nur dafür Vorsorge treffen wollen, dass im Falle eines kinderlosen Vorversterbens, das Eigentum nicht an außenstehende Dritte gehe. Ein darüber hinausgehender Wunsch der Mutter auf Beschränkung der Kinder in ihrem Eigentum sei dem Vertrag auch deshalb nicht zu entnehmen, weil sich die Mutter lediglich für die von ihr bewohnte Wohnung Top 1 ein Veräußerungs- und Belastungsverbot ausbedungen habe.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Besitznachfolgerin, der entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch (§ 73 Abs 1 AußStrG) des Rekursgerichts zulässig ist, weil diesem eine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen ist; er ist auch berechtigt.
1.1 In der Rechtsprechung wird entgegen der überwiegenden Lehre (vgl die Darstellung bei Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht2§ 10 GBG Rz 35 und in 5 Ob 326/00b) im Sinn des § 20 lit a GBG die Anmerkung vertraglicher Besitznachfolgerechte, die einer fideikommissarischen Substitution (nach der Terminologie des ErbRÄG 2015 BGBl 87/2015 „Nacherbschaft“) ähneln, anerkannt (RIS-Justiz RS0083800; RS0012539 [T2]; 5 Ob 131/15y). Die Beschränkung des Eigentumsrechts durch ein Nachfolgerecht in Form einer vertragsmäßig vom Erwerber übernommenen Verpflichtung, die Liegenschaft einer bestimmten Person ins Eigentum zu übertragen oder von Todes wegen zu hinterlassen, wurde nach der bisherigen Terminologie als „quasi-fideikommissarische Substitution“ bezeichnet (RIS-Justiz RS0007955).
1.2 Charakteristisch für solche Nachfolgerechte ist, dass das Eigentumsrecht des Erwerbers bei Eintritt einer Bedingung oder nach Ablauf einer Frist oder im Todesfall an den Besitznachfolger fällt oder die Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums begründet wird (Rassi in Kodek, aaO § 10 GBG Rz 30; 5 Ob 131/15y).
1.3 Die im Grundbuch angemerkte Beschränkung durch eine Nacherbschaft steht grundsätzlich der Einverleibung eines (auch exekutiven) Pfandrechts ohne Zustimmung des Nacherben (RIS-Justiz RS0002605) ebenso wie der Bewilligung der Zwangsversteigerung ohne dessen Zustimmung entgegen (RIS-Justiz RS0002605 [T1]; Angst in Angst/Oberhammer, EO³ [Stand , rdb.at] § 133 Rz 21). Je näher eine Vereinbarung über die Besitznachfolge an die Regelung typischer Anliegen der Nacherbschaft herankommt, umso zwingender erscheint die Analogie zu dieser (RIS-Justiz RS0012539 [T3]) und die mit einer solchen verbundenen Beschränkungen kommen zu tragen, sodass weder eine vertragliche Belastung der Liegenschaft noch eine zwangsweise Pfandrechtsbegründung zulässig ist (vgl die Nachweise bei Rassi aaO § 10 GBG Rz 33).
1.4 Vertraglich vereinbarte Besitznachfolgerechte können im Grundbuch eingetragen werden. Das ist hier der Fall, wobei es ohne Relevanz ist, ob die konkrete Eintragung zulässig erfolgte (vgl dazu RIS-Justiz RS0011898). Damit ist grundsätzlich eine dem Veräußerungs- und Belastungsverbot vergleichbare Verfügungsbeschränkung des Eigentümers begründet (RIS-Justiz RS0010791 [T1]).
2. Die Revisionsrekurswerberin vertritt zusammengefasst rechtlich den Sandpunkt, das im Grundbuch zu ihren Gunsten einverleibte Besitznachfolgerecht begründe ein Eintragungshindernis für das von der Antragstellerin begehrte Pfandrecht, sodass die Einverleibung nicht ohne ihre Zustimmung erfolgen hätte dürfen; die vom Rekursgericht vorgenommene Interpretation des Punktes VIII. des Schenkungs- und Wohnungseigentumsvertrags vom sei von dessen Wortlaut nicht gedeckt.
3.1 Gemäß § 94 Abs 1 Z 1 GBG hat das Grundbuchsgericht das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen und darf eine grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligen, wenn aus dem Grundbuch in Ansehung der Liegenschaft oder des Rechts kein Hindernis gegen die begehrte Eintragung hervorgeht.
3.2 Nach § 5 Satz 1 GBG sind in das Hauptbuch die wesentlichen Bestimmungen der bücherlichen Rechte einzutragen. Lassen sie aber eine kurze Fassung nicht zu, so ist nach § 5 Satz 2 dieser Bestimmung im Hauptbuch eine Berufung auf die genau zu bezeichnenden Stellen der Urkunden, die der Eintragung zugrunde liegen, mit der Wirkung zulässig, dass die bezogenen Stellen als im Hauptbuch eingetragen anzusehen sind. Liegt letztgenannter Fall vor, wird auch nicht etwa der gesamte Vertragsinhalt, sondern lediglich die bezeichnete Stelle zum Inhalt der Eintragung im Hauptbuch (vgl RIS-Justiz RS0060233; Rassi aaO § 5 GBG Rz 7). Diese Regelung zwingt dazu, in die Prüfung, ob ein allfälliges Eintragungshindernis vorliegt, jenen Vertragspunkt miteinzubeziehen, welcher zufolge § 5 GBG zum Teil der Eintragung gemacht wurde (vgl 5 Ob 130/10v).
3.3 Dabei ist zu beachten, dass es dem Grundbuchsgericht generell verwehrt ist, eine undeutliche und zu begründeten Zweifel Anlass gebende Urkunde auszulegen. Durch den Inhalt der Urkunden erweckte, nicht restlos beseitigte Zweifel haben zur Abweisung des Grundbuchsgesuchs zu führen (RIS-Justiz RS0060573; RS0060878). Es ist nicht Aufgabe des Grundbuchsgerichts, eine Auslegung zu finden, die eine unklare „Bedingung“ sinnvoll erscheinen lässt. In Spekulationen darüber, wie eine beurkundete Erklärung tatsächlich gewollt war, hat sich der Grundbuchsrichter nicht einzulassen. Die Wahl einer Auslegung zwischen mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten ist ihm verwehrt (RIS-Justiz RS0060573 [T4, T 5, T 8]). Eine ergänzende oder gar vom Wortsinn der vorgelegten Grundbuchsurkunde abweichende Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen durch den Grundbuchsrichter kommt daher nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0060878 [T21]). Die eingeschränkte richterliche Kognition in Grundbuchsachen schließt somit die Entscheidung von Zweifelsfragen bei der Auslegung von Urkunden oder Anträgen aus; lediglich der logische Schluss auf das nach juristischer Wertung einzig mögliche Ergebnis ist zulässig (RIS-Justiz RS0060878 [T27]).
4.1 Diese Grundsätze kommen auch hier zum Tragen, sodass zu prüfen ist, ob sich aus dem Wortlaut der bücherlichen Eintragungen sub B-LNR 4c, 5c und 6c samt Punkt VIII. des Schenkungs- und Wohnungseigentumsvertrags vom zweifelsfrei Schluss ziehen lässt, dass, wie das Rekursgericht meint, damit ein Besitznachfolgerecht vereinbart worden ist, das einer Belastung der betroffenen Liegenschaftsanteile ohne Zustimmung der Berechtigten nicht entgegensteht.
4.2 Aus dem Umstand, dass nach der angesprochenen vertraglichen Regelung bei Eintritt des Substitutionsfalls allenfalls vorhandene bücherliche Belastungen von der Begünstigten aus dem Besitznachfolgerecht mitzuübernehmen sind, lässt sich ohne nähere Auseinandersetzung mit dem Parteiwillen keine Aussage darüber treffen, unter welchen Voraussetzungen etwaige Belastungen begründet werden sollten. Dabei mag es in Bezug auf die hier gegenständliche Liegenschaft vielleicht zutreffen, dass die Mutter eine gerechte Aufteilung unter ihren Kindern vorgenommen hat, wie das Rekursgericht argumentiert. Inwieweit aber eine solche Annahme auf deren Eigentum insgesamt zutrifft, muss nach der Aktenlage aber ebenso reine Spekulation bleiben, wie die Schlussfolgerung des Rekursgerichts, das Besitznachfolgerecht in seiner konkreten Ausformulierung stünde einer Belastung von Liegenschaftsanteilen mit einem Pfandrecht nicht entgegen, weil sich Wünsche der Mutter auf eine (weitergehende) Beschränkung der Kinder in deren Eigentum der Urkunde nicht entnehmen lasse. Im Wortlaut der Vereinbarung findet die vom Rekursgericht unterstellte Beschränkung des Nachfolgerechts dahin, dass dem Eigentümer die Belastung der Liegenschaftsanteile mit einem Pfandrecht auch ohne Zustimmung der Nachfolgeberechtigten erlaubt wäre, jedenfalls keine Rechtfertigung. Einen davon nicht gedeckten Parteiwillen zu ermitteln, steht dem Grundbuchsgericht aber nicht zu (5 Ob 141/09k) und kann mit den Möglichkeiten eines reinen Urkundenverfahrens auch nicht geleistet werden.
5. Da dem Begehren auf Einverleibung eines Pfandrechts nach dem Grundbuchsstand ein Eintragungshindernis entgegensteht, das mit den dem Grundbuchsgericht zur Verfügung stehenden Mitteln auch nicht beseitigt werden kann, ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00209.17X.1221.000 |
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