OGH vom 25.09.1984, 2Ob18/84
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*****, vertreten durch Dr. Hans Rabl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Richard Steinpach, Rechtsanwalt in Wien, wegen 7.466,40 S sA und Feststellung (Feststellungsinteresse 61.000 S), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 18 R 229/83-49, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtsachen Wien vom , GZ 21 Cg 746/79-43, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Am ereignete sich im Gemeindegebiet von Breitenau am Steinfeld, Niederösterreich, ein Verkehrsunfall, bei dem der von Necati H***** gelenkte PKW Opel Manta S, behördliches Kennzeichen *****, haftpflichtversichert bei der Beklagten, in einer Linkskurve gegen zwei Alleebäume prallte, wodurch der am rechten Vordersitz mitfahrende, bei der Klägerin sozialversicherte türkische Staatsbürger Hasan K***** tödliche Verletzungen erlitt.
Die Klägerin begehrte mit der am erhobenen Klage die Zahlung von 7.466,40 S (vom bis geleistete Witwenpension nach Hasan K*****) und die (mit 61.000 S bewertete) Feststellung, dass die Beklagte ihr alle Leistungen zu ersetzen habe, die sie aus Anlass des tödlichen Unfalls ihres Versicherten Hasan K***** vom an dessen Witwe Ayse K***** für die Dauer der Anspruchsberechtigung auf Witwenpension zu erbringen habe, soweit diese Leistungen in den Ansprüchen Deckung fänden, welche die Witwe ohne die im § 332 Abs 1 ASVG vorgesehene Legalzession aus dem Titel des Unterhaltsentgangs selbst zu stellen berechtigt wäre, wobei die Haftung der Beklagten mit der Höhe der für den genannten PKW bestehenden „Haftpflichtdeckungshöchstsumme“ beschränkt sei.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragt dessen kostenpflichtige Abweisung im Wesentlichen mit der Begründung, die geltend gemachten Ansprüche seien verjährt. Die Klage sei erst mehr als 19 Monate nach Ablauf der im Unfallszeitpunkt () in Lauf gesetzten Verjährungsfrist eingebracht worden. Die Klägerin müsse den Ablauf der Verjährungsfrist gegenüber der Witwe nach Hasan K***** gegen sich gelten lassen. Diese sei vom Tod ihres Gatten unverzüglich nach dem Unfall verständigt worden.
Die Klägerin widersprach diesem Vorbringen der Beklagten und leitete die Nichtverjährung ihrer Ansprüche im Wesentlichen aus folgenden Umständen ab:
a) die im Ausland lebende Witwe nach Hasan K***** habe über die näheren Umstände des unfallbedingten Ablebens ihres Gatten erst geraume Zeit nach dem Unfall erfahren. Dies ergebe sich aus dem Strafakt sowie dem Verlassenschaftsakt;
b) überdies ergebe sich aus den vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung vom , 8 Ob 41/78 (= ZVR 1979/22), dargelegten Grundsätzen, dass der auf den Sozialversicherungsträger übergegangene Teil des Anspruchs des Geschädigten und der beim Geschädigten verbliebene Anspruchsteil völlig getrennte rechtliche Schicksale hätten. Auch die Frage der Verjährung sei getrennt zu beurteilen. Die Verjährungsfrist habe daher für den Sozialversicherungsträger erst mit der Kenntnis des Schadens durch ihn, das sei die Geltendmachung des Anspruchs auf Witwenpension durch Ayse K***** () zu laufen begonnen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Infolge Berufung der Klägerin hob das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichts unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehalts auf. Es sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands, über den es entschieden habe, 15.000 S übersteige und erachtete die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO hinsichtlich der Beisetzung des Rechtskraftvorbehalts für gegeben.
Gegen den Aufhebungsbeschluss wendet sich der Rekurs der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Aufhebung und Wiederherstellung des Ersturteils.
Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Im Rekursverfahren ist nur die Verjährungsfrage strittig.
Diesbezüglich hat das Erstgericht unter anderem festgestellt, die in der Türkei lebende Witwe nach Hasan K***** habe einige Tage nach dem Unfall dies von einem Freund ihres Ehemanns erfahren. Beim Begräbnis habe sie infolge der vielen anwesenden Leute keine Gelegenheit gehabt, sich über die näheren Umstände des Unfallshergangs zu informieren. Mit Vollmacht vom habe sie einen Rechtsanwalt mit der Verfolgung ihrer (diesbezüglichen) Interessen betraut. Am habe sie bei der Klägerin den Antrag auf Zuerkennung von Pensionsleistungen gestellt.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass die Entschädigungsklage der Witwe verjährt sei, weil sie eine auffallende Untätigkeit an den Tag gelegt habe. Diese Verjährung müsse auch der Sozialversicherungsträger gegen sich gelten lassen.
Das Berufungsgericht war demgegenüber der Auffassung, der für die Witwenpension maßgebende Versicherungsfall sei durch den Tod des Versicherten eingetreten (§ 223 Abs 1 Z 3 ASVG), der Forderungsübergang an die Klägerin sei daher bereits im Unfallszeitpunkt erfolgt. Es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass die Forderung auf den Legalzessionar in dem Zustand übergehe, wie sie zum Zeitpunkt des Rechtsübergangs bestanden habe und dass daher die im Zeitpunkt des Rechtsübergangs bereits in Lauf gesetzte Verjährung auch gegenüber dem Legalzessionar weiterlaufe. Andererseits hätten aber beide Anspruchsteile - der auf den Sozialversicherungsträger übergegangene Teil und der beim Geschädigten verbliebene Teil - völlig getrennte rechtliche Schicksale. Auch die Frage der Verjährung sei getrennt zu beurteilen. Daraus folge, dass im Falle des Forderungsübergangs zu einem Zeitpunkt, zu dem die Geschädigte noch nicht neben dem Eintritt des Schadens auch den Schädiger und jene Umstände gekannt habe, die sie in die Lage versetzten, mit Aussicht auf Erfolg eine Klage einzubringen, die Forderung ohne bereits laufende Verjährung übergegangen sei und es demgemäß in einem solchen Fall nicht mehr auf die Kenntnis des Geschädigten vom Schadenseintritt und Schädiger ankomme, sondern auf die derartige Kenntnis des Zessionars. Da nun im vorliegenden Fall die Verjährungsfrist für die Witwe nach Hasan K***** bestimmt nicht im Unfallszeitpunkt zu laufen begonnen habe, der Forderungsübergang gleichwohl aber bereits zu diesem Zeitpunkt erfolgt sei, seien hier die Voraussetzungen für die getrennte Beurteilung des Beginns der Verjährungsfrist bezüglich des Sozialversicherungsträgers als Legalzessionar im oben dargestellten Sinn gegeben. Dies führe aber dazu, dass nach dem derzeitigen Verfahrensstand die Verjährung nicht eingetreten sei, weil der Sozialversicherungsträger erst durch den Antrag der Witwe nach Hasan K***** vom Schadenereignis Kenntnis erlangt habe. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren unter Außerachtlassung des geltend gemachten Verjährungseinwands über den eingeklagten Ersatzanspruch zu verhandeln und zu entscheiden haben.
In ihrem Rekurs vertritt die Beklagte die Auffassung, die Legalzession ändere weder die Rechtsnatur des Anspruchs, noch die Verjährungsfrist. Für den Rückgriffsanspruch laufe keine eigene Verjährungsfrist. Maßgebend für den Beginn der Verjährung sei die Kenntnis des Geschädigten vom Schaden und der Person des Schädigers. Die Kenntnis des Legalzessionars vom Schaden und der Person des Schädigers spiele keine Rolle. Die auch für die Klägerin maßgebliche Verjährungsfrist hinsichtlich der Ansprüche der Witwe des Getöteten sei aber zum Zeitpunkt der Klagserhebung bereits abgelaufen gewesen.
Diesen Ausführungen ist Folgendes zu entgegnen: Es trifft zu, dass sich durch die im § 332 ASVG normierte Legalzession weder die Rechtsnatur des Anspruchs noch die Verjährungszeit ändern. Die Legalzession hat auf die Ansprüche gegen den Schädiger nur insofern einen Einfluss, als der ursprünglich einheitliche Ersatzanspruch in zwei Teile aufgespaltet wird, nämlich in den von der Legalzession nicht erfassten Teil (zB Schmerzengeld, Sachschaden) und in jenen, der nach Wirksamkeit der Legalzession den Deckungsfonds für die kongruenten Leistungen des Sozialversicherungsträgers an den Geschädigten bildet. Die aufgrund der Legalzession an den Sozialversicherungsträger übergegangenen und die etwa beim Geschädigten verbliebenen Anspruchsteile stehen sich vom Beginn des Übergangs an als selbständige Forderungen gegenüber, weil die Person des Gläubigers verschieden ist. Daher wird durch die vom Geschädigten selbst erhobene Klage die Verjährung des auf den Legalzessionar bereits im Zeitpunkt der Entstehung des Schadenersatzanspruchs übergangenen Teils der Forderung nicht unterbrochen. Der Rechtsübergang setzt lediglich voraus, dass der Versicherungsfall eintritt, aufgrund dessen der Schadenersatzberechtigte Leistungen des Sozialversicherungsträgers beanspruchen kann. Dabei ist es unerheblich, ob und wann die Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers festgestellt wird und wann der Versicherte einen dahin gehenden Antrag stellt. Es haben also die beiden Anspruchsteile - der auf den Sozialversicherungsträger übergegangene Teil und der beim Geschädigten verbliebene Teil - völlig getrennte rechtliche Schicksale. Auch die Frage der Verjährung ist getrennt zu beurteilen. Die Forderung geht auf den Legalzessionar über, wie sie im Zeitpunkt des Rechtsübergangs bestanden hat. Wenn daher zu diesem Zeitpunkt die Verjährung bereits zu laufen begonnen hat, läuft sie auch gegenüber dem Legalzessionar weiter (vgl SZ 47/68, ZVR 1979/22 ua). Voraussetzung für das Weiterlaufen der für den Geschädigten geltenden Verjährungsfrist auch gegenüber dem Sozialversicherungsträger als Legalzessionar ist daher, dass im Zeitpunkt des Rechtsübergangs diese Verjährungsfrist bereits zu laufen begonnen hatte. War dies nicht der Fall, muss hinsichtlich der auf den Legalzessionar übergegangenen Ansprüche eine eigene Verjährungsfrist angenommen werden (vgl hiezu VersRsch 1955, 304 f, insbesondere 305, Krejci in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechtes, 422). Dass der Forderungsübergang auf die Klägerin im vorliegenden Fall mit dem Eintritt des Versicherungsfalls, nämlich des Todes des Hasan K***** erfolgte, wird im Rekurs richtig erkannt. Dass aber zu diesem Zeitpunkt der Lauf der Verjährungsfrist hinsichtlich der Ansprüche seiner Witwe Ayse K***** noch nicht begonnen hatte, ergibt sich zweifelsfrei aus den Feststellungen und wird im Rekurs auch gar nicht bestritten. Bemerkt sei hiezu noch, dass die von der Beklagten im Rekurs zitierte Entscheidung ZVR 1957/43 ihren Rechtsstandpunkt nicht zu stützen vermag, weil dort der Oberste Gerichtshof ebenfalls davon ausgegangen ist, dass die Verjährungsfrist bezüglich der Ansprüche des Geschädigten im Zeitpunkt des Forderungsübergangs auf den Legalzessionar bereits zu laufen begonnen hatte. Der Lauf der eigenen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB hinsichtlich der auf die Klägerin übergegangenen Ansprüche konnte aber erst von der Zeit an beginnen, zu welcher sie Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen hatte (vgl SZ 50/34 uva). Eine solche Kenntnis erlangte die Klägerin aber nach den Feststellungen frühestens mit der Antragstellung der Witwe nach Hasan K***** auf Zuerkennung von Pensionsleistungen am . Eine vor diesem Zeitpunkt liegende Kenntnisnahme der Klägerin konnte die hiefür beweispflichtige Beklagte nicht unter Beweis stellen. Die mit diesem Zeitpunkt beginnende Verjährungsfrist für die Klägerin war aber zur Zeit der Klagserhebung () noch nicht abgelaufen. Ohne Rechtsirrtum ist daher das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Verjährungseinwand der Beklagten nicht berechtigt ist.
Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
Fundstelle(n):
IAAAD-54291