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OGH vom 23.02.2017, 2Ob18/16k

OGH vom 23.02.2017, 2Ob18/16k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der zu AZ 19 Cg 36/12h (führend) und AZ 19 Cg 112/11h des Handelsgerichts Wien klagenden und zu AZ 19 Cg 121/12h des Handelsgerichts Wien beklagten Partei T*****, vertreten durch Dr. Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in Wien, sowie der im Verfahren AZ 19 Cg 112/11h auf deren Seite beigetretenen Nebenintervenientinnen (nunmehr) 1. D***** Aktiengesellschaft, *****, und 2. D***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die zu AZ 19 Cg 36/12h (führend) und AZ 19 Cg 112/11h des Handelsgerichts Wien beklagte und zu AZ 19 Cg 121/12h des Handelsgerichts Wien klagende Partei ÖBBInfrastruktur Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch WALCH/ZEHETBAUER/MOTTER Rechtsanwälte OG in Wien, sowie die im Verfahren AZ 19 Cg 112/11h auf deren Seite beigetretene Nebenintervenientin R***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen 1. (AZ 19 Cg 36/12h) 14.247,03 EUR sA, 2. (AZ 19 Cg 112/11h) 111.267,09 EUR sA und 3. (AZ 19 Cg 121/12h) 18.179,27 EUR sA, über die Revision der beklagten und klagenden Partei ÖBBInfrastruktur Aktiengesellschaft gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 51/15g64, womit infolge Berufung der beklagten und klagenden Partei ÖBBInfrastruktur Aktiengesellschaft das Zwischen und Endurteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 19 Cg 36/12h57, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

1. Die Revision wegen Nichtigkeit wird verworfen.

2. Der Revision wird, soweit sie sich gegen das Endurteil zu richtet, nicht Folge gegeben.

Über die Kosten des darauf bezogenen Revisionsverfahrens hat das Erstgericht zu entscheiden.

3. Im Übrigen, soweit sich die Revision gegen die Zwischenurteile zu und richtet, werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die darauf entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die T***** (in der Folge: klagende Partei) ist eine Gesellschaft spanischen Rechts mit Sitz in Madrid. Sie hält und vermietet Eisenbahnwaggons. Die ÖBBInfrastruktur Aktiengesellschaft (in der Folge: beklagte Partei) ist ein österreichisches Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU).

Die beklagte Partei schließt mit Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) Verträge über die entgeltliche Nutzung der Schieneninfrastruktur.

Die R***** GmbH (in der Folge: dritte Nebenintervenientin) ist ein EVU, dem die beklagte Partei Zugang zur Infrastruktur gewährt (Infrastrukturnutzungsvertrag). Sie stand als „wagenverwendendes EVU“ mit der klagenden Partei in einem Vertragsverhältnis, das durch den „Allgemeinen Vertrag für die Verwendung von Güterwagen“ (AVV) abschließend geregelt ist. Dessen maßgebliche Regelungen lauten (in der hier maßgeblichen Fassung):

Art 1: Gegenstand

1.1 Dieser Vertrag einschließlich seiner Anlagen regelt die Bedingungen der Überlassung von Güterwagen zur Verwendung als Beförderungsmittel durch EVU in nationalen und internationalen Eisenbahngüterverkehren im Anwendungsbereich des geltenden COTIF. […]

1.2 Die Bestimmungen dieses Vertrages gelten zwischen Haltern von Wagen und EVU als Wagenverwender. […]

Art 2: Anwendungsbereich

2.1 Der Vertrag geht im internationalen Eisenbahnverkehr den Einheitlichen Rechtsvorschriften CUV (Anhang D COTIF 1999) […] vor, soweit dies jeweils zulässig ist. [...]

2.3 Die Bestimmungen dieses multilateralen Vertrags gelten zwischen den Vertragsparteien, soweit sie untereinander nichts anderes vereinbart haben. […]

Art 7: Technische Zulassung und Instandhaltung der Wagen

7.1 Der Halter hat dafür zu sorgen, dass seine Wagen nach den geltenden europäischen Vorschriften technisch zugelassen sind und während ihrer Einsatzzeit technisch zugelassen bleiben.

7.2 Der Halter hat den verwendenden EVU auf Verlangen den Nachweis zu erbringen, dass die Instandhaltung seiner Wagen den geltenden Regelwerken entspricht. Für Zwecke dieses Vertrages und gegenüber den übrigen Vertragsparteien wird der Halter eines Wagens als die für die Instandhaltung zuständige Stelle angesehen und

Art 22: Haftung des verwendenden EVU

22.1 Das EVU, in dessen Gewahrsam sich ein Wagen befindet, haftet dem Halter für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Wagens oder seiner Bestandteile entstanden ist, sofern es nicht beweist, dass der Schaden nicht durch sein Verschulden verursacht worden ist.

22.2 Ein Verschulden des EVU liegt insbesondere dann nicht vor, wenn es beweist, dass einer der folgenden Gründe gegeben ist:

- Umstände, welche das EVU nicht vermeiden und deren Folgen es nicht abwenden konnte

- Verschulden eines Dritten

- mangelnde Instandhaltung durch den Halter, wenn das EVU nachweist, dass es den Wagen fehlerlos betrieben und überwacht hat

- Verschulden des Halters

Bei Mitverschulden des EVU wird der Schaden von den Verantwortlichen gemäß ihrem jeweiligen Anteil an der Schadensentstehung getragen. […]

Art 28: Haftungsprinzip

Die Vertragsparteien haften für ihre Bediensteten und für andere Personen, deren sie sich zur Erfüllung des Vertrages bedienen, soweit diese Bediensteten und anderen Personen in Ausübung ihrer Verrichtungen handeln.

Am entgleisten im Bereich des Bahnhofs Rosenbach in Kärnten mehrere Waggons der klagenden Partei. Der Zug befand sich auf der Fahrt von Köln in die Türkei. Die (damalige und richtig) R***** AG (nunmehr D***** Aktiengesellschaft = erste Nebenintervenientin) hatte den Zug 40657 im Auftrag der (damaligen) S***** GmbH (nunmehr D***** GmbH = zweite Nebenintervenientin) zur Beförderung übernommen und ihn bei der Einfahrt in das österreichische Netz der dritten Nebenintervenientin übergeben.

Am kam es im Bereich des Bahnhofs Ebenfurth in Niederösterreich erneut zu einer Entgleisung zweier Waggons der klagenden Partei. Der Zug 41186 war von Sopron nach Passau unterwegs.

Beide Unfälle ereigneten sich auf Hochleistungsstrecken bei geringer Geschwindigkeit. Dabei wurden sowohl die Waggons der klagenden Partei als auch die Schienenanlage der beklagten Partei beschädigt.

In drei verbundenen Verfahren vor dem Erstgericht begehrten

- die klagende Partei zu 19 Cg 112/11h den Ersatz ihres mit 111.267,09 EUR sA bezifferten Schadens aus dem Unfall vom ;

- die klagende Partei zu 19 Cg 36/12h den Ersatz ihres mit 14.247,03 EUR bezifferten Schadens aus dem Unfall vom ;

- die beklagte Partei (als Klägerin) zu 19 Cg 121/12h den Ersatz ihres mit 18.179,27 EUR bezifferten Schadens aus dem Unfall vom . Führend ist das Verfahren 19 Cg 36/12h.

Die klagende Partei stützt ihre zu und geltend gemachten Ansprüche auf das EKHG. Die beklagte Partei sei Betriebsunternehmerin iSd § 5 EKHG. Die Unfälle seien beim Betrieb einer Eisenbahn entstanden. Die Ursache für die Entgleisungen liege in der mangelhaften Schieneninfrastruktur der beklagten Partei, insbesondere in der Überschreitung der zulässigen Gleisverwindung. Die Ausnahmebestimmung des § 4 EKHG komme nicht zum Tragen, weil die beschädigten Waggons nicht durch die beklagte Partei, sondern die dritte Nebenintervenientin befördert worden seien.

Die beklagte Partei entgegnete, kausale Ursachen für die Entgleisungen seien jeweils die konstruktionelle Untauglichkeit der Güterwagen (ungenügende Verwindungsfähigkeit), erhebliche technische Gebrechen an den Güterwagen infolge ungenügender Wartung und die mangelhafte Beladung und Ladungssicherung gewesen. Für diese Mängel sei nicht die beklagte Partei, sondern die klagende Partei selbst verantwortlich. Die klagende Partei wäre zur Nutzung der Schieneninfrastruktur der beklagten Partei auch gar nicht berechtigt gewesen. Die von der (damaligen) ÖBB Traktions GmbH erteilte Zustimmung sei mangels einer entsprechenden Befugnis dieser eigenständigen Gesellschaft unwirksam. Ausländische Genehmigungen oder Bewilligungen, die einer Bauartgenehmigung nach § 32 EisbG und einer Betriebsbewilligung nach § 34 EisbG gleichzuhalten wären (§ 41 EisbG), lägen nicht vor. Die Gleisanlagen hätten sich in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden. Die beklagte Partei sei keine „umfassende Betriebsunternehmerin“, eine Haftung nach EKHG komme daher nicht in Betracht. Als außenstehende Dritte werde sie durch den AVV begünstigt. Die beklagte Partei wandte ferner gegen die jeweiligen Klagsforderungen aufrechnungsweise Gegenforderungen in Höhe von 330.992,75 EUR (19 Cg 112/11h) sowie von 18.179,27 EUR (19 Cg 36/12h) ein.

Zu stützt sich die beklagte Partei (als Klägerin) auf die in ihrem Passivprozess eingewendeten Umstände, wobei sie die klagende Partei (als Beklagte) aufgrund deliktischer Haftung, Gefährdungshaftung nach dem EKHG, Haftung aus gefährlichem Betrieb (analog EKHG) und Haftung aus dem zwischen der klagenden Partei und der dritten Nebenintervenientin abgeschlossenen Vertrag, der zu ihren Gunsten Schutzwirkungen entfalte, in Anspruch nimmt.

Die klagende Partei (als Beklagte) berief sich auf ihre im Aktivprozess gebrauchten Argumente und bestritt überdies ihre Eigenschaft als Betriebsunternehmerin einer Eisenbahn. Der gegenständliche Eisenbahntransport sei auch kein gefährlicher Betrieb gewesen. Ein vertraglicher Anspruch bestehe schon deshalb nicht, weil die beklagte Partei selbst in einem Vertragsverhältnis zur dritten Nebenintervenientin stehe, aus dem sie Ersatzansprüche geltend machen könne. Im Übrigen bestünden keine vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten der klagenden Partei zugunsten der beklagten Partei. Die klagende Partei erhob eine Gegenforderung von 14.247,03 EUR, die sie gegen die Klagsforderung aufrechnungsweise einwandte.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil die von der klagenden Partei zu und gestellten Klagebegehren dem Grunde nach als zu Recht bestehend. Das zu gestellte Klagebegehren der beklagten Partei (dort als Klägerin) wies es mit Endurteil ab.

Das Erstgericht ging im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus (Überschriften vom Senat):

Am um 8:32 Uhr entgleiste bei der Einfahrt des Zuges 40657 im Bereich Bahnhof Rosenbach, Gleis 1, bei Kilometer 22,060 vor dem Erreichen der ersten Weiche die in Fahrtrichtung dritte Achse des elften Waggons mit der Wagennummer 43714378 3912 bei einer Geschwindigkeit von 24 km/h, was zu einer Entgleisung des elften Waggons mit allen vier Achsen sowie weiterer Wagen führte. Der zuerst entgleiste Waggon vom Typ laagrss besteht aus zwei ständig gekoppelten zweiachsigen Containerwagen und war mit 44 t Containern beladen.

Die Entgleisungsstelle liegt auf einer Hochleistungsstrecke. Unmittelbar im Anschluss daran begann bei Kilometer 22,1 eine Langsamfahrstelle, welche im Unfallszeitpunkt mit höchstens 30 km/h befahren werden durfte. Die Strecke ist an sich für 70 km/h ausgelegt. Die dieser Geschwindigkeit entsprechende Gleiserhöhung beträgt 138 mm bei einer Rampenneigung von 1 : 658. Das Gleis 1 beschreibt im Bereich der Entgleisungsstelle einen Bogen mit einem Radius von 248 m und einem Maximalgefälle von 14 Promille bis Kilometer 22,2. Wird eine solche Stelle mit geringerer Geschwindigkeit befahren, als es ihrer Auslegung entspricht, kommt es zu einer wesentlich geringeren Querbeschleunigung im Bereich des Gleisbogens und zu einer geringeren Belastung der bogenäußeren Räder, was auch bei Einhaltung der vorgegebenen Gleisparameter die Entgleisungsgefahr verstärkt.

Vor dem Unfall wurde die Gleisanlage zuletzt am mit einem Messwagen vermessen. Die Messung ergab eine Verkürzung der Überhöhungsrampe und eine Vergrößerung der Überhöhungsdifferenz, nämlich eine Erhöhung von 143 mm und eine Rampenneigung von 1 : 293. Beide Faktoren verstärken jeder für sich technischerseits die Entgleisungsgefahr. Der Erhöhungswert von 143 mm überschritt zwar nicht die interne Soforteingriffsschwelle der beklagten Partei, wohl aber die interne Eingriffsschwelle „mittlere Verwindung“ und „Verwindung absolut“. Der Wert auf Basis der „9 mVerwindung“ lag mit 3,81 mm nur 0,19 mm unter der internen Soforteingriffsschwelle von 4 mm. Vor der Entgleisung wurden keine Maßnahmen gesetzt. Für die übernächste Woche nach der Entgleisung wären Erhaltungsstopfarbeiten vorgesehen gewesen.

Bei der gegebenen Ausgangslage wirken sich die Belastungsveränderungen durch den fortgesetzten Bahnbetrieb dahin aus, dass sich die Gleisüberhöhung weiter verstärkt. Allerdings hat auch die Entgleisung selbst diese Wirkung. Nach dem Unfall wurden ein Erhöhungswert von 151 mm und eine Rampenneigung von 1 : 272 gemessen, was eine Überschreitung der Soforteingriffsschwelle bedeutet. Das Fortschreiten durch den Betrieb indiziert, dass die Überschreitung der Soforteingriffsschwelle bereits im Unfallszeitpunkt gegeben war. Zusätzliche sicherheitsfördernde Maßnahmen waren nicht vorhanden. Als solche wäre insbesondere eine ortsfeste Schmiereinrichtung in Betracht gekommen, die in besonders kritischen Bereichen angebracht wird, um das Entgleisungsrisiko zu vermindern.

Durch die Entgleisung brachen beim zuerst entgleisten Waggon 13 der 32 Befestigungsschrauben der Achslagergehäuse und die hintere Lagerabdeckung. Schraubenbruchstücke wurden samt den Bruchstücken der hinteren Lagerabdeckung an der Unfallstelle aufgefunden, vermisst wurden aber sieben Schrauben zu den Achslagergehäusen 1L, 2L und 2R. Auch wenn diese Schrauben schon vor der Entgleisung gefehlt hätten, wäre dies für die Entgleisung nicht kausal gewesen. Der Lagerschaden wurde erst durch die Entgleisung ausgelöst.

Der zuerst entgleiste Waggon war mittig beladen. Soweit eine Spanngurtsicherung nicht vollständig gegeben war, konnte diese nicht zu einer Verschiebung der Ladung beitragen, sondern allenfalls zu einer leichten, aber nicht relevanten Schwingneigung im oberen Bereich der Beladung führen.

Nach dem Unfall bestand beim dritten Radsatz eine Raddruckdifferenz von 745 kg. Dass diese bereits vor dem Unfall vorhanden war, kann nicht festgestellt werden. Selbst wenn sie im Entgleisungszeitpunkt schon bestanden hätte, wäre sie noch im zulässigen Rahmen gelegen gewesen.

Am um 15:10 Uhr entgleiste bei der Zufahrt des Zuges auf das „Halt“ zeigende Einfahrtssignal C des Bahnhofs Ebenfurth die in Fahrtrichtung vierte Achse des sechsten Waggons mit der Wagennummer 43714378 4605, was die Entgleisung eines weiteren Waggons auslöste. Der zuerst entgleiste Waggon der Type laagrss besteht aus zwei ständig gekoppelten zweiachsigen Wagen mit einer Eigenmasse von je 26.600 kg und einer zulässigen Fahrzeughöchstgeschwindigkeit von 120 km/h.

Die Entgleisungsstelle liegt auf einer Hochleistungsstrecke. In diesem Bereich beschreibt das Gleis, das in der Schienenform 54E2 auf Einblock-Betonschwellen verlegt ist, einen Linksbogen mit einem Radius von 265 m, einem Gefälle von 2,5 Promille und einer maximalen Überhöhung von 99 mm. Es befindet sich dort eine Eisenbahnkreuzung, die mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h befahren werden darf.

Der Waggon entgleiste kurz vor der Eisenbahnkreuzung. Der Zugführer hatte den Zug entsprechend dem Signal „Vorsicht“ abgebremst, um ihn vor dem folgenden Signal „Halt“ zum Stillstand bringen zu können. Die Fahrgeschwindigkeit betrug im Zeitpunkt der Entgleisung 34 km/h, das entsprach der signalisierten Geschwindigkeit. Für die Auswirkung des Befahrens mit einer gegenüber der Geschwindigkeit, für die die Strecke ausgelegt ist, verminderten Geschwindigkeit, gilt das zum Unfall vom Ausgeführte.

Der zuerst entgleiste Waggon hatte keine technischen Mängel. Der Grenzwert der zulässigen Radlastunterschiede wurde nicht überschritten. Die „lose“ Koppelung im Zugverband entsprach zwar nicht „den Bestimmungen“, konnte aber auch erst durch den Unfall ausgelöst worden sein. Er hatte auf den Unfall jedenfalls keinen Einfluss.

Der Waggon war mit Wechselaufbauten ausgestattet, wobei im Bereich der entgleisten Achse die Ladelänge nicht vollständig ausgenützt war. Die Ladung war nicht durch die im Ladetarif vorgesehenen Spanngurte, sondern nur durch Niederbinden der unteren zwei Ladegestelle gegen Verschieben in Längsrichtung gesichert. Die Ladegestelle innerhalb eines Blocks waren miteinander verbunden. Zu einer Ladeverschiebung war es vor dem Unfall nicht gekommen, sodass die nicht beladetarifkonforme Sicherung auf den Unfall keinen Einfluss hatte.

Vor dem Unfall wurde die Gleisüberhöhung in diesem Bereich zuletzt am vermessen. Dabei wurde 33 m vor der Entgleisungsstelle sowie kurz nach der Entgleisungsstelle eine Überschreitung der Soforteingriffsschwelle (laut Dienstbehelf der beklagten Partei) für die Gleisverwindung „auf Basis 16 m“ und „auf Basis 9 m“ festgestellt. Die gegenseitige Höhenlage war um 22 mm überschritten. Die Soforteingriffsschwelle „auf Basis 3 m“ war nicht überschritten. Weiters lag eine Spurerweiterung vor, welche die Eingriffsschwelle überschritt. Durch das weitere Befahren des Gleises konnte sich die Gleiserhöhung wieder verstärken. Es wurden händische Stopfarbeiten durchgeführt. Es kann nicht festgestellt werden, dass dadurch die Gleisüberhöhung derart reduziert wurde, dass sie im Entgleisungszeitpunkt die Soforteingriffsschwelle nicht erreichte.

Eine ortsfeste Schienenflankenschmierung hätte auch in diesem Fall das Entgleisungsrisiko herabgesetzt, da durch Verminderung der Reibung ein „Aufklettern“ des Spurenkranzes erschwert wird.

Die Güterwagen laagrss sind nicht TSI-konform und keine Wagen, die nach RIV 2000 für den Verkehr in den Mitgliedstaaten geeignet sind. Diese Wagen können durch den Austausch der Radsätze auf den Spurbreiten sowohl von 1435 mm (zB in Österreich) als auch von 1672 mm (Breitspur; Spanien) verkehren. Dadurch beträgt der Radsatzlagermittenabstand 2170 mm statt der üblichen 2000 mm.

Durch die Austauschmöglichkeit der Radsätze von Normalspur auf Breitspur im Radsatzlagermittenabstand von 2170 mm ist eine Verstärkung der Entgleisungstendenz bei überhöhten Kurvenrampen gegeben, da durch Verwendung des größeren Radsatzlagermittenabstands bei Normalspur ein größeres „Überhanggewicht“ entsteht.

Der Radsatztausch kann auch zu Raddruckdifferenzen führen. Der am zuerst entgleiste Waggon war durch technische Maßnahmen nicht „umspurfähig“ und wurde nur auf Normalschiene eingesetzt. Das ändert nichts daran, dass der Einsatz der Normalspurachse auf einem Breitspurwagen konstruktiv die Kippstabilität verringert. Der Umstand, dass es sich bei den laagrss-Waggons um korrosionsharte Wagen handelt, begünstigt noch die verwindungsbedingte Radkraftänderung.

Die Prüfung der Torsionssteifigkeit der Wagentype laagrss wurde am in einem spanischen Werk nach den Prüfvorschriften des Arbeitsblatts UIC 5302 durchgeführt. Es wurden die Verdrehungssteifigkeit berechnet und Prüffahrten auf verzogenen Gleisen durchgeführt. Der Grenzwert UIC 5302 wurde eingehalten, die Fahrzeugprüfverwindung ORE B55/RP8 ebenfalls.

Die Achsen, die in diesen Waggons eingesetzt werden, sind älterer Bauart und entsprechen nicht dem neuesten Stand, da auch bei einem bloßen Lockern der Schrauben das Achslagergehäuse samt Deckel seine Position und damit die Kräfteverhältnisse verändern könnte. Ihr Einsatz ist nach wie vor regelkonform, doch bedürfen sie einer intensiveren Kontrolle, der die klagende Partei durch einen alle vier Jahre stattfindenden Austausch der Achsen Rechnung trägt. Außerdem sind sie in periodischen Abständen zu schmieren.

Erstmals wurde im Jahr 1997 um den Einsatz des Wagentyps laagrss auf dem Netz der Österreichischen Bundesbahnen angesucht. Diese Zustimmung wurde am von den Österreichischen Bundesbahnen, Traktion/technischer Wagendienst, erteilt. Die Waggons mit den Wagennummern 43714378 001 bis 091 wurden für das österreichische Schienennetz zugelassen. Am und suchte das spanische Eisenbahnunternehmen R***** (R*****) um die Zulassung weiterer Wagen dieser Baureihe an.

Die bei den beiden gegenständlichen Unfällen jeweils zuerst entgleisten Waggons wurden am bzw am in die (spanische) Normdatei als Fahrzeug mit der Verkehrszulassung für die Gleise der R***** aufgenommen. Bedingungen oder Beschränkungen wurden nicht auferlegt. Die Waggons sind weiters in der 5. Sektion des Eisenbahn-Sonderregisters des spanischen Infrastruktur-Ministeriums angeführt und damit für das spanische Schienennetz zugelassen.

Mit einem an die Österreichischen Bundesbahnen, technischer Wagendienst, gerichteten Schreiben vom bestätigte das spanische Infrastrukturunternehmen A***** (A*****), dass die Waggons mit den Wagennummern 43714378 3664 bis 6428 (somit auch die gegenständlichen Waggons) die gleichen technischen Spezifikationen wie die 1997 zugelassenen Wagen hätten (Typenkonformität) und die Tritte und Handläufe dem UIC-Blatt 5352 entsprächen.

Gegenüber der bereits zugelassenen Bauart weisen sie keine Änderungen des Fahrwerks und der Verwindungsfähigkeit auf, sind jedoch mit einem klappbaren Geländer und einem um 4 mm höheren Ladeplan ausgestattet. Die Torsionshärte entspricht den Vorgaben nach UIC 5032. Im August 2006 wurden die Güterwägen vom technischen Wagendienst der „Österreichischen Bundesbahnen“ geprüft. Basis waren die seinerzeitige Genehmigung der Bauart der Waggons 43714378 0017 bis 3658 und die Bestätigung der Baugleichheit. Mit Schreiben vom stimmte die (damalige) ÖBB Traktion GmbH der Anbringung des Zeichens „ÖBB“ im Vereinbarungsraster nach RIV 2000 auf den Waggons zu. Ein Hinweis, dass die ÖBB Traktion GmbH für dergleichen nicht zuständig sei, erfolgte nicht. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Zustimmung nicht im Rahmen ihrer Kompetenz erfolgte. Die Zustimmung ist nach wie vor aufrecht und die Wagen werden im Netz der beklagten Partei eingesetzt.

Die gegenständlichen Waggons trugen im Vereinbarungsraster weitere Vermerke über die Zulassung auf dem Schienennetz zahlreicher anderer europäischer Staaten.

Der 1922 gegründete internationale Eisenbahnverband (UIC), eine Vereinigung von Netzbetreibern und Eisenbahnverkehrsunternehmen, gibt Richtlinien heraus, um die Bedingungen der Konstruktion und des Betriebs von Eisenbahnen durch Standardisierung zu verbessern und zu harmonisieren.

Im Merkblatt UIC 5302 sind Bedingungen festgelegt, die Güterwägen hinsichtlich der Fahrsicherheit erfüllen müssen, insbesondere beim Befahren von TSIkonformen Gleisverwindungen. Güterwägen müssen die Anforderungen des Merkblatts erfüllen oder bei einem stationären Test vorgegebene Werte erreichen. Bei den gegenständlichen Güterwägen war dies 2006 und ist dies noch der Fall. Altersbedingt hat sich ihre Verwindungsfähigkeit zusätzlich vorteilhaft verändert, sodass Entgleisungen unwahrscheinlicher werden.

Das European Railway Research Institute (ERRI, ORE), das von Eisenbahnverkehrsunternehmen gegründet wurde, befasst sich mit der Erforschung und Prüfung eisenbahnrechtlicher Probleme und ist eine Einrichtung des UIC. Es gibt aufgrund der durchgeführten Untersuchungen technische Empfehlungen heraus, die als Regeln der Technik beurteilt werden.

1983 wurde der Bericht B55 („Entgleisungssicherheit, Sicherheit gegen Entgleisung in Gleisverwindungen“) veröffentlicht. Er beschreibt ein Modell, welches das Zusammenwirken von Schieneninfrastruktur und Wagen aufzeigt und bei bedingungsgemäßem Systemzustand Fahrweg/Fahrzeug eine Verwindungsentgleisung mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % ausschließt. Den Berechnungen und Versuchen werden ein sehr gut erhaltener Fahrweg und die Grenzwerte für die Verwindungssteifigkeit von Güterwägen laut UIC 530-2 zugrunde gelegt, also Werte, die die Güterwägen der klagenden Partei erreichen. Für den Gleisverlauf wird auch die Überhöhung in Abhängigkeit vom Bogenhalbmesser berücksichtigt. Im Bereich 1 bestehen keine Einschränkungen; im Bereich 2 ist die zulässige Überhöhung zu begrenzen; im Bereich 3 sind darüber hinaus Maßnahmen, wie eine ortsfeste Schmiereinrichtung oder Leitschienen, zu setzen. Die vom Güterwagen ertragbare Verwindung (Torsionshärte, Prüfverwindung) darf kleiner sein als die Gleisverwindung der zu befahrenden Strecke, wenn nicht mehr ungünstige Einflüsse zusammentreffen. Solche ungünstigen Einflüsse sind etwa Langsamfahrstellen, insbesondere im Zusammenhang mit Bremsvorgängen, geringe oder außermittige Beladung und trockene Schienen mit ungünstigen Reibungsverhältnissen, aber auch Unterschiede in der gegenseitigen Höhenlage.

Die beklagte Partei wendet für die Instandhaltung von Gleisanlagen ihre für Oberbauanlagen seit geltende interne Norm „Dienstbehelf IS2“ an. Darin sind Inspektionsfristen vorgegeben, wobei unter besonderen Umständen häufigere Inspektionen vorzunehmen sind. Für die technischen Überprüfungen sind die Prüfvorschriften und der Stand der Technik maßgeblich. Der Dienstbehelf gibt Eingriffsschwellenwerte vor, deren Überschreitung korrigierende Instandhaltungsmaßnahmen erfordert, damit die Soforteingriffsschwellen nicht vor der nächsten Instandhaltung erreicht werden. Bei Überschreitung der Soforteingriffsschwelle sind unverzüglich Maßnahmen zu setzen. Die beträgt bei „Verwindung 3 m“ 5 mm, bei „Verwindung 9 m“ 3,5 mm. Die beträgt bei „Verwindung 3 m“ 6 mm, bei „Verwindung 9 m“ 4 mm und bei „Verwindung 16 m“ 2,5 mm. Die Soforteingriffsschwellen sind strenger als die entsprechenden Werte der TSI (Technische Spezifikation für die Interoperabilität des Teilsystems „Infrastruktur“ des transeuropäischen Hochgeschwindigkeits-bahnsystems).

In ORE B55 sind die Prüfverwindungen bei „Verwindung 3 m“ mit 5,3 mm und bei „Verwindung 9 m“ mit 3,72 mm angegeben. Dabei ist die nach UIC 5302 zulässige Verwindungssteifigkeit, die von den Wagen der klagenden Partei eingehalten wird, berücksichtigt. Im Dienstbehelf der beklagten Partei ist diese höhere Verwindungssteifigkeit nicht berücksichtigt. Demgemäß liegt die Fahrzeugprüfverwindung nach ORE B55 mit 3,72 mm/m unter der Soforteingriffsschwelle der beklagten Partei (4 mm/m).

Die Werte, die im Zeitpunkt der Entgleisungen gegeben waren, lagen jeweils unter den Soforteingriffsschwellen der TSI („Verwindung 3 m“ 7 mm; „Verwindung 9 m“ 5 mm; „Verwindung 16 m“ 4,3 mm), überschritten aber die erträglichen Verwindungen nach ORE B55. Nach dieser Regel der Technik wären die gegebenen Überhöhungen durch Reparatur zu begrenzen oder aber das Entgleisungsrisiko durch zusätzliche Maßnahmen wie ortsfeste Schmierung zu verringern gewesen, was die Entgleisungen verhindert hätte.

In vertrat das Erstgericht die Ansicht, auf Beschädigungen der Betriebsmittel durch die Infrastruktur und der Infrastruktur durch Betriebsmittel sei das EKHG nicht anwendbar. Darauf, ob das Betriebsmittel im Eigentum eines der nach EKHG verantwortlichen EVU stehe, komme es nicht an. Zum selben Ergebnis gelange man, würde man die Waggons der klagenden Partei als beförderte Sache qualifizieren. Jedes der nach EKHG haftenden EVU werde gemäß § 4 EKHG von der Haftung befreit, wenn eines davon die Sache zur Beförderung übernommen habe. Die klagende Partei hafte auch deshalb nicht nach dem EKHG, weil sie gar kein EVU sei.

Die Wagen der klagenden Partei hätten berechtigterweise auf der Infrastruktur der beklagten Partei verkehrt. Die von der ÖBB Traktion GmbH (nunmehr: ÖBBProduktion GmbH) erteilte Zustimmung sei der beklagten Partei zuzurechnen. Selbst wenn nicht von einer ausdrücklichen Legitimation der ÖBB Traktion GmbH auszugehen wäre, läge zumindest der Anschein einer Bevollmächtigung durch die beklagte Partei vor. Dazu komme, dass die Erteilung einer Netzzulassung durch eine (allenfalls) unzuständige Stelle nicht kausal für die Unfälle gewesen sei, werde die Netzzulassung von der beklagten Partei doch nach wie vor aufrecht erhalten.

Aus dem Umstand, dass die Wagen der klagenden Partei mit Zustimmung der beklagten Partei auf deren Infrastruktur verkehrten, ergäben sich wechselseitige Schutz- und Sorgfaltspflichten. Maßgeblich seien die allgemeinen Schadenersatzregeln. Für die Entgleisungen seien einerseits die bestehenden Gleisüberhöhungen und -verwindungen im Zusammenhang mit vorgegebener niedriger Fahrgeschwindigkeit und fehlenden Schmiereinrichtungen, andererseits die Sonderbauart der Waggons mit vergrößerten Radabständen und geringer Verwindungsfähigkeit ursächlich gewesen. Die Entgleisungen wären weder ohne Vorliegen dieser Eigenschaften der Infrastruktur noch ohne diese Wagenkonstruktion eingetreten.

Seitens der klagenden Partei liege jedoch kein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten vor. Die Wagen hätten über die aufrechte Zulassung der spanischen Behörde und auch die österreichische Netzzulassung verfügt. Unfallskausale Mängel der Wagen seien nicht feststellbar gewesen.

Die Haftung der beklagten Partei sei hingegen zu bejahen. Infolge der Erteilung einer Netzzulassung für die Wagen der klagenden Partei, hätte die beklagte Partei entweder die für das Befahren des Schienennetzes mit solchen Wagen erforderlichen Maßnahmen setzen oder dem Wagenhalter bestimmte Auflagen erteilen oder bestimmte Strecken sperren müssen. Dies sei nicht geschehen. Die im Dienstbehelf der beklagten Partei vorgesehenen Maßnahmen seien nicht ausreichend. Durch die nach den Regeln der Technik zu treffenden Maßnahmen, nämlich die unverzügliche Durchführung von Arbeiten zur Begrenzung auf die in den ORE B55 bezeichneten Grenzwerte und – etwa in Langsamfahrbereichen – die Installierung ortsfester Schmieranlagen, hätte die auf Hochgeschwindigkeitsstrecken bestehende erhöhte Entgleisungsgefahr ausgeglichen und die Entgleisungen hätten verhindert werden können.

Die Ansprüche der klagenden Partei bestünden demnach dem Grunde nach zu Recht, nicht jedoch jene der beklagten Partei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Es erörterte rechtlich, dass der Sachverhalt nach österreichischem Recht zu beurteilen sei. In Bezug auf die gelangte das Berufungsgericht nach Auseinandersetzung mit Lehre und (deutscher) Rechtsprechung zu dem Ergebnis, dass die beklagte Partei, obwohl sie nur die Infrastruktur zur Verfügung stelle, als Betriebsunternehmerin iSd § 5 EKHG anzusehen sei und sie daher die Gefährdungshaftung treffe. Die beklagte Partei nehme im aufgegliederten Eisenbahnsektor eine mit spezifischen Gefahren verbundene selbständige Teilaufgabe des Bahnbetriebs wahr. Da beide Unfälle durch eine Überhöhung der von der beklagten Partei bereitgestellten Gleise (mit)verursacht worden seien und dies allein dem Risikobereich der beklagten Partei als EIU zuzurechnen sei, habe sich eine Gefahr verwirklicht, welche sie – erlaubtermaßen – geschaffen habe, indem sie einen Verkehrsweg zum Zweck des Befahrens durch Schienenfahrzeuge eröffnet und unterhalten habe. Sie trage daher die ihr – aufgrund der dualistischen Struktur des Eisenbahnbetriebs (§§ 1a und 1b EisbG) – zugeordnete Verantwortung für diese Gefahr und hafte für den dadurch beim Betrieb der Eisenbahn verursachten Schaden. Diese Haftung bestehe unabhängig davon, ob die klagende Partei als EVU anzusehen sei.

§ 4 Abs 1 EKHG komme nicht zur Anwendung, weil die Wagen der klagenden Partei keine beförderten Sachen, sondern vielmehr das Beförderungsmittel selbst darstellten. Dieses werde von der erwähnten Bestimmung weder dem Wortlaut nach, noch von ihrem Zweck her erfasst. Der Wortlaut spreche unmissverständlich von „durch die Eisenbahn beförderten Sachen“, worunter das Transportmittel auch bei extensiver Auslegung nicht subsumiert werden könne. Der Zweck der Bestimmung liege ua darin, dass sich die Haftung für beförderte Sachen ohnehin nach anderen Bestimmungen richte, und zwar bis primär nach dem Eisenbahnbeförderungsgesetz, seither nach dem Eisenbahn-Beförderungs- und Fahrgastrechtegesetz. Diese Normen beträfen jedoch bloß die Beförderung von Personen, Reisegepäck und Gütern, nicht jedoch die Haftung für Schäden an Transportmittel. Im Übrigen entspreche es auch der in Deutschland herrschenden Auffassung, dass die Haftung für Schäden am Beförderungsmittel von der Gefährdungshaftung erfasst sei.

Ein unabwendbares Ereignis iSd § 9 EKHG liege nicht vor. Vielmehr hätte das Risiko einer Entgleisung durch eine ortsfeste Schmierung – welche die beklagte Partei jedoch nicht installiert gehabt habe – beträchtlich herabgesetzt werden können.

Es bleibe zu prüfen, ob die Ersatzansprüche der klagenden Partei aufgrund eigener Mitverantwortung zu mindern seien. Diese sei nach § 7 EKHG zu beurteilen. Eine Anwendung des § 11 EKHG komme hingegen nicht in Betracht, weil die klagende Partei beim Betrieb der Waggons nicht als EVU gehandelt habe. Sie sei bloß Halterin ihrer Waggons gewesen, die sie der dritten Nebenintervenientin als wagenverwendendes EVU zum Betrieb überlassen habe. Im österreichischen Netz habe die klagende Partei somit keine Verfügungsgewalt über den Betrieb gehabt, dieser sei nicht auf ihre Rechnung geführt worden. Die daraus resultierenden Gefahren könnten der klagenden Partei daher nicht zugeordnet werden. Dass diese uU Verfügungsmacht über ihre einzelnen Waggons gehabt habe, reiche für die Betriebsunternehmereigenschaft iSd § 5 EKHG nicht aus, müsse sich doch die Verfügungsmacht auf den Bahnbetrieb beziehen und nicht bloß auf die einzelnen Betriebsmittel.

Der klagenden Partei sei auch kein Mitverschulden iSd § 7 EKHG iVm § 1304 ABGB vorwerfbar. Mängel an den Wagen seien entweder nicht feststellbar oder für die Entgleisungen nicht kausal gewesen. Ob die Waggons der klagenden Partei über dem österreichischen Recht gleichwertige Genehmigungen (Bauartgenehmigung und Betriebsbewilligung) verfügt haben, sei unerheblich. Die klagende Partei habe aufgrund der Prüfung der Waggons durch den technischen Wagendienst „der ÖBB“ im August 2006, der darauf erfolgten Zulassungserklärung der ÖBB Traktion GmbH vom und der darauf basierenden Eintragung im Vereinbarungsraster der Waggons davon ausgehen dürfen, dass die Nutzung der Infrastruktur der beklagten Partei zulässig sei. Der klagenden Partei könne daher hinsichtlich einer allenfalls mangelnden (gleichwertigen) Genehmigung nicht der Vorwurf einer Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten gemacht werden.

Auf Seiten der beklagten Partei sei bei der Abwägung nach § 7 EKHG zu berücksichtigen, dass sich nicht bloß die mit dem Eisenbahnbetrieb (in der Ausprägung des Betriebs der Infrastruktur) verbundene normale Betriebsgefahr verwirklicht habe. Vielmehr sei durch das unfallkausale Unterlassen zusätzlicher sicherheitsfördernder Maßnahmen (insbesondere von ortsfesten Schmierungen) die mit dem Eisenbahnbetrieb ohnehin schon verbundene Gefahr noch vergrößert worden, wobei es nicht darauf ankomme, ob dies per se gegen gesetzliche Vorgaben verstoße. Beim Unfall vom seien die interne Eingriffsschwelle der beklagten Partei überschritten und die Überschreitung der Soforteingriffsschwelle indiziert gewesen. Auch beim Unfall vom seien im Unfallszeitpunkt die Soforteingriffsschwelle für die Gleisverwindung überschritten und eine über der Eingriffsschwelle liegende Spurerweiterung vorhanden gewesen.

Eine Abwägung der wechselseitigen Zurechnungsmomente lasse die alleinige Haftung der beklagten Partei nach EKHG daher insgesamt für angemessen erscheinen. Auf weitere mögliche Anspruchsgrundlagen müsse nicht eingegangen werden.

Zum verwies das Berufungsgericht auf seine bisherigen Ausführungen, wonach der klagenden Partei die Eigenschaft einer Betriebsunternehmerin iSd § 5 EKHG nicht zukomme und eine Haftung nach EKHG daher ausscheide. Auch eine Haftung analog zur gesetzlich geregelten Gefährdungshaftung sei nicht angezeigt, weil die klagende Partei mangels Einwirkungsmöglichkeit auf den Fahrbetrieb ihrer Waggons die von diesen ausgehende Gefahr nicht beherrschen habe können.

Eine Haftung nach vertragsähnlichen Grundsätzen komme ebenfalls nicht in Betracht. Eine Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten könne der klagenden Partei – so überhaupt solche Pflichten anzunehmen seien – aus den bereits dargelegten Gründen nicht angelastet werden. Die Haftung der klagenden Partei aufgrund deren Vereinbarung mit der dritten Nebenintervenientin als Vertrag zugunsten Dritter scheitere am subsidiären Charakter dieser Rechtsfigur. Der beklagten Partei stünden erkennbar gegen die dritte Nebenintervenientin eigene vertragliche Ansprüche aus der bestehenden Nutzungsvereinbarung zu.

Schließlich hafte die klagende Partei auch nicht deliktisch. Die klagende Partei habe gegen keine Sicherheitsvorkehrungen verstoßen, eine Gefahrenlage sei für sie nicht erkennbar gewesen. Ob die festgestellte Zulassung der Waggons für das spanische Schienennetz den nach österreichischem Recht erforderlichen Genehmigungen entsprächen (§ 41 EisbG), könne dahingestellt bleiben. Das Fehlen entsprechender Bewilligungen stünde mit dem eingetretenen Schaden in keinem Rechtswidrigkeitszuammenhang, weil die relevanten Grenzwerte für die Torsionssteifigkeit eingehalten und ausreichende Kontrollen vorgenommen worden seien. Es hätten auch keine kausalen Mängel an den Waggons bestanden, sodass sich das Risiko nicht verwirklicht habe, dem die Bewilligungspflicht entgegentreten wolle. Außerdem wäre der klagenden Partei das Fehlen der Bewilligungen nicht als Verschulden vorwerfbar, weil die Wagen von der ÖBB Traktion GmbH für das österreichische Schienennetz zugelassen worden seien.

Seinen begründete das Berufungsgericht damit, dass weder zur Frage, ob ein EIU iSd § 1a EisbG als Betriebsunternehmer iSd § 5 Abs 1 EKHG in Betracht komme, noch zur Frage, ob das Transportmittel selbst eine beförderte Sache iSd § 4 Abs 1 EKHG sein könne, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe.

Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen Nichtigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das (jeweilige) Klagebegehren der klagenden Partei abgewiesen und jenem der beklagten Partei stattgegeben werde. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die klagende Partei sowie die erste und die zweite Nebenintervenientin beantragen in ihren (gleichlautenden) Revisionsbeantwortungen, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen . Das Rechtsmittel ist auch nämlich in Ansehung der zu 19 Cg 112/11h und 19 Cg 36/12h ergangenen Zwischenurteile, im Sinne des Aufhebungsantrags

- Aufgrund der Beherrschung der aus Wartung und Instandhaltung von Güterwagen resultierenden Gefahren durch den Wagenhalter sowie der mangelnden Einflussmöglichkeit von EIU und EVU treffe auch den Wagenhalter die Gefährdungshaftung. Er sei es auch, der den Wagen in Umlauf setze und gemäß § 41 EisbG zum Betrieb des Wagens in Österreich die dem EisbG entsprechenden Genehmigungen benötige und die Sicherheit des Betriebs des Schienenfahrzeugs und des Eisenbahnverkehrs zu gewährleisten habe. Nach den Feststellungen lägen hinsichtlich des Betriebs der Wagen der klagenden Partei mehrere gefahrenerhöhende Umstände vor.

- Die Zurechnung der von der ÖBB Traktion GmbH erteilten Zustimmung zur Nutzung der Infrastruktur verstoße gegen Unionsrecht, wonach der Bereich Absatz vom Bereich Infrastruktur strikt zu trennen sei. Die klagende Partei habe als professioneller Wagenhalter auf die Erklärung eines Absatzunternehmens nicht vertrauen dürfen. Auch lägen nicht die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht vor. Erklärungsempfänger sei überdies nicht die klagende Partei, sondern die A***** gewesen.

- Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts könne die Frage der Gleichwertigkeit der spanischen Genehmigung mit einer österreichischen Genehmigung nicht dahingestellt bleiben, sei sie doch rechtliche Voraussetzung einer privatrechtlichen Netzzulassung für das Schienennetz der beklagten Partei. Mangels gleichwertiger Genehmigungen sei die Netzzulassung ungültig gewesen und habe keine Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber der klagenden Partei entfaltet. Bei der Frage der Gleichwertigkeit spanischer Genehmigungen handle es sich um eine präjudizielle verwaltungsrechtliche Vorfrage.

- Das Berufungsgericht habe auch den Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen den Schutznormen des § 41 iVm §§ 32 ff EisbG und den eingetretenen Schäden zu Unrecht verneint. Nach den Feststellungen verringere der Einsatz der Normalspurachse auf einem Breitspurwagen die Kippstabilität und erhöhe damit das Entgleisungsrisiko. Es habe sich somit gerade jene Gefahr verwirklicht, welcher die zitierten Bestimmungen entgegenwirken sollten.

- Die Anhäng B (CIM) und D (CUV) zum Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr vom (COTIF) enthielten iVm dem AVV ein ausschließliches Haftungsregime für den anspruchstellenden Wagenhalter, das hier zugunsten der beklagten Partei zur Anwendung gelange. Die klagende Partei könne dieses Haftungsregime nicht durch Inanspruchnahme der beklagten Partei aufgrund vertraglicher oder deliktischer Haftung oder Haftung nach dem EKHG umgehen. Nach Art 23 § 2 CIM bzw Art 22.2 AVV scheide eine Haftung der beklagten Partei wegen der ähnlich wie in § 9 EKHG auch dort geforderten Unabwendbarkeit des Ereignisses aus.

- Es fehle die Feststellung, was überhaupt beförderte Sache gewesen sei. Ungeachtet dessen sei § 4 Abs 1 EKHG sowohl auf den Wagen als beförderte Sache als auch auf den Wagen als Transportmittel anzuwenden.

- Die beklagte Partei habe die unionsrechtlich verbindlichen TSIVorschriften eingehalten und damit den nach den Umständen möglichen und zumutbaren Sorgfaltsanforderungen entsprochen. Darüber hinausgehende Maßnahmen wie „ortsfeste Schmieranlagen“ seien in den TSI nicht vorgesehen.

- Zwar seien die nach der Aufspaltung der ehemaligen integrierten Eisenbahnen entstandenen Teilbetriebe, somit auch Eisenbahninfrastrukturbetriebe und Wagenhalter, grundsätzlich als Betriebsunternehmer iSd § 5 Abs 1 EKHG anzusehen. Dies gelte allerdings nur hinsichtlich der von ihnen jeweils beherrschten unterschiedlichen Gefahren, auf welche die Teilbetriebe wechselseitig keinen Einfluss hätten und die eine verschuldensunabhängige Haftung für die daraus resultierenden Gefahren rechtfertigten. Eine weitere Einschränkung ergebe sich daraus, dass dadurch nicht die Bestimmungen des COTIFÜbereinkommens umgangen werden dürften. Eine Haftung der beklagten Partei scheide in diesem Zusammenhang somit jedenfalls aus.

Hiezu wurde erwogen:

I.

Die beklagte Partei behauptet die Nichtigkeit des angefochtenen Urteils nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO, weil der dem Berufungssenat angehörige fachmännische Laienrichter befangen gewesen sei.

Der Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor. Die beklagte Partei hatte noch vor Erhebung der Revision mit gesondertem Schriftsatz den Antrag auf Ablehnung des fachmännischen Laienrichters eingebracht. Der zur Entscheidung über diesen Antrag berufene Senat des Oberlandesgerichts Wien wies den Ablehnungsantrag zurück. Der Oberste Gerichtshof bestätigte zu 2 Ob 196/15k diesen Beschluss.

II.

1. Da die klagende Partei ein Unternehmen mit Sitz in Spanien ist, liegt bei beiden Unfällen ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vor. Allerdings ist der Schaden jeweils in Österreich eingetreten; eine engere Beziehung zu einem anderen Staat ist nicht erkennbar.

2. Das Berufungsgericht hat daher, was den (späteren) Unfall vom anlangt, gemäß Art 4 Rom II-VO (zum zeitlichen Anwendungsbereich der Verordnung vgl deren Art 31 und 32; vgl auch § 50 Abs 4 IPRG) zutreffend österreichisches Recht für anwendbar erachtet.

3. Auf den Schadensfall vom ist die Rom II-VO hingegen noch nicht anwendbar. Das auf die Schadenersatzansprüche der klagenden Partei anzuwendende Sachrecht bestimmt sich daher nach § 48 IPRG aF. Diese Bestimmung, die alle Haftungsarten umfasst, verweist auf den Ort, an dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist, also den Handlungsort. Das ist bei Delikten durch aktives Tun jener Ort, an dem der Täter sich schädigend verhalten hat. Bei Unterlassungsdelikten ist an jenen Ort anzuknüpfen, wo eine Handlungspflicht des Verursachers bestanden hätte (RIS-Justiz RS0121126). Bei der Gefährdungshaftung ist Handlungsort der Ort, an dem sich die Gefahr verwirklicht oder die gefährliche Sache außer Kontrolle geraten ist (vgl 2 Ob 47/08p; Neumayr in KBB² § 48 IPRG Rz 2; Verschraegen in Rummel, ABGB³ II/6 § 48 IPRG Rz 23). Auch § 48 IPRG aF verweist daher auf österreichisches Recht, was im Übrigen zwischen den Parteien nicht strittig ist.

4. Die Unfälle ereigneten sich am und am . Die eisenbahnrechtlichen Vorschriften sind daher nach § 5 ABGB in der zu diesen Zeitpunkten geltenden Fassung anzuwenden (4 Ob 192/06y SZ 2006/172; RIS-Justiz RS0008732 [T3]). Das ist beim Eisenbahngesetz jeweils die Fassung des BG BGBl I 25/2006. Daraus folgt, dass die erst mit dem BG BGBl I 2011/124 ohne besondere Übergangsbestimmung eingefügten §§ 116 ff EisbG, die Pflichten des (bloßen) Halters von Schienenfahrzeugen regeln, im konkreten Fall noch nicht anwendbar sind. Darauf wird insbesondere bei der Prüfung der von der beklagten Partei im Verfahren 19 Cg 121/12h aktiv geltend gemachten verschuldensabhängigen Ansprüche zurückzukommen sein. Bestimmungen des Eisenbahnrechts werden im Folgenden grundsätzlich nach der zum Zeitpunkt des Unfalls geltenden Fassung zitiert.

III. Zu den Ansprüchen der klagenden Partei (19 Cg 112/11h und 19 Cg 36/12h):

1. Die klagende Partei hat ihre Ansprüche auf die Gefährdungshaftung nach dem EKHG gestützt.

Nach § 5 Abs 1 EKHG haftet für Schäden beim Betrieb einer Eisenbahn der „Betriebsunternehmer“. Der Betriebsunternehmer muss die Eisenbahn auf eigene Rechnung und Gefahr betreiben (1 Ob 173/97s SZ 70/222; Schauer in Schwimann/Kodek4 VII § 5 EKHG Rz 5; Koziol/Apathy/Koch, Österreichisches Haftpflichtrecht III3 [2014] Rz 36; Danzl, EKHG9 [2013] § 5 Anm 2; Neumayr in Schwimann, ABGB-TaKom3 [2015] § 5 EKHG Rz 2). Dies setzt voraus, dass er den wirtschaftlichen Nutzen aus dem Bahnbetrieb zieht und selbständig darüber verfügen kann (1 Ob 173/97s).

2. Unter dem Einfluss unionsrechtlicher Vorgaben kam es auch in Österreich zu einer funktionalen Aufspaltung betriebswirtschaftlicher Teilbereiche der Eisenbahn in Eisenbahninfrastruktur- und Eisenbahnverkehrsunternehmen. Grundlage für diese Aufspaltung war die RL 91/440/EWG zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft, die inzwischen durch die RL 2012/34/EU zur Schaffung eines einheitlichen Europäischen Eisenbahnraums [Neufassung] ersetzt wurde. Die in diesen Richtlinien enthaltenen Definitionen (Art 3 erster und zweiter Anstrich RL 91/440/EWG bzw Art 3 Nr 1 und 2 RL 2012/34/EU) wurden mit dem BG BGBl I 38/2004 in den §§ 1a und 1b EisbG umgesetzt.

Nach § 1a EisbG idF BGBl I 125/2006 ist ein – in den RL als „Infrastrukturbetreiber“ bezeichnetes – Eisenbahninfrastrukturunternehmen (im Folgenden wieder EIU) ein

Eisenbahnunternehmen, das dem Bau und Betrieb von Haupt- und Nebenbahnen, ausgenommen solchen Nebenbahnen, die mit anderen Haupt- oder Nebenbahnen nicht vernetzt sind, dient und darüber verfügungsberechtigt ist. [...].

Nach § 1b EisbG idF BGBl I 125/2006 ist ein – in den RL als „Eisenbahnunternehmen“ bezeichnetes – Eisenbahnverkehrsunternehmen (im Folgenden wieder EVU)

ein Eisenbahnunternehmen, das Eisenbahn-verkehrsleistungen auf der Schieneninfrastruktur von Hauptbahnen oder vernetzten Nebenbahnen erbringt sowie die Traktion sicherstellt, wobei dies auch solche einschließt, die nur die Traktionsleistung erbringen, und dem eine Verkehrsgenehmigung, eine Verkehrskonzession oder eine einer Verkehrsgenehmigung gemäß § 41 gleichzuhaltende Genehmigung oder Bewilligung erteilt wurde.“ (Fassung zum Unfallstag; die geltende Fassung gemäß BGBl I 2015/137 ersetzt „Eisenbahnverkehrsleistungen“ durch „Eisenbahnverkehrsdienste“ und „Schieneninfrastruktur“ durch „Eisenbahninfrastruktur“).

3. Das EKHG hat diese Trennung für das Haftungsrecht bisher nicht nachvollzogen. Gemäß § 5 Abs 2 EKHG haften mehrere Betriebsunternehmer derselben Eisenbahn zur ungeteilten Hand. Welche Konsequenzen die Aufspaltung für die Haftung der Eisenbahnunternehmen im Einzelnen hat, wird vor diesem Hintergrund im österreichischen Schrifttum diskutiert. Einigkeit besteht darin, dass jedenfalls dann, wenn sich – wie im Regelfall – eine im Zusammenwirken von EIU und EVU begründete Betriebsgefahr verwirklicht hat, eine solidarische Haftung beider Unternehmen als Betriebsunternehmer iSv § 5 Abs 2 EKHG sachgerecht ist (Reiter, Die Gefährdungshaftung der regulierten Eisenbahn, ZVR 2014/78, 148 [151 f]; Schauer in Schwimann/Kodek4 VII § 5 EKHG Rz 7; vgl auch Koziol/Apathy/Koch, Österreichisches Haftpflichtrecht III3 [2014] Rz 37). Hat sich aber ausnahmsweise eine Gefahr des Betriebs verwirklicht, deren Ursache nicht im Zusammenwirken von EIU und EVU liegt, so kann dies zur alleinigen Haftung jenes Betriebsunternehmers führen, dessen Betrieb die Gefahr zuzurechnen ist. Entscheidend ist der Gefahrenzusammenhang zwischen Unfall und Betrieb (idS mit überzeugenden Argumenten und Beispielen Reiter, aaO; seinem Ansatz nun offenbar folgend Schauer in Schwimann/Kodek4 VII § 5 EKHG Rz 7). Diese Auffassung entspricht im Wesentlichen auch dem Stand von Rechtsprechung und Lehre in Deutschland (vgl BGH , VI ZR 69/03 = NJW-RR 2004, 959; Kaufmann in Geigel, Haftpflichtprozess27 Kap 26 Rn 14 f; Filthaut, Haftpflichtgesetz9 [2015] § 1 Rn 56; für uneingeschränkte Solidarhaftung etwa Rüge in Wussow, Unfallhaftpflichtrecht16 [2014] Kap 15 Rn 29).

4. Im vorliegenden Fall haben sich Gefahren verwirklicht, die dem Betrieb des beklagten EIU zuzurechnen sind: Für beide Unfälle war die Gleisüberhöhung (mit-)ursächlich, also ein typisches Gefahrenmoment der in der Verfügungsgewalt der beklagten Partei stehenden Schienentrasse, das von der beklagten Partei beherrscht werden kann. Bei Anwendbarkeit der Haftungsregeln des EKHG würde daher die Haftung der beklagten Partei als Betriebsunternehmerin iSd § 5 EKHG in Betracht kommen, wobei dahingestellt bleiben könnte, ob alleinige oder gemeinschaftliche Haftung mit dem nicht mitbeklagten EVU (der dritten Nebenintervenientin) besteht.

5. Im Folgenden ist jedoch zu prüfen, ob der klagenden Partei die Berufung auf die Gefährdungshaftung nach dem EKHG überhaupt offen steht. Die beklagte Partei hält dem in ihrer Revision zwei Argumente entgegen: Einerseits stützt sie sich auf den Haftungsausschluss für die Beschädigung einer beförderten Sache nach § 4 Abs 1 EKHG, andererseits auf das „ausschließliche Haftungsregime“ der CIM oder CUV im Zusammenhang mit dem AVV. Beide Einwände sind, wie im Folgenden zu zeigen ist, eng miteinander verknüpft.

6. Zu § 4 Abs 1 EKHG:

6.1 Nach dieser Bestimmung ist im Falle der Beschädigung einer (hier) durch die Eisenbahn beförderten Sache dieses Bundesgesetz hinsichtlich der befördernden Eisenbahn „nur insofern anzuwenden, als zur Zeit des Unfalls ein Fahrgast die Sache als Handgepäck mit sich führte oder an sich trug, dem gegenüber die Anwendung dieses Bundesgesetzes nicht nach § 3 ausgeschlossen ist.“

Der Haftungsausschluss betrifft demnach die Haftung bei Beschädigung von beförderten Sachen mit Ausnahme jener, die ein Fahrgast zur Zeit des Unfalls als Handgepäck bei sich führte oder bei sich trug. In den Gesetzesmaterialien wurde „die Ausnehmung von der strengeren Haftung“ mit dem „Bestehen besonderer vertraglicher Abmachungen“ begründet (ErläutRV 470 BlgNR VIII. GP 8). Ausgehend von dieser ratio soll für jene Sachen nicht gehaftet werden, für die dem Geschädigten besondere Ansprüche aus Vertragshaftung zustehen, somit für jene Gegenstände, über die ein eigener Beförderungsvertrag geschlossen wird (Schauer in Schwimann/Kodek4 VII § 4 EKHG Rz 3). Dem Haftungsausschluss unterliegen somit Schäden an Sachen, die ohne mitreisenden Fahrgast befördert werden, also sämtliche Transportgüter, die von einem Betriebsunternehmer aufgrund eines Vertrags oder in Erfüllung vertraglicher Nebenpflichten befördert werden (Schauer in Schwimann/Kodek4 VII § 4 EKHG Rz 4). Für Beschädigungen an derartigen Gütern sind bei Binnentransporten die einschlägigen Bestimmungen über den Werkvertrag oder den Frachtvertrag oder des – zum Zeitpunkt der gegenständlichen Unfälle noch in Kraft befindlichen – Eisenbahnbeförderungsgesetzes (EBG; seit : Eisenbahn-Beförderungs- und Fahrgastrechte-gesetz – EisbBFG) heranzuziehen (Schauer in Schwimann/Kodek4 VII § 4 EKHG Rz 8; Koziol/Apathy/Koch, Österreichisches Haftpflichtrecht III3 [2014] Rz 33). Bei internationalen Eisenbahngüterbeförderungen sind hingegen die Haftungsbestimmungen der CIM maßgeblich (vgl Danzl, EKHG9 § 4 Anm 1; Apathy, EKHG § 4 Rz 1; Steger in U.Torggler, UGB² [2016] § 425 Rz 6), die mittlerweile im Wesentlichen auch in das nationale Recht übernommen worden sind (vgl § 23 EisbBFG; dazu ErläutRV 2110 BlgNR XXIV. GP 9 f).

6.2 Es stellt sich zunächst die Frage, ob nach der Aufspaltung der Eisenbahn nur das EVU oder auch das EIU „befördernde Eisenbahn“ iSd § 4 Abs 1 EKHG ist, ob sich also (auch) letzteres auf den Haftungsausschluss berufen kann. Der Absender eines Transportgutes schließt mit einem EIU keinen Beförderungsvertrag, sodass man annehmen könnte, das EIU werde von der gesetzlichen Regelung nicht erfasst.

Gegen ein derartiges Verständnis spricht jedoch das bereits angesprochene Zusammenwirken beider Betriebsunternehmer. Das EIU stellt das Schienennetz und seine sonstige Infrastruktur zur Verfügung, ohne welche eine Beförderung mit der Eisenbahn nicht möglich wäre. Dem Vertragspartner des EVU stehen wie nach der früheren Rechtslage vertragliche Ansprüche aus dem Beförderungsvertrag zu. Durch die Aufspaltung des Bahnbetriebs sollte er nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden. Dieser unerwünschte Effekt würde jedoch eintreten, wenn ihm neben der Vertragshaftung des EVU (als Beförderer) die Geltendmachung der Gefährdungshaftung gegenüber dem EIU offen stünde. Auch das EIU ist daher „befördernde Eisenbahn“ und kann sich gegenüber dem Vertragspartner des EVU auf den Haftungsausschluss berufen.

6.3 Über die Beförderungsverträge, deren Inhalte und die Vertragsparteien trafen die Vorinstanzen nur rudimentäre und auch nur auf den Unfall vom bezogene Feststellungen. Tatsachen, aus denen erschlossen werden könnte, dass die klagende Partei nicht bloß Eigentümerin und Halterin der Güterwagen, sondern auch Vertragspartei eines Beförderungsvertrags gewesen wäre, wurden von den Parteien aber zu beiden Unfällen nicht vorgebracht. Betont wurde jeweils nur die Stellung der klagenden Partei als Eigentümerin und Halterin der Güterwagen. Es kann damit als unstrittig gelten, dass die klagende Partei nicht Vertragspartei eines Beförderungsvertrags war. Dem steht nicht entgegen, dass sie mit der dritten Nebenintervenientin durch den AVV vertraglich verbunden war. Darauf ist in der Folge noch näher einzugehen.

6.4 Daran schließt sich die weitere Frage, ob auch einem außerhalb des Beförderungsvertrags stehenden Geschädigten, dem also in Bezug auf das beförderte Gut kein vertraglicher Anspruch gegen das EVU zusteht, der Haftungsausschluss nach § 4 Abs 1 EKHG entgegengehalten werden kann. Das muss aufgrund der klaren Wertung des Gesetzgebers bejaht werden, der lediglich das Handgepäck und vom Fahrgast mit sich getragene Sachen von der Haftung nach dem EKHG erfasst sehen wollte (vgl 2 Ob 133/78 SZ 51/176). Im Falle der Beschädigung von Transportgütern, die Gegenstand eines Beförderungsvertrags sind, können demnach auch außervertragliche Ansprüche eines geschädigten Dritten (hier des Halters von Wagen) nicht auf die Gefährdungshaftung nach dem EKHG gestützt werden. Diese Rechtsfolge ergibt sich im Übrigen auch aus den Haftungsregeln der CIM (Freise in MüKoHGB³ [2014] CIM Art 41 Rn 5; vgl auch Koller, Transportrecht9 [2016] Art 41 Rz 1a; aA Schütz/Schärmer, Transportrecht [2013] Eisenbahn Rz 11 für den Fall, dass der Waggonhalter mit dem EVU auch keinen Mietvertrag abgeschlossen hat), die – wie erwähnt – kraft § 23 EisbBFG mittlerweile auch auf Binnentransporte anzuwenden sind und auf die noch zurückzukommen sein wird.

6.5 Das Berufungsgericht hat den Haftungsausschluss nach § 4 Abs 1 EKHG mit der Begründung verneint, die Wagen der klagenden Partei seien keine beförderten Sachen, sondern vielmehr das Beförderungsmittel selbst. Dieses könne auch bei „extensiver Auslegung“ keine „durch die Eisenbahn beförderte Sache“ sein.

Sollte damit gemeint sein, dass Güterwagen stets nur Beförderungsmittel sein könnten, widerspräche diese Auffassung der Haftungsbestimmung des Art 24 § 1 CIM, wonach der Beförderer „bei Beförderungen von Eisenbahnfahrzeugen, die auf eigenen Rädern rollen und als Gut aufgegeben worden sind“, für den Schaden aus einer Beschädigung des beförderten Eisenbahnfahrzeuges (Triebfahrzeug oder Wagen) haftet (vgl Freise in MüKoHGB³ [2014] CIM Art 24 Rn 1). Es mag zwar denkbar erscheinen, dass der historische Gesetzgeber des EKHG diesen Beförderungsfall nicht vor Augen hatte, ausgeschlossen ist dies aber keineswegs. Im vorliegenden Fall ist jedoch, wie noch zu zeigen ist (siehe 8.5), ohnehin davon auszugehen, dass die beschädigten Güterwagen nicht Beförderungsgut, sondern tatsächlich (von der dritten Nebenintervenientin verwendete) Beförderungsmittel waren.

6.6 Das bedeutet, dass der Haftungsausschluss des § 4 Abs 1 EKHG nicht zum Tragen kommt und die klagende Partei auf das EKHG gestützte Ansprüche gegen die beklagte Partei geltend machen kann. Offen bleibt allerdings die – trotz offensichtlichen Vorliegens eines internationalen Eisenbahntransports – bisher ungeprüft gebliebene Frage, ob der beklagten Partei für sie günstigere Haftungsbestimmungen des internationalen Einheitsrechts zugute kommen.

7. Die beklagte Partei hat weder im Verfahren erster Instanz noch in ihrer Berufung die Haftungserleichterungen nach den CIM oder CUV iVm dem AVV zu ihren Gunsten releviert. Es ist zu prüfen, ob auf den erstmals in der Revision erhobenen Einwand überhaupt noch eingegangen werden kann. Das ist aus den nachstehenden Gründen zu bejahen:

7.1 Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach festgehalten, dass der Einwand eines Haftungsausschlusses oder einer Haftungsbeschränkung nicht ausdrücklich erhoben werden muss. Es genügt, wenn sich dem Vorbringen eine entsprechende Behauptung entnehmen lässt oder wenn der Kläger selbst die den Haftungsausschluss oder die Haftungsbeschränkung begründenden Tatsachen vorgebracht hat (2 Ob 137/05v mwN [§ 333 ASVG]; 2 Ob 41/10h [rechtmäßiges Alternativverhalten]; 2 Ob 252/12s [§ 9 Abs 2 EKHG]; RIS-Justiz RS0085007 [T2]).

7.2 Die beklagte Partei hat in erster Instanz in beiden Verfahren ihre Haftung nach dem EKHG bestritten und (teils umfangreiches) Tatsachenvorbringen erstattet, aus dem das Vorliegen eines internationalen Eisenbahn-beförderungsvertrags sowie eines Wagenverwendungsvertrags abgeleitet werden konnte, somit aber auch die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung der Haftungsregeln der CIM oder CUV iVm dem AVV, auf den sie sich mehrfach ausdrücklich bezog. Ebenso hat sie jegliche Verantwortlichkeit für die Entgleisungen bestritten und damit (zumindest implizit) auch ein Verschulden in Abrede gestellt. Schon die Vorinstanzen hätten den Sachverhalt daher unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des auf derartige Sachverhalte vorrangig anzuwendenden internationalen Einheitsrechts zu prüfen gehabt. Dabei kann es der beklagten Partei nicht zum Nachteil gereichen, dass sie sich in ihrer Berufung im Wesentlichen auf die Widerlegung des vom Erstgericht angenommenen Verschuldens beschränkte, hatte dieses doch – im Gegensatz zum Berufungsgericht – die Anwendung des EKHG verneint.

8. Zu den CIM 1999 und den CUV:

8.1 Das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr vom (COTIF – Convention relative aux transports internationaux ferroviaires) idF des Protokolls vom ist am ua in Österreich (BGBl III 126/2006), Deutschland, Ungarn und der Türkei in Kraft getreten (Freise in MüKoHGB³ [2014] Int. EisenbahntransportR Vorbem Rn 5). Es enthält sieben Anhänge, die integrierende Bestandteile des Übereinkommens sind, darunter als Anhang B die Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Beförderung von Gütern (CIM – Régles uniformes concernant le contrat de transport international ferroviaire des marchandises) und als Anhang D die Einheitlichen Rechtsvorschriften über die Verwendung von Wagen im internationalen Eisenbahnverkehr (CUV – Régles uniformes concernant le contrat d'utilisation de vehicules en trafic international ferroviaire). Das COTIF und seine Anhänge sind zugleich völkerrechtlicher Vertrag und als internationales Einheitsrecht innerstaatliches Sachrecht oder – in einzelnen Fällen – Kollisionsrecht. Während das Übereinkommen selbst und die CIM innerhalb ihres Anwendungsbereichs zwingenden Charakter haben (Art 5 CIM; vgl 7 Ob 275/00t [zu CIM 1980]; Freise aaO Rn 36), sind die Bestimmungen der CUV weitgehend – selbst im Bereich der Haftung – dispositiver Natur. Sie werden durch den für die Wagenverwendung im nationalen wie im internationalen Eisenbahngüterverkehr geltenden AVV konkretisiert, ergänzt und modifiziert. Der AVV ist ein multilateraler Vertrag, der zufolge dessen Art 2.3 durch abweichende Vereinbarungen einzelner Vertragsparteien bilateral verdrängt werden kann (Freise in MüKoHGB³ [2014] CUV Vorbemerkungen Rn 6).

8.2 Die CIM regeln den internationalen Eisenbahnfrachtvertrag. Ihre Anwendung setzt eine durchgehende internationale Beförderung voraus. Der Ort der Übernahme des Gutes zur Beförderung und der für die Ablieferung vorgesehene Ort müssen in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten liegen (Art 1 § 1 CIM; 7 Ob 275/00t; Freise in MüKoHGB³ [2014] CIM Art 1 Rn 5 f). In personeller Hinsicht unterliegen der CIM die Parteien des Frachtvertrags, das sind zum einen der vertragliche und etwaige aufeinanderfolgende Beförderer (Art 3 lit a CIM), zum anderen der Absender (Freise aaO CIM Art 1 Rn 23).

8.3 Die Art 23 ff CIM enthalten die Bestimmungen über die Haftung des Beförderers (ua) bei Beschädigung des Gutes. Die Betreiber der Eisenbahninfrastruktur, auf der die Beförderung erfolgt, gelten als Erfüllungsgehilfen (Hilfspersonen) des Beförderers (Art 40 CIM). Werden (nach dem jeweiligen Landesrecht) direkt gegen die Infrastrukturbetreiber Ansprüche erhoben, so haften sie nur mit den Beschränkungen, wie sie dem Beförderer nach den CIM selbst zustehen (vgl Freise aaO CIM Art 40 Rn 9 und Art 41 Rn 6).

8.4 Der oben (in 6.5) bereits erwähnte Art 24 CIM regelt die „Haftung bei Beförderung von Eisenbahnfahrzeugen als Gut“. Nach § 1 trifft den Beförderer „bei Beförderungen von Eisenbahnfahrzeugen, die auf eigenen Rädern rollen und als Gut aufgegeben worden sind“, die Haftung, „sofern er nicht beweist, dass der Schaden nicht durch sein Verschulden verursacht worden ist“. Wurden die (leeren oder beladenen) Eisenbahnwagen aber nicht als Beförderungsgut aufgegeben, sondern der Eisenbahn als Beförderungsmittel zur Verfügung gestellt, kommt auf den betreffenden Schadensfall nicht das Beförderungsrecht der CIM, sondern das Wagenverwendungsrecht der CUV zur Anwendung. Ob über einen Wagen ein Beförderungsvertrag oder ein Wagenverwendungsvertrag abgeschlossen worden ist, ergibt sich aus dem übereinstimmenden Parteiwillen und – im Zweifel – aus den verwendeten Dokumenten: Ist über den Wagen ein Frachtbrief ausgestellt, so spricht dies für die Beförderung des Wagens als Gut; ist ein Wagenbrief ausgestellt, so wird der Wagen als Beförderungsmittel verwendet (vgl Freise in MüKoHGB³ [2014] CIM Art 24 Rn 2 und CUV Art 1 Rn 3).

8.5 Im vorliegenden Fall steht fest, dass sich das Vertragsverhältnis zwischen der klagenden Partei und der dritten Nebenintervenientin („abschließend“) nach dem AVV bestimmte, der Ausführungsbestimmungen zu den (dispositiven) CUV, nicht aber zu den (zwingenden) CIM enthält. Damit ist für den Obersten Gerichtshof bindend festgestellt, dass die dritte Nebenintervenientin auf dem österreichischen Schienennetz hinsichtlich der Güterwagen Wagenverwender und nicht Beförderer war. Soweit die beklagte Partei in ihrer Revision behauptet, die Waggons seien selbst das zu befördernde Gut gewesen, geht sie nicht von dieser Feststellung aus. Schon deshalb könnte/kann sich die beklagte Partei nicht auf die Haftungsregel des Art 24 CIM oder sonstige Haftungsbeschränkungen der CIM berufen. Maßgeblich sind vielmehr die Haftungsbestimmungen der CUV samt den diese Regelungen konkretisierenden Bestimmungen des AVV.

8.6 Die CUV regeln das Wagenverwendungsrecht zwischen demjenigen, der einen Wagen als Beförderungsmittel zur Verfügung stellt, insbesondere dem Halter des Wagens, und dem den Wagen verwendenden EVU. Der Halter kann auch von vornherein einen mehrseitigen Wagenverwendungsvertrag mit anderen EVU schließen, die dann zur Verwendung des Wagens und zur Weitergabe untereinander berechtigt sind. Der AVV bildet einen umfassenden mehrseitigen Wagenverwendungsvertrag (Poolvertrag). Die beteiligten Halter stehen in Vertragsbeziehung zu einer Vielzahl von beteiligten EVU (vgl Freise in MüKoHGB³ [2014] CUV Art 1 Rn 4, 6 und 7).

Der Wagenmietvertrag des Güterversenders mit dem Wagenhalter und der CIM-Frachtvertrag mit dem „Beförderer“ über die Beförderung des in dem Wagen verladenen Gutes bleiben unberührt (Freise in MüKoHGB³ [2014] CUV Vorbemerkungen Rn 5). Wird im Rahmen von Wagenverwendungsverträgen gelegentlich (auch im AVV) davon gesprochen, ein Wagen werde „befördert“, so ist das rechtlich untechnisch zu verstehen (Freise aaO CUV Art 1 Rn 3).

8.7 Art 4 § 1 CUV regelt die Haftung des verwendenden EVU bei Beschädigung eines Wagens in gleicher Weise wie jene des Beförderers in Art 24 § 1 CIM: Das den Wagen verwendende EVU haftet für Schäden an verwendeten Wagen, „wenn es nicht beweist, dass der Schaden nicht durch sein Verschulden verursacht worden ist“. Die Bestimmung statuiert eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast („vermutetes Verschulden“), wobei der Begriff des Verschuldens dem ergänzend anwendbaren nationalen Recht entnommen werden kann (vgl Koller, Transportrecht9 [2016] CIM Art 24 Rz 1). Der AVV wiederholt diesen Haftungsgrundsatz in Art 22.1 und nennt in Art 22.2 einzelne, eingangs bereits wiedergegebene Haftungsausschlussgründe (Freise in MüKoHGB³ [2014] CUV Art 4 Rn 2).

8.8 Art 9 und 10 CUV enthalten den Art 40 und 41 CIM vergleichbare Haftungsregeln zugunsten des Betreibers der Eisenbahninfrastruktur. Diese Bestimmungen lauten:

Art 9 Haftung für Bedienstete und andere Personen

§ 1 Die Parteien des Vertrages haften für ihre Bediensteten und für andere Personen, deren sie sich zur Erfüllung des Vertrages bedienen, soweit diese Bediensteten und anderen Personen in Ausübung ihrer Verrichtungen handeln.

§ 2 Haben die Parteien des Vertrages nichts anderes vereinbart, so gelten die Betreiber der Eisenbahninfrastruktur, auf der das Eisenbahnverkehrsunternehmen den Wagen als Beförderungsmittel verwendet, als Personen, deren sich das Eisenbahnverkehrsunternehmen bedient. [...]

Art 10 Sonstige Ansprüche

§ 1 In allen Fällen, auf die diese Einheitlichen Rechtsvorschriften Anwendung finden, kann ein Anspruch auf Schadenersatz wegen Verlust oder Beschädigung des Wagens oder seiner Bestandteile, auf welchem Rechtsgrund derAnspruch auch immer beruht, gegen das Eisenbahnverkehrsunternehmen, dem der Wagen zur Verwendung als Beförderungsmittel zur Verfügung gestellt worden ist, nur unter den Voraussetzungen und Beschränkungen dieser Einheitlichen Rechtsvorschriften sowie unter denen des Verwendungsvertrages geltend gemacht werden. […]

§ 3 Das Gleiche gilt für Ansprüche gegen die Bediensteten und anderen Personen, für die das Eisenbahnverkehrsunternehmen, dem der Wagen zur Verwendung als Beförderungsmittel zur Verfügung gestellt worden ist, haftet.

8.9 Art 9 § 2 CUV erklärt also auch im Rahmen der Wagenverwendung den Infrastrukturbetreiber zum Erfüllungsgehilfen des einen fremden Wagen verwendenden EVU. Anders als Art 40 CIM lassen die CUV abweichende Vereinbarungen der Parteien des Wagenverwendungsvertrags zu. Der AVV enthält jedoch keine abweichende Vereinbarung gegenüber Art 9 CUV, sondern schweigt zur Rolle des Infrastrukturbetreibers. Daher bleibt bei Anwendung dieses Vertrags die Regelung des Art 9 § 2 CUV unverändert (Freise in MüKoHGB³ [2014] CUV Art 9 Rn 3 f). Das gilt auch im vorliegenden Fall, in welchem der AVV die Vertragsbeziehung zwischen der klagenden Partei und der dritten Nebenintervenientin „abschließend“ regelt, sodass eine bilaterale Änderung des AVV (Art 2.3) ausgeschlossen werden kann.

8.10 Gemäß Art 10 § 3 CUV kann sich der Infrastrukturbetreiber, wenn er wegen Verlusts oder Beschädigung des verwendeten Wagens direkt in Anspruch genommen wird, auf die Haftungsvoraussetzungen und -beschränkungen des Art 4 CUV und des Verwendungsvertrags berufen („Das Gleiche gilt ...“; vgl Freise in MüKoHGB³ [2014] CUV Art 10 Rn 6). Das ist insbesondere für den – hier vorliegenden – Fall von Bedeutung, in welchem ein EIU aus dem Titel der Gefährdungshaftung in Anspruch genommen wird. Nach der – in Art 22.1 AVV wiederholten – Haftungsregel des Art 4 § 1 CUV haftet das EIU nur bei Verschulden, dessen Fehlen es allerdings zu beweisen hat. Daran ändert nichts, dass Art 22.2 AVV als Beispiel für fehlendes Verschulden (arg: „insbesondere“) systemwidrig, weil aus einer anderen Haftungsordnung übernommen, ein für das EIU unabwendbares Ereignis (vgl Art 17 Abs 2 CMR; Art 23 § 2 CIM) nennt. Sollte darin gegenüber Art 4 CUV eine Haftungsverschärfung im Sinne einer Gefährdungshaftung zu sehen sein, wäre diese gegenüber dem beklagten EIU wirkungslos (Freise in MüKoHGB³ [2014] CUV Art 10 Rn 6).

8.11 Auch die Anwendung der CUV erfordert nach deren Art 1 allerdings einen internationalen Eisenbahngüterverkehr (ua) nach den CIM. Ob in beiden Schadensfällen ein solcher vorliegt, kann noch nicht beurteilt werden, weil das Erstgericht, wie oben in 6.3 bereits angedeutet wurde, Feststellungen, anhand deren die Voraussetzung durchgehender Beförderungen geprüft werden könnte, noch nicht im erforderlichen Ausmaß getroffen hat.

9. Die bisherigen Erwägungen lassen sich somit dahin zusammenfassen, dass die Feststellungen noch nicht ausreichen, um endgültig beurteilen zu können, ob bei beiden Unfällen eine Haftung der beklagten Partei nach dem EKHG in Frage kommt. Dies wäre nur dann zu bejahen, wenn – etwa mangels durchgehender Beförderung – kein Fall einer internationalen Beförderung iSd CIM vorläge, sodass weder die CIM noch die CUV zur Anwendung gelangen und die beklagte Partei sich daher auf die daraus und dem AVV abgeleiteten Haftungserleichterungen nicht berufen könnte. Andernfalls verdrängen die Haftungsregeln der CUV iVm dem AVV jene des EKHG. Die beklagte Partei müsste nur ihr mangelndes Verschulden beweisen und hätte nicht den strengen Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG zu erbringen, sofern ihr dieser – und auch das bedarf noch der Prüfung – überhaupt offen stünde.

10. Die verbliebene Unklarheit könnte nur dann auf sich beruhen, wenn die Haftung der beklagten Partei auch auf der Grundlage von Art 4 § 1 iVm Art 10 § 3 CUV und Art 22.1 AVV bereits feststünde. Das trifft aus den folgenden Gründen nicht zu:

10.1 Unfall vom :

(a) Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde die Gleisanlage vor dem Unfall zuletzt am vermessen. Dabei wurden Umstände festgestellt, die jeder für sich die Entgleisungsgefahr von Wagen, wie sie die dritte Nebenintervenientin verwendete, verstärkten (Verkürzung der Überhöhungsrampe; Vergrößerung der Überhöhungsdifferenz). Die gemessenen Werte überstiegen bereits die interne Eingriffsschwelle, sodass korrigierende Instandhaltungs-maßnahmen nötig gewesen wären. Die Überschreitung der internen Soforteingriffsschwelle, die unverzügliche Maßnahmen erfordert hätte, war durch den Fortbetrieb indiziert. Maßnahmen waren erst für die übernächste Woche nach der Entgleisung, also rund 2 Monate nach der Vermessung, vorgesehen. Die nicht rechtzeitig reparierte Gleisüberhöhung war im Zusammenhang mit fehlenden Sicherheitsmaßnahmen („ortsfeste Schmieranlage“) für die Entgleisung kausal.

(b) Die „internen“ Grenzwerte ergeben sich aus dem „Dienstbehelf IS2“. Sie liegen unter den mit der Entscheidung der Europäischen Kommission vom mit Wirksamkeit ab veröffentlichten Grenzwerten für das Teilsystem Infrastruktur des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems (2008/217/EG). Diese „TSI-Grenzwerte“ waren vor dem Unfall nicht überschritten, wohl aber die für die „Prüfverwindungen“ herangezogenen Werte des ORE B55.

(c) Der Bericht ORE B55 enthält nach den Feststellungen „technische Empfehlungen, die als Regeln der Technik beurteilt werden“. Solchen Empfehlungen kommt grundsätzlich kein normativer Charakter zu. Ihre Vernachlässigung begründet per se kein rechtswidriges oder schuldhaftes Verhalten. Anderes könnte aber für die im internen „Dienstbehelf IS2“ normierten Werte gelten.

(d) Auch eine „interne“ Betriebsvorschrift ist ein Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB, wenn sie auf dem Bescheid einer Verwaltungsbehörde beruht und hiedurch eine Gefährdung von Personen oder Sachen verhindert werden soll (vgl 2 Ob 223/15f; RIS-Justiz RS0027415, RS0027539, RS0033442 je mit zahlreichen weiteren Beispielen).

Ob es sich bei besagtem Dienstbehelf um ein solches behördlich genehmigtes Regelwerk handelt, geht aus den Feststellungen nicht hervor. Würde dies zutreffen, hätte die beklagte Partei durch ihr Zögern bei der Behebung des erkannten Mangels objektiv gegen eine Schutznorm verstoßen. Der ihr nach Art 22.1 AVV (und auch nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen) obliegende Beweis fehlenden Verschuldens wäre misslungen, weil die Unklarheit, ob sie mit zumutbaren Maßnahmen das Erreichen der Soforteingriffsschwelle verhindern hätte können, zu ihren Lasten ginge. Sollte es sich hingegen bei dem Dienstbehelf um kein behördlich genehmigtes Regelwerk handeln und somit keine Schutznormverletzung vorliegen, wäre zu prüfen, auf welcher Grundlage er sonst beruht und ob sich daraus dennoch Handlungspflichten der beklagten Partei zugunsten der Benützer der Infrastruktur ableiten lassen.

Dazu ist anzumerken, dass die klagende Partei ihre Ansprüche zwar auf das EKHG gestützt hat. Eine Beschränkung auf diesen Rechtsgrund, die es dem Gericht verwehren würde, dem Begehren aus anderen Gründen stattzugeben (RIS-Justiz RS0037610), kann ihrem Prozessvorbringen aber nicht entnommen werden. Es ist daher erforderlich, den festgestellten Sachverhalt unter Zugrundelegung der beiderseitigen Behauptungen nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (vgl 2 Ob 217/08p mwN).

(e) Sollte aber doch das EKHG Anwendung finden, wäre nach dessen § 9 zu prüfen, ob sich die beklagte Partei von der dann maßgeblichen Gefährdungshaftung befreien kann. Die Unabwendbarkeit eines Ereignisses iSd § 9 EKHG setzt voraus, dass Betriebsunternehmer und Betriebsgehilfen jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet haben und dass das Unfallgeschehen auch bei Anwendung äußerster und nach den Umständen möglicher Sorgfalt nicht zu vermeiden war (RIS-Justiz RS0058206, RS0058326). Fehler in der Beschaffenheit und ein Versagen der Verrichtungen (hier in Bezug auf die Infrastruktur) schließen die Haftpflicht aber selbst dann nicht aus, wenn der Betriebsunternehmer und die mit seinem Willen beim Betrieb tätigen Personen die äußerste nach den Umständen gebotene Sorgfalt beobachtet haben (RIS-Justiz RS0058244). Der Entlastungsbeweis wäre ausgeschlossen (2 Ob 204/08a ZVR 2009/204).

(f) Die Begriffe „Fehler in der Beschaffenheit" und „Versagen der Verrichtungen“ umfassen im Wesentlichen technische Defekte (vgl 2 Ob 204/08a mwN ZVR 2009/204; RIS-Justiz RS0114049; Danzl, EKHG9[2013] § 9 Anm 3 mit Beispielen). Eine exakte Grenzziehung ist schon deshalb nicht notwendig, weil in beiden Fällen die gleichen Rechtsfolgen eintreten. Unerheblich ist, worauf der Fehler in der Beschaffenheit oder das Versagen der Verrichtungen des Kraftfahrzeugs beruht (vgl 2 Ob 204/08a mwN ZVR 2009/204; RIS-Justiz RS0058255). Fehler in der Beschaffenheit betreffen die Verkehrssicherheit (hier) der Infrastruktur an sich. Dazu zählen zB Konstruktions- und Materialfehler (vgl 2 Ob 204/08a mwN ZVR 2009/204).

(g) Im vorliegenden Fall steht nicht fest, ob ein Konstruktions- oder Materialfehler dazu führte, dass bei der letzten Messung vor dem Unfall die Eingriffsschwelle überschritten war und der Fortbetrieb zu einer Überschreitung auch der Soforteingriffsschwelle (laut „Dienstbehelf IS2“) führen musste. Wäre deshalb zwar ein Fehler in der Beschaffenheit zu verneinen, so wäre aber jedenfalls der Entlastungsbeweis misslungen. Denn ein besonders umsichtiger Betriebsunternehmer hätte bei Anwendung äußerster und nach den Umständen möglicher Sorgfalt die Grenzwerte des „Dienstbehelfs IS2“ (welche rechtliche Qualität diesem auch zukommen mag) an jene des ORE B55 (Stand der Technik) angepasst und auf die bei der Messung festgestellten Mängel überdies rasch und mit geeigneten Maßnahmen („ortsfeste Schmieranlage“) reagiert. Auch in diesem Zusammenhang ginge die verbleibende Unklarheit bezüglich der Zumutbarkeit solcher Maßnahmen zu Lasten der beklagten Partei.

10.2 Unfall vom :

(a) Die Unfallstelle wurde vor dem Unfall zuletzt am vermessen. Knapp vor und knapp nach der Entgleisungsstelle waren interne Soforteingriffsschwellen für die Gleisverwindung überschritten, nicht aber die „TSI-Grenzwerte“. Weiters lag eine Spurerweiterung vor, die ebenfalls die Eingriffsschwelle überschritt. Die beklagte Partei führte zwar händische Stopfarbeiten durch, deren Eignung zu einer nachhaltigen (bis zum Entgleisungszeitpunkt reichenden) Reduktion der Gleiserhöhung war nicht feststellbar. Die Gleisüberhöhung war im Zusammenhang mit fehlenden Sicherheitsmaßnahmen („ortsfeste Schmieranlage“) auch für diese Entgleisung kausal.

(b) Für die in Betracht kommenden Varianten, nach denen eine Haftung der beklagten Partei zu bejahen wäre, gilt das oben Gesagte.

10.3 Die Haftungsausschlussgründe nach Art 22.2 AVV liegen nicht vor:

(a) Die erste Alternative (unabwendbares Ereignis), so sie überhaupt in Erwägung zu ziehen wäre, scheidet aus jenen Gründen aus, aus denen der Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG scheitern würde (vgl 1 Ob 533/77 SZ 50/40; RIS-Justiz RS0029824, RS0073763 [je zu Art 17 CMR]).

(b) Für die zweite Alternative (Verschulden eines Dritten) besteht kein Anhaltspunkt.

(c) Die dritte Alternative (mangelnde Instandhaltung durch den Halter) ist nach den Feststellungen auszuschließen. Die Wagen der klagenden Partei hatten keine technischen Defekte und wurden in der geforderten Regelmäßigkeit kontrolliert.

(d) Auch ein Verschulden des Halters (vierte Alternative) ist zu verneinen. Soweit die beklagte Partei (auch) in diesem Zusammenhang einerseits das Fehlen einer in Österreich nach § 41 EisbG wirksamen Genehmigung der Wagen und andererseits die unberechtigte Nutzung der österreichischen Infrastruktur mangels einer ihr zurechenbaren Zustimmung durch die ÖBB Traktion GmbH releviert, zeigt sie kein schuldhaftes Verhalten der klagenden Partei auf. Da die beklagte Partei auch die Berechtigung ihrer zu 19 Cg 121/12h erhobenen Klage auf diese Argumente stützt, wird zur näheren Begründung auf die noch folgenden Ausführungen in IV.4 verwiesen.

11. Zusammenfassung:

Die verbundenen Rechtssachen 19 Cg 112/11h und 19 Cg 36/12h sind aus obigen Erwägungen dem Grunde nach noch nicht spruchreif. Schon deshalb, aber auch, um die Parteien mit der dargelegten Rechtsansicht nicht zu überraschen (§ 182a ZPO), bedarf es einer Ergänzung des Verfahrens erster Instanz. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren die Rechtslage mit den Parteien zu erörtern und ihnen erforderlichenfalls auch Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen dazu zu geben haben. Auf dieser Grundlage wird es nach allfälligen weiteren Beweisaufnahmen die fehlenden Feststellungen

- zu den den Transporten zugrunde liegenden Verträgen (8.11) und

- zum „Dienstbehelf IS2“ (10.1d)

zu treffen haben, anhand deren nach den obigen Grundsätzen beurteilt werden kann, nach welchen Haftungsmaßstäben (CUV iVm AVV oder EKHG) die Schadensfälle unter Beachtung der obigen Rechtsausführungen zu lösen sind.

11. Die Zwischenurteile der Vorinstanzen sind daher in diesem Umfang aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich insoweit auf § 52 Abs 1 ZPO.

IV. Zum Verfahren 19 Cg 121/12h:

1. Die beklagte Partei (als Klägerin) vertritt die Auffassung, dass die klagende Partei (als Beklagte) nach dem EKHG oder in Analogie dazu hafte. Dafür fehlt aber jede Grundlage.

2. Die Kriterien für die Haftung eines „Betriebsunternehmers“ iSd § 5 EKHG wurden bereits zu III.1 erörtert. Der bloße Halter eines Waggons ist auf dieser Grundlage nicht als Betriebsunternehmer iSv § 5 Abs 1 EKHG anzusehen (1 Ob 173/97s; jüngst 2 Ob 15/16v, jeweils mwN). Daran hat sich auch durch die unionsrechtlich bedingte Aufspaltung betriebswirtschaftlicher Teilbereiche der Eisenbahn in Eisenbahninfrastruktur- und Eisenbahnverkehrsunternehmen (III.2) nichts geändert. Die Rechtsstellung des (bloßen) Wagenhalters hat sich durch die Umgestaltung des Eisenbahnrechts – sieht man allenfalls von der erst nach dem Unfall erfolgten Einfügung der §§ 116 ff EisbG ab – nicht geändert. Auch das Schrifttum nimmt daher weiter an, dass der Halter eines Waggons nicht als Betriebsunternehmer anzusehen ist (Schauer in Schwimann/Kodek4 VII§ 5 EKHG Rz 9, Koziol/Apathy/Koch, Österreichisches Haftpflichtrecht III3 [2014] Rz 38; zur vergleichbaren Rechtslage in Deutschland Kaufmann in Geigel, Der Haftpflichtprozess27 Kap 26 Rn 8; Filthaut, Haftpflichtgesetz9 [2015] § 1 Rn 40).

Damit ist kein Grund erkennbar, weshalb die klagende Partei nach dem EKHG haften sollte. Denn sie stellte der dritten Nebenintervenientin lediglich Waggons zur Verfügung, ohne selbst Eisenbahndienstleistungen (Verkehrsdienste) zu erbringen. Sie kann daher ebenso wenig wie der Wagenhalter in 1 Ob 173/97s und 2 Ob 15/16v als Betriebsunternehmer iSv § 5 Abs 1 EKHG angesehen werden.

3. Für die Annahme einer Gesetzeslücke, die eine Analogie zu den Bestimmungen des EKHG rechtfertigen könnte, besteht kein Anlass. Dritte Geschädigte wären bei einem Unfall aufgrund des Versagens von Vorrichtungen eines Waggons ohnehin durch die Gefährdungshaftung des Betriebsunternehmers geschützt. Die beklagte Partei hätte sich gegenüber der dritten Nebenintervenientin und diese gegenüber der klagenden Partei vertraglich dahingehend absichern können, dass Mängel der Waggons unabhängig von einem Verschulden zu einer Ersatzpflicht führen. Ob die insofern bestehenden Verträge nicht ohnehin zu diesem Ergebnis führen, kann hier offen bleiben. Denn schon die bloße Möglichkeit einer vertraglichen Regelung lässt die Notwendigkeit entfallen, die Wertentscheidung des Gesetzgebers, der nur den Betriebsunternehmer einer Gefährdungshaftung unterwerfen wollte, durch Analogie zu korrigieren.

4. Die klagende Partei haftet auch nicht aufgrund Verschuldens.

4.1 Die beklagte Partei vertritt in ihrer Revision die Auffassung, dass die klagende Partei für das (behauptete) Fehlen einer auch in Österreich nach § 41 EisbG wirksamen Genehmigung des Waggons einzustehen habe. Damit macht sie in der Sache eine Schutzgesetzverletzung geltend. Eine solche liegt jedoch nicht vor.

4.1.1. Das EisbG knüpft Rechte und Pflichten beim Erbringen von Eisenbahnverkehrsdiensten an das Eisenbahnverkehrsunternehmen. Dieses erbringt aufgrund einer Verkehrsgenehmigung (§ 15 EisbG), einer Verkehrskonzession (§ 14 EisbG) oder einer nach § 41 EisbG gleichzuhaltenden ausländischen Genehmigung Eisenbahnverkehrsdienste (Catharin in Catharin/Gürtlich, Eisenbahngesetz3 [2015] 371 f). Es ist nach § 18 Abs 2 EisbG berechtigt „[…] öffentlichen und nicht-öffentlichen Verkehr auf Eisenbahnen zu erbringen und zu diesem Zwecke Eisenbahnanlagen, Betriebsmittel und sonstiges Zugehör zu bauen und zu betreiben sowie Schienenfahrzeuge auf einer Eisenbahn zu betreiben“.

Kehrseite dieses Rechts ist nach § 19 Abs 3 EisbG die Pflicht des Eisenbahnverkehrsunternehmens, „die Schienenfahrzeuge, Eisenbahnanlagen, Betriebsmittel und sonstiges Zugehör unter Berücksichtigung der Sicherheit, der Ordnung und der Erfordernisse des Verkehrs auf der Eisenbahn zu bauen, zu erhalten, zu ergänzen und nach Maßgabe der Rechtsvorschriften und entsprechend der nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Genehmigungen und Bewilligungen zu betreiben und [...] diesbezüglich die notwendigen Vorkehrungen zu treffen“.

Aus dieser Bestimmung ergibt sich die Verpflichtung des Eisenbahnverkehrsunternehmens zur betriebs- und verkehrstechnischen Sicherung (Catharin, Die Eisenbahnsicherheit, ZVR 2004, 276 [277 f, FN 17 und 18]; ders in Catharin/Gürtlich, Eisenbahngesetz3 400). Entsprechende Pflichten dritter Wagenhalter sah das Eisenbahnrecht zumindest im Zeitpunkt des Unfalls nicht vor.

4.1.2. Auf dieser Grundlage beruht auch das System der für den Zugang zur Infrastruktur erforderlichen Sicherheitsbescheinigung.

(a) Für die Ausübung des Zugangs auf der Eisenbahninfrastruktur, dh für das Erbringen von Eisenbahnverkehrsdiensten auf den Schienen, benötigen Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Sitz in Österreich nach § 37 Z 1 EisbG eine Sicherheitsbescheinigung (Zeleny, Die Sicherheitsbescheinigung im Eisenbahnrecht, in FS Mayer [2011] 863 f). Voraussetzung dafür ist nach § 37b EisbG das Vorliegen einer Genehmigung der „Vorkehrungen“ iSv § 37a Abs 1 EisbG. Danach hat das Eisenbahnverkehrsunternehmen (ua) Vorkehrungen zur Gewährleistung der Sicherheit des Betriebs der von ihm verwendeten Schienenfahrzeuge zu treffen, die vom BMVIT zu genehmigen sind. Der Antrag hat nach § 37a Abs 2 ua zu enthalten:

1. Angaben über die […] die Schienenfahrzeuge und den Betrieb von Schienenfahrzeugen auf Eisenbahnen betreffenden Regelungen in Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität, in Bundesgesetzen, in Verordnungen, die auf Grund von Bundesgesetzen ergangen sind oder in sonstigen nationalen Sicherheitsvorschriften und in Bescheiden, mit denen eine eisenbahnrechtliche Baugenehmigung, eine Bauartgenehmigung oder eine Betriebsbewilligung erteilt wurde [zu Bauartgenehmigung und Betriebsbewilligung für Waggons s die Ausführungen unter 3.] sowie Nachweise, die die Einhaltung dieser Regelungen durch das Sicherheitsmanagementsystem belegen; […]

3. Angaben zu den Arten und der Wartung der verwendeten Schienenfahrzeuge einschließlich der Nachweise, dass diese Schienenfahrzeuge die Anforderungen der Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität, soweit solche existieren, erfüllen und den auf Schienenfahrzeuge bezughabenden Bundesgesetzen und auf Grund von Bundesgesetzen ergangenen Verordnungen und einer Bauartgenehmigung entsprechen.

Nach § 37a Abs 3 EisbG sind die Vorkehrungen zu genehmigen, wenn sie geeignet sind, einen sicheren Betrieb – ua von Schienenfahrzeugen – zu gewährleisten (Zeleny, FS Mayer 865; Schneider, Regulierungsrecht der Netzwirtschaften II [2013] 947).

(b) Auch daraus ergibt sich, dass die eisenbahnrechtliche Pflicht, für die Betriebssicherheit von Schienenfahrzeugen zu sorgen, jedenfalls zum Unfallszeitpunkt ausschließlich jenes Eisenbahnverkehrsunternehmen traf, das diese Fahrzeuge im konkreten Fall einsetzte. Pflichten des bloßen Wagenhalters enthielt das Eisenbahngesetz – jedenfalls in der zum Unfallstag geltenden Fassung – nicht. Das gilt unabhängig davon, dass Bauart- und Betriebsgenehmigungen iSd §§ 33 und 34 EisbG unter Umständen auch vom bloßen Wagenhalter beantragt werden können (vgl Schneider, Die Zulassung von Schienenfahrzeugen nach dem EisbG, ZVR 2008, 570 [573]). Denn diese Genehmigungen werden nicht personen-, sondern sachbezogen erteilt (Catharin in Catharin/Gürtlich, Eisenbahngesetz3 544; vgl auch Netzer in Altenburger/Raschauer, Umweltrecht [2013] § 34 Rz 2); der Einsatz der Wagen ist jedenfalls nur Eisenbahnverkehrsunternehmen gestattet, die zum Betrieb von Schienenfahrzeugen berechtigt sind (Catharin in Catharin/Gürtlich, Eisenbahngesetz3 544).

4.1.3. Art 14a RL 2004/49/EG idF RL 2008/110/EG sieht zwar vor, dass auch ein Fahrzeughalter eine „für die Instandhaltung zuständige Stelle“ sein kann, die den sicheren Betriebszustand von Schienenfahrzeugen zu gewährleisten hat (vgl auch Erwängungsgrund 6 der letzteren RL). Diese Bestimmung war jedoch nach Art 2 RL 2008/110/EG erst bis zum umzusetzen, und sie kann nach allgemeinen Grundsätzen keine unmittelbaren Pflichten im Horizontalverhältnis begründen (9 ObA 264/98h, SZ 71/174; RIS-Justiz RS0111214; Vcelouch in Mayer/Stöger, EUV/AEUV Art 288 AEUV Rz 72 mwN). Die Umsetzung in den §§ 116 ff EisbG erfolgte erst nach dem Unfall mit dem BG BGBl I 2011/124. Zudem ergibt sich aus Art 14a RL 2004/49/EG idF RL 2008/110/EG ohnehin nicht, dass diese Stelle auch für das Vorliegen der für den Einsatz in einem bestimmten Staat erforderlichen Genehmigungen verantwortlich wäre.

4.1.4. Daraus folgt, dass sich die beklagte Partei nach den am Unfallstag geltenden Bestimmungen nicht auf eine Schutzgesetzverletzung durch die klagende Partei berufen kann. Das gilt insbesondere für das von ihr behauptete Fehlen einer den Erfordernissen des § 41 EisbG genügenden ausländischen Betriebsgenehmigung für den strittigen Waggon. Die in der Revision aufgeworfene Frage des Rechtswidrigkeitszusammenhangs kann deshalb auf sich beruhen. Ebenso bedarf es keiner Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Europäischen Gerichtshof, wie es die beklagte Partei in ihrem Rechtsmittel zu diesem Thema angeregt hat.

4.2. Es wird zwar zutreffen, dass die klagende Partei aufgrund ihres Vertrags mit der dritten Nebenintervenientin (Art 7 AVV) verpflichtet war, nur solche Waggons zur Verfügung zu stellen, die auch über die für den Betrieb in Österreich erforderlichen Bewilligungen verfügten. Dies könnte jedoch nur (Regress-)Ansprüche der dritten Nebenintervenientin begründen, nicht jedoch unmittelbare Ansprüche der beklagten Partei, die mit der klagenden Partei in keiner Vertragsbeziehung stand. Vielmehr wäre die beklagte Partei in diesem Fall auf Ansprüche gegen die dritte Nebenintervenientin verwiesen, die aufgrund des Infrastrukturnutzungsvertrags verpflichtet war, nur solche Fahrzeuge einzusetzen, die von der zuständigen Stelle für den Verkehr zugelassen wurden, wobei die Zulassung inhaltlich zumindest der nach dem EisbG in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Bau- und Betriebsbewilligung entsprechen musste (vgl zur gleichgelagerten Konstellation 2 Ob 15/16v). Aus demselben Grund oblag der dritten Nebenintervenientin die Prüfung, ob die von der ÖBB Traktion GmbH gegenüber der A***** erteilte Zustimmung zur Nutzung der Infrastruktur von der zuständigen Stelle stammte. Das in der Revision aufgeworfene Zurechnungsproblem und Fragen der Anscheinsvollmacht stellen sich nicht.

4.3 Die weiteren Anspruchsgrundlagen (Vertrag mit Schutzwirkung zu ihren Gunsten; sonstige deliktische Haftung) hält die beklagte Partei nicht mehr aufrecht.

5. Aus diesen Gründen muss die Revision der beklagten Partei, soweit sie sich auf ihren Aktivprozess bezieht, scheitern.

Die Kostenentscheidung gründet sich insoweit auf § 52 Abs 3 ZPO. Das Erstgericht hat die Kosten nur teilweise (bis zur Verbindung der Verfahren) bestimmt und sie im Übrigen vorbehalten.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00018.16K.0223.000
Schlagworte:
1 Generalabonnement,17 internationales Privat- und (Zivil-)Verfahrensrecht,21 Zivilgerichtliche Verkehrsentscheidungen

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