OGH vom 26.04.1989, 3Ob16/89
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter K***, kaufmännischer Angestellter, Salzburg, Wagingerstraße 21, vertreten durch Dr. Benno Oberdanner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei mj. Tanja B***, Schülerin, Salzburg, Willibald Hauthaler-Straße 17 a, vertreten durch den Vormund Brigitte B***, Vertragsbedienstete, ebendort wohnhaft, diese vertreten durch Dr. Friedrich Brachowicz, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Einwendungen gegen den Anspruch, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom , GZ 21 a R 8/88-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom , GZ 6 C 34/87-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 3.706,20 S (darin 617,70 S Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am geborene Beklagte ist die uneheliche Tochter des Klägers, ihre Mutter ist ihr Vormund. Der Kläger verpflichtete sich in einem am vor dem zuständigen Jugendamt geschlossenen Vergleich, ihr einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.000 S zu bezahlen. Mit Beschluß vom bewilligte ihr das Erstgericht gegen den Kläger auf Grund des angeführten Vergleiches zur Hereinbringung des Unterhaltsrückstands für die Zeit vom bis in der Höhe von 36.000 S und der ab am Ersten eines jeden Monats fällig werdenden Unterhaltsbeträge von 1.000 S die Gehaltsexekution. Der Kläger erhob gegen den betriebenen Anspruch die Einwendung, daß er in der Zeit von 1982 bis mit der Beklagten und deren Mutter im gemeinsamen Haushalt gelebt und in dieser Zeit den Unterhalt in Natur in einem 1.000 S monatlich wesentlich übersteigenden Ausmaß geleistet habe. Die Mutter der Beklagten habe nie Geldleistungen verlangt und auf die Zahlung des Geldunterhalts schlüssig verzichtet.
Die Beklagte brachte vor, daß der Kläger nur mit einem Drittel zum Wohnungsaufwand in der Höhe von insgesamt 5.400 S monatlich und somit mit 1.800 S zu ihrem Unterhalt beigetragen habe. Im übrigen sei ihr Unterhalt von ihrer Mutter bestritten worden. Diese habe ihn immer wieder zur Bezahlung des vereinbarten Unterhalts gemahnt, die Hereinbringung durch Exekution jedoch unterlassen, weil sie Vergeltungsmaßnahmen gefürchtet habe. Im übrigen wäre ihr im Hinblick auf das Einkommen des Klägers für den vom Exekutionsantrag betroffenen Zeitraum ein höherer als der vereinbarte Unterhalt zugestanden.
Das Erstgericht sprach aus, daß der betriebene Anspruch erloschen sei. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die Beklagte lebte von Sommer 1983 bis gemeinsam mit ihrer Mutter im Haushalt des Klägers. Dieser bezahlte in diesem Zeitraum die monatliche Miete für die Wohnung in der Höhe von 5.000 S sowie monatlich 600 S für Strom und 180 S an Rundfunkgebühr. Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß Zahlungen des Unterhaltspflichtigen für Miete, Strom, Gas oder Heizung anteilsmäßig auf den Unterhaltsanspruch des Kindes anzurechnen seien, wenn dieses mit dem Unterhaltspflichtigen im gemeinsamen Haushalt lebe. Der Kläger habe hiefür monatlich 5.600 S aufgewendet. Es seien also ein Drittel hievon und somit 1.866 S monatlich auf den Unterhaltsanspruch der Beklagten anzurechnen, weshalb dieser in der vereinbarten Höhe von 1.000 S monatlich durch die Naturalleistungen getilgt worden sei. Ohne Bedeutung sei, daß die Beklagte einen Anspruch auf einen höheren Unterhaltsbetrag gehabt habe, weil hierüber keine gerichtliche Entscheidung vorgelegen sei. Das Berufungsgericht wies infolge Berufung der Beklagten das Klagebegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision zulässig sei. Dem Unterhaltspflichtigen stehe es ohne eine entsprechende, hier nicht behauptete Vereinbarung der Parteien nicht frei, anstelle des dem Berechtigten zu zahlenden Geldunterhalts Naturalunterhalt zu leisten. Dies ergebe sich aus § 1413 ABGB. Ein gültiger Verzicht auf den Geldunterhalt liege nicht vor, weil der Umstand, daß er durch längere Zeit nicht begehrt worden sei, keinen Verzicht bedeute, ein allfälliger Verzicht überdies gemäß § 154 Abs 3 ABGB der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedurft hätte und die Mutter des Beklagten schließlich wegen der gegebenen Interessenskollision zur Abgabe einer Verzichtserklärung nicht berechtigt gewesen wäre. Die Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, wann ein Anspruch auf Geldunterhalt durch Naturalleistungen getilgt werden könne.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und hilfsweise wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens mit dem Antrag, es im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern oder es allenfalls aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Vorweg sei festgehalten, daß der Ausspruch über den Wert des Streitgegenstandes nicht notwendig war, weil die hier zu behandelnde Klage erkennbar eine Oppositionsklage ist, in der das Erlöschen des von der Beklagten betriebenen Anspruchs geltend gemacht wird; dahin lautete auch das Urteil des Erstgerichtes. In einem solchen Fall gilt der bekämpfte Anspruch als Wert des Streitgegenstandes (Heller-Berger-Stix I 419; EvBl 1964/302; EvBl 1968/162;
EvBl 1974/152); ein Ausspruch über diesen Wert hat daher zu unterbleiben, wenn der Streitgegenstand, wie hier, ausschließlich in einem Geldbetrag besteht (Heller-Berger-Stix aaO; EvBl 1974/152;
3 Ob 1012/85; 3 Ob 66/87).
In der Sache erkannte das Berufungsgericht richtig, daß eine Schuld mangels abweichender Vereinbarung der Parteien nur getilgt wird, wenn der Schuldner das leistet, was er schuldet (vgl. §§ 1412 ff ABGB; Koziol-Welser I8 259; Harrer in Schwimann, ABGB § 1414 Rz 1). Die vereinbarte oder gerichtlich festgestellte Verpflichtung zur Bezahlung des Unterhalts in Geld kann daher an sich nur durch Bezahlung des geschuldeten Geldbetrages erfüllt werden. Wohl besteht gemäß § 1413 und § 1414 ABGB die Möglichkeit, daß der Gläubiger etwas anderes als die geschuldete Leistung und somit auch Naturalleistungen als Erfüllung annimmt und dadurch die Unterhaltsschuld getilgt wird. Ferner können der Gläubiger und der Schuldner vereinbaren, daß der Unterhalt in Zukunft nicht in Geld, sondern in natura zu leisten ist, und es kann schließlich der Gläubiger auf den ihm zustehenden Unterhaltsanspruch für die Vergangenheit (vgl. SZ 55/193) verzichten. In all diesen Fällen können die entsprechenden Erklärungen gemäß § 863 ABGB auch schlüssig abgegeben werden. Ist der Unterhaltsberechtigte minderjährig, kommt es auf das Verhalten seines gesetzlichen Vertreters an (§ 151 ABGB, bei unter Vormundschaft stehenden unehelichen Minderjährigen iVm § 244 ABGB). Die Erklärung des gesetzlichen Vertreters bedarf aber gemäß § 154 Abs 3 ABGB (bei unter Vormundschaft stehenden Minderjährigen iVm § 245 ABGB) der Genehmigung des Gerichtes, wenn es sich um eine Vermögensangelegenheit handelt, die von besonderer Wichtigkeit ist und daher (vgl. Dullinger in RZ 1986, 203) nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Dies gilt besonders für einen Unterhaltsverzicht (vgl. EvBl 1972/182 = EFSlg 15.522), für eine Änderung der Unterhaltsvereinbarung (vgl. EFSlg 26.172, 30.790 ua) und schließlich auch für die Annahme einer anderen als der geschuldeten Leistung an Zahlungs statt, wenn sie für längere Zeit vereinbart wird, weil die Vereinbarung dann einer Änderung der bestehenden Unterhaltsvereinbarung gleichkommt.
Der Kläger hat nicht behauptet, daß hier die Genehmigung des Gerichtes vorlag. Für seine in der Revision - im übrigen unrichtig zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens - vertretete Auffassung, es hätte ihm Gelegenheit gegeben werden müssen, die Genehmigung des Gerichtes einzuholen, läßt sich weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung eine Grundlage finden. Dies gilt besonders für die von ihm angeführte Rechtsprechung, wonach das Gericht die Parteien nicht mit einer Rechtsansicht überraschen darf (JBl 1988, 730 uva). Daraus ergibt sich nur, daß ihnen Gelegenheit zu dem notwendigen Vorbringen gegeben werden muß. Hier geht aber aus den eigenen Ausführungen des Klägers in der Revision hervor, daß er sich nicht auf eine Genehmigung des Gerichtes hätte berufen können. Da somit davon auszugehen ist, daß eine solche Genehmigung fehlt, muß nicht erörtert werden, inwieweit das Verhalten der Mutter der Beklagten überhaupt geeignet war, einen der angeführten Tatbestände, die zum Erlöschen der Unterhaltsschuld des Klägers hätten führen können, zu erfüllen.
Der Kläger beruft sich in der Revision schließlich ebenso wie schon das Erstgericht zu Unrecht auf die - vor allem vom Landesgericht für ZRS Wien stammende - Rechtsprechung, wonach der auf den Unterhaltsberechtigten entfallende Anteil an den Fixkosten der Wohnung als Naturalunterhaltsleistung zu berücksichtigen ist, wenn er und der Unterhaltspflichtige im gemeinsamen Haushalt leben (zB EFSlg 50.283). Diese Rechtsprechung betrifft nur die Feststellung der Höhe des dem Berechtigten gebührenden Geldunterhalts und hätte dem Kläger allenfalls die Möglichkeit geboten, bei Gericht die Herabsetzung seiner Unterhaltspflicht zu erreichen. Solange ihm ein Beschluß hierüber nicht zugestellt wurde, war er aber zur Zahlung des vereinbarten Unterhalts in Geld verpflichtet und konnte seine Schuld nur hiedurch erfüllen. Im übrigen hat gerade das Landesgericht für ZRS Wien schon mehrfach im Sinn der vorstehenden Ausführungen entschieden (zB EFSlg 25.472, 46.738; RPflSlgE 1981/115, 1983/116).
Der Verpflichtete kann allerdings mit der Oppositionsklage auch geltend machen, daß der Unterhaltsberechtigte in dem Zeitraum, für den der Unterhaltsrückstand betrieben wird, keinen oder einen geringeren als den dem Exekutionsantrag zugrundeliegenden Unterhaltsanspruch hatte (SZ 22/62; EFSlg 44.165 ua). Selbst wenn man die Einwendungen des Klägers in diesem Sinn versteht, ist für ihn aber nichts gewonnen, weil durch die geleisteten Zahlungen für Wohnungs- und Stromkosten die Bedürfnisse der Beklagten keinesfalls in einer Weise gedeckt wurden, daß eine zusätzliche Unterhaltsleistung von 1.000,- S im Monat nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Daß dies nicht seinen Einkommensverhältnissen entsprochen hätte, hat der Kläger nicht behauptet.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.