OGH vom 31.01.2012, 1Ob264/11x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen A***** K*****, geboren am , über den Rekurs des Betroffenen, vertreten durch Mag. Anton Wurzinger, Rechtsanwalt in Lang, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 2 R 295/11h 19, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leibnitz vom , GZ 12 P 63/11h 13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.) Ob und in welchem Umfang die Bestellung eines Sachwalters zu erfolgen hat, ist stets eine Frage des Einzelfalls, aus den dem Tatsachenbereich zuzuordnenden Grundlagen zu lösen und nach den konkreten Tatumständen jeweils individuell zu beurteilen (RIS Justiz RS0106166). Regelmäßig liegt daher eine iSd § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage nicht vor. Einen groben Auslegungsfehler, der im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (vgl RIS Justiz RS0044088), zeigt der Revisionsrekurswerber nicht auf.
2.) Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist der Betroffene, der bei seinen sonstigen finanziellen Angelegenheiten Unterstützung durch Dritte benötigt und erhält, nicht in der Lage, Schriftliches selbständig zu lesen und eigenständig den inhaltlichen Zweck und Sinn zu erfassen; er ist für sich allein nicht imstande, seine Erbansprüche in den Verlassenschaftsverfahren nach seinen Geschwistern geltend zu machen und diese beiden Verfahren ausreichend zu überdenken. Das Rekursgericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass mit einer tatsächlichen und rechtlichen Komplexität der beiden Verlassenschaftsverfahren zu rechnen ist, aufgrund derer der Betroffene nicht in der Lage sei, seine Interessen selbst wahrzunehmen. So ist etwa ein verstorbener Bruder gemeinsam mit dem Betroffenen Miteigentümer einer Liegenschaft gewesen, auf der der Betroffene allein erhebliche Investitionen getätigt habe.
Diese Tatsachengrundlage wird im Revisionsrekurs nicht in Frage gestellt. Die begehrte Zusatzfeststellung, dass er von einem Nachbarn bei der Erledigung der laufenden Verlassenschaftsverfahren unterstützt werde, ist wie noch zu zeigen sein wird rechtlich nicht von ausschlaggebender Bedeutung.
Soweit sich der Revisionsrekurswerber auf die Anwendbarkeit der „Subsidaritätsklausel“ bzw darauf beruft, dass die Bestellung eines Sachwalters insoweit unzulässig ist, als seine Angelegenheiten von bestimmten ihm nahestehenden Personen oder Institutionen besorgt werden können (§ 268 Abs 2 Satz 1 ABGB), negiert er das zentrale Argument des Rekursgerichts, für die Wahrung seiner Rechte in den beiden Verlassenschaftsverfahren sei diese Unterstützung nicht ausreichend, weil wegen deren Komplexität fachkundige Unterstützung erforderlich sei. Dem kann nicht mit dem Argument begegnet werden, einer unvertretenen Person käme im Verlassenschaftsverfahren die Manuduktionspflicht des Gerichts zugute, weil diese dort nicht ausreicht, wo etwa das Verlassenschaftsgericht aufgrund einer bestimmten Rechtsansicht oder mangels Kenntnis von wesentlichen Sachverhaltselementen keinen Grund für eine darüber hinausgehende Manuduktion sieht oder dem Betroffenen wegen Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels gegen eine inhaltlich unrichtige Entscheidung ein Nachteil entsteht.
Dem Argument, der Betroffene könne sich jederzeit anwaltlich vertreten lassen, ist entgegenzuhalten, dass ein Sachwalter gemäß § 268 Abs 2 Satz 2 ABGB nur dann nicht zu bestellen ist, wenn für die Besorgung der Angelegenheiten des Betroffenen bereits durch eine Vollmacht im erforderlichen Ausmaß vorgesorgt ist. Dass dies zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt schon der Fall gewesen wäre, wird nicht geltend gemacht. Wurde eine solche Vollmacht noch nicht erteilt, kommt es entscheidend darauf an, ob vom Betroffenen erwartet werden kann, die Zweckmäßigkeit bzw Notwendigkeit einer rechtskundigen Vertretung selbst einschätzen zu können. Die Vorinstanzen haben dazu zwar keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen, sind aber jedenfalls davon ausgegangen, dass rechtskundige Hilfe in den Verlassenschaftsverfahren erforderlich wäre, wobei kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass der erwähnte Nachbar über einschlägige Kenntnisse verfügt. Im Kontext der Beweiswürdigung hat das Erstgericht festgestellt, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, die beiden Verlassenschaftsverfahren ausreichend zu überdenken. Nachdem er selbst in der Tagsatzung vom erklärte, er habe nicht vor, sich im Verlassenschaftsverfahren vertreten zu lassen, schon gar nicht durch einen Rechtsanwalt, weil ihm dadurch nur Kosten entstehen würden, ist damit hinreichend dargetan, dass er im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt nicht in der Lage war, die Notwendigkeit der Inanspruchnahme rechtskundiger Hilfe zu erkennen. Ob er nachträglich von seiner ursprünglichen Einschätzung abgerückt ist und wirksam einen Vertreter für die Beteiligung am Verlassenschaftsverfahren bestellt hat, ist vom Erstgericht bei seiner Entscheidung über den Antrag des Betroffenen auf Beendigung der Sachwalterschaft zu beurteilen.