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OGH vom 10.11.1992, 4Ob546/92

OGH vom 10.11.1992, 4Ob546/92

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Albert M*****, vertreten durch Dr.Ludwig Riemer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ärztekammer *****, vertreten durch Dr.Erich Hermann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 3,456.944 S sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 15 R 11/92-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom , GZ 26 Cg 253/90-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 26.753,26 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 4.458,88 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Nach dem übereinstimmenden Parteienvorbringen hatte der Kläger im Rahmen eines mit Beschluß vom bestätigten Zwangsausgleiches an seine Gläubiger eine 20 %ige Quote innerhalb eines Jahres in 12 Raten zu zahlen. Mit der Behauptung, daß Wiederaufleben eingetreten sei, beantragte die C***** zur Hereinbringung des wiederaufgelebten Forderungsteiles von 210.997,71 S sA die Exekution durch Pfändung und Überweisung der dem Kläger gegen die Drittschuldnerin W*****krankenkasse auf Grund des bestehenden Kassenvertrages angeblich zustehenden Honorarforderungen bis zur Höhe der betriebenen Forderung. Die Forderungsexekution wurde mit Beschluß des Exekutionsgerichtes Wien vom bewilligt; die Drittschuldnerin W*****krankenkasse leitete die an sie ergangenen Drittschuldnerverständigung allerdings zuständigkeitshalber an die Beklagte weiter, weil diese die Honorarauszahlung vornehme, und verständigte davon auch das Exekutionsgericht.

Die Beklagte nahm daraufhin ab Juli 1986 keine Honorarauszahlungen an den Kläger mehr vor. Der Kläger hielt dies schon damals für ungerechtfertigt; er war sich dessen bewußt, daß er nun den Zwangsausgleich auch gegenüber anderen Gläubigern nicht erfüllen könne und daß ihm daraus ein Vermögensschaden erwachsen werde. Er machte die Beklagte mit Schreiben vom darauf aufmerksam, daß zwei seiner Gläubiger, denen er zugesagt habe, Anfang Juli 1986 mit der Zahlung der Ausgleichsquoten zu beginnen, das Aufleben ihrer ursprünglichen Forderungen angedroht hätten; für den daraus resultierenden Schaden werde er die Beklagte haftbar machen. Da der Kläger von Anfang an beabsichtigte, gegen die Beklagte mit einer Schadenersatzklage wegen ungerechtfertigter Nichtauszahlung seiner Honorare vorzugehen, bemühte er sich um einen "Verjährungsverzicht" der Beklagten. Mit Schreiben vom erklärte die Beklagte dem Kläger, daß sie bei einer eventuellen Schadenersatzklage "unpräjudizierlich" bereit sei, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten; diese Verzichtserklärung gelte bis . Spätere Ersuchen des Klägers um Verlängerung der Verzichtserklärung lehnte die Beklagte ab.

Mit der Behauptung, daß die Beklagte - ohne selbst Drittschuldnerin zu sein - die Honorarauszahlungen an den Kläger rechtswidrig und schuldhaft verweigert habe, wodurch er seinen Verpflichtungen aus dem Zwangsausgleich nicht mehr nachkommen konnte, so daß die Forderungen zweier Gläubiger im Betrag von insgesamt 2,178.750 S wiederaufgelebt seien, wozu noch bis kapitalisierte 10 %ige Zinsen kämen, begehrte der Kläger in der von ihm selbst verfaßten und unterschriebenen, mit datierten, aber erst am beim Erstgericht eingelangten Klage von der Beklagten den Ersatz des ihm entstandenen Schadens von 3,456.944 S sA. Bereits in dieser Klage stellte der Kläger den "Antrag zur Beigebung eines Verfahrenshelfers". Innerhalb der ihm vom Erstgericht gesetzten Frist zur Verbesserung des Formmangels der fehlenden Anwaltsunterschrift oder Beibringung eines Vermögensbekenntnisses legte der Kläger letzteres vor. Mit Beschluß vom wurde ihm die Verfahrenshilfe samt vorläufig unentgeltlicher Beigebung eines Rechtsanwalts bewilligt. Die durch die Unterschrift des bestellten Verfahrenshilfeanwalts verbesserte Klage langte am beim Erstgericht wieder ein.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens aus meritorischen Gründen, erhob aber auch die Einrede der Verjährung. Sie habe auf eine solche Einrede nur bis verzichtet; die Klage sei aber erst am beim Erstgericht eingelangt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB sei zum Zeitpunkt des Einbringens der Klage längst verstrichen gewesen, weil sie schon im Juli 1986 zu laufen begonnen habe. Der Verzicht der Beklagten auf die Erhebung der Verjährungseinrede bis habe die Verjährungsfrist nicht verlängert, sondern nur bewirkt, daß dem Kläger bei Klageeinbringung bis zu diesem Endtermin gegen die Verjährungseinrede der Beklagten die Replik der Arglist zur Verfügung gestanden wäre. Das sei aber hier schon deshalb ausgeschlossen, weil die Klage erst am bei Gericht eingelangt sei. Auf das Datum der Postaufgabe komme es nicht an, weil § 89 GOG hier unanwendbar sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB sei zumindest im September 1989 abgelaufen. Der bis zum terminisierte Verzicht der Beklagten auf die Erhebung der Verjährungseinrede könne nur dahin verstanden werden, daß die Schadenersatzklage bis dahin bei Gericht eingelangt wäre. Das sei aber nicht der Fall gewesen, weshalb dem Kläger auch nicht die Replik der Arglist zustehe. Die Postaufgabe der Klage am genüge nicht, weil § 89 GOG nur für prozessuale Fristen gelte, der mit terminisierte Verzicht der Beklagten auf die Erhebung der Verjährungseinrede aber materiellrechtliche Wirkungen habe. Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch sei somit jedenfalls verjährt.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Klagestattgebung, hilfsweise auf Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Die Beklagte stellt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Die Revision ist schon deshalb zulässig, weil das Berufungsgericht auf § 903 Satz 3 ABGB und die dazu ergangene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht Bedacht genommen hat; sie ist aber nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger beharrt nach wie vor auf seiner bereits in der Klage geäußerten Auffassung, die Verjährung der Schadenersatzforderung habe vor rechtskräftiger Beendigung des von ihm gegen die C***** geführten und auch siegreich beendeten Oppositionsprozesses gar nicht beginnen können, so daß sie auch am noch keinesfalls abgelaufen gewesen sei. Hiezu hat aber bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß die für einen Dritten gar nicht erkennbare Rechtswidrigkeit der Exekutionsführung dieses Gläubigers nur die Ursache für die vom Kläger behauptete Schadenszufügung durch die Beklagte war. Deren eigenes schuldhaft rechtswidriges Verhalten bestand nach den Klagebehauptungen einzig und allein darin, daß sie gar nicht Drittschuldnerin der Forderungsexekution gewesen war und dennoch die Honorarforderungen des Klägers einbehalten hatte, wodurch der Kläger außerstande gesetzt wurde, den Zwangsausgleich gegenüber anderen Gläubigern zu erfüllen, so daß ein Wiederaufleben dieser Forderungen eingetreten ist. Nach den Feststellungen waren hiezu aber sämtliche die Person des Schädigers und den Schaden betreffenden Umstände dem Kläger bereits spätestens im September 1986 bekannt gewesen, so daß damit die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB zu laufen begonnen hatte (Schubert in Rummel, ABGB2, Rz 3 zu § 1489) und demnach spätestens im September 1989 abgelaufen ist. Im Hinblick auf die erst am beim Erstgericht eingelangte Klage kommt es deshalb auch nicht mehr darauf an, daß nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu §§ 902 und 903; Schwimann/Binder, ABGB, IV/1 § 902 Rz 1 und § 903 Rz 8; SZ 38/54; ZVR 1974/14; JBl 1988, 389; 8 Ob 16/84; 7 Ob 596/87) § 903 Satz 3 ABGB auf alle materiellrechtlichen Fristen des Privatrechts, also auch die Verjährungsfristen, Anwendung findet. Die Beklagte hat aber dem Kläger gegenüber mit rechtsgeschäftlicher Erklärung vom auf die Einrede der Verjährung verzichtet und diesen Verzicht ausdrücklich bis Samstag, den terminisiert. Da es sich hiebei nicht um einen prozessualen Endtermin handelt, kommt weder die Anwendung des § 126 ZPO noch die des § 89 GOG in Betracht; vielmehr ist § 903 Satz 3 ABGB in Verbindung mit dem Fristenablauf-HemmungsG BGBl 1961/37 heranzuziehen. Nach diesen Bestimmungen tritt vorbehaltlich gegenteiliger Vereinbarung der nachfolgende Werktag an die Stelle eines Samstags, Sonntags oder anerkannten Feiertages, der als letzter Tag für die Abgabe einer Erklärung oder für eine Leistung bestimmt ist. Die Vorschrift bezieht sich gleichermaßen auf Erklärungsfristen und -termine (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 348). Da der Verjährungsverzicht der Beklagten in bezug auf eine vom Kläger erst einzubringende Schadenersatzklage abgegeben wurde, korrespondiert der genannte Endtermin mit dem letzten Tag der Klageeinbringung. Danach wäre das Einlangen der Klage am Montag, dem , noch rechtzeitig, wenn der Bestimmung des § 903, letzter Satz, ABGB nicht eine gegenteilige Parteiendisposition entgegensteht. Daß dies schon aus jeder datumsmäßigen Fixierung eines Endtermins herausgelesen werden könnte (so Schwimann/Binder aaO § 903 Rz 9 unter fälschlicher Berufung auf SZ 42/26, welcher eine ausdrückliche gegenteilige Vereinbarung zugrunde lag), trifft so allgemein nicht zu. Allerdings sind auch konkludente gegenteilige Parteiendispositionen möglich (vgl Gschnitzer aaO 349, zB die Vereinbarung einer Bierlieferung gerade für einen Sonn- oder Feiertag), welche nach der Art der jeweiligen rechtsgeschäftlichen Terminisierung an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden müssen. Die vereinbarte Befristung unterliegt also einer Auslegung dahin, ob mit ihr die dispositive Regel des § 903, letzter Satz, ABGB abbedungen wurde oder nicht. Danach sind aber gerade Verzichtserklärungen nach ständiger Rechtsprechung einschränkend auszulegen, bestimmt sich doch insbesondere bei Unentgeltlichkeit der Umfang des Verzichtes nach der Zweifelsregel des § 915, erster Halbsatz, ABGB (Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 5 zu § 1444; Schwimann/Binder aaO § 915 Rz 9; Schwimann/Harrer, ABGB, V § 1444 Rz 4, jeweils mwN). Daß im vorliegenden Fall der - wenngleich auf Ersuchen des Klägers - von der Beklagten erklärte Verzicht auf die Verjährungseinrede unentgeltlich war, liegt auf der Hand; gegenteiliges ist auch weder behauptet worden, noch kann es den Feststellungen entnommen werden. Im Zweifel ist daher anzunehmen, daß sich die Beklagte damit eher die geringere als die schwerere Last auflegen und damit die Dispositivregel des § 903, letzter Satz, ABGB abbedingen wollte; dies umso mehr, als gemäß § 1502 ABGB auf die Verjährung im voraus - wie hier - gar nicht verzichtet werden kann, so daß die Beklagte ihren verfrühten Verzicht auf die Verjährungseinrede vor Ablauf der Verjährungsfrist auch zurücknehmen konnte. Nur wenn eine solche Zurücknahme erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erfolgt wäre, hätte sich die Beklagte der Replik der Arglist ausgesetzt (Schubert aaO Rz 2 zu § 1501 und Rz 1 zu § 1502; SZ 62/64; ZVR 1991/38 uva).

Da demnach die Beklagte mit der Fixierung eines Endtermins für ihren Verjährungsverzicht die Regel des § 903, letzter Satz, ABGB abbedungen hat und am Samstag, dem , der gerichtliche Dienst ruhte, wäre es Sache des Klägers gewesen, die Klage spätestens am beim Erstgericht zu überreichen. Da er dies aber verabsäumt hat, haben die Vorinstanzen die geltend gemachten Schadenersatzansprüche zutreffend wegen bereits eingetretener Verjährung abgewiesen.

Der Revision des Klägers mußte demnach ein Erfolg versagt bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.