OGH vom 28.08.1997, 3Ob2212/96g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Thomas Rohracher, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei M***** S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Hans G.Mondel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom , GZ 1 R 200/95-13, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 10 Cg 56/95f-8 teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S
9.900 (darin enthalten S 1.650 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tage bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Parteien schlossen am zu 10 Cg 119/93t des Handelsgerichtes Wien einen gerichtlichen Vergleich, in dessen Punkt 1. sich die damals beklagte Partei (und nunmehrige Oppositionsklägerin) zur Zahlung von S 1,450.000 an die damals klagende Partei (und nunmehrige Oppositionsbeklagte) bis verpflichtete. Punkt 2. dieses Vergleiches lautet: "Bei nicht fristgerechter Bezahlung eines Betrages von S 944.342,75 verpflichtet sich die beklagte Partei zur Zahlung weiterer S 200.000 samt 12 % Zinsen aus S 1,650.000 seit ". In einem weiteren Vergleichspunkt wurde der beklagten Partei das Recht eingeräumt, ihr Umsatzsteuerguthaben von S 505.657,25 dem Steuerkonto der klagenden Partei bis gutzubringen, wobei eine derartige Gutschrift den unter Punkt 1. genannten Betrag verringere.
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom wurde aufgrund dieses gerichtlichen Vergleiches die Fahrnisexekution zur Hereinbringung von S 283.051,25 sA bewilligt; später wurde die Exekution auf S 200.957,06 eingeschränkt.
Die Klägerin begründet ihre Einwendungen gegen den betriebenen Anspruch damit, sie habe durch fristgerechte Teilzahlungen von S
135.694 und S 345.000 am sowie S 463.578,80 am S 944.272,80 bezahlt. Die fehlende Differenz von S 69,95 zu dem in Punkt 2. des Vergleiches genannten Betrag von S 944.342,75 sei wegen eines Rechenfehlers bei der Bankverbindung der klagenden Partei nicht bezahlt worden. Nach Entdeckung dieses Fehlers aufgrund eines Schreibens des Beklagtenvertreters vom sei dieser Differenzbetrag am unverzüglich überwiesen worden. Da es sich um eine bloß geringfügige Nichteinhaltung der Modalitäten handle, an der die klagende Partei überdies kein Verschulden treffe, sei die Beanspruchung der in Punkt 2. des Vergleiches vorgesehenen weiteren S 200.000 wegen nicht fristgerechter Zahlung rechtsmißbräuchlich.
Die beklagte Partei wendete ein, die klagende Partei habe die verspätete Zahlung zu verantworten; im übrigen sei die klagende Partei auch bei der Umsatzsteuerverrechnung laut Punkt 3. des Vergleiches nicht in der vereinbarten Weise vorgegangen.
Das Erstgericht wies die Klage ab; es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Die klagende Partei leistete am zwei Teilzahlungen von S
135.694 und S 345.000 sowie am S 463.578,80, also insgesamt S 944.272,80 auf das Konto der beklagten Partei bei der Bank Austria. Die auf den bis zum zu bezahlenden Betrag von S 944.342,75 fehlende Differenz von S 69,95 resultiert aus Rechenfehlern, die Gerhard D*****, Kommerzkundenberater der E***** Bank AG in der Filiale T*****, in Anwesenheit des Geschäftsführers der klagenden Partei unterliefen. Dieser Fehler wurde erst anläßlich eines Schreibens des Beklagtenvertreters vom entdeckt. Am wurden die fehlenden S 69,95 an die beklagte Partei überwiesen.
Die klagende Partei reichte am ihre Umsatzsteuer-Voranmeldung beim Finanzamt für Körperschaften ein; sie beantragte eine Überbuchung von S 422.306 auf das Steuerkonto der beklagten Partei; diese wurde am durchgeführt, weil die klagende Partei erst mit ihrer Zahlung vom über ein ausreichendes Steuerguthaben verfügte. Am wurde die Überrechnung eines weiteren Steuerguthabens der klagenden Partei an die beklagte Partei in Höhe von S 83.351,20 beantragt; diese wurde am mit S 82.094 durchgeführt; ein Betrag von S 1.257,25 ist offen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, bei Abschluß eines Vergleiches würden häufig für den Fall nicht fristgerechter (vollständiger) Zahlung bestimmte nachteilige Folgen für den zur Zahlung verpflichteten Teil vereinbart. Regelmäßig enthielten Vergleiche, die Teilzahlungen des Schuldners vorsehen, eine Terminsverlustklausel. Für das Herbeiführen des Terminsverlustes genüge nach herrschender Ansicht bereits objektiver Zahlungsverzug. Auch ein ganz geringer, zB bloß eintägiger Verzug bei der Erfüllung des Vergleichs genüge, um den Terminsverlust herbeizuführen. Die in Punkt 2. des Vergleiches enthaltene Vereinbarung entspreche in ihrer Wirkung im wesentlichen einer Terminsverlustklausel. Es sei zwar keine Ratenzahlung vorgesehen worden, sodaß auch keine vorzeitige Fälligkeit später zu zahlender Beträge in Betracht komme, aber es sollte sich als Folge der nicht zeitgerechten Bezahlung eines bestimmten Teilbetrags der verglichenen Schuld der unverzüglich zu leistende Betrag um S 200.000 erhöhen. Die klagende Partei sei zwar nur mit einem im Verhältnis zum gesamten Schuldbetrag geringen Teil in Zahlungsverzug geraten, habe aber dadurch die in Punkt 2. vertraglich vereinbarten Folgen ausgelöst. Es genüge ein ganz geringer Verstoß, denn könnte sich der Schuldner darauf berufen, daß eine geringfügige Verspätung ohne Bedeutung sei, so würde für den anderen Teil der Abschluß einer solchen Vereinbarung in Frage gestellt, weil sich ja nur schwer feststellen lasse, wo die Grenze liegt.
Neben ihrer Ähnlichkeit zum Terminsverlust weise die in Punkt 2. enthaltene Regelung auch eine gewisse Nähe zur Konventionalstrafe auf; ihre Wirkung bestehe nicht allein darin, daß ein bereits geschuldeter Betrag vorzeitig fällig wird, sondern im Falle des Zahlungsverzuges werde ein zusätzlicher Betrag fällig. Wenn man daher im Zweifel die Funktion der Klausel berücksichtige, so wäre hier mangels gegenteiliger Regelung für den Eintritt der vereinbarten Folge wohl Verschulden vorauszusetzen. Ein solches Verschulden der klagenden Partei liege allerdings zweifellos vor. Sie habe die genaue Überprüfung der geleisteten Teilbeträge unterlassen und die Rechenfehler erst auf Mahnung durch die beklagte Partei entdeckt. Die mit einem Leistungsverzug verbundenen Folgen seien der klagenden Partei bekannt gewesen, die deren Eintreten ohne unzumutbare Anstrengungen hätte verhindern können. In diesem Zusammenhang könnten auch die von Punkt 2. des Vergleiches an sich nicht erfaßten Verstöße gegen ein genaues Erfüllen der Vereinbarung nicht ganz außer Betracht bleiben. Punkt 3. des Vergleiches enthalte eine nur einen Tag längere Zahlungsfrist, sehe jedoch für den Fall einer verspäteten Umsatzsteuer-Überrechnung keine Folgen vor. Daß die klagende Partei erst später als vereinbart Steuerguthaben überrechnete und derzeit noch S 1.257,25 schulde, lasse eine mangelnde Bemühung um eine korrekte und zeitgerechte Vergleichserfüllung erkennen. Die klagende Partei könne sich daher nicht auf mangelndes Verschulden berufen, weil ihr eigener Geschäftsführer die Rechnungen des Bankangestellten nicht (ausreichend) überprüft habe. Im übrigen könne selbstverständlich der Umstand, daß die klagende Partei das Risiko eines Rechenfehlers durch Teilbetragszahlungen sichtlich erhöht habe, ihr Verschulden keinesfalls beseitigen.
Von einer mißbräuchlichen Rechtsausübung könne nur gesprochen werden, wenn derjenige, der sein Recht ausübe, dies zumindest überwiegend, wenn nicht ausschließlich im Interesse mache, dem anderen dadurch einen Schaden zuzufügen. Für eine solche Schädigungsabsicht, die im übrigen von der klagenden Partei nachzuweisen gewesen wäre, fehle aber jede Anhaltspunkt.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß es den betriebenen Anspruch hinsichtlich eines Teilbetrags von S 200.000 für erloschen erklärte; hingegen wies es - insoweit rechtskräftig - das Begehren, das Erlöschen des betriebenen Anspruchs hinsichtlich eines weiteren Betrages von S 957,06 festzustellen, ab; es ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO im Hinblick darauf, daß Sachverhaltselemente des Einzelfalles entscheidend gewesen seien, nicht gegeben seien. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, bei Punkt 2. des Vergleiches handle es sich um die Vereinbarung eines Terminsverlustes. Die Verpflichtung zur Zahlung eines weiteren Betrages von S 200.000 erhalte unter dem Aspekt, daß ursprünglich ca S 1,000.000 mehr eingeklagt wurden, als vergleichsweise insgesamt bezahlt werden sollte, die Bedeutung, daß es sich hiebei um einen Teil der restlichen Klagssumme handle. Das Wesen einer Konventionalstrafe bestehe hingegen darin, Nachteile des Gläubigers auszugleichen, die diesem aus der Vertragsverletzung, etwa verspäteter Vertragserfüllung, entstehen können. Die Vertragsstrafe sei pauschalierter Schadenersatz, der an die Stelle des Schadenersatzes wegen Verzuges trete. Die getroffene Vereinbarung sei der eines Terminsverlustes gleichzuhalten, wonach für den Fall, daß eine bestimmte Zahlungsverpflichtung pünktlich eingehalten wurde, sich der vom Schuldner insgesamt zu bezahlende Betrag um S 200.000 verminderte.
Ob Terminsverlust schon bei unverschuldetem Verzug eintrete, hänge von seiner Funktion ab; im Zweifel sei verschuldeter Verzug nicht Voraussetzung. Die jeweilige Funktion des Terminsverlustes sei ferner für die Frage maßgebend, ob aufgrund einer verhältnismäßig geringfügigen Verzögerung die Gesamtfälligkeit geltend gemacht werden könne, oder ob die Geltendmachung des Terminsverlustes wegen einer geringfügigen Ungenauigkeit des Leistungsausmaßes gegen Treu und Glauben verstoße und daher unzulässig sei.
Anders als in den in der bisherigen Judikatur (SZ 38/49; ÖBA 1988/72 und HS 593/60) behandelten Fällen sei hier weder zu spät geleistet worden noch sei es aus vorhersehbaren Fehlern zu einer Ungenauigkeit des Leistungsausmaßes gekommen. Hier sei die Geringfügigkeit der Minderleistung und der Umstand, der dazu geführt habe, maßgeblich. Der Geschäftsführer der Klägerin habe, indem er sich zur Berechnung des Fehlbetrages sogar mit einem Fachmann zusammengetan habe, die ihm zumutbare gebotene Sorgfalt eingehalten, um gerade den ihm unterlaufenen Fehler zu verhindern. Die von der Beklagten daran geknüpfte Folge verstoße gegen Treu und Glauben.
Daraus, daß die Klägerin mit der Bezahlung des Umsatzsteuerguthabens in Rückstand geraten sei, könnten keine Folgerungen getroffen werden, weil dies dem Inhalt des Vergleichs widerspreche.
Aus der Tatsache, daß die Klägerin auf ein anderes als das vereinbarte Konto Zahlungen geleistet habe, lasse sich für den Standpunkt der Beklagten ebenfalls nichts gewinnen, weil sie diese Zahlungen widerspruchslos angenommen habe.
Darüber hinaus liege auch mißbräuchliche Rechtsausübung durch die beklagte Partei vor. Eine solche mißbräuchliche Rechtsausübung liege schon dann vor, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Mißverhältnis bestehe oder wenn der Schädigungszweck so sehr augenscheinlich im Vordergrund stehe, daß andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten. Auch unter diesem Gesichtspunkt ergebe eine Gegenüberstellung des Fehlbetrages von S 69,95 zum gesamt geschuldeten Betrag von S 944.272,80 ein derartig grobes Mißverhältnis, das den Vorwurf mißbräuchlicher Rechtsausübung zulasse.
Die Ansicht der Beklagten, die Klage nach § 35 EO sei unzulässig, weil der gerichtliche Titel in einem Vergleich bestehe, sei unrichtig. Da die Klägerin der Beklagten noch S 1.257,25 infolge nicht vollständiger Erfüllung des Punktes 3. des Vergleiches schulde, die Klägerin aber kein ausreichendes Vorbringen dahin erstattet habe, weshalb der Anspruch im Umfang auch eines Betrages von S 957,06 nicht bestehen solle, sei ihrer Berufung nur hinsichtlich eines Betrages von S 200.000 Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Das Berufungsgericht konnte sich bei seiner Ausführung, die beklagte Partei habe die entgegen dem Vergleich nicht an den Beklagtenvertreter, sondern direkt an die beklagte Partei geleisteten Zahlungen widerspruchslos angenommen, auf das Vorbringen der beklagten Partei in der Klagebeantwortung (S 2 = AS 11) stützen.
Die klagende Partei hat sich in einem gerichtlichen Vergleich zur Zahlung weiterer S 200.000 samt 12 % Zinsen aus S 1,650.000 seit unter der - zulässigen (Gitschthaler in Rechberger, ZPO, Rz 13 zu § 206; Fasching ZPR**2 Rz 1350) - Bedingung verpflichtet, daß sie einen Betrag von S 944.342,75 nicht fristgerecht bis bezahlt. Tatsächlich leistete die klagende Partei in drei Teilzahlungen am 17. und infolge von Rechenfehlern nur S 944.272,80. Nachdem die beklagte Partei mit Schreiben vom darauf hingewiesen hatte, wurde am der Rest von S 69,95 an die beklagte Partei überwiesen.
Bei der Beurteilung, ob damit die - bei einem sogenannten Prämienvergleich durchaus übliche - Bedingung für die weitere Zahlung von S 200.000 erfüllt ist, konnten sich die Vorinstanzen auf keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes stützen. Der Oberste Gerichtshof hat jedoch in einigen Entscheidungen zu den Voraussetzungen des Eintritts eines vereinbarten Terminsverlustes, wonach bei Verzug des Schuldners mit einer Teilleistung alle noch ausstehenden Teilleistungen sofort fällig werden (Koziol/Welser I10 212), Stellung genommen.
In der Entscheidung GlU 8423 lag eine vertragsmäßige Verpflichtung zur "vollen und pünktlichen" Erfüllung einer im Ausgleichswege übernommenen Verbindlichkeit bei sonstigem Wiederaufleben der ursprünglichen Schuld vor. Der Oberste Gerichtshof führte (die Gründe des Berufungsgerichtes übernehmend) aus, der Umstand, daß von einer Wechselsumme von 600 fl 48 kr nur 600 fl vor Verfall und 48 kr zwei Tage nach Verfall gezahlt wurden, der Abgang also nur ganz geringfügig war, könne daran nichts ändern, den Eintritt der Resolutivbedingung nicht ungeschehen machen, weil Verträge genau erfüllt werden müßten und eine Schuld, solange ein noch so kleiner Teil nicht berichtigt sei, nicht voll gezahlt sei.
In der Entscheidung vom HS 593/60 wurden Wiederaufleben und Terminsverlust bei einem Ratenvergleich auch bei einem nur eintägigen Verzug bejaht. Die Meinung, daß bei Gewährung von Ratenzahlungen und einem bedingten Nachlaß eine geringfügige Verspätung ohne Bedeutung sei, würde den Abschluß solcher Vereinbarungen in Frage stellen, da es sich ja nur schwer feststellen lasse, wo die Grenze liege. Vielmehr sei davon auszugehen, daß Vereinbarungen, mit welchen einem Schuldner ein Nachlaß gewährt und Zahlungsfristen bewilligt werden, streng auszulegen seien.
Ebenso wurde in der Entscheidung vom SZ 38/49 der Eintritt des Terminsverlustes bejaht, weil bei Überweisung eines geschuldeten Betrages von S 1.000 die von der beklagten Partei zu entrichtende Zustellgebühr von S 3 nicht beachtet wurde, sodaß nur S 997 beim Gläubiger eingingen. Der Oberste Gerichtshof führte aus, der Gläubiger habe Anspruch auf Erhalt des ganzen geschuldeten Betrages. Es sei bei Überweisung durch Postanweisung allgemein bekannt und habe auch dem Kläger bekannt sein müssen, daß eine Zustellgebühr berechnet werde. Da es sich bei dem Vergleich um die Bewilligung von Zahlungsfristen für einen bereits geschuldeten Betrag gehandelt habe, genüge auch ein geringfügiger Verzug zur Geltendmachung des Terminsverlustes.
Auch die Entscheidung vom HS 8.298 = RZ 1973, 142 geht davon aus, daß Vereinbarungen, mit denen einem Schuldner ein Nachlaß gewährt wird oder Zahlungsfristen eingeräumt werden, streng auszulegen sind, weshalb schon ein geringfügiger Verzug den Gläubiger berechtigt, das Wiederaufleben der Forderung oder den Terminsverlust geltend zu machen. In diesem Fall wurde aber wegen vorbehaltloser Annahme der vom Schuldner erbrachten unvollständigen Leistung durch den Gläubiger ein schlüssiger Verzicht auf die Geltendmachung des Terminsverlustes bzw des Wiederauflebens der Forderung angenommen.
In der Entscheidung ÖBA 1988/72 = WBl 1987, 347 führte der Oberste Gerichtshof aus, auch die insgesamt betrachtet geringfügige und nur relativ kurze Zeit bestehende Überschreitung eines Drei-Raten-Rückstandes habe zur Geltendmachung des Terminsverlustes berechtigt. Es liege nicht der Normalfall eines Terminsverlustes etwa im Sinn des § 13 KSchG vor, sondern es sei im Vergleichsweg ein Nachlaß (zumindest der Zinsen) gewährt worden, sofern den Verpflichtungen fristgerecht nachgekommen werde. In einem solchen Fall führe die Auslegung im Zweifel dazu, daß die für den Terminsverlust vereinbarten Folgen schon aufgrund einer verhältnismäßig geringfügigen Verzögerung geltend gemacht werden können. Es handle sich nicht nur um eine "geringe Ungenauigkeit" der Leistung, sondern die Kläger hätten durch viele Jahre zwei Raten von vornherein und dann auch trotz Einmahnung die Wertsicherung nicht bezahlt.
In der Entscheidung RdW 1989, 301 vertrat der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht, der Terminsverlust wäre eine unangemessene Sanktion, wenn es nur wegen Auslegungsdifferenzen mit einem verhältnismäßig geringfügigen Wertsicherungsbetrag zu einem Zahlungsverzug gekommen wäre; davon könne hier nicht gesprochen werden, weil der Beklagte insgesamt S 102.250,50 geschuldet habe.
In der Lehre führt Stanzl in Klang IV/1 698 zu den Rechtsfolgen des Terminsverlustes aus, geringe Ungenauigkeiten der Leistung führten nicht zum Terminsverlust.
Ehrenzweig/Mayrhofer, Das Recht der Schuldverhältnisse. Allgemeiner Teil3 377 lehrt, die Geltendmachung des Terminsverlustes wegen einer geringfügigen Ungenauigkeit des Leistungsausmaßes, zB weil statt S
6.203 nur S 6.200 rechtzeitig gezahlt worden sind, verstoße gegen Treu und Glauben und sei daher unzulässig.
Auch nach Binder in Schwimann, ABGB**2, Rz 49 zu § 904 führen geringfügige Verzögerungen oder Ungenauigkeiten bei der Leistungserbringung wegen des sonstigen Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht zum Terminsverlust.
Roth in MünchKomm BGB3, Rz 438 zu § 242, bezeichnet es als rechtsmißbräuchlich, weittragende Rechtsfolgen an vergleichsweise geringfügige Fehler und Verstöße der Gegenpartei zu knüpfen. Nach Heinrichs in Palandt BGB56, Rz 53 zu § 242 gibt es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß geringfügige Pflichtverletzungen ohne Rechtsfolgen bleiben; Rechtsmißbrauch sei nur gegeben, wenn an einen geringfügigen, im Ergebnis folgenlos gebliebenen Verstoß weitreichende eindeutig unangemessene Rechtsfolgen geknüpft werden.
Der erkennende Senat bejaht auch im vorliegenden Fall, in dem zwar mangels Vereinbarung von Teilleistungen kein Terminsverlust vorliegt, daß die Ausnutzung einer derart geringfügigen, auf einen Rechenfehler zurückzuführenden Minderzahlung von S 69,95 in Relation zum fälligen Betrag von S 944.342,75, die sofort nach deren Bekanntwerden nachgeholt wurde, durch den Kläger unzulässig ist: Wenn auch eine § 242 dBGB, wonach der Schuldner verpflichtet ist, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern, entsprechende Bestimmung in Österreich nicht gesetzlich normiert ist, so sind doch zur Beurteilung die gesetzlichen Wertungen für vergleichbare Fälle heranzuziehen. So sieht § 39a VersVG idF BGBl 1994/509 vor, daß dann, wenn der Versicherungsnehmer bloß mit nicht mehr als 10 vH der Jahresprämie, höchstens aber mit 800 S in Verzug ist, eine im § 38 oder § 39 VersVG vorgesehene Leistungsfreiheit des Versicherers nicht eintritt. Auch in der früheren Rechtsprechung des OGH (VersRdSch 1990/201 ua) wurde bei geringfügigen Prämienverstößen die Leistungsfreiheit des Versicherers nicht generell bejaht (vgl auch Knappmann in Prölss/Martin VVG25 mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung).
Auch § 53 Abs 4 AO und § 156 Abs 4 KO, wonach bei Verzug des Schuldners eine qualifizierte Mahnung erforderlich ist, kann die gesetzliche Wertung entnommen werden, daß ein geringfügiger Verzug - außer bei Vorliegen besonderer Umstände - noch nicht allein zu weitreichenden Rechtsfolgen für den Schuldner führen soll.
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist somit im Ergebnis zu billigen.
Es kann nicht angenommen werden, daß die Parteien andere als die dem Gesetz zu entnehmenden Wertungen für den Fall einer nur geringen Nichterfüllung des Vergleiches der Vereinbarung zugrundegelegt haben.
Die von der beklagten Partei dagegen ins Treffen geführten Umstände sind bedeutungslos.
Ob der die Minderzahlung bewirkende Rechenfehler der klagenden Partei bzw deren Leuten oder einem hiefür zugezogenen Bankangestellten unterlaufen ist, für dessen Verschulden als Erfüllungsgehilfen die klagende Partei gemäß § 1313a ABGB wie für eigenes haftet, ist im Verhältnis zur beklagten Partei bedeutungslos. Die beklagte Partei kann aus einem allfälligen Regreßanspruch der klagenden Partei nicht ableiten, daß ihr gegenüber die klagende Partei eher zahlungspflichtig wäre.
Die beklagte Partei verkennt weiters, daß hier nicht der Vergleichsabschluß selbst, sondern ausschließlich die Exekutionsführung bei einer derart geringfügigen Minderzahlung mit Oppositionsklage bekämpft wird.
Daß die klagende Partei nicht entsprechend dem Vergleich zuhanden des Beklagtenvertreters Zahlung leistete, kann schon deshalb keine Konsequenz haben, weil diese Zahlung von der beklagten Partei akzeptiert wurde. Die Zahlung nicht auf einmal, sondern in drei Teilbeträgen, wodurch der Rechenfehler leichter unterlaufen konnte, vermag schon im Hinblick auf die Geringfügigkeit des Fehlbetrages keine Änderung der Beurteilung bewirken.
Daß es auch bei der Erfüllung anderer Vergleichspunkte zu Verzögerungen gekommen sei, ist schon deshalb bedeutungslos, weil die fristgerechte Zahlung laut diesen Vergleichspunkten nicht Voraussetzung für den Eintritt der Bedingung der weiteren Zahlung von S 200.000 war.
Soweit die beklagte Partei Ausführungen zur Beweislast macht, verkennt sie, daß das Erstgericht das Vorliegen eines Rechenfehlers als Ursache der geringfügigen Minderzahlung ausdrücklich festgestellt hat.
Schließlich ist den Vorinstanzen auch darin zuzustimmen, daß im vorliegenden Fall die Einbringung einer Oppositionsklage zulässig war, mit der nicht das Zustandekommen des Vergleichs, sondern die gegen den Titel verstoßende Exekutionsführung bekämpft wird (vgl JBl 1995, 461 [Mader]).