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OGH vom 21.06.2016, 1Ob261/15m

OGH vom 21.06.2016, 1Ob261/15m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** Z*****, vertreten durch Mag. Claus Schützenhöfer, Rechtsanwalt in Hartberg, gegen die beklagten Parteien 1. F***** G*****, und 2. H***** G*****, beide vertreten durch Mag. Rudolf Siegel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einverleibung, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 41/15v 46, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Fürstenfeld (Nebenstelle Hartberg) vom , GZ 102 C 85/14a 42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie lauten:

„Das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei an der Liegenschaft EZ 24 GB ***** K*****, bestehend aus dem Grundstück *****, das Eigentumsrecht durch dessen bücherliche Einverleibung einzuräumen, wird abgewiesen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 1.558,79 EUR (darin enthalten 234,20 EUR USt und 153,56 EUR Barauslagen) und der zweitbeklagten Partei die mit 1.873,44 EUR (darin enthalten 269,34 EUR USt und 257,41 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Ein Verwandter der nunmehrigen Beklagten war nach den Eintragungen im Grundbuch Eigentümer der im Spruch genannten Liegenschaft, die 2013 gemeinsam mit einer weiteren Liegenschaft zwangsversteigert wurde. Unmittelbar vor der Versteigerungstagsatzung vom meldete der Kläger, ein benachbarter Grundeigentümer, das Eigentumsrecht an der genannten Liegenschaft an, das er bzw seine Rechtsvorgänger durch Ersitzung erworben hätten. (Dieser Eigentumserwerb ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.) Die Richterin gab die Behauptung des Klägers in der Versteigerungstagsatzung bekannt, ließ jedoch eine Anmeldung des Rechts mangels Nachweisen nicht zu; die Anmeldung wurde in der Folge auch in der Ediktsdatei nicht ausgewiesen. Die Beklagten waren bei der Versteigerungstagsatzung nicht anwesend. Nachdem sie nach der Zuschlagserteilung ein (schriftliches) Überbot in Höhe von 113.000 EUR abgegeben hatten, wurden sie vom Gericht aufgefordert, binnen sieben Tagen den Betrag von 28.250 EUR auf das Meistbotskonto zu überweisen und dem Gericht den Erlag nachzuweisen. Dieser Beschluss vom enthielt weiters folgenden Text: „Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei der Versteigerung am F***** Z***** bekannt gegeben hat, dass die Liegenschaft EZ 24 KG ***** K***** von ihm und seinen Rechtsvorgängern seit über 30 Jahren genutzt und diese daher ersessen wurde. Die Anmeldung dieses Rechts wurde nicht zugelassen. Allerdings ist aufgrund dieser Bekanntgabe ein gutgläubiger Erwerb durch die Überbieter ausgeschlossen.“ Nachdem die Beklagten das Überbot erlegt und ihre Antragstellung bei der Grundverkehrsbehörde nachgewiesen hatten, wurde ihnen mit Beschluss vom aufgrund ihres Überbots der Zuschlag erteilt, der in Rechtskraft erwuchs. In der Folge bestritten sie den Eigentumserwerb des Klägers und verboten ihm die Nutzung der strittigen Liegenschaft.

Der Kläger begehrte nun die Einräumung des Eigentumsrechts. Ein gutgläubiger Eigentumserwerb durch die Beklagten sei ausgeschlossen, weil ihnen vom Gericht bereits in der Versteigerungstagsatzung vom und weiters im Beschluss vom mitgeteilt worden sei, dass er sein Eigentumsrecht angemeldet hat. Spätestens damit hätten sie ihren guten Glauben an das Eigentum des im Zwangsversteigerungsverfahren Verpflichteten verloren. Da ein Überbot erst durch den Nachweis des gerichtlichen Erlags wirksam werde, hätten die Beklagten lediglich das Überbot nicht erlegen müssen, um dieses unwirksam werden zu lassen.

Die Beklagten wandten dagegen im Wesentlichen ein, sie hätten die Liegenschaft durch Zuschlag originär gutgläubig erworben. Sie seien bei der Versteigerungstagsatzung nicht anwesend gewesen und hätten erst nach Abgabe ihres Überbots vom behaupteten Recht des Klägers erfahren. Zu diesem Zeitpunkt wäre eine Zurückziehung des Überbots gemäß § 196 Abs 2 EO nicht mehr zulässig und sie zwingend an ihr Überbot gebunden gewesen. Schließlich hätte der Kläger seine Ansprüche im Rahmen des Exekutionsverfahren schon viel früher mit Exszindierungsklage gemäß § 37 EO geltend machen können.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Beklagten hätten den Beweis für einen gutgläubigen Erwerb nicht erbracht, da zum einen der ihnen nach Abgabe des Überbots übermittelte gerichtliche Beschluss ausdrücklich den Hinweis enthalten habe, dass ein gutgläubiger Erwerb durch die Überbieter ausgeschlossen ist, und zum anderen das Überbot erst durch den Nachweis des gerichtlichen Erlags selbst wirksam werde. Es hätte daher lediglich des Nichterlags des Überbots aufgrund des Hinweises im zuvor genannten Beschluss bedurft, um dieses unwirksam werden zu lassen. Eine Bindung an das gelegte Überbot habe entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bestanden, auch wenn ein Zurückziehen des Überbots an sich gemäß § 196 Abs 2 EO unzulässig sei und über einen Überbieter, der die Sicherheitsleistung nicht erlegt, auch eine Ordnungsstrafe zu verhängen sei (§ 196 Abs 1 EO).

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Der Eigentumserwerb des Erstehers einer zwangsversteigerten Liegenschaft erfolge – unter der Voraussetzung seiner Gutgläubigkeit – grundsätzlich mit Zuschlagserteilung originär, unabhängig davon, ob der Verpflichtete tatsächlich Eigentümer war oder nicht. Der gute Glaube werde schon durch leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Er müsse im Zeitpunkt der Erteilung des Zuschlags gegeben sein. Dies korrespondiere mit der Rechtsprechung zu § 1500 ABGB, wonach der gute Glaube nicht nur beim Erwerb, sondern auch noch bis zum Ansuchen um Einverleibung im Grundbuch vorhanden sein müsse. Hier seien die Beklagten bei Abgabe des Überbots zwar in Unkenntnis der Anmeldung des Eigentumsrechts durch den Kläger, im maßgebenden Zeitpunkt des Zuschlags an sie jedoch jedenfalls schlechtgläubig gewesen. Es sei zwar richtig, dass gemäß § 196 Abs 2 EO die Zurückziehung eines Überbots unzulässig und dass bei Nichterlag der Sicherheitsleistung eine Ordnungsstrafe bis zu 10.000 EUR zu verhängen ist (§ 196 Abs 1 EO), doch bezwecke diese gesetzliche Regelung die Absicherung der Ernsthaftigkeit des Überbots und die Vermeidung von Missbrauch durch Ersteherabsprachen. Zudem müsse ein Überbot auch nach den grundverkehrsbehördlichen Vorschriften wirksam sein. Für den Fall der Unterlassung einer Antragstellung bei der Grundverkehrsbehörde sehe das Gesetz keine Ordnungsstrafe und auch keine Verwaltungsstrafe vor. Die Beklagten hätten daher die Möglichkeit gehabt, nach Kenntnis von den behaupteten Ansprüchen des Klägers durch Unterlassung der Antragstellung an die Grundverkehrsbehörde die Wirksamkeit des Überbots und den Zuschlag an sie folgenlos und damit zumutbar zu verhindern. Es müsse daher nicht näher erörtert werden, ob bei Nichterlag der Sicherheitsleistung überhaupt eine Ordnungsstrafe zu verhängen gewesen wäre, da der Nichterlag sich im konkreten Fall nicht auf Umstände gründen würde, die dem Zweck der entsprechenden Regelungen entsprechen. Die gesetzliche Regelung bezwecke ja keineswegs, mittlerweile schlechtgläubig gewordene potentielle Ersteher dennoch in ein wirksames Überbot zu zwingen. Der Kläger habe sich auch nicht dadurch seines Rechts auf Einbringung der Eigentumsklage begeben, dass er keine Exszindierungsklage eingebracht hat. Die Anmeldung des Rechts stelle kein Hindernis für die Versteigerung dar, sondern bewirke nur, dass der Dritte nach dem Zuschlag seine Rechte gegen den Ersteher mit Klage geltend machen könne und zwar auch dann, wenn während des Verfahrens schuldhaft eine Exszindierungsklage nicht eingebracht wurde. Auch nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs müsse der Dritte nicht die Einstellung oder Aufschiebung der Versteigerung erwirken, sondern es reiche für seine Anspruchswahrung aus, dass er sein Recht mit ausreichender Begründung anmeldet. Der Kläger könne seine Rechte gemäß § 170a Z 1 EO anmelden und aufgrund dieser Anmeldung dann auch gegen einen allfälligen Ersteher durchsetzen. Damit habe der Kläger durch die Anmeldung seines Eigentumsrechts in der Versteigerungstagsatzung sein Recht auf Einbringung einer Eigentumsklage gegen die Beklagten jedenfalls gewahrt. Es müsse daher auch nicht erörtert werden, ob es dem Beklagten zumutbar gewesen wäre, sich Kenntnis von den Vorgängen in der Versteigerungstagsatzung zu verschaffen, und ob das Nichtwissen von der Anmeldung bei Stellung des Überbots bereits auf fahrlässiger Unkenntnis beruht habe. § 170a Z 1 EO solle nach seinem Zweck dem späteren Ersteher die objektive Möglichkeit der Kenntnisnahme von behaupteten Rechten Dritter an der Liegenschaft ermöglichen. Er unterscheide nach seinem Wortlaut nicht danach, ob sich der spätere Ersteher im Moment der Anmeldung am Beginn des Versteigerungstermins gerade im Raum befindet oder nicht. Bei der Veröffentlichung des Zuschlags in der Ediktsdatei sei nach dem Wortlaut des § 183 Abs 3 EO neben der Höhe des Meistbots und dem Mindestbetrag des Überbots (nur) noch der in den §§ 170 und 170b Abs 3 EO vorgeschriebene Inhalt bekannt zu machen. Der Zweck der Vorschriften über die öffentliche Bekanntmachung liege darin, möglichst Gewähr für die Erzielung eines angemessenen Meistbots zu geben. Für Verfahrensfremde begründe § 71 EO keinen Anspruch, dass zureichende Bekanntmachungen stattfinden. Die ordentliche Revision sei zulässig, da Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die Gutgläubigkeit der Überbieter auch noch im Zeitpunkt der Erteilung des Zuschlags vorhanden sein muss, nicht auffindbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Beklagten, in der der Eigentumserwerb des Klägers nicht mehr in Frage gestellt wird, ist aus dem vom Berufungsgericht angegebenen Grund zulässig und im Ergebnis auch berechtigt.

§ 1500 ABGB regelt, unter welchen Voraussetzungen ein rechtsgeschäftlicher Erwerber einer Liegenschaft vom bücherlichen Vormann das (unbeschränkte) Eigentum erwerben kann, obwohl bereits ein Dritter – in der Regel im Wege der Ersitzung – daran ein außerbücherliches dingliches Recht (Dienstbarkeit, Eigentum) erworben hat. Voraussetzung ist vor allem der Erwerb im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher, also die Gutgläubigkeit im Hinblick auf das Recht des bücherlichen Vormanns. Der gutgläubige Erwerb macht dann die bereits vollendete Ersitzung des Dritten als Ausfluss des negativen Publizitätsprinzips wirkungslos (vgl nur RIS Justiz RS0012151 [T2] ua). Geschützt ist das Vertrauen des Erwerbers auf das Hauptbuch, wogegen die Einsichtnahme in die Urkundensammlung regelmäßig nur dann zu verlangen ist, wenn im Hauptbuch darauf verwiesen wird. Weitere Nachforschungspflichten bestehen nur bei indiziertem Verdacht, dass die tatsächlichen Besitzverhältnisse nicht dem Buchstand entsprechen, vor allem bei offenkundigen Dienstbarkeiten. Unverbücherte dingliche Benützungsrechte sind aber nicht zu vermuten; der Sorgfaltsmaßstab darf insofern nicht überspannt werden. Vom Liegenschaftserwerber wird in der Regel eine Besichtigung des Kaufobjekts verlangt (vgl zu all dem nur Dehn in KBB 4 § 1500 ABGB Rz 2 mit Judikaturnachweisen). Die Redlichkeit des Erwerbers muss sowohl bei Vertragsabschluss als auch noch bei Antragstellung auf Einverleibung vorliegen (RIS Justiz RS0034776). Die nach der Antragstellung, aber vor der Verbücherung erlangte Kenntnis hindert den Eigentumserwerb nicht (5 Ob 273/07v = RIS Justiz RS0012151 [T3]). Entsprechend der Beweislastverteilung des § 328 Satz 2 ABGB hat nicht der Erwerber seinen guten Glauben zu behaupten und zu beweisen, sondern der Dritte dessen Mangel (1 Ob 7/80, 6 Ob 278/06k ua; M. Bydlinski in Rummel , ABGB 3 § 1500 Rz 5 ua). Die zu § 1500 ABGB entwickelten Grundsätze sind auch auf den Erwerb in der Zwangsversteigerung zu übertragen (zur Beweislast für die Schlechtgläubigkeit etwa 5 Ob 281/08x), bei der vom Erwerber aber neben den Eintragungen im Hauptbuch vor allem auch der Inhalt des Versteigerungsedikts zu beachten ist (1 Ob 679/86 = SZ 60/2; vgl auch 6 Ob 79/98f = SZ 71/214, jeweils noch zur Rechtslage vor der EO Nov 2000).

In diesem Verfahren hat der Kläger vor dem Erstgericht die Schlechtgläubigkeit der Beklagten einerseits damit begründet, sie hätten schon in der Versteigerungstagsatzung von seiner Berechtigung durch seine Rechtsanmeldung Kenntnis erlangt. Dieser Einwand wird (zutreffend) nicht aufrechterhalten, steht doch fest, dass die Beklagten gar nicht anwesend waren. Zu prüfen bleibt somit nur die weitere Behauptung, die nachträgliche Mitteilung des Gerichts von seiner Anmeldung hätte den guten Glauben (rechtzeitig) beseitigt.

Für den Eigentumserwerb im Rahmen einer gerichtlichen Zwangsversteigerung, bei dem das Schutzbedürfnis des redlichen Erwerbers nicht geringer ist als beim Erwerb durch Rechtsgeschäft (vgl etwa Materialien zu den Civilprocessgesetzen II 659, die die Tendenz erwähnen, den Versteigerungserwerb mit allen zulässigen Vorteilen auszustatten), sieht das Gesetz eine zusätzliche Möglichkeit für den (außerbücherlich) berechtigten Dritten vor, den guten Glauben des Erstehers zu erschüttern. So bestimmt § 170a Z 1 EO (wie schon früher § 170 Z 3) ausdrücklich, dass in das Versteigerungsedikt auch die Aufforderung aufzunehmen ist, Rechte an der Liegenschaft, welche die Versteigerung unzulässig machen würden, spätestens im Versteigerungstermin vor Beginn der Versteigerung bei Gericht anzumelden, widrigenfalls sie zum Nachteil eines gutgläubigen Erstehers nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Entsprechend der erwähnten Zielrichtung des Gesetzes sollte bei Unterlassung einer solchen Anmeldung der endgültige dauernde Erwerb des Eigentums durch den Ersteher herbeigeführt und die Gefahr einer nachträglichen Entwährung endgültig ausgeschlossen werden; der Erwerb im Wege der Versteigerung werde dadurch den originären Erwerbsarten genähert (Materialien II 659). Meldet hingegen ein Dritter im Sinne der Aufforderung im Versteigerungsedikt Rechte an der zur Versteigerung gelangenden Liegenschaft, etwa ein kraft Ersitzung erworbenes Eigentumsrecht, an – und macht er diesen Erwerb ausreichend plausibel (vgl RIS Justiz RS0001082; GlUNF 3607 ua) –, wird damit das Vertrauen der in der Versteigerungstagsatzung anwesenden Bietinteressenten erschüttert, die damit nicht mehr auf das Eigentum des Verpflichteten vertrauen können. Beim Eigentumserwerb in der Zwangsversteigerung entsprechend dem unrichtigen Grundbuchstand, der gemäß § 156 Abs 1 EO mit der Erteilung des (später rechtskräftig werdenden) Zuschlags eintritt (vgl nur Angst in Angst/Oberhammer , EO 3 § 156 Rz 2 mit Judikatur und Literaturnachweisen), wird überwiegend vertreten, dass die Gutgläubigkeit des Erstehers im Zeitpunkt des Zuschlags vorliegen muss. Bei dieser Formulierung liegt aber wohl eine gewisse Unschärfe vor, die darauf zurückzuführen ist, dass zwischen der Abgabe des Meistbots in der Versteigerungstagsatzung und dem im Rahmen dieser Tagsatzung ergehenden Zuschlag kaum jemals Ereignisse stattfinden, die sich auf die Gutgläubigkeit des Meistbietenden auswirken können. Für den typischen Regelfall macht es also keinen Unterschied, ob man das Bestehen des guten Glaubens bis zur Zuschlagserteilung oder (nur) bis zur Abgabe des Meistbots fordert. Schon Angst (in Angst/Oberhammer , EO 3 § 170a Rz 1) hat zu Recht darauf hingewiesen, dass richtigerweise die Gutgläubigkeit nur bis zur Abgabe des Meistbots zu fordern ist. Dabei handelt es sich um die letzte Handlung (bzw Erklärung) des Erstehers, die seinem Eigentumserwerb vorausgeht. Eine solche (präzisierte) Sicht entspricht auch der zum rechtsgeschäftlichen Erwerb vertretenen Auffassung. Danach muss der gute Glaube zum Zeitpunkt der Einbringung des Einverleibungsgesuchs vorliegen, wogegen es nicht schadet, wenn er (ausnahmsweise) vor dessen Erledigung verloren geht (RIS Justiz RS0034776).

Überträgt man diese Grundsätze nun auf den Fall des Überbots, für das in diesem Zusammenhang keine Sonderregeln bestehen, erscheint es richtig, für die Beurteilung der für den Eigentumserwerb vom nicht mehr Berechtigten erforderlichen Redlichkeit auch hier auf die letzte Handlung des Erstehers abzustellen, mit der er das Verfahren über sein Überbot in Gang setzt und die von ihm rechtmäßigerweise nicht mehr zurückgenommen werden kann.

Dass die Beklagten im vorliegenden Fall bei Abgabe ihres Überbots als redlich anzusehen waren, kann auf der Basis der erstgerichtlichen Feststellungen nicht zweifelhaft sein, wurden sie doch darüber, dass der Kläger unter Berufung auf Ersitzung sein Eigentumsrecht an der Liegenschaft angemeldet hatte, erst später informiert. Die Behauptung des Revisionsgegners, es sei bei der Versteigerungstagsatzung ein „Vertreter“ der Beklagten anwesend gewesen, den diese zur Einholung diverser Informationen vertretungsweise entsandt hätten, ist als unzulässige Neuerung unbeachtlich und auch durch die Tatsachenfeststellungen nicht gedeckt.

Zur Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagten seien im maßgebenden Zeitpunkt des Zuschlags jedenfalls schlechtgläubig gewesen, weil sie nach Abgabe ihres Überbots – im Zusammenhang mit der Aufforderung einer Überweisung auf das Meistbotskonto – von der Behauptung des Rechtserwerbs des Klägers informiert worden seien, ist auf die obige Darlegung zu verweisen, nach der nachträgliche Schlechtgläubigkeit nicht schaden kann, wenn der spätere Erwerber bereits seine letzte zum Zuschlag führende Erklärung abgegeben hat und diese nicht mehr zurücknehmen darf. In diesem Zusammenhang bestimmt § 196 Abs 2 EO eindeutig, dass ein Zurückziehen des Überbots unzulässig ist. Von den Beklagten kann daher auch nicht verlangt werden, zur Wahrung der Interessen des Dritten einen anderen Weg zu suchen, ihr Überbot unwirksam zu machen, wie dies das Berufungsgericht angenommen hat. Da es ihnen im maßgeblichen Zeitpunkt nicht am guten Glauben mangelte, ist es ihnen weder zumutbar, gesetzwidrigerweise vom Erlag der geforderten Sicherheitsleistung (§ 196 Abs 1 Satz 2 und 3 EO) Abstand zu nehmen noch die Einleitung des zum Eigentumserwerb erforderlichen Verfahrens vor der Grundverkehrsbehörde zu unterlassen, zumal die unterlassene Hinterlegung der Sicherheitsleistung zwingend eine Ordnungsstrafe nach sich zieht (§ 196 Abs 1 Satz 5 EO). Nur der Vollständigkeit halber ist weiters darauf hinzuweisen, dass bis zur EO Novelle 2000 die Sicherheitsleistung bereits gleichzeitig mit dem Überbot zu erlegen war; die mit der Novelle angeordnete zeitliche Verschiebung der Leistungspflicht erfolgte allein aus Praktikabilitätserwägungen, sollte aber keineswegs die Möglichkeit schaffen, das Überbot zurückzunehmen (vgl ErläutRV 93 BlgNR 21. GP 49; Breinl in Burgstaller/Deixler Hübner , EO,§§ 195, 196 Rz 1). Schließlich wurde die Sanktion einer Ordnungsstrafe in § 196 Abs 1 EO mit der EO Novelle 2014 sinngemäß auf die Unterlassung der Verbesserung und der Antragstellung bei der Grundverkehrsbehörde ausgedehnt, um dem Ersteher bzw Überbieter ein sanktionsloses Beseitigen seiner eingegangenen Bindung zu erschweren (vgl nur ErläutRV 180 BlgNR 25. GP 9; Angst aaO § 196 Rz 9). Aus all dem ergibt sich die klare Vorstellung des Gesetzgebers, dass es dem Überbieter verwehrt ist, sein einmal wirksam abgegebenes Überbot wieder rückgängig zu machen. Seine maßgebliche Bindung, die er – wie dargestellt – nur durch gesetzwidriges Verhalten wieder beseitigen könnte, ist also bereits mit Abgabe des Überbots eingetreten, das in der Folge ohne weitere (zulässige) Eingriffsmöglichkeiten des Überbieters zum Zuschlag führt. Eine zwischen Abgabe des Überbots und Erteilung des Zuschlags eingetretene Kenntnis von Rechten Dritter kann damit auf den Eigentumserwerb keinen nachteiligen Einfluss haben.

Die vom Berufungsgericht aufgeworfene (und offen gelassene) Frage, ob den Beklagten der Vorwurf gemacht werden kann, sie hätten Nachforschungsobliegenheiten verletzt, deren Erfüllung ihnen bereits vor der Abgabe ihres Überbots Kenntnis des Eigentumsrechts des Klägers verschafft und ihren guten Glauben damit beseitigt hätte, stellt sich nicht, weil die mögliche Schlechtgläubigkeit der Beklagten nur im Rahmen der Einwendungen des Klägers zu prüfen ist.

Da die Beklagten gutgläubig Eigentum an der entgegen dem Grundbuchstand dem Kläger gehörenden Liegenschaft erworben haben, ist das Klagebegehren in Abänderung der Urteile der Vorinstanzen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO. Die für das Verfahren erster Instanz verzeichneten Kosten sind im Sinne der Einwendungen des Klägers zu kürzen, weil Fristerstreckungsanträge und Schriftsätze, mit denen Beweisanträge zurückgezogen werden, nach § 48 Abs 1 ZPO allein der Partei zuzurechnen sind, in deren Sphäre sich der Grund für den Kostenaufwand ereignet hat; das ergänzende Vorbringen in den Schriftsätzen ON 36 und 38 war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zulässig (§ 257 Abs 3 ZPO), die Streitverkündungen betreffen nicht die Rechtsverteidigung in diesem Verfahren. Schließlich hat der Erstbeklagte zu Unrecht einen Streitgenossenzuschlag verzeichnet, obwohl beide Beklagten in erster Instanz nicht von einem gemeinsamen Rechtsanwalt vertreten wurden und ihnen auch nur eine einzige Person als Kläger gegenüberstand. Der Einheitssatz für die Berufung beträgt nur 60 % (vgl § 23 Abs 10 RATG). Die im Rechtsmittelverfahren gemeinschaftlich aufgewendeten Kosten sind je zur Hälfte auf die beiden Beklagten zu verteilen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00261.15M.0621.000