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OGH vom 13.10.2009, 1Ob261/08a

OGH vom 13.10.2009, 1Ob261/08a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Wilhelm R*****, vertreten durch Dr. Roland Gabl, Dr. Josef Kogler, Mag. Harald Papesch und Mag. Helmut Leitner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen 9.600 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.100 EUR), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 138/08d-28, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom , GZ 15 Cg 34/07d-24, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte von der Beklagten 9.600 EUR an Schadenersatz sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Schäden aus der zwischen 1990 und 1992 erfolgten Herstellung eines nicht dem Stand der Technik entsprechenden Dachaufbaus bzw aus der unterlassenen Aufklärung über den nicht dem Stand der Technik entsprechenden Dachaufbau und die anschließende Neueindeckung seines Hausdaches ohne Hinterlüftung.

Die Beklagte wendete unter anderem ein, dass der seinerzeitige Vertragsinhalt nicht mehr bekannt sei und daher nicht festgestellt werden könne, ob sie eine allfällige Warnpflicht über einen nicht dem Stand der Technik entsprechenden Dachaufbau verletzt habe. Darüber hinaus sei der Anspruch längst verjährt, weil bereits im Jahr 2001 ein Primärschaden aufgetreten sei. Ein Feststellungsinteresse sei angesichts der begehrten umfassenden Dachsanierung nicht gegeben.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Kläger habe nicht beweisen können, dass sich die Beklagte einer Vertragsverletzung schuldig gemacht habe, da nicht habe festgestellt werden können, ob der Inhalt des Werkvertrags lediglich die Neueindeckung oder auch die Herstellung eines Kaltdaches gewesen sei, bzw ob die Beklagte nicht über das Erfordernis eines hinterlüfteten Kaltdaches aufgeklärt habe. Die Beklagte sei nur Händler der Dachziegel gewesen. Daher habe sie sich auf die ihr vom Hersteller gegebenen Hinweise verlassen dürfen, sodass ihr keine Verletzung der Prüfpflicht hinsichtlich der Frostsicherheit vorgeworfen werden könne.

Das Berufungsgericht gab der Klage - abgesehen von der Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens - statt; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Kläger habe erstmals mit Vorliegen des Befundes im Beweissicherungsverfahren im Dezember 2006 von der mangelnden Frostsicherheit der Dachziegel und dem fehlenden Kaltdach erfahren. Dass bereits im Jahr 2001 ein Primärschaden eingetreten sei, der den Lauf der Verjährungsfrist in Gang gesetzt hätte, sei durch die Beweisergebnisse nicht gedeckt. Der Schaden sei daher rechtzeitig geltend gemacht worden. Die Beklagte hätte zu beweisen gehabt, dass sie ihre Warnpflicht, nämlich dass bei einem ausgebauten Dachboden ein hinterlüftetes Kaltdach, Zu- und Abluftöffnungen bzw eine Dampfsperre oder -bremse vorzusehen seien, erfüllt habe. Die entsprechende Negativfeststellung des Erstgerichts gehe daher zu ihren Lasten. Bei Verletzung der Warnpflicht habe der Unternehmer den aus dieser Unterlassung entstehenden Schaden zu ersetzen. Dieser Schaden liege im gegebenen Fall darin, dass es mangels Ausführung eines hinterlüfteten Kaltdaches zu Frostschäden an den Dachziegeln gekommen bzw diese verstärkt worden seien, was die Sanierung und Neueindeckung des Daches erforderlich mache. Die Beklagte hafte nicht nur wegen ihrer Warnpflichtverletzung, sondern auch wegen verschuldeter Nichterfüllung des Werkvertrags. Sie hätte die Errichtung eines frostsicheren Daches geschuldet. Gemäß § 1298 ABGB hätte die Beklagte zu beweisen gehabt, dass sie an der Nichterfüllung der geschuldeten Erfolgsverbindlichkeit kein Verschulden treffe. Dieser Beweis sei nicht erbracht worden. Die Beklagte habe den Sorgfaltsmaßstab eines Fachmanns gemäß § 1299 ABGB zu vertreten. Wenn auch grundsätzlich richtig sei, dass Zertifikate existierten, die die Frostsicherheit der Dachziegel bestätigten, habe die Beklagte aber keinerlei Behauptungen aufgestellt, dass sie diese eingesehen habe bzw von diesen Zertifikaten zum Zeitpunkt des Eindeckens des Hauses des Klägers überhaupt gewusst habe. Sie habe daher nicht nachgewiesen, dass sie ihre Prüf- und Kontrollpflichten eingehalten habe bzw keine Zweifel an der Frostsicherheit der verarbeiteten Dachziegel haben musste. Die Beklagte habe daher den Beweis nicht erbracht, dass sie an der Nichterfüllung des Vertrags kein Verschulden treffe. Sie hafte für die Kosten der Neueindeckung des Hauses des Klägers von 9.600 EUR. Da weitere Schäden am Gebäude und an der Dachstuhlkonstruktion nicht auszuschließen, diese aber von außen (ohne Demontage) nicht ersichtlich seien, sei auch dem Feststellungsbegehren stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Die Revisionswerberin macht geltend, dass sich das Berufungsgericht nicht mit dem Einwand „neu für alt" auseinandergesetzt habe. Der Anspruch sei verjährt, weil der Kläger bei angemessenen Erkundigungen bereits früher Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit des Daches hätte erlangen können, wobei der Schadenseintritt im Jahr 2000 als ein die Verjährungsfrist auslösender Primärschaden anzusehen sei. Das Feststellungsbegehren sei nur in Bezug auf weitere Schäden (neben dem Leistungsbegehren) zulässig. Der Vorwurf mangelnden Vorbringens betreffend Kontrollpflichten und Einsichtnahme in Zertifikate über die Dachziegel sei für die Beklagte unvorhersehbar iSd § 182a ZPO gewesen. Das Berufungsgericht erhöhe weiters entgegen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs den Sorgfaltsmaßstab eines Werkunternehmers.

1. Erkundigungsobliegenheit:

Gemäß § 1489 ABGB ist jede Entschädigungsklage in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schaden und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt wurde. Zum Vorliegen eines Schadens wird auch eine Erkundigungsobliegenheit des Geschädigten angenommen, doch darf sie nicht überspannt werden (Dehn in KBB2 § 1489 ABGB Rz 3 mwN). Bei der Frage des Ausmaßes der Erkundungspflicht des Geschädigten über den die Verjährungsfrist auslösenden Sachverhalt kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an (RIS-Justiz RS0113916).

Soweit die Beklagte geltend macht, dass der Kläger bei angemessenen Erkundigungen bereits früher (2000/2001) Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit des Daches hätte erlangen können, ist ihr die Feststellung der Tatsacheninstanzen entgegen zu halten, dass ein Fehler im Dachausbau für den Kläger erst im Dezember 2006 erkennbar war, weil ein solcher nur von einem Fachmann, der über gute bauphysikalische Kenntnisse verfügt, erkennbar gewesen wäre. Es würde die Erkundigungsobliegenheit des Klägers überspannen, wollte man ihm derartige - nicht erwiesene - Kenntnisse abverlangen. Der Verjährungseinwand der Beklagten erweist sich somit als unberechtigt.

2. Feststellungsbegehren:

Die Verbindung von Leistungs- und Feststellungsbegehren ist dann zulässig, wenn bereits ein Teil des Schadens eingetreten, aber der Eintritt oder die Höhe künftiger Schäden noch nicht bekannt ist; dann lautet das Feststellungsbegehren auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftig noch eintretende weitere Schäden aus dem bestimmt zu bezeichnenden Schadensereignis (Fasching in Fasching/Konecny2 § 228 ZPO Rz 112 mwN). Art und Umfang der Mängel dürfen daher noch nicht bekannt sein (vgl 6 Ob 28/02i) bzw der zu erwartende Nachteil darf sich noch nicht abschätzen lassen, widrigenfalls das Feststellungsinteresse zu verneinen wäre (Fasching, aaO Rz 101).

Im vorliegenden Fall begehrte der Kläger neben den vollen Sanierungskosten (Neudeckung) die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Schäden aus der Herstellung eines nicht dem Stand der Technik entsprechenden Dachaufbaus. Das rechtliche Interesse ist aber nur für die Feststellung künftiger (weiterer) Schäden zu bejahen. Das Berufungsgericht spricht auf Seite 12 seiner Entscheidung auch ausdrücklich von weiteren Schäden, welche Einschränkung zur Klarstellung auch in den Spruch aufzunehmen wäre. Zuvor wird aber mit den Parteien zu erörtern bzw vom Kläger klarzustellen sein, wie das Feststellungsbegehren zu verstehen ist bzw verstanden werden sollte.

3. „Überraschungsentscheidung":

Da die Entscheidungen der Vorinstanzen aus den im folgenden Punkt 4. genannten Gründen ohnehin aufzuheben sind, erübrigen sich Ausführungen zur behaupteten Verletzung des § 182a ZPO. Im Übrigen bedurfte es aber schon deshalb keines Vorbringens der Beklagten zum Thema „Kontrollpflichten und Einsichtnahmen in Zertifikate betreffend die auf dem Dach aufgebrachten Dachziegel", weil das Berufungsgericht zutreffend - und in der Revision unbekämpft - die Verletzung der Aufklärungspflicht durch die Beklagte in Bezug auf die Notwendigkeit der Ausführung eines hinterlüfteten Kaltdaches bejahte, woraus sich Frostschäden an den Dachziegeln ergaben und damit die Haftung der Beklagten. Aus diesem Grund kann ein Eingehen auf die von der Revisionswerberin thematisierte Frage des Sorgfaltsmaßstabs im Zusammenhang mit der Materialauswahl unterbleiben.

4. „Neu für alt":

Der Geschädigte hat nur Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens, er darf durch die Ersatzleistung weder schlechter noch besser als vor dem Schadensereignis gestellt werden. Erfordert die Zerstörung der Sache durch das schädigende Ereignis eine Neuanschaffung, dann hat der Geschädigte grundsätzlich Anspruch auf Wiederherstellung. Wird aber als Nebeneffekt die schadhafte Sache nun in einen besseren Zustand gebracht, der dem Geschädigten objektiv in Geld bewertbare Vorteile bietet, so hat der Ersatzberechtigte dieses Mehr nach dem Grundsatz „neu für alt" abzugelten. (10 Ob 31/00g mwN).

Im vorliegenden Fall machte der Kläger zunächst Sanierungskosten von 17.299,20 EUR geltend, worin bereits ein Abzug „neu für alt" im Umfang eines Fünftels berücksichtigt war. Die Beklagte wandte ein, dass dieser Abzug deutlich zu wenig sei, da unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Lebensdauer eines Ziegeldaches von 30 Jahren bei einem zumindest 15 Jahre alten Dach jedenfalls die Hälfte der Neuerrichtungskosten unter diesem Gesichtspunkt zur Anrechnung zu bringen wären. Die nachfolgende Klagseinschränkung auf 9.600 EUR orientierte sich an den vom Sachverständigen - ohne Abzug „neu für alt" - ermittelten Sanierungskosten.

Das Berufungsgericht hat sich mit dem Einwand „neu für alt" nicht auseinandergesetzt und die ungekürzten Sanierungskosten zugesprochen. Dies ist zur Wahrung der Rechtssicherheit aufzugreifen (vgl 10 Ob 31/00g).

Der Revision der Beklagten ist daher Folge zu geben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind aufzuheben, die Rechtssache ist zur Ergänzung des Verfahrens zur Klärung der durchschnittlichen „Lebensdauer" des Daches - allenfalls durch Ergänzung des Sachverständigengutachtens - und des daraus zu ermittelnden Abzugs „neu für alt", sowie zur Erörterung des Feststellungsbegehrens mit den Parteien (vgl oben Pkt. 2) an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.