OGH vom 23.01.2013, 3Ob221/12i

OGH vom 23.01.2013, 3Ob221/12i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Dr. G*****, vertreten durch Dr. Stephan Duschel und Mag. Klaus Hanten, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. W*****, Rechtsanwalt, *****, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, und der Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei 1. A*****, und 2. U*****, beide vertreten durch die Marschall Heinz Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wegen 66.660 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 67/12x 29, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 56 Cg 91/11f 21, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger als Eigentümer einer Liegenschaft, auf dem ein Wohn- und Geschäftshaus errichtet war, brachte am gegen die A GmbH, die in den gemieteten Räumlichkeiten eine ursprünglich vom Zweitnebenintervenienten eingerichtete Kfz Werkstätte betrieb, eine Räumungsklage ein. Mit Beschluss vom wurde über das Vermögen der A-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Das gemäß § 7 IO unterbrochene Räumungsverfahren wurde auf Antrag des Klägers gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter der A GmbH fortgesetzt. Am schlossen der Kläger und der Beklagte als Insolvenzverwalter einen Räumungsvergleich, in dem sich letzterer zur Räumung bis zum verpflichtete. Eine Vereinbarung, dass der Mietgegenstand in Anwesenheit des Klägers geräumt werden oder dass die Räumung an einem bestimmten Tag stattfinden sollte, wurde nicht getroffen. Der Beklagte wusste nichts von der problematischen Gesamtsituation, die zwischen dem Kläger und den Nebenintervenienten bestand. Der Zweitnebenintervenient, der Werkstättenleiter und langjährig gewerberechtlicher Geschäftsführer der Schuldnerin war und deren Geschäfte bis zur Insolvenzeröffnung auch tatsächlich führte, räumte aufgrund des Räumungsvergleichs die Liegenschaft von den versteigerten und allen weiteren Fahrnissen, baute dabei auch ein Vordach im Hof der Liegenschaft, eine Stiege zum Dachboden samt Dachbodentür, eine Rollverkleidung im Hofbereich, die einen eigenen Raum geschaffen hatte, die Stromzuleitung zum Bremsprüfstand, als Stützen eingesetzte Holzstaffeln im Nebengebäude und eine abgehängte Decke im Büro ab. Nach erfolgter Räumung überbrachte er dem Rechtsvertreter des Klägers den Schlüssel zum Objekt.

Der Kläger begehrt nun vom Beklagten Ersatz in Höhe von 66.660 EUR sA. Der Beklagte hätte als Insolvenzverwalter dafür Sorge tragen müssen, dass nur jene Sachen entfernt werden, die im Eigentum der Insolvenzschuldnerin stehen, nicht aber dem Kläger gehörende Gegenstände. Der vom Beklagten mit der Räumung beauftragte Zweitnebenintervenient sei dessen Erfüllungsgehilfe bei der Durchführung der Räumung gewesen. Zur Sanierung und Wiederherstellung seien im Einzelnen bezeichnete Aufwendungen in Höhe des begehrten Betrags notwendig.

Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, dass er nicht Vertragspartner des Klägers geworden sei. Mit der Durchführung der Räumung habe er den gewerberechtlichen Geschäftsführer und Werkstättenleiter der Insolvenzschuldnerin beauftragt; er habe darauf vertrauen können, dass die Räumung ordnungsgemäß durchgeführt werde. Eine persönliche Aufsichts oder Sorgepflicht des Insolvenzverwalters bestehe bei Durchführung einer Räumung nicht; wenn eine solche bestehe, habe er sie nicht verletzt. Der Kläger habe nie den Wunsch geäußert, bei der Räumung anwesend zu sein. Von den Streitigkeiten zwischen dem Kläger und dem Zweitnebenintervenienten habe der Beklagte nichts gewusst.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte, der als Insolvenzverwalter nur für eine pflichtwidrige Führung seines Amtes hafte, habe keine insolvenzspezifischen Pflichten gegenüber dem Kläger als Bestandgeber verletzt.

Das Berufungsgericht bestätigte und ließ die Revision im Hinblick auf die Einzelfallbezogenheit nicht zu. Für die Verletzung von Vertragspflichten des Schuldners, für deren Erfüllung er Sorge zu tragen habe, habe der Insolvenzverwalter lediglich dann persönlich einzustehen, wenn die vertraglich geschuldete Leistung mit seinen insolvenztypischen Amtspflichten korrespondiere. Es sei nicht zu ersehen, welche insolvenztypischen Amtspflichten der Beklagte im Zusammenhang mit der Räumung der Liegenschaft des Klägers verletzt habe. Auch wenn sie durch einen Räumungsvergleich tituliert gewesen sei, resultiere die Verpflichtung zur Räumung aus dem Bestandverhältnis der Schuldnerin und des Klägers. Der Beklagte habe die Räumung nicht persönlich geschuldet. Bei der Räumung handle es sich nicht um eine Tätigkeit, die der Insolvenzverwalter im Sinn des § 81 Abs 2 IO selbst auszuüben habe oder unter seiner persönlichen Aufsicht durchführen lassen müsse.

Das Vorbringen des Klägers in seiner außerordentlichen Revision lässt sich dahin zusammenfassen, dass es zu den insolvenzspezifischen Pflichten eines Insolvenzverwalters gehöre, sich um die sorgfältige und ordnungsgemäße Räumung eines Objekts zu kümmern; dazu gehöre insbesondere eine Pflicht zur organisatorischen Mitwirkung, die unter anderem darin bestehe, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, welche Gegenstände tatsächlich der Masse zugehörig seien und welche im Eigentum des Vermieters stünden, weil der Insolvenzverwalter nur so die Masse vor dem Entstehen vermeidbarer Schadenersatzforderungen aus unsorgfaltsgemäßer, in fremdes Eigentum eingreifender Räumung schützen könne. Insoweit habe der Insolvenzverwalter auch für die Eingriffe der von ihm mit der Räumung beauftragten Personen in fremdes Eigentum einzustehen. Im Übrigen sei auch kein gerechtfertigter Grund ersichtlich, warum der Insolvenzverwalter keinen Übergabetermin vereinbart habe.

Rechtliche Beurteilung

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) dargestellt.

1. Auch wenn das Insolvenzverfahren bereits vor dem Inkrafttreten des IRÄG 2010 (BGBl I 2010/29) eröffnet worden war, werden hier die in § 275 IO angeführten Begriffe verwendet; weiters wird auf die inhaltlich unverändert gebliebenen Bestimmungen der IO Bezug genommen.

2. Auch die Wahrung von Aussonderungsansprüchen wegen Fremdeigentums gehört zu den insolvenzspezifischen Pflichten des Insolvenzverwalters. So hat der Oberste Gerichtshof in der E 8 Ob 11/89 = SZ 63/138 ausgesprochen, dass der Insolvenzverwalter dann, wenn aufgrund von allgemeinen Erfahrungssätzen eine große Wahrscheinlichkeit besteht, dass Betriebsmittel im Fremdeigentum stehen, verpflichtet ist, sich vor der Verwertung von Betriebsmitteln der Masse zunächst zu vergewissern, dass diese Sachen Massevermögen und nicht Fremdeigentum sind. Auch im Rahmen insolvenzspezifischer Pflichten treffen den Insolvenzverwalter aber nur ausnahmsweise Nachforschungs pflichten in Richtung Fremdeigentum ( Shamiyeh , Die zivilrechtliche Haftung des Masseverwalters [1995] 70; Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert §§ 81, 81a KO Rz 20), etwa wenn eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ dafür besteht (8 Ob 11/89).

Der Kläger gesteht in seinem Rechtsmittel zu Recht zu, dass eine physische Mitwirkung des Insolvenzverwalters an der Räumung nicht verlangt werden kann. Typischerweise beauftragt der Insolvenzverwalter dritte Personen mit einer Räumung. Auch wenn der Insolvenzverwalter hier organisatorische und informationelle Vorkehrungen treffen muss, muss er nicht damit rechnen, dass der in concreto mit der Räumung beauftragte Zweitnebenintervenient, der mit den Verhältnissen der Schuldnerin vertraut war, mit hoher Wahrscheinlichkeit unselbständige Bestandteile des Gebäudes „miträumt“.

3. Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen könnte sich eine Haftung des Insolvenzverwalters auf der Grundlage sorgfaltswidrigen Handelns ergeben. Ein solches Verhalten des Beklagten ist den Feststellungen nicht zu entnehmen: Er wurde nicht über das spezifische Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Zweitnebenintervenienten informiert; der Kläger hat den Beklagten auch nicht auf den Umfang seines Eigentums in den Bestandräumlichkeiten und spezielle Gesichtspunkte, die bei der Räumung zu berücksichtigen wären, hingewiesen. Grundlagen für eine Haftung nach § 1315 ABGB sind nicht zu erkennen.

4. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision der klagenden Partei als unzulässig zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2013:0030OB00221.12I.0123.000