OGH vom 16.03.2004, 4Ob26/04h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** AG, *****, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagten Parteien 1. "E*****" d.o.o. *****, 2. "E*****" ***** KEG, *****, beide vertreten durch Dr. Walter Panzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 49.000 EUR), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 2 R 162/03p-18, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 34 Cg 10/03g-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss wie folgt zu lauten hat:
"Einstweilige Verfügung
Zur Sicherung des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs wird der Beklagten aufgetragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, an Dritte Eintragungsofferte mit bereits ausgefülltem Zahlschein zu senden, ohne auf einem solchen Schreiben und auf dem beigefügten Zahlschein einen unmissverständlichen und auch grafisch deutlich ausgeführten Hinweis anzubringen, dass es sich bei dem Schreiben nur um ein Angebot zur Eintragung in ein privates Verzeichnis handelt, und dass eine Eintragung auf für die Adressaten freiwilliger Basis erfolgt."
Die klagende Partei hat die Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen vorläufig, die beklagten Parteien haben die Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen endgültig selbst zu tragen.
II. Die beim Handelsgericht Wien eingebrachte und am beim Obersten Gerichtshof eingelangte "Rekursbeantwortung" der Beklagten wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Verlegerin, Medieninhaberin und Herausgeberin eines Verzeichnisses aller erfassbaren Telefonteilnehmer und Unternehmen Österreichs. Dieses Verzeichnis mit dem Titel "Superpages" erscheint in Regionalausgaben mit jeweils folgender Gliederung: Weiße Seiten (alle erfassbaren Telefonteilnehmer einer Region), Gelbe Seiten (alle erfassbaren Unternehmen dieser Region) und alphabetische Auflistung aller im Verzeichnis erfassten Unternehmen. Alle erfassbaren Unternehmen sind im Verzeichnis der Klägerin mit einem kostenfreien Eintrag innerhalb ihrer jeweiligen Branche enthalten; eine hervorgehobene Eintragung sowie die Schaltung von Anzeigen erfolgt auf Bestellung gegen Entgelt.
Die Erstbeklagte ist einzige persönlich haftende Gesellschafterin der Zweitbeklagten. Sie bewirbt in von der Zweitbeklagten versendeten Schreiben an inländische Unternehmen die Eintragung in ein "Register für Handel Gewerbe und Industrie mit Ecodatasystem". Das Schreiben hat insgesamt das Format A 4 und besteht zur Hälfte aus einem durch Perforierung dem Textteil abtrennbar angeschlossenen und größtenteils bereits ausgefüllten Zahlschein; es hat in seinem Textteil beispielsweise folgendes Aussehen (verkleinerte Abbildung):
Nach Beanstandung der Aussendung durch den Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb wurde diese in ihrem Textteil geringfügig abgeändert; dieser hatte sodann - noch vor Einbringung der Klage samt Sicherungsantrag - beispielsweise folgendes Aussehen (verkleinerte Abbildung):
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, an Dritte Eintragungsofferte mit bereits ausgefülltem Zahlschein zu senden, ohne auf einem solchen Schreiben und auf dem beigefügten Zahlschein einen unmissverständlichen und auch grafisch deutlich ausgeführten Hinweis anzubringen, dass es sich bei dem Schreiben nur um ein Angebot zur Eintragung in ein privates Verzeichnis handelt, und dass eine Eintragung auf für die Adressaten freiwilliger Basis erfolgt.
Zwischen den Streitteilen bestehe ein Wettbewerbsverhältnis. Das beanstandete Schreiben erwecke durch seine grafische Gestaltung und den beigefügten, bereits ausgefüllten Zahlschein den tatsachenwidrigen Eindruck, es handle sich um eine Rechnung für eine schon in Auftrag gegebene Eintragung in das Register der Beklagten, obwohl es sich um ein bloßes Angebot handle. Auch gewännen die Adressaten den unrichtigen Eindruck, eine Einzahlung des im Zahlschein vorgedruckten Betrags wäre im Hinblick auf die Firmenbucheintragung notwendig. Der Tatbestand des § 28a UWG sei erfüllt.
Die Beklagten beantragten, den Sicherungsantrag abzuweisen. Es bestehe kein Wettbewerbsverhältniss zur Klägerin, weil die Streitteile keine gleichartigen, sondern einander ergänzende Leistungen erbrächten. Das Angebot der Beklagten beziehe sich nicht auf eine Eintragung des Empfängers in ein Register, sondern auf die Zurverfügungstellung eines umfassenden und jeweils auf aktuellen Stand gebrachten Registers über Unternehmen in Deutschland und Österreich mittels Übersendung einer CD-ROM und eines Codes zum Abruf der aktualisierten Daten, sohin auf die Gewährung eines Zugriffs auf diese Datei, in der der Empfänger bereits (kostenlos) eingetragen sei. Die Klägerin biete demgegenüber keine im Firmenbuch enthaltene Daten an. Im Schreiben werde unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass ein entgeltlicher Zugriff auf eine bestimmte Datei angeboten werde. Auch hätten die Beklagten sämtliche Bedenken gegen ihre Aussendung durch deren textliche Abänderung noch vor Einbringung der Klage ausgeräumt. Damit fehle dem Sicherungsbegehren jede Grundlage.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zwischen den Streitteilen bestehe ein Wettbewerbsverhältnis, weil beide für Eintragungen von Firmen in ein Firmenverzeichnis würben und sich damit an einander zumindest überschneidende Verkehrskreise wendeten. Die Aussendung der Beklagten in ihrer ursprünglichen Form verstoße gegen § 28a UWG. Mit der Formulierung "Wir teilen Ihnen mit, dass Ihre Firma mit nachstehendem Wortlaut im Firmenbuch eingetragen und in das Ecodata System im Internet übertragen wird" werde der Eindruck erweckt, dass es sich bei dem am Erlagschein aufscheinenden Betrag um für Firmenbucheintragungen notwendige Kosten handle. Auch der Titel "Register für Handel und Gewerbe", die detailliert wiedergegebene Firmenbucheintragung und das Wort "Kostenbeitrag" vermittelten den Eindruck, dass es sich um ein amtliches Schreiben handle. Zwar gehe aus dem Kleingedruckten bei sorgfältigem Durchlesen hervor, dass man als Gegenleistung für das Entgelt eine CD-ROM erhalte, die den Zugriff auf das beworbene Register ermögliche, doch werde dadurch ein unrichtiger Eindruck des Schreibens nicht ausgeschlossen. Allerdings hätten die Beklagten den Text der Aussendung noch vor Zustellung der Klage abgeändert und dadurch deren Irreführungseignung behoben. Für das Vorliegen von Wiederholungsgefahr sei die Klägerin behauptungs- und beweispflichtig; sie habe dazu keine besonderen Umstände dargetan, weshalb vom Wegfall der Wiederholungsgefahr auszugehen sei.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Abweichens von höchstgerichtlicher Rechtsprechung unzulässig sei. Dass unmittelbar vor Zustellung der Klage (offenbar unter dem Eindruck des Schreibens des Schutzverbandes gegen unlauteren Wettbewerb) eine Änderung des Textes der Aussendung vorgenommen worden sei, widerlege die Vermutung des Bestehens einer Wiederholungsgefahr nicht, bestehe doch ohne entsprechende Unterlassungsverpflichtung keine Gewähr dafür, dass sich die Erstbeklagte in ihren Aussendungen künftig nicht wieder der früheren Formulierungen bedienen werde. Es könne jedoch offenbleiben, inwieweit auch die abgeänderte Gestaltung der Aussendung gegen § 28a UWG verstoße, weil kein Konkurrenzverhältnis zwischen den von den Streitteilen angebotenen Leistungen vorliege. Nach der Rechtsprechung (ÖBl 1997, 78 - CD-ROM) bestehe kein Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Verleger einer Publikation mit den wesentlichen Angaben aus dem Firmenbuch und dem Herausgeber eines Branchenverzeichnisses. Ein Branchenverzeichnis gäbe im Wesentlichen Auskunft darüber, welche Unternehmen von welchem Standort aus bestimmte Leistungen anböten, ohne den Bedarf an aus dem Firmenbuch zu entnehmenden Informationen befriedigen zu können. Dem Firmenbuch (und der von der Erstbeklagten angebotenen CD-ROM) seien der genaue Firmenwortlaut von Unternehmen, deren Firmenbuchnummer, Vertretungsbefugnisse uä zu entnehmen. Ein Telefonbuch hingegen biete keine Leistung, an der ein wirtschaftliches Interesse bestehe. Damit sei davon auszugehen, dass das Angebot der Erstbeklagten (Firmenbuchdaten) den Absatz der Klägerin nicht beeinträchtigen könne und ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien nicht bestehe. Damit sei die Klägerin zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs nach § 34 Abs 3 iVm § 14 Abs 1 UWG nicht legitimiert.
Rechtliche Beurteilung
I. Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zum Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses widerspricht; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Streitteile wendeten sich mit ihren Leistungen (Eintragung in ein Verzeichnis mit Unternehmens-Daten) an einen im wesentlichen gleichen Kundenkreis, nämlich an Unternehmen, die - gegen Zahlung eines Entgelts - in den jeweiligen Verzeichnissen vertreten sein wollten. Abzustellen sei dabei auf den Eindruck, den die Adressaten bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit von der beworbenen Leistung gewinnen müssten. Das Verzeichnis der Klägerin enthalte auch Daten, die im Verzeichnis der Beklagten enthalten seien. Dazu ist zu erwägen:
Das Wettbewerbsrecht will nur dasjenige geschäftliche Tun erfassen, das geeignet ist, die Wettbewerbslage irgendwie zu beeinflussen, also den oder die Mitbewerber in irgendeiner Weise berührt (Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht³ § 23 Rz 10 mwN). Ob ein Wettbewerbsverhältnis besteht, ist nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen (ÖBl 1998, 26 - Entec 2500; ÖBl 1999, 179 - Print & Publishing; ÖBl-LS 2003/122 - Mostheuriger).
Ein Wettbewerbsverhältnis wird nach ständiger Rechtsprechung immer dann bejaht, wenn sich die beteiligten Unternehmer an einen im Wesentlichen gleichen Abnehmerkreis wenden, wobei es genügt, dass die von ihnen vertriebenen Waren (oder Leistungen) ihrer Art nach miteinander in Konkurrenz treten und einander nach der Verkehrsauffassung im Wettbewerb behindern können (ÖBl 1992, 265 - Product-Placement; ÖBl 1994, 217 - Satellitenprogramm je mwN; wbl 2000, 386).
Der in § 14 UWG gebrauchte Begriff "verwandter Art" ist weit auszulegen; "verwandter Art" sind alle Waren und Leistungen, die geeignet sind, das gleiche Verkehrsbedürfnis zu befriedigen, und deshalb in Konkurrenz zueinander treten und sich im Absatz beeinträchtigen können; es genügt, dass sich die Parteien um denselben Kundenkreis bemühen (ÖBl 1992, 267 - Product-Placement; wbl 2000, 386; ÖBl-LS 2001/132 - V-GmbH II). Der Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses steht nicht entgegen, dass die Betätigungsgebiete zweier Unternehmen nicht zur Gänze zusammenfallen, die jeweiligen Angebote also nur teilkongruent sind. Die Geschäftsbetriebe zweier Unternehmen müssen nicht in der Hauptsache übereinstimmen; es genügt, wenn dies teilweise der Fall ist (ÖBl 1991, 221 - Nachschlüssel mwN), die Kreise einander also schneiden (MR 1996, 194 = ÖBl 1997, 78 - CD-ROM; MR 1998, 163 = ÖBl 1998, 300 - Schneefall am Heiligen Abend; ÖBl-LS 2001/132 - V-GmbH II).
Nach diesen Grundsätzen liegt ein Wettbewerbsverhältnis zwischen Klägerin und Erstbeklagter schon deshalb vor, weil sie beide Verzeichnisse mit Daten inländischer Unternehmen herausgeben, bei denen zwar die Aufnahme in das Verzeichnis selbst unentgeltlich ist, vom Unternehmen gewünschte Zusatzleistungen (bei der Klägerin: eine hervorgehobene Eintragung und/oder Inserate; bei der Erstbeklagten: Einsichtsrecht in das Verzeichnis) jedoch jeweils nur gegen Entgeltzahlung möglich sind. Damit stehen Klägerin und Erstbeklagte im Wettbewerb um entgeltliche Zusatzleistungen in zur Veröffentlichung bestimmten Unternehmer-Verzeichnissen, mögen die darin jeweils enthaltenen Daten auch nicht zur Gänze deckungsgleich sein.
Der vom Rekursgericht herangezogenen Entscheidung ÖBl 1997, 78 - CD-ROM lag ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Die dortige Beklagte gab ein Branchenverzeichnis auf CD-ROM heraus, das sie gratis verteilte, die Klägerin verlegte die Publikation "Firmenbuch Österreich". Zu beurteilen war dabei, ob die Verzeichnisse der Streitteile substituierbar sind, also dieselben Bedürfnisse befriedigen und denselben Abnehmerkreis ansprechen; dies wurde aus Sicht der Benutzer - zutreffend - verneint. Hier stehen die Streitteile hingegen im Wettbewerb um Unternehmen, die an Zusatzleistungen im Zusammenhang mit einer Eintragung in öffentlich zugänglichen Verzeichnissen interessiert sind, nämlich an einer hervorgehobenen Eintragung in den "Superpages" und/oder einer Eintragung im Register der Beklagten. Das Wettbewerbsverhältnis ist demnach zu bejahen.
Bei Beurteilung der Irreführungseignung im Zusammenhang mit § 28a UWG legt der erkennende Senat einen strengen Maßstab zugrunde (vgl dazu zuletzt ausführlich 4 Ob 173/03z mwN). Danach handelt unlauter, wer im Zusammenhang mit der Anbahnung einer neuen Geschäftsbeziehung unter Verwendung von Zahlscheinen oder ähnlichen Drucksorten wirbt, ohne in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise darauf hinzuweisen, dass es sich lediglich um ein privates Vertragsangebot handelt. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist es keineswegs ausgeschlossen, dass ein durchschnittlich aufmerksamer, verständiger Empfänger das beanstandete Schreiben der Beklagten - auch in seiner späteren Fassung - für eine amtliche Vorschreibung hält, zumal der Hinweis, dass es sich um ein unverbindliches Angebot handle, nur sprachlich verstümmelt und an versteckter Stelle im Kleingedruckten enthalten ist. Die Revisionsrekursbeantwortung enthält zu diesem Thema im übrigen keinerlei Ausführungen.
Der zu sichernde Unterlassungsanspruch erweist sich als berechtigt. Dem Revisionsrekurs ist deshalb Folge zu geben und die einstweilige Verfügung zu erlassen.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.
II. Nach dem Grundsatz der "Einmaligkeit des Rechtsmittels" steht jeder Partei im Rechtsmittelverfahren nur ein Schriftsatz zu (Kodek in Rechberger, ZPO² vor § 461 Rz 12 mwN). Die beim Handelsgericht Wien eingebrachte und am beim Obersten Gerichtshof eingelangte - als "Rekursbeantwortung" bezeichnete - Revisionsrekursbeantwortung der Beklagten war im Hinblick auf die schon am beim Obersten Gerichtshof eingelangte "Rekursbeantwortung" (richtig: Revisionsrekursbeantwortung) zurückzuweisen.