OGH vom 14.02.2007, 7Ob253/06s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Michael H*****, geboren am , *****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger ua, Rechtsanwälte in Wien, und des Antragsgegners Edmund H*****, vertreten durch Korn Frauenberger Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom , GZ 20 R 123/06p-25, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom , GZ 1 FAM 15/05t-20, abgeändert wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der am geborene Antragsteller ist der eheliche Sohn des Antragsgegners. Er lebt unstrittig bei seiner Mutter. Vom bis leistete er seinen ordentlichen Zivildienst ab. Der Antragsgegner bezog im Jahr 2005 ein Durchschnittsnettoeinkommen von rund EUR 2.858 monatlich (inklusive Sonderzahlungen, Gewerkschaftsbeitrag, abzüglich Fahrtkostenersatz). Seine steuerpflichtigen Bezüge betrugen im Jahr 2005 EUR 39.696,66. Er ist auch noch für seine (uneheliche) Tochter, geboren am und für einen (weiteren) Sohn, geboren am gesetzlich sorgepflichtig. An Martina leistet er monatlich Unterhaltszahlungen von EUR 250.
Das Erstgericht gab dem vom Antragsteller zu Beginn seines Zivildienstes gestellten Antrag, den Unterhalt ab mit monatlich EUR 300 festzusetzen, teilweise statt. Es erkannte den Antragsgegner schuldig, dem Antragsteller vom bis einen Unterhaltsbeitrag von EUR 247 und ab einen Unterhaltsbeitrag von EUR 125 zu bezahlen und wies die Mehrbegehren von monatlich EUR 53 bzw EUR 175 für diese Zeiträume - unangefochten und daher rechtskräftig - ab.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss im antragsabweisenden Sinne ab. Bei einem Präsenz-/Zivildiener gehe die Rechtsprechung angesichts der durch den Dienst beim Bundesheer oder durch den Zivildienst bezogenen Geld- und Sachleistungen davon aus, dass er „bei durchschnittlich zu bewertenden Lebensverhältnissen" als selbsterhaltungsfähig anzusehen sei. Überdurchschnittliche Lebensverhältnisse des Antragstellers und des Antragsgegners seien hier aber gerade noch nicht anzunehmen.
Der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 62 Abs 1 AußStrG sei zulässig, weil der Frage, „wann eine Selbsterhaltungsfähigkeit des zivildienstausübenden unterhaltsberechtigten Kindes unter Berücksichtigung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen und den daraus abzuleitenden Lebensverhältnissen besteht", eine über den Einzelfall hinausgehende, zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukomme.
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Antragstellers, der die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes anstrebt, ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes (§ 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Von seinem nach der Prozentmethode ermittelten, knapp über dem Regelbedarf liegenden rechnerischen Unterhaltsanspruch von EUR 470 ausgehend, macht der Antragsteller geltend, es sei nicht gerechtfertigt, ihm - bei „gutem Verdienst" seines Vaters - keine Unterhaltszahlungen zuzuerkennen, wenn man berücksichtige, dass die monatlichen Geldbeträge, die ein Zivildiener erhalte, nach allgemeiner Lebenserfahrung „nicht einmal ansatzweise" ausreichten, um selbst bei einfachster Lebensführung die wirtschaftlichen Bedürfnisse abzudecken. Was die Zulässigkeit seines Rechtsmittels betrifft, beschränkt sich der Revisionsrekurswerber darauf, die Zulassungsbegründung des Rekursgerichtes wiederzugeben. Demgegenüber weist der Antragsgegner - zutreffend - darauf hin, dass der (vom Elternhaus nicht losgelöst lebende) Unterhaltsberechtigte während der Ableistung des Präsenz-/Zivildienstes nach herrschender Ansicht nur dann nicht selbsterhaltungsfähig wird, wenn der Unterhaltsverpflichtete in weit überdurchschnittlichen Verhältnissen - wie etwa bei einem Einkommen des Unterhaltspflichtigen über S 50.000 (= EUR 3.633,64) netto monatlich - lebt (Neuhauser in Schwimann³ § 140 ABGB Rz 96 und Gitschthaler, Unterhaltsrecht 179 Rz 339 f jeweils mwN [insb auf 1 Ob 262/99g = ÖA 2000, 214]; vgl auch Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht³ 86):
Der Oberste Gerichtshof hat nämlich zur Selbsterhaltungsfähigkeit eines Präsenzdieners (Wehrpflichtiger iSd HGG) schon in den Entscheidungen 6 Ob 530/93, 7 Ob 541/93 und 4 Ob 517/96 Stellung genommen und ist dabei zum Ergebnis gelangt, der unterhaltsberechtigte Präsenzdiener sei zufolge der vom Bundesheer bezogenen Geld- und Sachleistungen (§§ 3, 12, 13, 16 HGG) bei durchschnittlich zu wertenden Lebensverhältnissen als selbsterhaltungsfähig anzusehen (RIS-Justiz RS0047475; 1 Ob 262/99g mwN). Auch in der Entscheidung 1 Ob 2307/96p (SZ 70/8) wurde ausgeführt, der Antragsteller habe (wenn er vor Antritt des Präsenzdienstes in einfachen Verhältnissen lebt und unter Berücksichtigung des Monatsgelds und der ihm vom Bund zukommenden Sachleistungen über ein Einkommen verfügt, das den bei einfachen Lebensverhältnissen maßgeblichen Ausgleichszulagenrichtsatz übersteigt) durch den Antritt des Präsenzdienstes mit der dadurch eintretenden, bloß vorübergehenden Einkommensminderung seine Selbsterhaltungsfähigkeit nicht verloren.
Im Fall 1 Ob 262/99g lebte der unterhaltspflichtige Vater dagegen keineswegs in „einfachen" oder „bestenfalls durchschnittlichen", sondern in weit überdurchschnittlichen Verhältnissen. Dazu hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, es sei evident, dass die erwähnte Rechtsprechung in einem solchen Fall unanwendbar sei, weil zufolge § 140 Abs 1 ABGB Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes nach ihren Kräften anteilig beizutragen haben: Müssten doch der Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit im Hinblick auf das Kriterium der angemessenen Bedürfnisbefriedigung die Lebensverhältnisse des Kindes und seiner Eltern zugrundegelegt werden (1 Ob 262/99g mwN). Nur bei weit überdurchschnittlichen (materiellen) Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen wird demnach - auch nach der Rechtsprechung - das unterhaltsberechtigte, nicht vom Elternhaus losgelöst lebende Kind, das seinen Präsenzdienst ableistet, durch den Erhalt der Sach- und Geldleistungen des Bundes im Rahmen des HGG nicht selbsterhaltungsfähig (RIS-Justiz RS0047535 [T5]). Ob bei solchen Lebensverhältnissen ungeachtet der vom Bund erbrachten Geld- und Sachleistungen aber ein monatlicher Unterhaltsbeitrag (dort: S 2.000) an einen Präsenzdiener angemessen erscheint, ist hingegen keine, einer generellen richtungsweisenden Aussage des Obersten Gerichtshofs zugängliche, sondern eine im konkreten Einzelfall jeweils nach den Vermögensverhältnissen der betroffenen Personen (des unterhaltspflichtigen Vaters bzw des unterhaltsberechtigten Kindes) zu entscheidende Frage (RIS-Justiz RS0113338).
Davon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, wenn das Rekursgericht - infolge des unstrittig nur EUR 13 erreichenden (also lediglich geringfügigen) Überschreitens des Regelbedarfs Gleichaltriger - das Vorliegen (weit) überdurchschnittlicher Verhältnisse verneint und die Selbsterhaltungsfähigkeit des zivildienstleistenden Antragstellers bejaht hat. Auch in der Entscheidung 7 Ob 279/01g wurde bereits ausdrücklich die Rechtsauffassung vertreten, dass ein zivildienstleistendes Kind bei bloß durchschnittlichen Lebensverhältnissen beider Streitteile im Hinblick auf die ihm nach §§ 25 ff ZDG zustehenden Ansprüche auf Geld- und Sachleistungen als selbsterhaltungsfähig angesehen werden muss.
Die Beurteilung des Rekursgerichtes bewegt sich daher im dargestellten Rahmen und berücksichtigt die Grundsätze der zitierten Rechtsprechung. Auch in Unterhaltssachen ist aber die Anrufung des Obersten Gerichtshofes vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage abhängig. Nur ein dem Gericht zweiter Instanz bei Anwendung des richterlichen Ermessens unterlaufener gravierender, an die Grenzen des Missbrauchs gehender Fehler oder eine eklatante Überschreitung des Ermessensspielraums wäre vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen; hat das Rekursgericht hingegen - wie hier - nicht erkennbar gesetzliche (Unterhalts-)Bemessungsfaktoren unbeachtet gelassen oder bei deren Beurteilung gegen den Willen des Gesetzgebers verstoßen, liegt grundsätzlich keine Rechtsfrage mit erheblicher Bedeutung vor (RIS-Justiz RS0053263; RS0007204; 4 Ob 155/06g; 7 Ob 116/06v). Mangels einer solchen ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.