OGH vom 26.05.2004, 3Ob15/04h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth D*****, vertreten durch Dr. Arnulf Summer, Dr. Nikolaus Schertler und Mag. Nicolas Stieger, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei V***** reg. Genossenschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Dietmar Fritz, Rechtsanwalt in Bezau, wegen Unzulässigkeit einer Räumungsexekution (§ 37 EO), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 293/03s-10, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Im Mai 1998 räumte der Ehegatte der nunmehrigen Exszindierungsklägerin dieser bei Aufhebung ihrer häuslichen Gemeinschaft mit - nicht in Notariatsaktsform abgeschlossener - Vereinbarung Beilage A an der Ehewohnung (Liegenschaft mit darauf errichtetem Haus) ein nicht verbüchertes Wohnrecht ein. Zu diesem Zeitpunkt waren auf der Liegenschaft vorrangige Pfandrechte einverleibt; die Forderungen dieser Pfandgläubiger überstiegen das bei der Versteigerung der Liegenschaft am erzielte Meistbot.
Die Vorinstanzen wiesen die Exszindierungsklage auf Unzulässigkeit der bewilligten Räumungsexekution und auf Feststellung des Bestehens eines aufrechten Wohnrechts gegen die Ersteherin ab.
Die außerordentliche Revision der Klägerin bringt keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zur Darstellung.
Rechtliche Beurteilung
a) Nach § 150 Abs 1 erster Satz EO in der - hier bereits anzuwendenden - Fassung der EO-Novelle 2000 BGBl I 2000/59 nur (EO nF) sind u.a. Dienstbarkeiten (somit auch Wohnrechte) vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen, wenn ihnen der Vorrang vor dem Befriedigungsrecht eines betreibenden Gläubigers oder einem eingetragenen Pfandrecht zukommt. Das obligatorische Wohnrecht der Klägerin ist im vorliegenden Fall jedenfalls nachrangig. Nach dem zweiten Satz der genannten Bestimmung sind nachfolgende Lasten nur insoweit zu übernehmen, als sie nach der ihnen zukommenden Rangordnung in der Verteilungsmasse Deckung finden. Dies war hier unbestritten nicht der Fall. Nicht verbücherte Servituten bleiben dem Ersteher gegenüber wirkungslos, wenn sie nicht bis zur Versteigerung gegen den Verpflichteten mit der Klage zur Geltendmachung der Dienstbarkeit durchgesetzt und exekutiv oder durch eine freiwillig ausgestellte Erklärung des Verpflichteten verbüchert wurden (stRsp, SZ 50/120 = RZ 1978/27 u.v.a.; RIS-Justiz RS0002949; Neumayr in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO,§ 150 Rz 9 mwN). Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht die Rsp unter bestimmten Voraussetzungen für offenkundige Dienstbarkeiten. Nicht verbücherte, aber offenkundige Dienstbarkeiten, die aufgrund ihres Ranges (vollendete Ersitzung, Schaffung der Offenkundigkeit) im Meistbot keine Deckung finden, sind vom Ersteher nicht zu übernehmen (vgl. 6 Ob 80/98b, insoweit nicht veröffentlicht; RIS-Justiz RS0003056; Neumayr aaO § 150 Rz 9), weil es ein Wertungswiderspruch wäre, nicht verbücherte, aber offenkundige Servituten besser zu stellen als verbücherte Dienstbarkeiten (siehe krit zur ggt. Rsp Angst in Angst, EO,§ 150 Rz 10 ff).
b) Nach stRsp zur Rechtslage vor der EO-Novelle 2000 (im Folgenden EO aF) hatte der Ersteher nur die in den Versteigerungsbedingungen angeführten Lasten zu übernehmen (für viele 3 Ob 70/00s = JBl 2001, 583 = ecolex 2001, 531; 3 Ob 220/00z = SZ 74/72 = JBl 2001, 651 = EvBl 2001/172 = NZ 2001, 441 = NZ 2002, 279 = ecolex 2001, 669 = immolex 2001, 279 [insoweit zust Zankl] = EFSlg 98.509 = MietSlg 53.838, je mN; RIS-Justiz RS0013795), daher kam es auf dessen (allfällige) Kenntnis von einem bloß obligatorischen Recht nicht an, wenn die Versteigerungsbedingungen schwiegen und die Last (in casu: obligatorisches Wohnrecht) im Schätzwert keinen Niederschlag gefunden hatte. Abweichendes galt nur bei dolosem - hier nicht behaupteten - Zusammenspiel zwischen dem verpflichteten Ehegatten und dem Erwerber (3 Ob 70/00s; vgl. dazu auch RIS-Justiz RS0000980). Nach dem hier schon anzuwendenden neuen Recht werden zwar die Versteigerungsbedingungen nicht mehr wie früher jedenfalls festgestellt, sondern es ist nur über die nach § 146 EO idgF zulässigen Änderungen Beschluss zu fassen (Abs 1 leg cit). Eine inhaltliche Änderung der Rechtslage betreffend die vom Ersteher zu übernehmenden Lasten ist daraus aber nicht abzuleiten, es tritt lediglich an die Stelle der Versteigerungsbedingungen als maßgebende Grundlage nun das Versteigerungsedikt (Angst aaO § 150 Rz 2), das u.a. die von den gesetzlichen abweichenden Bedingungen (§ 170 Z 9 EO) und die ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmenden Lasten (§ 170 Z 8 EO nF [entspricht fast wörtlich § 146 Z 3 EO aF]) zu enthalten hat. Nur in Anrechnung zu übernehmende Lasten, die im Meistbot keine volle Deckung finden, sind nach wie vor auf Antrag des Erstehers (in der Diktion des § 237 Abs 3 EO) zu löschen. Maßgebend ist daher insoweit der Meistbotsverteilungsbeschluss(Angst aaO § 237 Rz 7).
Auch in der außerordentlichen Revision der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts, in der es diese Rechtslage zutreffend darlegt, wird keine wesentliche Änderung der Rechtslage geltend gemacht. In ihrem Rechtsmittel geht die Klägerin auf die Sondernormen der EO bei der Zwangsversteigerung gegenüber sonstigen Eingriffen in fremde, durch Besitz verstärkte Forderungsrechte nicht ein. Es kommt daher mangels dolosen Verhaltens des Erstehers für den Ausgang des vorliegenden Exszindierungsverfahrens nicht darauf an, ob die Klägerin "viele Jahre" vor der Vereinbarung vom Mai 1998 in der zu räumenden (Ehe-)Wohnung gewohnt hat und sich dabei auf ein Benützungsrecht nach § 97 ABGB stützen konnte. Erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO sind daher auch insoweit nicht zu lösen.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).