OGH vom 29.03.2017, 3Ob220/16y

OGH vom 29.03.2017, 3Ob220/16y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Ullmann-Geiler & Partner (GbR), Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei H*****, vertreten durch Dr. Alexander Katholnig, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen 314.488,84 EUR sA, über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 86/16p-29, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Beide außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

I. In ihrer außerordentlichen Revision bekämpft die Klägerin die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, sie habe die beiden der Beklagten im Jahr 2007 gewährten Verbraucherkredite ungerechtfertigt vorzeitig fällig gestellt. Sie wirft damit aber keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf, weshalb das Rechtsmittel als nicht zulässig zurückzuweisen ist.

I.1. Der Kreditvertrag kann, soweit er ein Dauerschuldverhältnis begründet, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gelöst werden, wenn einer Partei die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses billigerweise nicht zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0019365). Als wichtige Gründe kommen insbesondere Vertragsverletzungen, der Verlust des Vertrauens in die Person des Vertragspartners oder schwerwiegende Änderungen der Verhältnisse in Betracht, welche die Fortsetzung der vertraglichen Bedingungen nicht mehr zumutbar erscheinen lassen (RIS-Justiz RS0018305, RS0018377, RS0027780, RS0019365). Ein „allgemeiner Vertrauensverlust“ reicht nicht aus. Vielmehr ist Voraussetzung, dass aufgrund einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögenslage des Kreditnehmers die Kreditrückzahlung gefährdet ist (8 Ob 52/14a mwN). Bei der Prüfung eines wichtigen Grundes für die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses ist auf den Zeitpunkt der Abgabe der Auflösungserklärung abzustellen (RIS-Justiz RS0018881), es können grundsätzlich nur Umstände herangezogen werden, die im Zeitpunkt der Auflösungserklärung vorliegen (8 Ob 52/14a mwN). Die Frage, ob ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Auflösung des Vertrags verwirklicht wurde, hängt wegen der erforderlichen Abwägung der gegenläufigen Interessen von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher – von Fällen korrekturbedürftiger Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0111817; RS0052565 [T4]).

I.2. Wichtige Gründe für eine solche Vertragsaufhebung hat derjenige zu behaupten und zu beweisen, der die Auflösung erklärt (RIS-Justiz RS0027780 [T21]). Maßgebend ist hier daher die Behauptung der Klägerin, wonach die Fälligstellung mit Mahnschreiben vom erfolgte. Die Beurteilung der Zumutbarkeit der Fortsetzung der (unveränderten) Weiterführung der beiden Kreditverhältnisse hat auf diesen Zeitpunkt und die bis dahin eingetretene Gesamtentwicklung (3 Ob 105/06x = RIS-Justiz RS0052565 [T2]; 1 Ob 230/12y = RS0019365 [T3]; 8 Ob 52/14a) abzustellen. Demgemäß kommt den von der Revision angesprochenen zeitlich späteren Umständen und Entwicklungen für die hier vorzunehmende rechtliche Beurteilung keine Bedeutung zu.

Davon ausgehend zeigt die Klägerin auch keine unvertretbare Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf. Den Argumenten der außerordentlichen Revision ist kurz zu erwidern:

I.3. Der bereits am gegenüber der KG fällig gestellte Kredit haftete damals mit rund 3.300 EUR aus. Dem Umstand, dass die Beklagte diesen Debetsaldo nicht innerhalb der gesetzten 14-tägigen Frist bezahlte, kommt schon angesichts der Geringfügigkeit des Betrags kein entscheidendes Gewicht zu. Weitere Rückstände der Beklagten zum sind dem Akt nicht zu entnehmen.

Die Klägerin hat ihre Behauptung in erster Instanz, die Beklagte habe die Vorlage erforderlicher Unterlagen unterlassen, weder zeitlich noch inhaltlich präzisiert, sodass eine Bewertung dieser Untätigkeit nicht möglich ist.

Der Entgang der erwarteten und gewährten Zuwendungen der Beklagten seitens der GmbH ist nach der Aktenlage eine Folge der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH, die jedoch erst am erfolgte, also nach der Fälligstellung gegenüber der Beklagten.

Die (mit Zustimmung der Klägerin vorgenommene) Reduzierung des verpfändeten Wertpapierdepots der Beklagten um rund 390.000 EUR zugunsten der GmbH und der KG im Jahr 2013 auf einen restlichen Depotwert von ca 290.000 EUR machte die Klägerin weder bei der Fälligstellung der beiden Verbraucherkredite noch in erster Instanz als Rechtfertigung geltend. So gravierend, wie erstmals von der Revision dargestellt, schätzte die Klägerin diesen Umstand daher offenkundig gar nicht ein. Eine daraus resultierende Unterbesicherung behauptet sie nicht. Dies kann angesichts der weiteren von der Beklagten gegebenen Sicherheit in Form einer Liegenschaft im Wert von 1 Mio EUR nicht überraschen. Aber auch die mit der Reduzierung des Depotwerts einhergehende Reduzierung der daraus erzielten Erlöse ist zu vernachlässigen, weil sie die Beklagte an der Erfüllung ihrer Zahlungspflichten aus den beiden Verbraucherkrediten nicht hinderte.

II. Die außerordentliche Revision der Beklagten, die sich ausschließlich gegen die Verneinung des Bestands der eingewendeten Gegenforderungen richtet, zeigt ebenfalls keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Auch sie ist daher als nicht zulässig zurückzuweisen.

II.1. Die Beklagte stützt die als Schadenersatzanspruch geltend gemachte Rückforderung von Erlösen aus der verfrühten Realisierung von verpfändeten Wertpapieren durch die klagende Bank (zur [teilweisen] Abdeckung von eingeräumten Krediten aus dem Jahr 2007) und aus einem USD-Wertpapierdepot primär auf eine Verletzung der Interessenwahrungspflicht des Pfandgläubigers nach § 466a Abs 2 ABGB; ihr sei damit die einzig verbliebene Einkommensquelle in Gestalt der Erträge aus den Wertpapieren entzogen worden. War jedoch die Verwertung schon deshalb unzulässig, weil sie nach unberechtigter Fälligstellung der gesicherten Kreditforderungen, dh vor Eintritt der Pfandreife vorgenommen wurde (vgl Punkt I.), dann stellt sich die Frage, ob dabei die Interessen des Pfandbestellers ausreichend gewahrt wurden, gar nicht.

In diesem Zusammenhang beruft sich die Beklagte auch auf § 12 KSchG: Die Wertpapiere hätten eine fortlaufende Einkommensquelle für sie dargestellt, weshalb bei Abschluss der Verbraucherkreditverträge eine unzulässige Einkommensverpfändung vor Fälligkeit der Kreditforderungen vorgelegen sei. Diese Verbraucherschutzbestimmung kann hier aber schon deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil davon nur Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen erfasst sind (Apathy in Schwimann/Kodek ABGB4§ 12 KSchG Rz 2 mwN), wozu die Erträge aus Wertpapieren keinesfalls zu zählen sind.

Schadenersatzpflichtig soll die Klägerin auch deshalb sein, weil sie dem Wunsch der Beklagten nach Hinterlegung der Wertpapiererlöse nach § 460a Abs 2 Satz 2 ABGB nicht nachgekommen sei; die rechtmäßige gerichtliche Hinterlegung befreie den Schuldner nämlich von seiner Verbindlichkeit, womit der Zinsenlauf ende und Sicherheiten erlöschen würden. Wie schon § 460a Abs 2 Satz 1 ABGB zeigt, der eine Pfandrechtswandlung dergestalt vorsieht, dass das Pfandrecht am Erlös fortbesteht (Hinteregger in Schwimann/Kodek ABGB4§ 460a Rz 9), führt eine Hinterlegung nach dieser Bestimmung zum Erlöschen weder der gesicherten Forderung noch des Pfandrechts. Da es auch nicht zur Vermengung des Erlöses mit dem sonstigen Geld der Klägerin kam (vgl Wolkerstorfer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch ABGB³ [Klang] § 460a Rz 15), weil die Erlöse Kreditkonten der Beklagten gutgeschrieben wurden, ist nicht erkennbar, wodurch die unterbliebene Hinterlegung der Beklagten Schaden zugefügt haben sollte.

Das Berufungsgericht verneinte schließlich einen Vermögensschaden der Beklagten, weil in einem Gesamtvermögensvergleich der Verringerung des Vermögens der Beklagten durch Verlust der Wertpapiere die Verringerung der Passiva durch Reduzierung der Kreditverbindlichkeiten im selben Umfang gegenüber stehe. Die Beklagte hält dem entgegen, der Vorteil der Reduktion der Passiva werde durch den gänzlichen Entfall der einzig verbliebenen Einkommensquelle wieder aufgehoben. Der damit angesprochene Schaden durch Verlust der laufenden Erträgnisse aus den Wertpapieren, der im Verfahren erster Instanz weder betraglich beziffert noch compensando eingewendet wurde (obwohl dies für die Vergangenheit möglich gewesen wäre), ist allerdings mit dem als Gegenforderung verlangten Ersatz des Erlöses = Wertes der Wertpapiere nicht ident, sodass insofern eine unzulässige Neuerung vorliegt.

II.2. Soweit die Beklagte erkennbar den Standpunkt vertritt, ihr stehe – entgegen § 1434 ABGB – eine Leistungskondiktion gegen die Klägerin wegen irrtümlicher Zahlung einer noch nicht fälligen Schuld zu, weil große Beträge lange vor Fälligkeit gezahlt worden seien und ihr dadurch die Zinserträge aus den Wertpapieren entgingen, übersieht sie, dass eine allfällige Bereicherung der Klägerin durch Erhalt des Verwertungserlöses von dem dritten Erwerber keiner Leistungsbeziehung zwischen verwertendem Pfandgläubiger (der Klägerin) und dem früherem Pfandeigentümer (der Beklagten) entsprungen ist (Fidler in Fenyves/Kerschner/Vonkilch ABGB³ [Klang] § 466d Rz 33).

II.3. Den von der Beklagten eingewendeten „Konvertierungsschaden“ von rund 44.600 EUR (Kursverfall zwischen der Fälligstellung der Kredite am und der Konvertierung erst am ) stellte das Erstgericht zwar in dieser Höhe für den genannten Zeitraum fest; es konnte allerdings nicht feststellen, ob ein allfälliger Kursverlust zwischen Dezember 2014 und eintrat. Schon das Erstgericht vertrat nämlich die Rechtsansicht, wegen der bis Dezember 2014 geführten Vergleichsgespräche, in denen die Beklagte ein Einlenken der Klägerin gefordert habe, sei ein Zuwarten mit der Konvertierung nicht zu beanstanden. Die Revision knüpft daran an, wenn sie nähere Feststellungen zum Kursverlust zwischen Dezember 2014 und vermisst. Sie übersieht allerdings, dass die vermisste Feststellung – wenn auch nicht in ihrem Sinn – ohnehin (bindend) vorliegt, weil sie in der Berufung erfolglos bekämpft wurde. Ein Feststellungsmangel liegt daher nicht vor (RIS-Justiz RS0053317 [T1]).

Da der Beklagten der Nachweis des behaupteten Konvertierungsschadens im relevanten Zeitraum zwischen Dezember 2014 und nicht gelang, erübrigt sich eine weitere Auseinandersetzung zur allfälligen Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Klägerin bei der Konvertierung.

III. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00220.16Y.0329.000
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