OGH vom 07.03.1991, 6Ob517/91

OGH vom 07.03.1991, 6Ob517/91

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Kindes Susanne *****, geboren am , Schülerin, in Obsorge ihrer Mutter Eva *****, in der Verfolgung der Unterhaltsansprüche vertreten durch die BH *****, wegen Erhöhung des vom Vater Peter *****, gesetzlich geschuldeten Unterhaltes, infolge Revisionsrekurses des Vaters gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Rekursgericht vom , AZ 1 R 185/90 (ON 92), womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Horn vom , GZ P 40/79-89, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der ordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das pflegebefohlene Mädchen wurde am geboren. Die sieben Monate zuvor geschlossene Ehe seiner Eltern wurde mit Beschluß vom im Sinne des § 55 a EheG geschieden. Mit der anläßlich der Scheidung getroffenen Vereinbarung hatte sich der Vater gegenüber der Mutter zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages für das damals im dritten Lebensjahr gestandene Kind von S 1.080,-- verpflichtet. Diese pflegschaftsgerichtlich genehmigte Vereinbarung wurde durch gerichtliche Unterhaltsfestsetzung mit Beschluß vom ersetzt; nach dieser Entscheidung hatte der Vater, der damals, nachdem er bereits 1978 als Automaterialienhändler in Konkurs verfallen war, in einer Bar tätig war, seiner Tochter ab einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.550,-- zu bezahlen. Seit Mai 1983 arbeitet der Vater als Taxifahrer.

Ein Unterhaltserhöhungsbegehren des Kindes wurde 1984 ebenso abgewiesen (ON 49/55) wie ein im Jahr 1986 gestelltes (ON 72).

Am beantragte das durch den Jugendwohlfahrtsträger vertretene Kind, die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab auf S 2.930,-- zu erhöhen. Dieses Begehren wurde mit altersmäßig gestiegenen Bedürfnissen des in das 14. Lebensjahr getretenen Mädchens und andererseits damit begründet, daß der bloß halbtags als Taxifahrer tätige Vater bei Anspannung seiner Arbeitskraft in einer Ganztagsbeschäftigung imstande wäre, mangels konkurrierender Sorgepflichten den begehrten Unterhalt zu leisten.

Der Vater wendete gegenüber diesem Erhöhungsbegehren ein, daß er aus der Zeit seiner Tätigkeit als selbständiger Kaufmann noch Schulden in Millionenhöhe abzustatten hätte und bei einem Nettowochenverdienst als halbtags beschäftigter Taxilenker nicht zur Leistung eines höheren Unterhaltsbetrages imstande wäre.

Das Pflegschaftsgericht gab dem Erhöhungsbegehren des Kindes voll statt.

Es legte dabei zugrunde, daß der Vater vermögenslos sei, daß über sein Vermögen 1978 der Konkurs eröffnet worden sei und daß er aus einer vor der Konkurseröffnung ausgeübten Tätigkeit eines selbständigen Kaufmannes noch Schulden von rund 2 Mio S abzutragen hätte, daß er aber zur Vermeidung erfolgreich gegen ihn zu führenden Exekutionen schon seit Jahren nur halbtags als Taxifahrer arbeite, wiewohl die regionale Arbeitsmarktlage in diesem Beruf sehr gut wäre. Daraus folgerte das Pflegschaftsgericht, daß der Vater bei der nach § 140 Abs. 1 ABGB gebotenen Anspannung seiner Kräfte mindestens S 9.000,-- netto im Monat verdienen könnte und bei einem solchen Einkommen auch in der Lage wäre, den begehrten monatlichen Unterhalt von S 2.930,-- für sein knapp vor Vollendung des 14. Lebensjahres stehendes Kind zu zahlen.

Das Rekursgericht bestätigte den erstinstanzlichen Unterhaltserhöhungsbeschluß. Dabei sprach es aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Rekursgericht billigte die erstinstanzliche Unterhaltsbemessung unter Annahme jenes Einkommens, das der Unterhaltspflichtige bei Anspannung seiner Kräfte erzielen würde. Es erblickte aber in der Anwendbarkeit der Anspannungstheorie gegenüber einem ehemaligen Gemeinschuldner mangels Vorliegen einer diesbezüglichen Rechtsprechung eine nach § 14 Abs. 1 AußStrG qualifizierte Rechtsfrage.

Rechtliche Beurteilung

Der Vater ficht die bestätigende Rekursentscheidung mit dem erkennbaren Ziel einer Abänderung im Sinne der Abweisung des Unterhaltserhöhungsbegehrens an. Er wendet sich der Sache nach, wie schon ausdrücklich in seinem Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluß, gegen die Anwendung der sogenannten Anspannungstheorie. Dazu führt er unter Hinweis auf die Höhe seines pfändungsfreien Einkommensteiles aus, es sei ihm egal, wieviel er mehr als S 1.100,-- wöchentlich verdiene.

Der Rechtsmittelwerber hat damit in geradezu klassischer Weise das Vorliegen der Voraussetzungen aufgezeigt, die es im Sinn der sogannnten Anspannungstheorie, die der Gesetzgeber des KindG mit der Neufassung des § 140 Abs. 1 ABGB gesetzlich verankert wissen wollte (vgl. 60 BlgNR 14. GP 21) rechtfertigen, die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen nicht anhand seines tatsächlichen Einkommens, sondern vielmehr auf der Grundlage des von ihm bei Ausnützung aller ihm offenstehenden Möglichkeit erzielbaren Einkommens zu beurteilen (vgl. EvBl. 1990/128).

Daß dies auch für einen als Gemeinschuldner unter den akuten Wirkungen des Konkurses stehenden Unterhaltspflichtigen gilt, hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen (vgl. EFSlg. 37.593, zuletzt 1 Ob 639/90).

Nach Beendigung des Konkurses bestehen umso weniger Gründe für eine Einschränkung aus im § 140 Abs. 1 ABGB zum Ausdruck gebrachten allgemeinen Grundsatzes, daß dem Unterhaltspflichtigen bei Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit zugemutet werden muß, ein nach seinen persönlichen Umständen und wirtschaftlichen Bedingungen erzielbares Einkommen auch tatsächlich zu erreichen, so daß ein solches bei der Unterhaltsbemessung auch dann zugrundezulegen ist, wenn es der Unterhaltspflichtige zu erwerben unterläßt.

Was der anhängige Konkurs an den allgemeinen Unterhaltsfestsetzungsgrundsätzen nicht ändert, vermag ein aufgehobener Konkurs noch weniger.

Dieser Grundsatz ist derart zwingend, daß die uneingeschränkte Anwendung des im § 140 Abs. 1 ABGB normierten Anspannungsgrundsatzes auf einen auch höher verschuldeten ehemaligen Gemeinschuldner - entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes - keine nach § 14 Abs. 1 ABGB qualifizierte Rechtsfrage darstellt.

Der Revisionsrekurs war - auch unter Bedachtnahme auf die Übergangsbestimmung des Art. XLI Z 9 WGN 1989 - mangels Abhängigkeit der Entscheidung von einer erheblichen Rechtsfrage ohne sachliche Prüfung der zweitinstanzlichen Erledigung zurückzuweisen.