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OGH vom 27.11.2019, 6Ob156/19p

OGH vom 27.11.2019, 6Ob156/19p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeindeverband Bezirkskrankenhaus *****, vertreten durch Dr. Gernot Gasser und Dr. Sonja Schneeberger, Rechtsanwälte in Lienz, gegen die beklagte Partei D***** KG, *****, vertreten durch Mayrhofer & Rainer Rechtsanwälte KG in Wien, wegen Leistung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 51/19w-16, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 40 Cg 7/18t-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der Beklagten die mit 4.237,74 EUR (darin 467,79 EUR Umsatzsteuer und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der klagende Gemeindeverband ist der Träger des Bezirkskrankenhauses L***** (BKH). Sein Obmann ist Dr. A*****.

Die Beklagte betreibt das Online-Magazin „d*****.at/*****“ eine Online-Plattform für elektronische Medien. Diese Plattform ermöglicht es registrierten Nutzern, grundsätzlich in Form von Postings eigene Beiträge, Redaktions- und Diskussionskommentare in Zusammenhang mit jeweiligen Artikeln des Online-Magazins zu verfassen bzw zu posten. Das Magazin ist ein regionales Medium im Online-Bereich, das hauptsächlich tagesaktuell über die Region, Politik, Sport usw berichtet und seine Berichterstattung im Impressum wie folgt beschreibt: „d*****.at ist ein liberales weltoffenes Online-Medium, unabhängig von politischen Parteien, Institutionen und Interessengruppen. Wir wenden uns an alle LeserInnen, die hohe Ansprüche an eine gründliche und umfassende Berichterstattung sowie an eine fundierte sachgerechte Kommentierung auf den Gebieten von Wirtschaft, Politik, Kultur und Gesellschaft stellen.“

Seit der Gründung von d*****.at 2010 gibt es monatlich rund 90.000 unterschiedliche Nutzer der Website, 15.000 Artikel und dazu 20.000 Kommentare von registrierten Nutzern. Jeder Beitrag, ob von einem Mitarbeiter selbst verfasst oder von einem Poster, wird durch einen anderen Mitarbeiter zur Kontrolle gelesen, freigegeben und erst dann veröffentlicht. Den Mitarbeitern sind die Kommentatoren mit den häufigsten Kommentaren bekannt; Auffälligkeiten werden im Auge behalten und wird bei der Kontrolle nach „Hausverstandskriterien“ (nicht beleidigend, nicht persönlich untergriffig und dergleichen) etwaig rufschädigendes, sexistisches und rechtsradikales Material aussortiert und gar nicht erst veröffentlicht. Dabei wird etwa auch davon ausgegangen, dass Politik diskutierbar ist.

Für eine Registrierung als Nutzer auf d*****.at ist es nötig, einen beliebig kreierten Benutzernamen und eine E-Mail-Adresse anzugeben, auf die man selbst, zumindest bis man ein Passwort von d*****.at zugesendet bekommen hat, Zugriff hat. Als Voraussetzung sind weitere mit Stern markierte Felder auszufüllen, wie etwa Straße, Postleitzahl, Wohnort und Land. Die Angaben können dabei frei erfunden sein, sofern sie formalen Kriterien genügen, denn deren Richtigkeit wird nicht überprüft. Auch für die Erstellung einer E-Mail-Adresse etwa beim Anbieter gmx.at bedarf es nur einer grundsätzlichen Eingabe von Worten und Zahlen in die vorgefertigten Felder, sohin Angaben, deren Richtigkeit für den Erstellungsvorgang nicht überprüft wird.

Von der Beklagten war bereits öfters über Dr. A***** kritisch berichtet worden. Am wurde ein Artikel mit dem Titel „Bittere Stunde für einen Machtpolitiker alter Schule – An***** klammert sich mit verzweifelter Wut an seinen Sessel im *****“ veröffentlicht, der daraufhin von Nutzern der d*****.at in Postings diskutiert und kommentiert wurde. Ein Nutzer schrieb dazu unter dem selbst kreierten Benutzernamen „othmar“ nach mehreren anderen Kommentatoren einen Posting-Beitrag, in dem er sich unter anderem wie folgt über den klagenden Verband äußerte:

„Ich vermute mal, der Text wurde in Auftrag gegeben oder sogar selbst verfasst? Von tendenziöser Meinungsbildung zu schreiben bzw vorzuwerfen ist zwar ein gutes Recht, jedoch 'der im Glashaus sitzt sollte nicht mit Steinen werfen' (ich erinnere an Begebenheiten in der G*****straße und am S*****platz) BKH L*****: Die Wirtschaftszahlen haben es an sich, dass es durchaus einen gewissen Interpretationsspielraum gibt! Abgesehen davon hört man immer öfter, dass man das BKH eher meiden soll, außer es ist ein Notfall! M*****: Wie schon erwähnt, war dies nicht sein Jahr: 1: Auslieferung eine[s] Feuerwehrmannes 2: 'Niederlage' gegen Almsennerei 3: Kanalerschließung ***** 4: ***** Wahl etc ...“

Der Artikel vom zählte mit rund 17.000 bis 18.000 Aufrufen zu den meistgelesenen Artikeln des Online-Mediums in diesem Jahr und war etwa 50 Mal kommentiert worden. Dabei war im Vorfeld über die am anstehende Wahl zum Vorstand und Aufsichtsrat des Tourismusverbands O***** (*****) berichtet und unter anderem vom Autor geschrieben worden:

A***** Niederlagenserie reißt nicht ab. Er flog aus dem Landtag. Er flog aus den relevanten Parteigremien der T*****, jetzt fliegt er aus dem *****, ist im S*****-Imperium isoliert und ich vage die Prognose, dass auch die Tage ***** als Alleinherrscher im L***** Krankenhaus gezählt sind.

Mit Schreiben des Klagevertreters vom , welches er im Namen von Dr. A***** verfasste, wurde die Veröffentlichung einer Gegendarstellung verlangt. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nach. In einem zweiten Schreiben des Klagsvertreters vom selben Tag im Namen des klagenden Verbands wurde unter anderem die Löschung der Wortfolge („Abgesehen davon hört man immer öfter, dass man das BKH eher meiden soll, außer es ist ein Notfall!“) im genannten Posting von „othmar“ verlangt und die Bekanntgabe von Namen und Adresse des Posters begehrt.

Der Aufforderung kam die Beklagte nach, nicht jedoch dem Verlangen nach Namen und Adresse des Posters.

Auf den Facebook-Seiten zu „BKH L*****“ und „Bezirkskrankenhaus L*****“ finden sich Beiträge mit Formulierungen teils scharfer Kritik wie sinngemäß etwa

Michael S. – Was hier an Leistungen (fachlich wie menschlich) geboten wird, ist teilweise erschreckend – bis die Imagekampagne Früchte trägt, wird es wohl noch lange dauern;

Püppiie van M. – Die Kinderstation geht gar nicht … mir kommt vor, wenige haben da eine Ahnung […]. Ich würde nie mehr dort hingehen!!!;

Kerstin S. – Es ist echt erschreckend, welche Menschen sich Ärzte nennen dürfen!! Ich habe fast nur schreckliche Erfahrungen gemacht und man hört von sehr vielen ähnlichen Vorfällen […] echt traurig, dass jemandem die Gesundheit mancher Menschen vor allem Kindern so gleichgültig sein kann!

In der Printausgabe der T***** Tageszeitung vom war als Titel eines Berichts zu lesen „Immer mehr Patienten meiden L***** Unfallchirurgie – am Bezirkskrankenhaus L***** ist die Zahl der Operationen an der Unfallchirurgie in den letzten fünf Jahren um 38 % zurückgegangen. Das Spital will nun gegensteuern und den Ruf verbessern.“ Als Quelle der Angaben wurde Dr. A***** als Obmann des BKH genannt. „Im Jahr 2010 hat die unfallchirurgische Abteilung am Bezirkskrankenhaus L***** noch 1.800 x operiert. Letztes Jahr waren es nur noch 1.100 Operationen, also um 700 weniger. Das ist ein Minus von 38 %.“ Außerdem wird in diesem Artikel der T***** Tageszeitung weiter erklärt: „Zum besseren Verständnis: Zur Unfallchirurgie werden alle Operationen gezählt, die infolge eines Unfalls nötig werden. Das muss nicht unbedingt ein akuter Notfall sein. Beispiel: Jemand verletzt sich beim Skifahren oder Fußballspielen am Kreuzband. Nachdem andere Therapien erfolglos bleiben, stellt sich heraus, dass schließlich doch eine Operation nötig ist. Und um solche planbaren Eingriffe geht es.

In einem Interview mit der T***** Tageszeitung teilte auch der Leiter des BKH, ***** M*****, mit: „Die Leute wollen offenbar woanders hin. Dabei waren viele der Ärzte, die auf der Unfallchirurgie arbeiten, auch früher schon da. Es sind nur ein paar junge dazugekommen.“

Der klagende Verband begehrt – gestützt auf § 18 Abs 4 ECG – die Verpflichtung der Beklagten, ihm die ihr tatsächlich bekannten Daten des Users „othmar“ herauszugeben, nämlich Benutzername, Vor- und Zuname, E-Mail-Adresse, Straße, Postleitzahl, Wohnort und Land, in eventu ihm die ihr tatsächlich bekannte E-Mail-Adresse sowie Vor- und Zuname des Users „othmar“ bekannt zu geben. Eine Verurteilung dieses Users nach § 1330 ABGB sei nicht gänzlich ausgeschlossen, könne doch die unreflektierte Behauptung, man könne das BKH nur in Notfällen aufsuchen und solle es darüber hinaus meiden, wirtschaftlich bedeutende Beziehungen des BKH gefährden. Das BKH werde ohne jeden Sachzusammenhang in einer medialen Diskussion um Wahlen nach dem T***** Tourismusgesetz „schlecht geredet“. Eine gerichtliche Verfolgung des Posters „othmar“ sei erst nach Herausgabe der Daten möglich. Die Beklagte habe zugestanden, dass sie zumindest über Vor- und Zunamen sowie die E-Mail-Adresse des Users verfüge.

Die Beklagte wendete ein, es sei ihre ständige Geschäftspolitik, dass die einzelnen Postings nicht automatisch für die Veröffentlichung freigeschaltet werden, vielmehr werde jedes einzelne Posting dahin geprüft, dass keine Hasspostings oder Postings mit rechtswidrigem Inhalt veröffentlicht werden; das sei auch beim hier inkriminierten Posting geschehen. Die Beklagte sei zur Herausgabe der Daten nicht verpflichtet, weil die Voraussetzungen nach § 18 Abs 4 ECG nicht erfüllt seien: Eine (vorläufige) Prüfung nach § 1330 ABGB ergebe, dass die Grenze zulässiger Kritik nicht überschritten worden sei, zumal die grundlegende Rechtsprechung, wonach die Grenzen zulässiger Kritik an Politikern in Ausübung ihres öffentlichen Amts weiter gesteckt seien als bei Privatpersonen, auch auf den klagenden Verband anzuwenden sei. Die inkriminierte Aussage stelle bei grober Prüfung weder eine Ehrenbeleidigung nach § 1330 Abs 1 ABGB noch den Tatbestand des § 1330 Abs 2 ABGB dar. Es sei vielmehr eine Äußerung eines Posters, welche auf einem wahren Tatsachenkern beruhe. Darüber hinaus liege im Vorwurf schlechter Qualität von Waren oder Dienstleistungen, was auch für medizinische Dienstleistungen eines Krankenhauses gelte, kein ehrenrühriges oder kreditschädigendes Urteil. Die Beklagte berufe sich im Übrigen auf das Redaktionsgeheimnis des § 31 MedienG, weil die inkriminierte Wortfolge in einem Posting getätigt worden sei, welches sich auf die journalistische Tätigkeit der Beklagten (Artikel vom ) beziehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aufgrund der Äußerung des Users „othmars“ sei dessen Verurteilung nach § 1330 ABGB ausgeschlossen, weshalb die Beklagte auch nicht nach § 18 ECG verpflichtet werden könne, seine Daten herauszugeben.

Das Berufungsgericht gab der Klage im Hauptbegehren statt und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteigt sowie dass die ordentliche Revision zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob eine Berufung auf das Redaktionsgeheimnis des § 31 Abs 1 MedienG bei moderierten Foren einem Auskunftsbegehren nach § 18 Abs 4 ECG entgegensteht und ob Äußerungen in Postings, die ohne jedwedes Sachsubstrat getätigt werden, als „Informationen“ im Sinn des § 31 Abs 1 MedienG zu qualifizieren sind.

In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, die Behauptung, man sollte das BKH außer in Notfällen meiden, beinhalte den pauschalen Vorwurf ungenügender medizinischer Betreuung, was für ein Krankenhaus ohne Zweifel eine Gefährdung seines wirtschaftlichen Rufs bedeuten und damit tatbestandsmäßig im Sinn des § 1330 ABGB sein könne. Ob die Äußerung des Users eine Tatsachenbehauptung, ein Werturteil oder einen Wertungsexzess darstellt und den Rahmen zulässiger Kritik überschreitet, sei im Auskunftsverfahren nicht zu prüfen. Der klagende Verband begehre die Herausgabe der der Beklagten tatsächlich bekannten Daten des Users „othmar“; dass die gegenüber der Beklagten angegebenen Nutzerdaten jedenfalls unrichtig sind, stehe nicht fest. Die Frage, ob sich die Beklagte aufgrund eines Zusammenhangs der Äußerungen des Users mit einer journalistischen Tätigkeit auf das Redaktionsgeheimnis berufen dürfe, könne dahingestellt bleiben. Wenn in einem Posting lediglich die pauschale Behauptung aufgestellt wird, ein Krankenhaus sei zu meiden und lediglich in Notfällen aufzusuchen, komme dieser Äußerung mangels jedweden Sachsubstrats kein Informationsgehalt zu; es erschöpfe sich der Inhalt dieser Behauptung in einer Herabsetzung des betroffenen Rechtsträgers. Eine derart inhaltsleere Behauptung könne nicht durch das Redaktionsgeheimnis des § 31 Abs 1 MedienG geschützt sein, weil sie nichts dazu beitrage, dass die dort genannten Personen im Rahmen ihrer journalistischen Tätigkeit ihrer Kontroll- und Ausgleichsfunktion effektiv nachkommen können.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.

1. Der klagende Verband stützt – auch wenn er die Beklagte nicht als Hostprovider, sondern als Medieninhaberin bezeichnet – sein Herausgabebegehren ausdrücklich auf § 18 Abs 4 ECG. Da die Beklagte es Internet-Nutzern ermöglicht, von ihnen eingegebene Informationen in ihrem Online-Diskussionsforum auf ihrer Website zu speichern, ist sie jedenfalls Host-Provider im Sinn des § 16 ECG, weil es unerheblich ist, ob die Beklagte diesen Dienst unentgeltlich oder entgeltlich bereitstellt (6 Ob 178/04a) und ob sie (auch) Medieninhaberin ist (6 Ob 133/13x EvBl 2014/105 [Zib] = jusIT 2014/46 [Mader]; 6 Ob 188/16i MR 2017, 61 [Windhager/Nessler] = ZIIR 2017, 176 [Kralik] = ecolex 2017/278 [Horak] = jusIT 2017/58 [Staudegger]).

Nach § 18 Abs 4 ECG haben die in § 16 ECG genannten Diensteanbieter den Namen und die Adresse eines Nutzers ihres Dienstes, mit dem sie Vereinbarungen über die Speicherung von Informationen abgeschlossen haben, auf Verlangen dritten Personen zu übermitteln, sofern diese ein überwiegendes rechtliches Interesse an der Feststellung der Identität eines Nutzers und eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhalts sowie überdies glaubhaft machen, dass die Kenntnis dieser Informationen eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtsverfolgung bildet. Der erkennende Fachsenat hat dazu bereits klargestellt, dass unter Namen und Adresse eines Nutzers im Sinn dieser Bestimmung grundsätzlich dessen Vor- und Zuname und dessen Postanschrift, aber auch dessen E-Mail-Adresse zu verstehen sind (RS0127160).

Damit hat aber der klagende Verband sein Herausgabe- bzw Auskunftsbegehren grundsätzlich zutreffend auf § 18 Abs 4 ECG gestützt.

2. Soweit sich die Beklagte auf das Redaktionsgeheimnis des § 31 MedienG beruft, ist hervorzuheben, dass es seit der Entscheidung 6 Ob 133/13x ständiger Rechtsprechung des Senats entspricht, dass eine Berufung des Host-Providers auf das Redaktionsgeheimnis nach § 31 MedienG dann unzulässig ist, wenn ein Posting in keinerlei Zusammenhang mit einer journalistischen Tätigkeit steht; allein das Zurverfügungstellen des Online-Forums (unmoderiertes Forum) reicht nicht aus, um den notwendigen Mindestzusammenhang zur Tätigkeit der Presse herzustellen (ebenso 6 Ob 58/14v VbR 2014/97 [Höhne] = jusIT 2014/102 [Sonntag]; 6 Ob 188/14m jusIT 2015/22 [Staudegger] = ZIR 2015, 169 [Thiele] = ecolex 2015/198 [Zemann]).

Dieser Grundsatz wurde in der Entscheidung 6 Ob 188/14m auf jene Fälle ausgedehnt, in denen die Beiträge nicht unmittelbar veröffentlicht, sondern vor der Freischaltung einer durch ein Computerprogramm durchgeführten Kontrolle unterzogen und zusätzlich die Beiträge von Journalisten geprüft und bei Bedarf entfernt wurden; der bloße Umstand, dass ein Computerprogramm aufgrund von Schlagworten die Beiträge vor Veröffentlichung prüft, reiche nicht aus, den erforderlichen Zusammenhang mit einer journalistischen Tätigkeit herzustellen.

Auch in der Entscheidung 6 Ob 145/14p hielt der Senat fest, dass der bloße Umstand, dass ein Computerprogramm aufgrund von Schlagworten die Beiträge vorprüft, nicht ausreicht, den erforderlichen Zusammenhang mit einer journalistischen Tätigkeit herzustellen. Dass unabhängig von dem Überprüfungsvorgang die Postings auch von der Redaktion regelmäßig überprüft werden, führe zu keiner anderen Beurteilung. Diese Prüfung betreffe bereits freigeschaltete Postings. Es genüge eine journalistische Kontrolle von Postings, die die Filterung durch das Computerprogramm passierten und ohne weitere Kontrolle durch einen Mitarbeiter veröffentlicht wurden, nicht für den Schutz nach § 31 MedienG. Dieser Fall liege wertungsmäßig nicht anders als jener, der der Entscheidung 6 Ob 133/13x zugrunde gelegen hatte. Postings, die völlig ohne journalistische Kontrolle und Bearbeitung und allein aus dem eigenen Antrieb des Nutzers veröffentlicht werden, fehle es am notwendigen Zusammenhang mit der journalistischen Tätigkeit.

In der Entscheidung 6 Ob 12/17h (jusIT 2017/59 [Staudegger]) wies der Senat darauf hin, dass die bloße Tatsache einer „Prämoderation“, in deren Rahmen Postings teilweise automatisch auf ihre allfällige Rechtswidrigkeit überprüft und gegebenenfalls manuell freigeschalten werden, noch nicht bedeutet, dass der Beitrag damit zu einem „eigenen“ Inhalt des Host-Providers werde. Ein Nutzer könne nicht annehmen, dass sich der Host-Provider schon deshalb mit dem Inhalt identifiziert, bloß weil er den Beitrag – noch dazu durch Kennzeichnung mit dem Nutzernamen des Posters – veröffentlicht.

3. Dervorliegende Fall unterscheidet sich nicht wesentlich von den bereits entschiedenen Fällen. Festgestellt wurde, dass die Kontrolle und somit die „Moderation“ des Forums so ausgestaltet ist, dass jeder Beitrag, den ein registrierter Nutzer posten möchte, zuerst von einem Mitarbeiter zur Kontrolle gelesen wird und dann erst zur Veröffentlichung freigegeben wird. Kontrolliert wird nach „Auffälligkeiten“. Bei der Kontrolle werden nach „Hausverstandskriterien“ (nicht beleidigend, nicht persönlich untergriffig und dergleichen) etwaig rufschädigendes, sexistisches und rechtsradikales Material aussortiert und gar nicht erst veröffentlicht. Diese Art von Kontrolle ist wertungsmäßig der Kontrolle auf „Auffälligkeiten“ durch ein Computerprogramm gleichzuhalten. Wie in den bislang entschiedenen Fällen gibt es nur eine Grobprüfung, die sich nicht wirklich mit den Inhalten auseinandersetzt. Sind die Kriterien aber grundsätzlich dieselben, dann macht es keinen Unterschied, ob die Kontrolle durch ein Computerprogramm (und dann nachgeschaltet bei Auffälligkeiten durch einen Journalisten) oder gleich durch Mitarbeiter durchgeführt wird. Es wird dadurch kein engerer Zusammenhang mit der journalistischen Tätigkeit hergestellt. Die Beiträge werden nicht mitgestaltet, es gibt keine journalistische Überprüfung des Geschriebenen und es gibt keinen Austausch zwischen dem Poster und dem Journalisten (in dem eine etwaige Vertraulichkeit zugesichert werden könnte). Die Postings werden unverändert oder eben gar nicht veröffentlicht. Es wird auch nicht kontrolliert, ob es einen unmittelbaren inhaltlichen Zusammenhang mit dem Artikel gibt, unter dem gepostet wird. Es liegt somit – so wie in den Vorentscheidungen – keinerlei echte „redaktionelle“ Tätigkeit vor, die durch das MedienG geschützt werden soll.

4. Der als Anspruchsgrundlage für das Auskunftsbegehren des klagenden Verbands dienende § 18 Abs 4 ECG spricht lediglich von einer Glaubhaftmachung hinsichtlich des überwiegenden rechtlichen Interesses an der Feststellung der Identität eines Nutzers, hinsichtlich eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhalts und hinsichtlich des Umstands, dass die Kenntnis dieser Informationen eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtsverfolgung bildet. Die nach § 1330 ABGB im Einzelfall notwendige Grenzziehung zwischen Tatsachenbehauptung, Werturteil und Wertungsexzess ist damit nicht im Auskunftsverfahren gegen den Betreiber der Website näher zu prüfen, sondern erst im Verfahren gegen den konkreten Poster. Voraussetzung ist lediglich, dass aufgrund einer groben Prüfung der vom Kläger geltend gemachten Verletzungen eine Verurteilung nach § 1330 ABGB nicht gänzlich auszuschließen ist (6 Ob 133/13x).

Zu dem – auch im vorliegenden Fall maßgeblichen – Grad der Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung nach § 1330 ABGB, die eine Herausgabe der Daten des Verletzers rechtfertigt, hat der Fachsenat in der Entscheidung 6 Ob 188/16i unter Darstellung seiner bisherigen Rechtsprechung zusammenfassend klargestellt, dass dieser zwar einerseits damit umschrieben worden sei, dass eine Verurteilung „nicht gänzlich auszuschließen“ (6 Ob 133/13x [ErwGr 2.], 6 Ob 188/14m [ErwGr 4.1.]) sein dürfe, und andererseits, dass eine solche „möglich“ (6 Ob 188/14m [ErwGr 3.3.]) erscheine. Darin liege aber kein Widerspruch. Schon nach der bloßen Wortbedeutung sei der Unterschied nicht erkennbar, umschreibe doch etwa der „Duden“ (www.duden.de/rechtschreibung/ausschlieszen) eine der (unterschiedlichen) Bedeutungen des Wortes „ausschließen“ mit „unmöglich machen“ (so auch 6 Ob 145/14p, wo beide Varianten synonym verwendet worden seien [ErwGr 6., 7.]). Jedenfalls sei aber von einem strengen Maßstab auszugehen, können doch nur so auch die Interessen des Verletzten ausreichend gewahrt werden (vgl in diesem Sinn auch 6 Ob 133/13x, wo auf die notwendige Unterbindung der Insultierung von Personen unter dem [vermeintlichen] Deckmantel der Anonymität im Internet hingewiesen wurde).

Damit hat zwar die nach § 1330 ABGB im Einzelfall notwendige Grenzziehung zwischen Tatsachenbehauptung, Werturteil und Wertungsexzess nicht im Herausgabe- bzw Auskunftsverfahren zu erfolgen, Voraussetzung für eine Verpflichtung des Host-Providers ist jedoch, dass eine Verurteilung des Posters nicht ausgeschlossen werden kann, also möglich sein muss. Dabei ist auf das Wissen eines juristischen Laien abzustellen, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Laie von sich aus erkennen kann, dass ein rechtswidriger Sachverhalt vorliegt, sondern ob ihm gegenüber die Glaubhaftmachung eines rechtswidrigen Sachverhalts gelungen ist; entscheidend ist daher, ob ein juristischer Laie nach entsprechendem Hinweis erkennen kann, dass eine Verurteilung nach § 1330 ABGB nicht auszuschließen, also möglich ist (6 Ob 133/13x; 6 Ob 188/14m; 6 Ob 145/14p).

5. In den bislang entschiedenen Fällen, in denen eine Herausgabepflicht bejaht wurde, warfen die jeweiligen Nutzer in ihren Postings den jeweils Verletzten beispielsweise vor, ein Charakterschwein und Vollidiot zu sein bzw Joseph Goebbels zu gleichen (6 Ob 188/16i), einer der größten Verbrecher der 2. Republik (6 Ob 188/14m) bzw der schlechteste Wirt Österreichs (unfreundlich, teuer, null Service, null Bock) zu sein, der eine Bar ohne Konzession betreibt, Lügen über seinen toten Bruder verbreitet und mit Schimpf und Schande vom Berg gejagt gehöre (6 Ob 178/04a MR 2007, 79 [Thiele]), ist von herausgepresstem Geld und Schmiergeld (6 Ob 133/13x) bzw dauernder Nazi-Wiederbelebung und korrupten Polit-Arschlöchern (6 Ob 145/14p) die Rede und wurde die Frage gestellt, ob diese Frau mit ihrem Gesicht, Haarschnitt und ihrem Auftreten für einen Mann überhaupt sexuell noch erstrebenswert sei, und die Forderung aufgestellt „bitte keine solche Frauen beim Heer, eher zu einer Reinigungsfirma“ (6 Ob 119/11k jusIT 2012/61 [Mader] = ecolex 2012/367 [Anderl] = ZIR 2013, 56 [Briem]).

Dem gegenüber schrieb im vorliegenden Fall der Nutzer „othmar“ nach den Feststellungen der Vorinstanzen „Abgesehen davon hört man immer öfter, dass man das BKH eher meiden soll, außer es ist ein Notfall!“, nachdem bereits zuvor eine Tageszeitung unter Bezugnahme auf den Obmann des klagenden Verbands (!) berichtet hatte, dass immer mehr Patienten die Unfallchirurgie am BKH meiden würden, weshalb dieses nun gegensteuern und den Ruf verbessern wolle, und dass der Leiter des BKH mitgeteilt habe, dass die Leute offenbar woanders hinwollten, wobei viele der Ärzte, die auf der Unfallchirurgie arbeiten, auch früher schon da gewesen und nur ein paar junge dazugekommen seien. Damit hat aber der User „othmar“ nicht selbst dem BKH den Vorwurf gemacht, etwa schlechte ärztliche Leistungen zu erbringen oder Ähnliches, sondern in der Tagespresse von Verantwortlichen des BKH selbst erörterte Umstände, nämlich dass das BKH von Patienten gemieden werde, wiedergegeben. Eine Verurteilung des Users erscheint damit – jedenfalls auch unter laienhafter Betrachtung – schon allein im Hinblick auf die subjektive Tatseite unmöglich.

6. Damit war aber die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen, ohne dass es auf die vom Berufungsgericht als im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblich bezeichneten Rechtsfragen weiter ankäme.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 41, 50 ZPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00156.19P.1127.000
Schlagworte:
Bezirkskrankenhaus,

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