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OGH vom 15.02.2000, 4Ob25/00f

OGH vom 15.02.2000, 4Ob25/00f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfred S*****, vertreten durch Dr. Norbert Bergmüller, Rechtsanwalt in Schladming, gegen die beklagte Partei mj. Michael P*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft L*****, Jugendwohlfahrtsreferat, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 1 C 51/97z des Bezirksgerichtes Liezen, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom , GZ 2 R 443/99t-12, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Liezen vom , GZ 1 C 50/99f-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der am außer der Ehe geborene Beklagte hatte durch seinen gesetzlichen Vertreter im Verfahren 1 C 51/97z des Bezirksgerichts Liezen eine Klage auf Feststellung der Vaterschaft und auf Unterhaltsleistung gegen den nunmehrigen Kläger eingebracht. Im dortigen Verfahren bestritt dieser das Klagebegehren mit der Begründung, die Mutter habe innerhalb der möglichen Empfängniszeit auch mit anderen Männern verkehrt, deren Vaterschaft wahrscheinlicher sei als die des Beklagten. Nach Beweisaufnahme unter anderem durch Einholung eines serologischen Gutachtens unter Einschluss der HLA/DNA-Typisierung stellte das Gericht mit Urteil vom die Vaterschaft des Klägers zum nunmehrigen Beklagten fest. Die gegen das bestätigende Urteil des Landesgerichts Leoben eingebrachte Revision wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom , 4 Ob 19/99v, - der dem Vertreter des Beklagten am zugestellt wurde -, zurück.

In der am eingebrachten Wiederaufnahmsklage behauptet der Kläger, er habe erst nach Abschluss des Vorverfahrens von einer neuen, wesentlich genaueren Methode der Vaterschaftsfeststellung, nämlich der DNA-Frequenzanalyse, erfahren. Zur Durchführung dieser Untersuchung sei die Blutabnahme bei Kind und Mutter erforderlich. Die Mutter habe zunächst ihre Mitwirkung als unzumutbar abgelehnt. Am habe der Kläger erfahren, dass auch eine mittels Wangenabstrichs zu gewinnende Speichelprobe ausreiche, doch habe die Mutter auch dies abgelehnt. Bei Durchführung einer DNA-Frequenzanalyse werde sich ergeben, dass der Kläger als Vater des Beklagten auszuschließen sei.

Das Erstgericht wies die Klage zurück. Es stellte fest, dass der Kläger aus einem Schreiben des Vorstands des gerichtsmedizinischen Instituts in Graz vom , seinem Rechtsvertreter zugegangen am , erfahren habe, dass es mit der DNA-Frequenzanalyse ein neues Verfahren gäbe, nach dessen Durchführung ein Vaterschaftsausschluss des Klägers denkmöglich wäre. Die Notfrist des § 534 Abs 1 ZPO habe demnach am geendet, weshalb die Wiederaufnahmsklage verfristet sei.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs deshalb zulässig sei, weil nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur teleologischen Reduktion des § 534 Abs 3 ZPO in Abstammungssachen fraglich sei, ob Vergleichbares nicht auch für die Frist des § 534 Abs 1 ZPO gelte. Die Notfrist des § 534 Abs 1 ZPO sei im Fall des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO von dem Tag an zu berechnen, an welchem die Partei imstande gewesen sei, die ihr bekannt gewordenen Tatsachen oder Beweismittel bei Gericht vorzubringen; dies sei hier der als Tag des Einlangens des Schreibens, in dem der Kläger erstmals von der neuen Methode eines Vaterschaftsausschlusses Kenntnis erlangt habe. Gründe für ein vertretbares Zuwarten mit dem Einbringen der Wiederaufnahmsklage seien nicht vorgelegen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist nicht jedenfalls unzulässig. Wird nämlich die Wiederaufnahmsklage - wie hier - bereits im Vorverfahren mangels Erfüllung der in § 538 ZPO genannten Erfordernisse, also aus formellen Gründen, zurückgewiesen, ist die bestätigende Entscheidung eines derartigen zurückweisenden Beschlusses nach der Ausnahmebestimmung des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO anfechtbar, weil damit der Rechtsschutzanspruch überhaupt verneint wurde (EFSlg 73.040 mwN). Der Revisionsrekurs ist auch - aus den vom Rekursgericht genannten Gründen - im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO zulässig. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass das Rekursgericht eine Nichtigkeit oder Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz verneint hat. Daran ist der Oberste Gerichtshof gebunden (Kodek in Rechberger, ZPO**2 Rz 1 zu § 528 mwN).

Der Oberste Gerichtshof ist in der Entscheidung vom , 8 Ob 599/92 (SZ 66/10 = ÖA 1994, 32), zur Ansicht gekommen, daß § 534 Abs 3 ZPO auf Wiederaufnahmsklagen gegen Urteile, mit denen die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind festgestellt wurde, nicht anzuwenden sei. Begründet wurde diese Ansicht mit der durch die Neuregelung der "Vaterschaft zu einem unehelichen Kinde" (§§ 163 bis 164d ABGB) beabsichtigten Angleichung der Rechtsstellung zwischen einem die Vaterschaft nach § 163b ABGB Anerkennenden und dem, dessen Vaterschaft durch ein Urteil festgestellt wurde. Aus diesem Grunde sei die Möglichkeit zur Anfechtung eines Vaterschaftsanerkenntnisses dem Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 1 Z 7 angepasst worden, weil der Gesetzgeber eine Rechtsungleichheit in dieser Beziehung nicht für gerechtfertigt gehalten habe. Eine Rechtsungleichheit könne nämlich dazu führen, dass sich der Mann, der sich als Erzeuger eines unehelichen Kindes betrachte, wegen der ungünstigen Möglichkeiten, ein Anerkenntnis anzufechten, scheuen könnte, ein solches zu erklären; dies müsse aber auch dann gelten, wenn vermieden werden solle, dass wegen ungünstigerer Anfechtungsmöglichkeit eines Vaterschaftsfeststellungsurteiles dem Vaterschaftsanerkenntnis der Vorzug gegeben würde. Der vom Gesetzgeber gewünschten Herstellung der Gleichheit bei der Bekämpfung beider gesetzlicher Instrumente der Vaterschaftsfeststellung stünde die - für eine Klage auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses nicht vorgesehene - objektive Befristung der Wiederaufnahmsklage durch § 534 Abs 3 ZPO mit 10 Jahren ab Rechtskraft der Entscheidung entgegen.

Dieser Rechtsmeinung haben sich in der Folge auch der zehnte Senat

(10 Ob 512/93) und der zweite Senat (EFSlg 73.048 = ÖA 1994, 34;

EFSlg 79.257 = EvBl 1996/36 = ÖA 1996, 33) angeschlossen.

Der Kläger vertritt im Anschluss an diese Rechtsmeinung die Ansicht, er dürfe im Fall der Erhebung einer Wiederaufnahmsklage gegen ein Feststellungsurteil, mit dem seine Vaterschaft festgestellt werde, nicht schlechter gestellt werden als bei Anfechtung eines Vaterschaftsanerkenntnisses; für letzteres stehe ihm aber eine Frist von einem Jahr offen. Dazu ist zu erwägen:

§ 164b ABGB befristet die Klage des Anerkennenden gegen das Kind, mit der die Rechtsunwirksamkeit des Anerkenntnisses der Vaterschaft wegen solcher Umstände behauptet wird, die die Vermutung seiner Vaterschaft entkräften und die er zur Zeit der Anerkennung nicht gekannt hat, mit einem Jahr nach Entdeckung der genannten Umstände. Diese Jahresfrist wurde mit in dem mit dem Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes (BGBl 1970/342, UeKindG) neu geschaffenen § 164a Abs 2 ABGB, der Vorgängerbestimmung zu § 164b ABGB, eingeführt und stand schon damals in einem Spannungsverhältnis zur vierwöchigen Frist des § 534 Abs 1 ZPO, binnen der eine Wiederaufnahmsklage eingebracht werden muss. Zu untersuchen ist deshalb, ob dieser unterschiedliche Fristenlauf sachlich gerechtfertigt ist.

Die Frist zur Einbringung einer Klage auf Rechtsunwirksamkeit eines Vaterschaftsanerkenntnisses ist eine materielle Ausschlussfrist (Pichler in Rummel, ABGB**2 § 164b Rz 4), während die Frist des § 534 Abs 1 ZPO eine prozessuale Notfrist ist, gegen deren Versäumung auch Wiedereinsetzung möglich ist (SZ 23/217; SZ 68/31; Fasching LB**2 Rz 2048; Kodek in Rechberger, ZPO**2 § 534 Rz 1). In der Lehre wird einerseits vertreten, dass das Institut der Anfechtungsklage der Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO nachgebildet sei (Pichler aaO Rz 3, Schwimann in Schwimann, ABGB**2 § 164b Rz 7), andererseits wird (als Stellungnahme zum alten § 164a ABGB) der Anfechtungstatbestand als "ein Mittelding zwischen einer Irrtumsanfechtung und einer Art Wiederaufnahmsklage" beurteilt (Kralik, Die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes, JBl 1971, 273 ff, 280).

Die Materialien zu § 164a Abs 2 ABGB führen aus, die dort vorgesehene Einschränkung der Klagemöglichkeit, dass die Klage nur auf Umstände gestützt werden darf, die dem Anerkennenden zur Zeit der Anerkennung nicht bekannt gewesen sind, sei der Bestimmung des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO nachgebildet; dieses Erfordernis solle - ebenso wie die Befristung der Klagemöglichkeit - einer missbräuchlichen Anwendung der Klage vorbeugen (6 BlgNR 12. GP). Der Gesetzgeber hat sich demnach zwar, was die inhaltlichen Erfordernisse betrifft, bei Einführung der Klagemöglichkeit gegen ein Vaterschaftsanerkenntnis auf einen Gleichklang ("Nachbildung") dieses Rechtsinstituts mit jenem der Wiederaufnahmsklage berufen, ohne zugleich zum unterschiedlich normierten Fristenlauf Stellung zu nehmen. Dieser erscheint aber aus folgenden Überlegungen sachlich gerechtfertigt:

Im Abstammungsverfahren kommt ein die Vaterschaft feststellendes rechtskräftiges Urteil erst nach Durchführung eines Beweisverfahrens und (gegebenenfalls) nach Überprüfung der Gesetzmäßigkeit des Verfahrens im Instanzenzug zustande; in diesem Verfahren gilt der Grundsatz der materiellen Wahrheitsforschung (Art V UeKindG). Ein Vaterschaftsanerkenntnis gründet sich demgegenüber allein auf dem guten Glauben des anerkennenden Mannes ohne vorangegangene Prüfung der wahren Abstammung des Kindes, wobei der Anerkennende in aller Regel zuvor mit Gerichten noch nicht in Kontakt gekommen ist. Unter dem Gesichtspunkt, dass die Rechtskraft eines nach einem Verfahren mit amtswegiger Wahrheitsforschung ergangenen Urteils schutzwürdiger ist als die Rechtswirksamkeit eines nur auf die subjektive Überzeugung gegründeten Anerkenntnisses, erscheint es dem erkennenden Senat gerechtfertigt, dem Anerkennenden eine längere Frist zur gerichtlichen Anfechtung des Anerkenntnisses einzuräumen als dem Wiederaufnahmskläger, der auf diesem Weg ein Statusurteil beseitigen möchte. § 534 Abs 1 ZPO ist deshalb auch in Abstammungsverfahren ohne Einschränkung anzuwenden. Ob die gleichen Erwägungen entgegen der in SZ 66/10 vertretenen Auffassung auch die objektive Frist des § 34 Abs 3 ZPO - die bei der Bekämpfung des Vaterschaftsanerkenntnisses fehlt - rechtfertigen könnten, braucht diesmal nicht erörtert zu werden.

Das Vorprüfungsverfahren dient unter anderem der Prüfung der Rechtzeitigkeit der Wiederaufnahmsklage (Fasching, Lehrbuch2 Rz 2084). Die Frist des § 534 Abs 2 Z 4 ZPO beginnt, sobald der Wiederaufnahmskläger die neuen Tatsachen und Beweismittel soweit kennt, daß er ihre Eignung für ein allfälliges Verfahren prüfen kann (SZ 51/165). Der Wiederaufnahmskläger muss in der Lage sein, einen formgerechten und inhaltsgerechten Beweisantrag zu stellen (EvBl 1980/102). Eine Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage im Vorprüfungsverfahren kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Verspätung schon aus den Tatsachenbehauptungen und Bescheinigungsmitteln ergibt (Fasching, ZPO IV 541).

Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, dass die Frist des § 534 Abs 1 ZPO am mit Zustellung jenes Schreibens an den Vertreter des Klägers zu laufen begonnen hat, in welchem ein Vaterschaftsausschluss des Klägers nach Durchführung der DNA-Frequenzanalyse als denkmöglich bezeichnet worden ist. Mit Erhalt dieses Schreibens wurde der Kläger nämlich in die Lage versetzt, die ihm bekannt gewordene neue Untersuchungsmethode als Beweismittel bei Gericht zu beantragen. Unbeachtlich für die Fristwahrung ist hingegen, ob einer (nach Bewilligung der Wiederaufnahme durchzuführenden) Beweisaufnahme allenfalls tatsächliche oder rechtliche Hindernisse (hier: die Weigerung der Mutter, an der Untersuchung mitzuwirken) entgegenstehen könnten; die Abklärung solcher Umstände durch den Kläger vor Klageeinbringung hat deshalb zu keiner Fristverlängerung geführt.

Die Zurückweisung der Klage im Vorprüfungsverfahren als verfristet noch vor Anberaumung einer Tagsatzung (Kodek aaO § 538 Rz 1) erweist sich damit als zutreffend. Dem Revisionsrekus war deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40, 50 Abs 1 ZPO begründet.