OGH vom 27.09.2016, 6Ob156/16h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers Mag. E***** G*****, vertreten durch Divitschek Sieder Sauer Peter Rechtsanwälte GesbR in Deutschlandsberg, gegen die Antragsgegnerin Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17–19, wegen Datenschutzverletzung (§ 85 GOG), über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 4 Nc 3/15i 12, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen die mit 1.241,55 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs vermag keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 85 Abs 2 GOG iVm § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen.
1. Vorweg ist darauf zu verweisen, dass die Fällung der angefochtenen Entscheidung durch einen Senat von drei Richtern trotz der in § 7a Abs 3 JN angeordneten grundsätzlichen Einzelrichterzuständigkeit nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führt. Wenngleich § 58 Abs 4 AußStrG die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung anordnet, wenn das Gericht „nicht vorschriftsmäßig besetzt“ war, ist dies auf den hier vorliegenden Fall, dass anstelle des Einzelrichters ein Senat entschieden hat, nicht anzuwenden. Die diesbezügliche Regelung des § 477 Abs 3 ZPO ist – ungeachtet des Fehlens eines ausdrücklichen Verweises im AußStrG – zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen analog auch im Außerstreitverfahren anzuwenden, beruht diese doch erkennbar nicht auf vom Außerstreitverfahren abweichenden spezifischen Wertungen des Streitverfahrens. Aus dieser Regelung ist verallgemeinernd der Grundsatz abzuleiten, dass eine höherwertige als die gesetzlich vorgesehene Gerichtsbesetzung keine Nichtigkeit begründet (6 Ob 17/86 = EvBl 1987/208).
2. Soweit der Rekurs dem Erstgericht vorwirft, diverse Urkunden nicht berücksichtigt und beantragte Einvernahmen nicht durchgeführt zu haben, ist dem zunächst entgegenzuhalten, dass die im Rekurs aufgezählten Urkunden ohnedies zum Akt genommen wurden. Das Erstgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die Datenabfragen des Pflegschaftsrichters aufgrund der Indizien für eine Überforderung der Eltern, eine Vernachlässigung ihrer älteren Kinder und die angespannte finanzielle Situation der Familie sowie einen offenbaren Erziehungsnotstand angeordnet wurden. Die im Rekurs erhobene Behauptung, die Abfragen seien aus persönlicher Neugierde des Richters erfolgt, stellt den unzulässigen Versuch dar, die Feststellungen des Erstgerichts anzugreifen. Der Oberste Gerichtshof ist nämlich auch im Außerstreitverfahren nicht Tatsacheninstanz (RIS Justiz RS0007236); zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er – ebenso wie in allen anderen Verfahrensarten – in keinem Fall berufen (RIS Justiz RS0123662).
3. Umfang und Inhalt der Anleitungspflichten richten sich stets nach den Umständen des Einzelfalls (RIS Justiz RS0120057). Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass der Antragsteller ausgebildeter Jurist und ehemals eingetragener Rechtsanwalt ist, sodass er sich schon deshalb nicht auf die erweiterten Anleitungs und Belehrungspflichten des § 14 Satz 2 AußStrG berufen kann (vgl Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 14 Rz 17; Kodek in Fasching/Konecny 2 § 432 ZPO Rz 8). Die Rekursausführungen laufen im Wesentlichen auf eine Kritik an der Führung des Pflegschaftsverfahrens hinaus, die jedoch nicht den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet.
4. Nicht stichhaltig ist auch die Argumentation des Rekurswerbers, das Erstgericht habe sein rechtliches Gehör verletzt, indem es sich auf den Inhalt des Pflegschaftsakts stützte, der dem Rekurswerber jedoch mangels Parteistellung nicht bekannt sei. Anders als in der ZPO wirkt ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Außerstreitgesetz nicht absolut, sodass der Rechtsmittelwerber den Einfluss auf die Richtigkeit der Entscheidung darzutun hätte (vgl RIS Justiz RS0120213). Selbst wenn die vom Rekurswerber beanstandete Feststellung, er sei im Pflegschaftsverfahren „ablehnend und destruktiv“ aufgetreten, unzutreffend wäre, wäre das Pflegschaftsgericht gemäß § 31 AußStrG nicht gehindert gewesen, zusätzlich noch VJ Abfragen und Sozialversicherungsabfragen durchzuführen.
5.1. Die weiteren Rekursausführungen lassen sich im Wesentlichen dahin zusammenfassen, dass die im Ausgangsverfahren durchgeführten Datenabfragen unzulässig seien, weil diese ohne sachlichen Grund erfolgten und unverhältnismäßig gewesen seien. Zudem seien auch der Wesentlichkeitsgrundsatz des § 6 Abs 1 Z 3 DSG 2000 und Verwendungsbeschränkungen verletzt worden.
5.2. Die §§ 84, 85 GOG dienen jedoch nicht dazu, in jenen Bereichen, in denen die Verfahrensgesetze die Verwendung von Daten (abschließend) regeln, das gerichtliche (Haupt )Verfahren zu beeinflussen, zu korrigieren oder nachträglich zu kontrollieren. Eine den jeweiligen Verfahrensgesetzen entsprechende Verwendung von Daten ist daher auch aus datenschutzrechtlicher Sicht zulässig. Es ist demnach nicht statthaft, während eines Gerichtsverfahrens oder nach dessen rechtskräftiger Erledigung mit einem Antrag nach § 85 GOG gegen die Verwendung von Daten, soweit sie in den Verfahrensgesetzen geregelt ist, vorzugehen (6 Ob 225/15d).
5.3. Das Außerstreitverfahren ist durch den Grundsatz des Beweisaufnahmeermessens gekennzeichnet (RIS Justiz RS0006319 [T2]; vgl Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 31 Rz 11). Der Richter ist im Verfahren außer Streitsachen in der Wahl der Beweismittel, durch die er die Wahrheit zu finden erwartet, in keiner Weise beschränkt (RIS Justiz RS0006319). Dies entspricht dem im Außerstreitverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz (§ 16 AußStrG). Insoweit normiert § 31 AußStrG den Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel ( Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 31 Rz 8).
5.4. Vor diesem Hintergrund ist es nicht statthaft, im vorliegenden Verfahren zu überprüfen, ob die im Ausgangsverfahren vorgenommenen Abfragen zu Recht erfolgten. Im Übrigen hat der Pflegschaftsrichter das ihm von § 31 AußStrG eingeräumte Ermessen nicht überschritten. Im Hinblick auf die vom Jugendamt behauptete schlechte finanzielle Situation der Familie, die kindeswohlgefährdende Ausmaße angenommen habe, erscheint die vorgenommene Abfrage im Exekutionsregister und bei der Sozialversicherung durchaus sinnvoll. Eine derartige Abfrage wäre auch nach einer Befragung des Antragstellers zulässig gewesen, um dessen Angaben zu überprüfen.
6. Zusammenfassend vermag der Rekurs daher keine Rechtsfragen der von § 85 Abs 5 GOG geforderten Qualität aufzuzeigen, sodass er spruchgemäß zurückzuweisen war.
7. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 78 Abs 2 AußStrG (vgl 6 Ob 45/15h). Die Antragsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00156.16H.0927.000