OGH vom 29.01.2003, 3Ob14/03k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1. Gertrude L***** und 2. Erich L*****, beide vertreten durch Dr. Kurt Bayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die verpflichtete Partei KR Theodor Ö*****, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 29.028,44 EUR, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 1 R 402/02b-23, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht bewilligte am den Betreibenden gegen Verpflichteten auf Grund deren Antrags vom die Zwangsversteigerung von Liegenschaften. Das Erstgericht gab mit Beschluss vom (ON 12) den Schätzwert bekannt. Über Einwendungen einer Buchgläubigerin und des Verpflichteten sprach das Erstgericht mit Beschluss aus, es sehe keine Veranlassung, von den bekannt gegebenen Schätzwerten von 119.150 EUR einerseits und 798.050 EUR andererseits abzugehen.
Das Rekursgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss den dagegen gerichteten Rekurs des Verpflichteten zurück. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Nach der hier anzuwendenden Fassung der EO nach der EO-Novelle 2000 sei über die Einwendungen gegen den Schätzwert auch dann nicht beschlussmäßig zu entscheiden, wenn sie der Richter als unzulässig oder unberechtigt ansehe. Weder gegen die Bekanntgabe des Schätzwerts noch gegen den ungeachtet der neuen Rechtslage gefassten Beschluss über Einwendungen dagegen sei ein Rechtsmittel zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der betreibenden Partei ist mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO nicht zulässig.
Zutreffend wurden vom Rekursgericht im vorliegenden Fall die §§ 144, 145 EO idF der EO-Nov 2000 angewendet, weil der Exekutionsantrag nach dem beim Erstgericht eingelangt ist (Art III Abs 1 EO-Nov 2000).
Zur Frage einer Beschlussfassung über Einwendungen gegen den Schätzwert nach der neuen Rechtslage hat der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluss vom , 3 Ob 236/02f, ausgeführt:
"Nach den Gesetzesmaterialien zu § 144 EO idF EO-Nov 2000 (RV, 93 BlgNR 21. GP) wird zur Beschleunigung des Verfahrens vorgesehen, dass - wie im Fahrnisexekutionsverfahrens - der Schätzwert nicht mehr beschlussmäßig festgesetzt wird; er ist nach allfälliger Ergänzung, Richtigstellung und Verbesserung (vgl. § 145) dem Zwangsversteigerungsverfahren zugrunde zu legen. Nach wie vor ist dem Verpflichteten, dem betreibenden Gläubiger sowie den dinglich Berechtigten der Schätzwert bekannt zu geben. Diese können binnen der zu setzenden Frist Einwendungen gegen das Gutachten erheben, auf Grund derer allenfalls nach § 145 EO vorzugehen ist. Diese Bekanntgabe des Schätzwertes erfolgt zwar gemäß § 62 letzter Halbsatz EO in Form eines Beschlusses (so zutreffend Angst in Angst, EO,§ 144 Rz 1), die Parteien des Exekutionsverfahrens und die in § 144 EO genannten Buchberechtigten haben jedoch kein Rekursrecht, sondern nur die Möglichkeit, gegen den ihnen bekannt gegebenen Schätzwert Einwendungen zu erheben (Angst aaO § 144 Rz 2; Neumayr in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO,§ 144 Rz 2 f).
Gemäß § 145 EO hat das Exekutionsgericht spätestens nach Ablauf der Frist zur Erstattung von Einwendungen gegen den Schätzwert alle nötigen Ergänzungen, Richtigstellungen und Verbesserungen des Schätzungsgutachtens von Amts wegen zu erlassen. Selbst wenn also Einwendungen gemäß § 144 EO erhoben wurden, ist die beschlussmäßige Festsetzung des Schätzwertes nicht vorgesehen; es ist über die Einwendungen auch dann nicht beschlussmäßig zu entscheiden, wenn sie der Richter als unzulässig oder unberechtigt ansieht. Dies ergibt sich daraus, dass das Gesetz solche Beschlüsse nicht erwähnt und dass dies offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers entspricht, weil sonst die von ihm angestrebte Beschleunigung des Verfahrens gefährdet wäre. Hält der Richter Einwendungen für unzulässig oder unberechtigt, hat er daher hierüber nicht zu entscheiden. Aber auch wenn der Richter Einwendungen als berechtigt ansieht, führt dies nicht zur Erlassung eines Beschlusses, sondern erforderlichenfalls zur Einvernahme des Sachverständigen; dem Verfahren ist dann ohne weiteres der letzte vom Sachverständigen allenfalls nach Ergänzung, Richtigstellung oder Verbesserung seines Gutachtens ermittelte Schätzwert zugrunde zu legen (Angst aaO § 145 Rz 1). Dies gilt auch, wenn für den Schätzwert strittige Umstände, wie das Bestehen von Bestandverträgen, maßgebend sind. Die Betroffenen haben daher mangels einer anfechtbaren Entscheidung keine Möglichkeit, sich mit einem Rechtsmittel gegen die entsprechende Annahme des Exekutionsgerichts zur Wehr zu setzen; es ist Sache der Bietinteressenten, die wahre Sach- und Rechtslage abzuschätzen. Diese Verminderung des Rechtsschutzes gegenüber der Rechtslage vor der EO-Nov 2000 hat der Gesetzgeber im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens und der darauf gegründeten Beseitigung des Beschlusses über die Festsetzung des Schätzwerts ganz offensichtlich in Kauf genommen (Angst aaO § 145 Rz 2). Die Sachverständigenhaftung nach § 1299 ABGB soll für den Entfall der Rekursmöglichkeit Ersatz bieten (vgl. Rechberger/Oberhammer, Exekutionsrecht3 Rz 275 f).
Mini (Die neue Zwangsversteigerung von Liegenschaften 80 ff [2000]) übt an dieser Regelung Kritik und meint, dass eine Richtigstellung des Schätzwerts dem Inhalt nach ein Beschluss sei. Dieser Ansicht kann, was die in § 145 EO geregelte Ergänzung der Schätzung betrifft, nicht gefolgt werden. In diesem Fall ist gerade keine Beschlussfassung im Gesetz vorgesehen; der vom Gericht als richtig angesehen Schätzwert ist vielmehr dem Verfahren nur einfach zugrunde zu legen."
Dieselbe Rechtsansicht liegt auch dem Beschluss des erkennenden Senats vom , 3 Ob 299/02w, zu Grunde. Es liegen daher im maßgeblichen (RIS-Justiz RS0112769; weiters 5 Ob 69/00h = EWr I/16/294) Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs entgegen der Ansicht des Verpflichteten die dargestellte (diesem bei Verfassung des Rechtsmittels wohl noch nicht bekannte) Rsp vor, der auch die Entscheidung des Rekursgerichts entspricht. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.