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OGH vom 19.11.2019, 3Ob13/19m

OGH vom 19.11.2019, 3Ob13/19m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Priv.-Doz. Dr. Rassi und Mag. Painsi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei R*****, vertreten durch Mag. Stefan Danzinger, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die verpflichtete Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wiener Neustadt, wegen 1.975.173,70 EUR sA (Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs und Exekutionsbewilligung), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 17 R 131/18p-44, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Vorinstanzen wiesen das Begehren der Betreibenden, das Schiedsurteil des Internationalen Schiedsgerichts bei der Belarussischen Industrie- und Handelskammer vom für Österreich für vollstreckbar zu erklären, und die damit verbundenen Exekutionsanträge ab. In der Ausführung ihres außerordentlichen Revisionsrekurses beanstandet die Betreibende die rechtliche Beurteilung, es liege ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public vor.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel zeigt damit jedoch keine Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO auf, weshalb es als unzulässig zurückzuweisen ist:

1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass zwar eine gleichzeitige Anwesenheit der Schiedsrichter bei der zweifellos notwendigen Beratung wünschenswert ist, im Besonderen dann, wenn der Schiedsspruch ein Mehrheitsschiedsspruch ist (3 Ob 211/05h = SZ 2006/65), dass eine Beratung aber auch mündlich, fernmündlich mittels Videokonferenz oder schriftlich durchgeführt werden darf. Auch die bilateralen Vorverständigungen von zwei Schiedsrichtern sind nicht prinzipiell unzulässig, wenn sie nicht eine Intensität erreichen, die zum faktischen Ausschluss des dritten Schiedsrichters führt (3 Ob 154/10h; Hausmanninger in Fasching/Konecny³, § 604 ZPO Rz 36; Schlosser in Stein/Jonas, dZPO23§ 1052 Rz 2; Schütze in Wieczorek/Schütze, dZPO4§ 1052 Rz 9). Ein überstimmter Schiedsrichter darf daher nicht faktisch ausgeschlossen gewesen sein, seine Meinung zum Entscheidungsentwurf einzubringen und auf die Willensbildung seines Mitschiedsrichters oder auch des Vorsitzenden durch Kontaktaufnahme Einfluss zu nehmen (3 Ob 154/10h). An einer ein Fundamentalerfordernis eines Schiedsverfahrens bildenden Abstimmung fehlt es etwa, wenn der überstimmte Schiedsrichter vor eine vollendete Meinungsbildung der übrigen gestellt wurde (Schlosser in Stein/Jonas, dZPO23§ 1052 Rz 2 mwN).

2. Nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen wurden dem dritten, von der Verpflichteten nominierten Schiedsrichter anlässlich einer gemeinsamen, nach Abschluss des Beweisverfahrens abgehaltenen Sitzung aller drei Schiedsrichter, die zu keiner Entscheidung führte, weitere Sitzungen in Aussicht gestellt. Dem völlig widersprechend verfasste der Vorsitzende einen Entwurf des Schiedsspruchs ohne weitere Kontaktaufnahme, Besprechung oder Beratung mit dem von der Verpflichteten nominierten Schiedsrichter und forderte diesen auf, den bereits vom Vorsitzenden und vom zweiten Schiedsrichter unterschriebenen Entwurf in der Geschäftsabteilung des Schiedsgerichts zu unterfertigen. Erst dabei stellte der dritte Schiedsrichter fest, dass im Schiedsspruch auch über weitere, nach Abschluss des Beweisverfahrens gestellte Parteienanträge (ua auf Wiedereröffnung des Verfahrens) ablehnend abgesprochen wurde, von deren Berechtigung er überzeugt war. Es fand daher weder eine (abschließende) Beratung in der Hauptsache noch zu den genannten Anträgen mit dem dritten Schiedsrichter statt. Darauf angesprochen, verwies der Vorsitzende den dritten Schiedsrichter bloß auf Möglichkeit einer abweichenden Meinung.

3. Wenn die Vorinstanzen diesen Sachverhalt, der einer Konfrontation des (bereits überstimmten) Schiedsrichters mit einer vollendeten Meinungsbildung der übrigen entspricht, als dessen faktischen Ausschluss von der Entscheidungsfindung einschließlich der Einflussnahme auf die Willensbildung der restlichen Schiedsrichter qualifizierten, hält sich dies im Rahmen der dargestellten Rechtslage und bedarf deshalb keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.

4. Entgegen der Rechtsansicht der Betreibenden werden damit gerichtliche Entscheidungen in einem Aufhebungsverfahren im Herkunftsstaat schon deshalb nicht „einfach vom Tisch gewischt“, weil Beurteilungskriterium der vorliegenden Entscheidung die – bisher nicht geprüften – Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung sind (RS0110743). Ebensowenig bedeutet die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Schiedsrichtern faktisch Einstimmigkeit gefordert wird, weil es nicht um das Abstimmungsergebnis, sondern um die Sicherung eines den fundamentalen Rechtsgrundsätzen entsprechenden, fairen Zustandekommens eines Schiedsspruchs geht.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 78 EO iVm § 528a und 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00013.19M.1119.000

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