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OGH vom 23.02.2011, 3Ob13/11z

OGH vom 23.02.2011, 3Ob13/11z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei E***** Betriebsgesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Daniel Bräunlich Rechtsanwalt GmbH in Salzburg, gegen die verpflichtete Partei G***** S.p.A., *****, Italien, vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (36.000 EUR), über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 2 R 249/10k 8, womit infolge Rekurses der betreibenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom , GZ 12 E 3595/10y 5, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der verpflichteten Partei wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit 3.195,28 EUR (darin 326,58 EUR Umsatzsteuer und 1.234 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die betreibende Partei stellte am beim Bezirksgericht Villach den Antrag, ihr aufgrund der einstweiligen Verfügung des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 4 Cg 57/09k 47, gegen die (in Italien ansässige) verpflichtete Partei zur Erwirkung der titulierten Unterlassungsverpflichtung die Exekution gemäß § 355 EO sowie zur Hereinbringung (ausschließlich) der Kosten des Exekutionsantrags die Drittschuldnerexekution nach § 294 EO gegen eine im Sprengel des angerufenen Gerichts ansässige Drittschuldnerin zu bewilligen. Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit stützte sich die betreibende Partei unter Hinweis auf § 6 Z 2 und § 18 Z 3 EO auf den Sitz der Drittschuldnerin.

Das Erstgericht wies den Exekutionsantrag wegen Fehlens der örtlichen Zuständigkeit zurück. Die Entscheidung über die Kosten des Exekutionsantrags betreffe nicht die Hauptsache, sondern eine Nebensache. Die Bewilligung der Naturalexekution (Exekution zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen), also der Hauptsache, schließe die Bewilligung zur Hereinbringung der Antragskosten in sich. Demnach gelte die Geldexekution zur Hereinbringung der Kosten gegenüber der Unterlassungsexekution nicht als eigenständige Exekution; sie sei lediglich Folge der Bewilligung der Unterlassungsexekution und könne auch nicht losgelöst von der Unterlassungsexekution eingestellt werden. Es sei daher nicht gerechtfertigt, angesichts zweier Exekutionsarten von einer Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Zuständigkeit zu sprechen, weil keine gleichwertigen Exekutionen vorlägen, die miteinander verbunden würden und bei denen der Antrag auch jeweils getrennt eingebracht werden könnte, worauf § 6 EO seinem Sinn nach abziele: Die Exekution zur Hereinbringung der Exekutionskosten sei eben keine selbständige Exekution.

Systematisch stelle die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts eine Verfahrensvoraussetzung dar. Maßgeblicher Zeitpunkt der Prüfung, ob die Verfahrensvoraussetzungen vorlägen, sei der Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag. Die Kostenforderung entstehe aber erst mit der Entscheidung in der Sache, was gegenüber dem Entscheidungszeitpunkt eine juristische Sekunde später sei. Zu bedenken sei auch, dass die Abweisung eines Antrags auf Exekution nach § 355 EO nie eine Kostenforderung entstehen lasse, sodass auch der von der betreibenden Partei herangezogene Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit gar nie entstünde. Der Antrag wäre wegen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts zurückzuweisen, wobei in Verkehrung aller Systematik die Entscheidung in der Sache, nämlich ob der Antrag nach § 355 EO berechtigt sei, ihrerseits Vorfrage für die Beurteilung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts wäre, obwohl letztere Voraussetzung für die Entscheidung in der Sache sei. Das Gericht hätte demnach nur die Kompetenz zur Bewilligung des Exekutionsantrags; für eine abweisende Entscheidung würde es schon an der Zuständigkeit zur Sachentscheidung fehlen.

Die Herleitung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts aus der Nebensache (nämlich der erst mit der Bewilligung entstehenden Kostenforderung, die zu keiner selbständigen Exekution führe) stelle demnach einen unzulässigen juristischen Kunstgriff dar, weshalb das angerufene Gericht generell unzuständig sei, möge es auch im Fall der Bewilligung einen im Sprengel ansässigen Drittschuldner geben.

Das Rekursgericht hob den Beschluss des Erstgerichts auf und trug ihm die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens auf.

Gemäß § 6 Z 2 EO habe der Gläubiger die Wahl, bei welchem der zum Einschreiten als Exekutionsgericht zuständigen Gericht er um die Bewilligung der Exekution ansuche, wenn wegen des gleichzeitigen Ansuchens mehrerer Exekutionsarten in verschiedenen Sprengeln Exekutionshandlungen vorzunehmen wären. Das Gesetz enthalte keine ausdrückliche Regelung für den hier vorliegenden Fall, dass das angerufene Gericht zur Durchsetzung der im Exekutionstitel festgelegten Verpflichtung grundsätzlich nicht zuständig sei, hingegen eine solche Zuständigkeit (nur) für die zur Hereinbringung der Exekutionskosten beantragte (Drittschuldner-)Exekution gegeben sei.

Der Oberste Gerichtshof habe in seiner Entscheidung 3 Nc 20/10m diese Frage nicht abschließend zu beurteilen gehabt, aber darauf hingewiesen, dass dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnommen werden könne, dass das Wahlrecht nach § 6 EO nur dann gelten solle, wenn alle von der betreibenden Partei beantragten Exekutionsarten der Verwirklichung der bereits im Exekutionstitel enthaltenen Verpflichtung dienten, hingegen ausgeschlossen sein solle, wenn eine Exekutionsart (nur) der Hereinbringung der bei Exekutionsbewilligung zu bestimmenden Verfahrenskosten dienen solle. Wenn auch anzunehmen sei, dass der Gesetzgeber bei der Erlassung des § 6 EO zwei verschiedene Exekutionsmittel zur Durchsetzung einer Titelforderung im Auge gehabt habe, stelle sich für den vorliegenden Sachverhalt doch die Frage, ob § 6 EO auf den vorliegenden, nicht geregelten Fall analog anzuwenden sei.

Das Rekursgericht gehe davon aus, dass das Gesetz die Zuständigkeit des angerufenen Exekutionsgerichts nicht generell für den Fall ausschließen habe wollen, dass sich diese Zuständigkeit zwar nicht aus dem zur Durchsetzung der Hauptforderung beantragten Exekutionsmittel, wohl aber aus jenem zur Hereinbringung der Exekutionskosten ergebe. Die planwidrige Lücke könne durch Analogie geschlossen werden. Daraus ergebe sich, dass § 6 EO auf den hier gegebenen Sachverhalt analog anzuwenden sei und das Erstgericht somit zur Entscheidung zuständig sei.

Der Revisionsrekurs sei (bei Bewertung des Entscheidungsgegenstands mit über 30.000 EUR) zulässig, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob dann, wenn für die Exekution zur Durchsetzung der Titelverpflichtung keine Zuständigkeit des angerufenen Gerichts bestehe, das ausschließlich zur Hereinbringung der Exekutionskosten beantragte Exekutionsmittel die Zuständigkeit gemäß § 6 EO begründen könne; für seine diese Frage verneinende Rechtsansicht habe das Erstgericht gute juristische Gründe ins Treffen geführt.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei aus dem Revisionsrekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Das Revisionsrekursvorbringen lässt sich dahin zusammenfassen, dass § 6 EO auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, weil die Kostenforderung nur eine Nebenforderung zum Hauptanspruch sei, und dafür keine eigene Zuständigkeit begründet werden könne. § 6 EO gehe aber von einer Zuständigkeit mehrerer Gerichte aus. Würde man die Anwendbarkeit des § 6 EO bejahen, stünde dies im Widerspruch zu dem gesetzlichen System fixer Zuständigkeiten, da sich eine Zuständigkeit erst rückwirkend für den Sachantrag bewilligende, nicht hingegen für abweisende Entscheidungen ergeben würde. Dies sei aber mit dem Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B VG) unvereinbar. Eine analoge Anwendung des § 6 Z 2 EO scheide aus, weil die gesetzliche Regelung einen Umkehrschluss nahe lege: Zweck der Bestimmung sei die Verfahrensökonomie bei Parallelverfahren, nicht aber die Schaffung neuer Gerichtsstände. Eine Analogie wäre systemwidrig und würde das gesamte System der Zwangsgerichtsstände sowie den dahinter stehenden Gedanken unterlaufen, dass jenes Gericht zuständig sein solle, das eine Beziehung zur Titelforderung habe. Eine Analogie könnte zudem Rechtsmissbrauch fördern, zumal der Verpflichtete das Vorhandensein eines Drittschuldners nicht beweisen, sondern nur behaupten müsste. Zudem könnte die Verteidigung des Verpflichteten unterlaufen werden, weil für die Erhebung einer Oppositions- und Impugnationsklage der Zwangsgerichtsstand des Bewilligungsgerichts bestehe.

2. Diese Ausführungen sind berechtigt.

2.1. In der Entscheidung 3 Nc 20/10m, in der es (in derselben Rechtssache) um die Frage der Ordination ging, hat der Oberste Gerichtshof zwar darauf hingewiesen, dass der Gesetzeswortlaut prima vista das Wahlrecht nach § 6 EO für den Fall, dass eine Exekutionsart (nur) der Hereinbringung der bei Exekutionsbewilligung zu bestimmenden Verfahrenskosten dienen solle, nicht ausschließe; die Frage müsse jedoch nicht abschließend geprüft werden.

2.2. Nach seinem Wortlaut gewährt § 6 EO dem Gläubiger ein Wahlrecht, „bei welchem der zum Einschreiten als Exekutionsgericht zuständigen Gericht er um Bewilligung der Exekution ansucht, wenn in verschiedenen Sprengeln Exekutionshandlungen vorzunehmen wären“, darunter etwa (Z 2) „wegen des gleichzeitigen Ansuchens mehrerer Exekutionsarten“. § 6 EO setzt also die Zuständigkeit mehrerer Gerichte nach § 4 in Verbindung mit den §§ 18 und 19 EO voraus (vgl Jakusch in Angst 2 § 6 Rz 2; RIS-Justiz RS0000197).

2.3. Im Exekutionsverfahren zur Hereinbringung von Geldforderungen gilt der Grundsatz, dass eine Exekutionsbewilligung in der Hauptsache auch die Bewilligung der Exekution zur Hereinbringung der mit dem Exekutionsverfahren verbundenen und nach § 74 EO vom Verpflichteten zu ersetzenden Kosten umfasst ( Jakusch in Angst 2 § 3 Rz 31; Fucik in Burgstaller/Deixler-Hübner [10. Lfg 2006] § 74 EO Rz 27; vgl auch § 27 Abs 2 EO). Für Exekutionen zur Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen ist dieser Grundsatz explizit in § 369 Abs 1 EO zum Ausdruck gebracht: Im Stattgebungsfall ergeht ein einheitlicher Bewilligungsbeschluss, der sowohl über den Exekutionsantrag in der Hauptsache als auch über das Kostenbegehren abspricht; wegen der Kosten wird keine selbständige Exekution geführt ( Klicka in Angst 2 § 369 Rz 1).

Demnach hängt der Kostenersatzanspruch der betreibenden Partei davon ab, ob die Exekution in der Hauptsache bewilligt wird. Die Zuständigkeit zur Bewilligung der Exekution zur Hereinbringung der Kosten des Exekutionsantrags läuft notwendig mit der Zuständigkeit zur Exekutionsbewilligung in der Sache gleich.

Daraus folgt, dass § 6 EO auf den vorliegenden Fall unanwendbar ist, weil nicht von vornherein mehrere für die Exekution zuständige Gerichte in Betracht kommen: Auch die Hereinbringung der Kosten ist von dem Gericht zu verfügen, das über den Exekutionsantrag in der Hauptsache zu entscheiden hat.

2.4. Für eine analoge Anwendung des § 6 EO fehlt es an einer Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit der rechtlichen Regelung. § 6 EO geht von mehreren zuständigen Gerichten aus. Aus § 369 EO erhellt, dass zur Hereinbringung der Kosten neben der Bewilligung der Exekution in der Hauptsache keine selbständige Exekution zu bewilligen ist. Eine Ausdehnung des § 6 EO über seinen wörtlichen Anwendungsbereich hinaus auf Fälle wie den vorliegenden hätte die vom Gesetz erkennbar nicht gewollte Wirkung der Begründung von über §§ 18, 19 EO hinausgehenden weiteren Zuständigkeiten. Damit würde das der EO zugrunde liegende Konzept fester Gerichtsstände, die in einem möglichst engen Zusammenhang mit der Exekution in der Hauptsache stehen, konterkariert.

2.5. Im Übrigen kann auf die zutreffende Begründung des erstgerichtlichen Beschlusses verwiesen werden.

3. Das Erstgericht hat daher den Exekutionsantrag zu Recht zurückgewiesen; diese Entscheidung ist wiederherzustellen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO (§ 78 EO). Die Verpflichtete hat sich erfolgreich gegen den Antrag der betreibenden Gläubigerin auf Bewilligung der Exekution durchgesetzt.