OGH vom 29.01.2010, 1Ob254/09y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Martin Schatz und Mag. Patrick Gaulin, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei T***** GmbH i.L., *****, vertreten durch Dr. Günther Egger (als Nachtragsliquidator) und Dr. Karl Heiss, Rechtsanwälte in Innsbruck, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Stefan Herdey und Dr. Roland Gsellmann, Rechtsanwälte in Graz, wegen 67.000 EUR sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 1 R 247/09x 13, womit der als Berufung bezeichnete Rekurs der klagenden Partei gegen die als „Urteil" bezeichnete Entscheidung des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 12 Cg 57/09a 8, als verspätet zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Im Jahr 2005 beauftragte die klagende Partei die nunmehr beklagte Gesellschaft mit Um- und Ausbauarbeiten in einem Haus. Im Zuge dieser Arbeiten kam es am durch Wegwerfen einer nicht gänzlich abgelöschten Zigarette seitens eines Mitarbeiters der beklagten Partei zu einem Brand, der nach dem Vorbringen der klagenden Partei einen Schaden von 67.000 EUR verursachte.
Mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom , AZ 63 Se 161/06g, wurde ein gegen die beklagte Partei gerichteter Konkursantrag mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen und in der Folge die beklagte Partei im Firmenbuch gelöscht.
Am bewilligte das Landesgericht Innsbruck auf Antrag der klagenden Partei die Nachtragsliquidation und bestellte am einen Nachtragsliquidator.
Mit ihrer im März 2009 eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei den Ersatz von 67.000 EUR an Wiederherstellungskosten. Sie brachte vor, die beklagte Partei verfüge über Vermögen, das in einem aufgrund des Brandschadens gegebenen Deckungsanspruch gegenüber einer Versicherungsgesellschaft bestehe, den diese bisher zu Unrecht abgelehnt habe. Die beklagte Partei sei daher parteifähig.
Diese Versicherungsgesellschaft schloss sich dem Verfahren als Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei an und wendete mangelnde Parteifähigkeit der beklagten Partei mit der Begründung ein, der behauptete Deckungsanspruch sei zu verneinen. Nach den Allgemeinen Bedingungen für die Betriebs Haftpflichtversicherung wäre Deckung nur dann zu gewähren, wenn ein Arbeitnehmer den Schaden in Ausübung seiner dienstlichen Verrichtung verursacht hätte. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Das Erstgericht wies mit seiner urteilsmäßig abgefassten Entscheidung vom die Klage mangels Parteifähigkeit der beklagten Partei zurück. Die Löschung der Firma einer GmbH im Firmenbuch habe nur deklarative Bedeutung. Eine Gesellschaft bestehe so lange fort, als noch verwertbares und verteilbares Gesellschaftsvermögen vorhanden sei. Das Verfahren habe aber erbracht, dass der Brandschaden nicht in Ausübung einer dienstlichen Verrichtung verursacht worden sei, weshalb kein Deckungsanspruch der beklagten Partei gegenüber der Nebenintervenientin bestehe. Sohin verfüge die beklagte Partei über keinerlei Vermögen mehr und sei die Klage gegen eine Gesellschaft erhoben worden, die zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits voll beendet gewesen sei. Die Zustellung dieser Entscheidung an die Klagevertreter erfolgte am .
Das Gericht zweiter Instanz wies das am gegen diese Entscheidung eingebrachte, als Berufung bezeichnete Rechtsmittel der klagenden Partei wegen Verspätung zurück. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Da es sich bei der mangelnden Parteifähigkeit um eine Prozessvoraussetzung handle, hätte das Erstgericht die Klage wegen mangelnder Parteifähigkeit nicht mit Urteil, sondern mit Beschluss zurückweisen müssen. Ein Vergreifen in der Entscheidungsform beeinflusse aber weder die Zulässigkeit, noch die Behandlung des gegen die Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Maßgeblich sei nicht die gewählte, sondern die vom Gesetz vorgeschriebene Entscheidungsform. Demnach sei das als Berufung bezeichnete Rechtsmittel als Rekurs gegen einen Beschluss auf Zurückweisung der Klage nach Eintritt der Streitanhängigkeit anzusehen. Nach der auf den vorliegenden Fall bereits zur Anwendung gelangenden Bestimmung der §§ 521 Abs 1, 521a Abs 1 ZPO idF der ZVN 2009 betrage die Rekursfrist bei derartigen Beschlüssen nunmehr 14 Tage (und nicht mehr vier Wochen). Das nach Ablauf dieser Frist erhobene, als Rekurs zu behandelnde Rechtsmittel der klagenden Partei sei ebenso verspätet wie die als Rekursbeantwortung zu behandelnde Berufungsbeantwortung der Nebenintervenientin.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist unzulässig.
1. Vorerst ist darauf einzugehen, dass die Rechtsmittelwerberin nicht nur einen Revisionsrekurs, sondern auch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht hat, ohne die Reihenfolge der Erledigung ihrer Anträge vorzugeben, und dass das Erstgericht den Revisionsrekurs dem Obersten Gerichtshof noch vor einer Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag vorgelegt hat. Nimmt eine Partei keine ausdrückliche Reihung ihrer Anträge vor, ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich zunächst über das den weitergehenden Schutz gewährende (aufsteigende) Rechtsmittel zu entscheiden. Dies findet seine Begründung darin, dass gemäß § 152 ZPO der Antrag auf Wiedereinsetzung den Fortgang des Prozesses nicht hindert und das erfolgreiche Rechtsmittel dem Wiedereinsetzungsantrag den Boden entzieht (RIS Justiz RS0007046; RS0036501; Gitschthaler in Rechberger , ZPO3 §§ 144 f Rz 7 mwN; aM Fasching , Lehrbuch2 Rz 586, und ihm folgend Deixler Hübner in Fasching/Konecny 2 § 147 Rz 7 und 8, die die Reihenfolge der Entscheidung allein von der Prozessökonomie abhängig machen wollen).
2. Nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung ist die mangelnde Parteifähigkeit eine von Amts wegen zu prüfende (allgemeine) Prozessvoraussetzung, deren Fehlen nur zur Ablehnung der Sachentscheidung durch Zurückweisung der Klage führen kann (RIS Justiz RS0110705; RS0039711; Schubert in Fasching/Konecny 2 Vor § 1 ZPO Rz 73 mwN; Fucik in Rechberger aaO Vor § 1 ZPO Rz 6, § 1 Rz 2; Fasching aaO Rz 337). Im Hinblick darauf, dass die Eintragung der Löschung der Firma einer GesmbH lediglich deklarative Bedeutung hat (RIS Justiz RS0059984), hatte das Erstgericht im Zwischenstreit über die Parteifähigkeit zu prüfen, ob tatsächlich eine Vollbeendigung der beklagten GesmbH, also der Verlust deren Rechtspersönlichkeit, gegeben war. Zu klären war, ob neben der Löschung im Firmenbuch auch die materielle Voraussetzung der Vermögenslosigkeit gegeben war (RIS Justiz RS0021209). Zu diesem Zweck schränkte das Erstgericht die Verhandlung auf die Frage der Parteifähigkeit der beklagten Partei ein (AS 53). Hätte dieses Verfahren liquides Aktivvermögen erbracht, hätte das Erstgericht davon ausgehen müssen, dass die Rechtspersönlichkeit der GesmbH trotz deren Löschung im Firmenbuch aufrecht ist. Fehlt es aber - wovon das Erstgericht ausging - an jeglichem Aktivvermögen, endete die Rechtspersönlichkeit der GesmbH bereits im Zeitpunkt der Löschung (RIS Justiz RS0050186). Gegen eine vollbeendete und damit nicht parteifähige Gesellschaft kann kein Prozessrechtsverhältnis mehr begründet werden, weshalb eine Klage mangels Parteifähigkeit richtigerweise mit Beschluss zurückzuweisen ist.
Hat sich nun das Erstgericht in der Entscheidungsform vergriffen und die Klage mangels Parteifähigkeit dennoch in Urteilsform zurückgewiesen, so steht dagegen nur der nunmehr innerhalb von 14 Tagen einzubringende Rekurs offen (RIS Justiz RS0040285). Infolge des nach dem liegenden Entscheidungsdatums erster Instanz gelangte bereits § 521 Abs 1 ZPO idF der Zivilverfahrens Novelle 2009 zur Anwendung (Art XIV Abs 2 der ZVN 2009). Nach § 521 Abs 1 idF der ZVN 2009 beträgt die Rekursfrist nur mehr dann 4 Wochen, wenn sich der Rekurs gegen einen Endbeschluss oder einen Aufhebungsbeschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO richtet, weshalb der Rekurs der klagenden Partei als verspätet zurückgewiesen werden musste.
Beschlüsse, mit denen das Rekursgericht einen Rekurs gegen eine erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen hat, sind nur unter den Voraussetzungen des § 528 ZPO anfechtbar ( Kodek in Rechberger aaO § 528 Rz 2 mwN). Da die Revisionsrekurswerberin keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag, ist ihr Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen.