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OGH vom 27.08.1997, 1Ob252/97h

OGH vom 27.08.1997, 1Ob252/97h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des am geborenen Wilhelm I*****, vertreten durch Dr.Harald W.Jesser und DDr.Manfred Erschen, Rechtsanwälte in Leoben, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Betroffenen gegen den Beschluß des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom , GZ 2 R 336/97d, 337/97a-12, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom , GZ 6 P 112/97w-7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Der durch frei gewählte Rechtsanwälte vertretene Betroffene, ein Zimmermeister und Sägewerks- sowie E-Werksbesitzer, regte an, Johann L***** für ihn zum Sachwalter zu bestellen, weil er alkoholkrank sei und verhindern wolle, von „Geschäftspartnern“ bedrängt Verträge abzuschließen, insbesondere aber Liegenschaften zu veräußern.

Das Erstgericht bestellte nach der Erstanhörung Johann L***** (im folgenden auch nur Sachwalter) mit Beschluß vom ON 4 zum Verfahrenssachwalter (§ 238 Abs 1 AußStrG) und mit Beschluß vom ON 7 zum einstweiligen Sachwalter zur Besorgung dringender Angelegenheiten (§ 238 Abs 2 AußStrG), und zwar zur Vertretung des Betroffenen bei Abschluß von „Verträgen und Rechtsgeschäften jeglicher Art“ mit Ausnahme von Geschäften zur Beschaffung von Gütern des privaten täglichen Bedarfs. Am habe der Rechtsvertreter des Betroffenen das Gericht aufgefordert, von Amts wegen einzuschreiten, weil der Betroffene offenbar am Vortag in verstörtem Zustand seinen einstweiligen Sachwalter um Unterstützung bei der Ungültigerklärung einer von ihm unterfertigten Urkunde, deren Inhalt der Betroffene aber nicht kenne, ersucht habe. Die Angelegenheit sei trotzdem nicht bereinigt, weil der mögliche Vertragspartner nicht habe erreicht werden können. Da der Rechtsvertreter des Betroffenen weiters mitgeteilt habe, daß der Betroffene offensichtlich nicht mehr orientiert sei und möglicherweise ihn verpflichtende Handlungen setze, sei Johann L*****auch als einstweiliger Sachwalter zu bestellen, um drohende wirtschaftliche Nachteile hintanzuhalten.

Der Betroffene machte in seinem „Einspruch“ gegen den Beschluß ON 4 auch die Befangenheit des Sachwalters mit der Begründung geltend, dieser habe einige hunderttausend Schillinge bereits in sein E-Werk investiert und wolle dieses zu günstigen Bedingungen auch gegebenenfalls käuflich erwerben. Darin liege eine Befangenheit bzw auch eine Unvereinbarkeit mit der Einsetzung als Sachwalter.

Das Rekursgericht hob den Beschluß ON 4 ersatzlos auf, bestätigte hingegen den Beschluß ON 7 und erachtete insoweit den ordentlichen Revisionsrekurs als nicht zulässig. Rechtlich vertrat die zweite Instanz, soweit hier relevant, die Auffassung, der Betroffene habe nicht nur selbst zugestanden, „beim Schriftlichen“ komme ihm „ein bisserl was untereinander“, auch „der von seinen Vertretern geschilderte Vorfall mit der Unterschriftsleistung“ zeige, daß der Betroffene zumindest fallweise durch Dritte leicht zu beeinflussen sei und zu Verfügungen über sein nicht unbeträchtliches Vermögen gebracht werden könne. Zu seinem eigenen Besten und „zur Abwehr womöglich schwerwiegender finanzieller Nachteile“ erweise sich die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters als notwendig. Der Sachwalter, der nur für die Dauer des Verfahrens bestellt worden sei, unterliege ohnehin einer strengen gerichtlichen Kontrolle und werde keinesfalls zum Nachteil des Betroffenen tätig werden können.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des - bei der Verfassung dieses Rechtsmittels nicht durch seine frei gewählten Rechtsanwälte vertretenen - Betroffenen ist zulässig und berechtigt.

Der Betroffene vertritt die Auffassung, der vorläufige Sachwalter sei „schwer“ befangen. So beabsichtige der Sachwalter, den E-Werksbetrieb des Betroffenen zu kaufen bzw sich diesen „anzueignen“. Er habe bereits einen „grundbücherlich eingetragenen“ Vertrag betreffend die Reparatur des E-Werks und auch schon Reparaturen durchgeführt, die schon längst fertiggestellt sein sollten. Der Anschluß an das Netz der STEWEAG sei von ihm noch immer nicht durchgeführt, was täglich einen finanziellen Verlust bedeute. Außerdem bekomme der Betroffene laut „Notariatsvertrag“ einen viel günstigeren Kredit von Herrn Ökonomierat ... (ohne Wertsicherungsklausel) als vom Sachwalter.

§ 238 AußStrG sieht die Bestellung von Sachwaltern in zwei völlig unterschiedlichen Fällen vor: Als Rechtsbeistand für das Verfahren hat das Gericht dem Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen einen einstweiligen Sachwalter nach § 238 Abs 1 AußStrG zu bestellen; das Gericht hat aber nach § 238 Abs 2 AußStrG dem Betroffenen, wenn es sein Wohl erfordert, auch zur Besorgung „sonstiger“ dringender Angelegenheiten - das sind andere als das in § 238 Abs 1 AußStrG genannte Sachwalterschaftsverfahren (4 Ob 2235/96x) - für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen. Da § 238 Abs 2 AußStrG nur auf § 248 verweist, ist § 249 AußStrG nicht anzuwenden, so daß das Rechtsmittelverfahren einseitig ist (2 Ob 540, 541/95 = SZ 68/95). Der Beschluß nach § 238 Abs 2 AußStrG wird sofort mit der Zustellung wirksam (SZ 64/111 ua; Schlemmer in Schwimann2 § 273 ABGB Rz 12 mwN) und schränkt die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen im Wirkungskreis des einstweiligen Sachwalters ein (EvBl 1991/34 = EFSlg 63.056; 4 Ob 573/95; Gamerith, Drei Jahre Sachwalterrecht in NZ 1988, 61 ff, 69). Die Frage, unter welchen Voraussetzungen es das Wohl des Betroffenen erfordert, ihm für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter zur Besorgung sonstiger dringender Angelegenheiten zu bestellen, ist im Gesetz nicht näher geregelt (Gamerith aaO 69;Gitschthaler, Verfahrenssachwalter und einstweiliger Sachwalter in ÖJZ 1990, 762 ff, 767 mwN aus der Rspr in FN 45). Nach dem Gesetzeswortlaut sind ausschließlich die Interessen des Betroffenen zu wahren. Daß die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters für das Wohl des Betroffenen dringend erforderlich ist, wenn dieser für ihn nachteilige Rechtsgeschäfte abschließen will, liegt auf der Hand.

Bei der Auswahl der Person des einstweiligen Sachwalters ist § 281 ABGB anzuwenden (SZ 68/95; Maurer/Tschugguel, Das österreichische Sachwalterrecht in der Praxis2 , 78; Gitschthaler aaO 766). Grundsätzlich - sofern die Besorgung der Angelegenheit der behinderten Person nicht vorwiegend Rechtskenntnisse erfordert (§ 281 Abs 3 ABGB) - ist primär der gesetzliche Vertreter (wenn der Behinderte minderjährig ist) bzw eine dem Behinderten nahestehende Person als Sachwalter zu bestellen, eine vom Sachwalterverein namhaft gemachte Person ist dagegen erst wenn eine nach § 281 Abs 1 ABGB geeigneten Person nicht vorhanden ist. Wenngleich dem Gericht bei der Auswahl jener Person, welche zum einstweiligen Sachwalter bestellt werden kann, ein Ermessenspielraum eingeräumt ist, zeigt § 281 Abs 3 ABGB, daß bei der Auswahl des Sachwalters besonders auf die Art der Angelegenheiten, die zu besorgen sind, zu achten ist. Bei der Beurteilung der Eignung einer dem Betroffenen nahestehenden Person zum Sachwalter ist jedenfalls auf mögliche Interessenkollisionen Bedacht zu nehmen (RV 742 BlgNR 15.GP, 20; 7 Ob 725/87; SZ 68/95; 8 Ob 503/93; RIS-Justiz RS0048982; Maurer/Tschugguel aaO 78). Die Untauglichkeitsgründe der §§ 191 bis 195 ABGB sind im Sachwalterschaftsverfahren analog anzuwenden (RZ 1994/15; Schlemmer aaO § 280 ABGB Rz 2 mwN, § 281 ABGB Rz 2). Nach der Regelung des § 194 zweiter Satz ABGB hat das Gericht zu beurteilen, ob eine Person infolge des Bestandes unberichtigter Forderungen zwischen ihr und dem Minderjährigen zur Übernahme der Vormundschaft ungeeignet erscheint. Inhaltlich bedeutet das die Untauglichkeit des Vormunds zu einer bestimmten Vormundschaft, aber nur wenn nach pflichtgemäßem gerichtlichen Ermessen das Vorliegen einer Kollisionsgefahr zu bejahen ist (Pichler in Rummel2 , § 195 ABGB Rz 4). Eine solche maßgebliche Interessenkollision ist hier nicht auszuschließen, genügt doch zu deren Annahme bereits ein objektiver Tatbestand. Subjektive Gründe in der Person des Vertreters sind nicht erforderlich (EvBl 1962/331, EvBl 1979/214 uva, zuletzt ÖA 1992, 24; RIS-Justiz RS0099395). Eine Interessenkollision ist nicht erst dann anzunehmen, wenn die Interessen des Vertretenen (hier: Betroffenen) tatsächlich verletzt wurden, sondern schon dann, wenn ihre Verletzung auch nur wahrscheinlich ist (SZ 54/57 ua; RIS-Justiz RS0019639).

Demnach müssen die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben werden. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht bei Richtigkeit des Vorbringens des Betroffenen und der Gefahr einer Interessenkollision eine andere Person zum einstweiligen Sachwalter für den Betroffenen zu bestellen haben.