OGH vom 21.11.2018, 6Ob153/18w

OGH vom 21.11.2018, 6Ob153/18w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A***** Z 2. J***** B*****, 3. A***** Z 4. F***** Z 5. H***** P*****, 6. D***** P*****, 7. G***** F*****, 8. H***** R*****, alle vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Lienz, gegen die beklagte Partei R***** G*****, vertreten durch Dr. Christopher Kempf, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wegen Unterlassung, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom , GZ 5 R 104/18f-11, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 22 Cg 8/18w-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Klage zurückgewiesen wird.

Die Kläger sind schuldig, dem Beklagten zu gleichen Teilen die mit 8.542,08 EUR (darin 1.423,68 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Gegenstand des Verfahrens ist eine Klage von acht Gemeinderäten der Gemeinde S*****, die nach ihren eigenen Behauptungen als S*****- und F*****-Politiker eine Koalition im Gemeinderat bilden, gegen den Beklagten, ein Mitglied der Gruppierung „Liste S*****“ (Oppositionspartei), auf Unterlassung der Äußerung gegenüber jedem der Kläger, dieser sei ein „Schimpanse“ (in eventu: „Partisane“); das Begehren stützt sich erkennbar auf § 1330 ABGB. Die Kläger bewerteten in der Klage das Klagebegehren mit 8.720 EUR pro Kläger, somit insgesamt mit 69.760 EUR.

Der Beklagte wendet sachliche und örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Landesgerichts Klagenfurt ein; die Ansprüche der einzelnen Kläger seien nicht zusammenzurechnen.

Das Erstgericht sprach seine sachliche Unzuständigkeit aus und trat die Rechtssache an das Bezirksgericht Spittal an der Drau ab. Der Streitwert übersteige 15.000 EUR nicht, weil die jeweils selbständigen Unterlassungsansprüche der Kläger zwar auf derselben öffentlichen Äußerung des Beklagten beruhten, zur Frage der Betroffenheit jedes einzelnen Klägers aber jeweils eigenes Vorbringen notwendig sei. Die Kläger seien lediglich eine formelle Streitgenossenschaft nach § 11 Z 2 ZPO, bei der die Streitwerte nicht zusammenzurechnen seien.

Das Rekursgericht verwarf die Einrede der fehlenden sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Erstgerichts und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige sowie dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Kläger seien aus demselben tatsächlichen Grund zur Klage berechtigt, wozu es keines individuellen Vorbringens bedürfe, weil es hinsichtlich der Beeinträchtigung der Ehre nur auf den (objektiven) Eindruck eines unbefangenen Durchschnittsadressaten ankomme, welcher im Fall einer Kollektivbeleidigung zwangsläufig bei jedem Betroffenen derselbe sei.

Mit Beschluss vom ergänzte das Rekursgericht seinen Bewertungsausspruch dahin, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich jeden Klägers 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige, und änderte seinen Zulässigkeitsausspruch dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung vom klargestellt, dass die Kläger ihre jeweils getrennt zu beurteilenden Unterlassungsbegehren zwar aus ein und derselben Äußerung des Beklagten ableiten, aber nur in formeller Streitgenossenschaft stehen, machen sie doch lediglich gleichartige, auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen Grund beruhende Ansprüche im Sinn des § 11 Z 2 ZPO geltend, nicht jedoch solche, die sie als materielle Streitgenossen erscheinen ließen, wie dies § 55 Abs 1 Z 2 JN fordert.

Ansprüche von und gegen formelle Streitgenossen im Sinn des § 11 Z 2 ZPO sind nicht zusammenzurechnen (RIS-Justiz RS0035615), und zwar selbst dann nicht, wenn die geltend gemachten Forderungen in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (vgl RIS-Justiz RS0053096 [T20]). Für die Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit nach § 49 Abs 1, § 50 JN kommt es somit im vorliegenden Fall auf die Bewertung des Streitgegenstands durch die einzelnen Kläger an (§ 56 JN). Diese erfolgte in der Klage mit jeweils 8.720 EUR, womit es dem in erster Instanz angerufenen Gerichtshof erster Instanz an der sachlichen Zuständigkeit fehlt.

Da die Kläger nach Erhebung der Unzuständigkeitseinrede durch den Beklagten in ihrer Äußerung vom darauf beharrten, der Gerichtshof erster Instanz sei zuständig, und deshalb keinen Überweisungsantrag nach § 261 Abs 6 ZPO stellten, wäre die Klage zurückzuweisen gewesen. Den vom Erstgericht tatsächlich gewählten Weg, die Rechtssache an das zuständige Bezirksgericht abzutreten, hat bereits das Rekursgericht zutreffend als unzulässig bezeichnet; eine derartige Überweisung bzw Abtretung streben die Kläger im Revisionsrekursverfahren auch nicht an.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat Anspruch auf Ersatz der Kosten seines Rekurses (dieser war insofern berechtigt, als er sich gegen die Abtretung der Rechtssache an das Bezirksgericht wendete) sowie seiner Rekursbeantwortung und der Kosten seines Revisionsrekurses; diese betragen insgesamt 8.542,01 EUR. Da die Kläger lediglich formelle Streitgenossen sind, haften sie für diese Kosten nicht solidarisch, sondern im Verhältnis ihrer Beteiligung am Verfahren (2 Ob 110/12h), also zu gleichen Teilen.

Im Verfahren erster Instanz hat der Beklagte keine Kosten verzeichnet, weshalb solche auch nicht bestimmt werden können. Sein mit dem Rekurs ON 7 verbundener Kostenbestimmungsantrag betreffend seine Unzuständigkeits-einrede und seine Klagebeantwortung war verspätet; der Beklagte wäre vielmehr gehalten gewesen, bereits in diesen Schriftsätzen Kosten zu verzeichnen. Von der Entscheidung des Erstgerichts konnte er ja nicht überrascht sein, hatte er doch selbst die Zurückweisung beantragt.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00153.18W.1121.000
Schlagworte:
Liste S.,

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