OGH 25.09.2015, 6Ob153/15s
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** H*****, vertreten durch Benedikt Wallner Rechtsanwalt Gesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagte Partei S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Alexander Haas, Rechtsanwalt in Seiersberg, wegen Feststellung (Streitwert 57.505 EUR), über die Rekurse beider Streitteile gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 59/15v-24, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 118 Cg 43/13v-20, aufgehoben wurde in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Der Rekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Dem Rekurs der klagenden Partei wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.803,56 EUR (darin 467,26 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die Kosten des Rekursverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
Im Frühjahr 2004 erwarb der Kläger gemeinsam mit seiner damaligen Frau eine hypothekarisch belastete Liegenschaft, zu deren Finanzierung sie mit der beklagten Partei zwei Kreditverträge über insgesamt 260.000 EUR abschlossen. Es handelt sich um endfällige Fremdwährungskredite in Schweizer Franken mit dem als Rückzahlungstermin. Zur Besicherung und als Tilgungsträger diente eine fondsgebundene Erlebens- und Ablebensversicherung bei der (damaligen) S***** Versicherung AG mit einer Versicherungsdauer bis .
Am informierte ein Mitarbeiter der Beklagten den Kläger allgemein mündlich und auch schriftlich über das Kurs- und Zinsänderungsrisiko von Fremdwährungskrediten, insbesondere bei Niedrigzins-währungen wie dem Schweizer Franken. Er wies den Kläger darauf hin, dass die Kursentwicklung im Umfeld der weltweiten Finanzkrise unabschätzbar sei. Seine Aussage illustrierte er dem Kläger auch anhand einer Grafik über die Entwicklung des Kurses des Schweizer Franken. Weiters informierte er den Kläger auch darüber, dass die in den Ansparplänen vorhandenen Wertpapiere durch die fallenden Börsenkurse an Wert verlieren, eine Erholung der Märkte nicht prognostizierbar und unter Umständen auch mit weiteren Markteinbrüchen zu rechnen sei. Mögliche Verluste rechnete er dem Kläger anhand von Beispielen vor. Damals unterfertigte der Kläger auch das Informationsblatt „Überblick über die besprochenen Risken von Fremdwährungsfinanzierungen im Umfeld der weltweiten Finanzkrise“, in dem ausdrücklich auf das Kursänderungsrisiko (Währungsrisiko), das Zinsänderungsrisiko, das Risiko der Entwicklung (Performance) des gewählten Ansparplans und die Empfehlung der Finanzmarktaufsicht, keine Fremdwährungskredite an private Haushalte zu vergeben, und darauf, dass allgemein zukünftige Entwicklungen nicht vorausgesehen werden können, hingewiesen wurde. Das Kurs- und Zinsänderungsrisiko wurden jeweils durch Beispiele veranschaulicht. Zum Risiko der Entwicklung des gewählten Ansparplans wurde auch darauf verwiesen, dass durch fallende Börsenkurse die Papiere an Wert verlieren und nicht prognostizierbar sei, wann eine nachhaltige Erholung der Börsen eintreten werde, um diese Verluste wieder aufzuholen.
Im November 2010 fand abermals ein Gespräch zwischen einer Mitarbeiterin der Beklagten und dem Kläger statt. Neuerlich erklärte die Mitarbeiterin dem Kläger die aktuelle Kurs- und Zinssituation bei seinem Fremdwährungskredit. Insbesondere informierte sie ihn darüber, dass der Euro-Gegenwert gegenüber dem Schweizer Franken um 16,64 % gestiegen sei und dass sich deshalb der aushaftende Kreditbetrag auf 279.140,03 EUR erhöht habe. Gleichzeitig erhielt der Kläger ein zweiseitiges Informationsblatt über die allgemeinen Risiken von Finanzierungen in Fremdwährung und von teilweise endfälligen Finanzierungen mit Veranlagungsprodukten ausgefolgt. Dennoch entschied sich der Kläger dafür, die Kredite nicht in Euro zu konvertieren, weil er hoffte, dass sich die Lage bei Fälligkeit des Kredits gebessert haben werde. Die Beklagte suggerierte dem Kläger in diesem Zusammenhang nicht, dass die Rückzahlung der Finanzierung sicher und gefahrlos sei.
Wegen der im Jahr 2012 noch größer gewordenen Deckungslücke fand eine weitere Besprechung mit dem Kläger statt, wobei der Kläger nun zustimmte, weitere 200 EUR monatlich in einen Tilgungsträger einzuzahlen und damit Anteile an einem weiteren Fonds zu erwerben, um damit die Deckungslücke zu verringern.
Der Kläger begehrt mit seiner am eingebrachten Klage die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für jenen Schaden, welcher der klagenden Partei aus der Vermittlung von sowie aus der fehlerhaften Beratung im Zusammenhang mit dem Erwerb der dargestellten Hebelfinanzierung entstehe. Die Beklagte habe die sie treffenden Aufklärungs- und Wohlverhaltenspflichten mehrfach gröblich verletzt, unter anderem durch fehlende Aufklärung darüber, dass es sich um ein hoch riskantes Spekulationsgeschäft mit erheblichem Verlustrisiko handle. In Kenntnis dieses Umstands hätte der Kläger keinen Fremdwährungskredit, sondern einen konventionellen Abstattungskredit aufgenommen und sohin keinen Schaden erlitten.
Die beklagte Partei bestritt und beantragte die Klagsabweisung. Sie habe den Kläger über die Risiken eines Fremdwährungskredits bzw von Tilgungsträgern ausdrücklich aufgeklärt und den Kläger sowohl im Vorfeld als auch bei der Unterfertigung der Urkunden ausdrücklich und ausführlich auf die erheblichen Risiken des Fremdwährungskredits, insbesondere im Hinblick auf eine Änderung des Wechselkurses, einer schlechten Performance der Fonds und einer Zinsänderung, hingewiesen. Zudem seien die geltend gemachten Ansprüche verjährt, weil dem Kläger bereits seit dem Jahr 2008 die negative Entwicklung zumindest hinsichtlich der Fremdwährung bekannt gewesen sei.
Ausgehend von dem im Vorigen wiedergegebenen Sachverhalt wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Die dreijährige Verjährungsfrist sei bei Einbringung der Klage bereits abgelaufen gewesen, weil dem Kläger spätestens nach dem Gespräch am klar sein habe müssen, dass er ein - entgegen seinen Vorstellungen - risikobehaftetes Finanzierungsmodell gewählt habe.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach der Primärschaden bereits mit dem Gespräch am erkennbar gewesen sei, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt erkennen habe können, dass er durch den Abschluss der Finanzierung ungewollte Risiken eingegangen sei, die er bei gehöriger Aufklärung nicht eingegangen wäre. Den Folgeschaden qualifizierte das Berufungsgericht als vorhersehbar, wenngleich von der Entwicklung am Geldzins- und Anlagenmarkt abhängig und möglicherweise vermeidbar. Allerdings hielt das Berufungsgericht die Rechtssache noch nicht für spruchreif, weil Zusatzfeststellungen dahin fehlten, ob die Beklagte den Kläger über das Zusammenwirken des Risikos von Zinsänderungen und Währungsschwankungen bei einem Fremdwährungskredit und einer schlechteren als der zugesagten Entwicklung des Tilgungsträgers aufgeklärt habe; ob die Beklagte den Kläger über die weit höhere Zinsbelastung des Hebelkredits (bei dem die Zinsen bis zum Laufzeitende vom vollen Kreditbetrag berechnet werden) als beim Abstattungskredit (bei dem die Zinsen vom fallenden Kapital berechnet werden) aufgeklärt habe, ob die Beklagte den Kläger über das Auseinanderfallen von Endfälligkeit des Kredits () und Fälligkeit des Tilgungsträgers () aufgeklärt habe, sodass der Kläger zum Zeitpunkt der Endfälligkeit des Kredits nicht auf den Tilgungsträgerwert zugreifen könne, und schließlich, ob eine Mitarbeiterin der Beklagten rund drei Jahre nach Eingehen der Kreditverträge dem Kläger gesagt habe, er brauche sich keine Sorgen zu machen, weil ein Tilgungsträger erst nach ca zehn Jahren Profit abwerfen würde, weshalb der Kläger davon ausgegangen sei, dass sich aufgrund der zugesagten positiven Entwicklung beim Tilgungsträger am Ende der Laufzeit eine Rückzahlung des Kredits ausgehen würde.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil sich die Rechtsprechung zum Beginn der Verjährungsfrist bei komplexen Finanzprodukten noch nicht endgültig verfestigt habe. Der Oberste Gerichtshof habe sich bisher mit Aussagen darüber begnügen können, wann die Verjährungsfrist jedenfalls beginne. Nicht abschließend geklärt sei für diese Konstellationen auch das Kriterium, wonach nach dem Entdecken des Primärschadens der Eintritt des Folgeschadens abseh- und vorhersehbar sein müsse. Dabei wies es auf den Aufsatz von Graf (Verjährungsrechtliche Probleme im Zusammenhang mit Fremdwährungskrediten mit Tilgungsträgern, ÖJZ 2013, 581) hin. Diese Überlegungen seien erwägenswert und würden die vom Kläger angesprochenen Zusatzfeststellungen obsolet machen und einer Verjährung entgegenstehen. Dieser Ansatz werde aber in dieser Form von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht geteilt.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Der Rekurs der beklagten Partei ist nicht zulässig. Der Rekurs der klagenden Partei ist im Sinne des Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts zulässig; er ist insoweit berechtigt, als die Sache - wenn auch im klagsabweisenden Sinn - bereits spruchreif ist.
I. Zum Rekurs der beklagten Partei
1.1. Der Rekurs der beklagten Partei ist nicht zulässig. Die beklagte Partei kommt in ihrem Rekurs auf die vom Berufungsgericht als erheblich angesehenen Rechtsfragen nicht zurück (RIS-Justiz RS0102059), sondern vertritt im Wesentlichen die Auffassung, die begehrte Zusatzfeststellung, wonach dem Kläger gesagt worden sei, er brauche sich keine Sorgen zu machen, weil ein Tilgungsträger erst nach ca zehn Jahren Profit abwerfen würde, sei durch die Beweisergebnisse nicht gedeckt. Abgesehen davon, dass es sich bei dieser vom Berufungsgericht erforderlichen Zusatzfeststellung nur um eine von insgesamt vier Zusatzfeststellungen handelt, betrifft die Frage, ob eine bestimmte Feststellung aufgrund der Beweisergebnisse getroffen werden kann oder nicht, ausschließlich eine der Kognition des Obersten Gerichtshofs entzogene Frage der Beweiswürdigung. Auf die Erforderlichkeit der übrigen Zusatzfeststellungen geht die beklagte Partei mit keinem Wort ein.
1.2. Damit bringt die Beklagte aber keine Rechtsfrage der in §§ 502 Abs 1, 519 Abs 2 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass der Rekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.
II. Zum Rekurs des Klägers
2. Den Parteien steht der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss nicht nur dann zu, wenn sie die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung bekämpfen, sondern auch dann, wenn sie lediglich die dem Erstgericht erteilten Aufträge und Bindungen anfechten, obwohl sich diese nur aus den Gründen des Beschlusses ergeben, weil nicht nur die Aufhebung selbst, sondern auch eine nachteilige Rechtsansicht im Aufhebungsbeschluss die verfahrensrechtliche Stellung der Parteien beeinträchtigt. Daher kann gegen einen Aufhebungsbeschluss im Berufungsverfahren auch jene Partei Rekurs erheben, die selbst die Aufhebung erwirkt hat. In diesem Fall genügt eine materielle Beschwer durch die Begründung der Entscheidung, weil das Erstgericht im zweiten Rechtsgang an die Rechtsansicht des Berufungsgerichts und an die auf dieser Basis erteilten Aufträge gebunden ist (RIS-Justiz RS0007094 [T5]).
3.1. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, liegt noch keine ausdrückliche Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Verjährung von Schadenersatzansprüchen im Zusammenhang mit Fremdwährungskrediten vor. Die bisherigen Entscheidungen beschränkten sich vielmehr darauf, Teilaspekte zu beantworten. So schieben nach der Entscheidung 6 Ob 103/08b Beschwichtigungsversuche des Beraters die Erkennbarkeit des Schadens und damit den Beginn der Verjährung hinaus oder stellen einen Hemmungsgrund dar. Nach einer weiteren Entscheidung (7 Ob 18/13t) ist für den Beginn der Verjährungsfrist entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte erkennt, dass ein Gesamtkonzept den Zusagen nicht entsprochen hat. Die Risikoträchtigkeit eines Gesamtkonzepts liege jedenfalls dann vor, wenn sich dieses rein rechnerisch nicht mehr ohne zusätzliche Vermögensverminderung im Vergleich zur (herkömmlichen) Tilgung des Darlehens und Geldmittelbeschaffung vor dem Umschuldungs- und Finanzierungskonzept entwickeln konnte. Ein nach Erkennen der Risikoträchtigkeit eintretender weiterer Schaden sei dann bloßer - keiner gesonderten Verjährungsfrist unterliegender - Folgeschaden. Nach einer weiteren Entscheidung (8 Ob 66/12g) darf die Erkundigungspflicht des Geschädigten nicht überspannt werden. Solange die Abwicklung des Kreditverhältnisses im Wesentlichen den ursprünglichen Erwartungen entsprach, hätten die Kläger noch keinen Anlass gehabt an der Zuverlässigkeit ihrer professionellen Beratung zu zweifeln. Erstmals aufgrund der Mitteilung der Bank über die Verschlechterung des Zinsniveaus in Schweizer Franken und der Empfehlung der Konvertierung in Japanische Yen im Jahr 2007 hätten die Kläger den Verdacht geschöpft, dass ihnen aus der Umschuldung bisher unbekannte Nachteile drohen könnten.
3.2. In der Literatur werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Nach Breiteneder (Fremdwährungskredite: Verjährung hängt von Details ab, Rechtsblatt 2013/11/02) beginnt die Verjährung mit Erkennbarkeit, dass das Gesamtkonzept nicht risikolos ist.
3.3. Nach Graf (Eine Untersuchung zu verjährungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Fremdwährungskrediten mit Tilgungsträgern, in Blaschek/Reiffenstein, Konsumentenpolitisches Jahrbuch 2011-2012 [2013] 201 = Verjährungsrechtliche Probleme im Zusammenhang mit Fremdwährungskrediten mit Tilgungsträgern, ÖJZ 2013/62) ist zwischen dem Vertragsabschlussschaden und dem Mehraufwendungsschaden zu unterscheiden. Die beiden Ansprüche verjährten gesondert, wobei die Verjährungsfrist für den Mehraufwendungsschaden erst beginne, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit feststehe, dass ein Mehraufwand endgültig entstehen werde. Aus diesem Grund löse ein Verbleib in der Fremdwährungsfinanzierung nicht zwingend die Verjährungsfrist aus. Soweit Naturalrestitution nicht möglich sei, müsse ein Folgeschaden erst eingeklagt werden, wenn bereits ein Primärschaden eingetreten ist, der dem Geschädigten Anlass gebe, Ersatz zu fordern.
3.4. Nach Leupold (Fehlberatung bei Fremdwährungskredit und Verjährung, VbR 2013/41) schließe die Nicht-Ausübbarkeit des Rechts die Verjährung aus. Es sei eine Wertungsfrage, ob der Kreditnehmer nach Kenntnis des realen Schadens säumig war; diese Wertungsfrage könne beim Fremdwährungskredit anders gelöst werden als beim Anlegerschaden. Der Kreditnehmer müsse klagen, wenn die Leistungsklage ausreichend indiziert sei, also feststehe dass mit Sicherheit ein rechnerischer Schaden eintreten werde. Mehrere unterschiedliche Beratungsfehler verjährten gesondert.
3.5. Madl (Sonderverjährungsrecht für Fehlberatung bei Fremdwährungskredit? VbR 2013/40) lehnt ein „Sonderverjährungsrecht“ für Fremdwährungskredite ab. Die Verjährungsfrage sei in gleicher Weise zu lösen wie beim Anlegerschaden. Der Schaden könne nicht aufgeteilt werden. Auch im Fall des Fremdwährungskredits gehe es um die Verwirklichung eines verborgenen Spekulationsrisikos.
3.6. Nach Schopper (ÖBA 2014/2037) löse schon der Hinweis der Bank auf Unterdeckung wegen schlechter Entwicklung des Tilgungsträgers oder des Wechselkurses die Verjährungsfrist aus.
4.1. Die Verjährung von Schadenersatzansprüchen richtet sich im vorliegenden Zusammenhang nach § 1489 ABGB und beginnt daher mit Kenntnis von Schaden und Schädiger (10 Ob 23/04m). Nach dem Zweck dieser subjektiven Verjährungsfrist beginnt die Frist erst dann, wenn der Geschädigte auch tatsächlich die Möglichkeit der Geltendmachung seines Anspruchs hat (Schopper, Erkundigungsobliegenheit des Geschädigten und kurze Verjährung nach § 1489 Satz 1 ABGB, ÖBA 2014/246; zum Zweck des § 1489 ABGB auch Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1489 ABGB Rz 9). Die Kenntnis muss daher - über den Wortlaut des § 1489 ABGB hinaus - den ganzen den Anspruch begründenden Sachverhalt umfassen, in Fällen der Verschuldenshaftung daher auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt (1 Ob 85/11y; RIS-Justiz RS0034951 [T5]).
4.2. Der Oberste Gerichtshof hat sich in Anlehnung an F. Bydlinski (Schadensentstehung und Verjährungsbeginn im Österreichischen Recht, FS Steffen [1995] 65 [72 f]) der sogenannten gemäßigten Einheitstheorie angeschlossen (1 Ob 41/94; RIS-Justiz RS0087613). Demnach bilden die schon eingetretenen und die aus dem selben Schadensereignis voraussehbaren künftigen Schäden verjährungsrechtlich eine Einheit; diese Folgeschäden lösen verjährungsrechtlich keinen gesonderten Fristenlauf aus. Der drohenden Verjährung des Ersatzanspruchs für solche Folgeschäden ist mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen. Letztlich ist es freilich stets eine Wertungsfrage, ab wann man verjährungsschädliche Untätigkeit des Geschädigten annimmt (F. Bydlinski, FS Steffen 65 [83]; Leupold, Fehlberatung beim Fremdwährungskredit und Verjährung, VbR 2013/41).
4.3. Für den Fall, dass zwar noch kein Schaden eingetreten ist, aber der Schadenseintritt bereits vorhersehbar ist, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen (§ 1489 erster Satz ABGB) nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens (Primärschadens) zu laufen beginnt (1 Ob 621/95 verst Senat SZ 68/238).
4.4. Lediglich für nicht vorhersehbare Folgeschäden beginnt nach herrschender Auffassung eine eigene Verjährungsfrist. Folgeschäden sind dann nicht vorhersehbar, wenn zum schädigenden Ereignis das den Erstschaden herbeigeführt hat, weitere Voraussetzungen hinzukommen müssen und nicht abzusehen ist, ob es tatsächlich dazu kommen wird. In diesem Fall beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Eintritt des Folgeschadens zu laufen. Maßgebend ist dafür die objektive Vorhersehbarkeit für den Geschädigten (RIS-Justiz RS0087613 [insbes T9]). Dies könnte bei unvorhergesehenen weiteren Entwicklungen eine Rolle spielen, wobei jedoch nicht ausreicht, dass der Mehraufwendungsschaden höher ist als ursprünglich angenommen.
5.1. Nach der Rechtsprechung des BGH verjähren Schadenersatzansprüche aufgrund verschiedener Beratungsfehler gesondert (BGH V ZR 25/07; III ZR 169/08). Dies wird in der Literatur teilweise als „Trennungsthese“ bezeichnet (Leupold, VbR 2013/41). In Österreich haben diese Auffassung Leupold (aaO) und M. Leitner (Schiffs- und Immobilienfonds: Verjährung bei mehreren Beratungsfehlern, ecolex 2015, 452) vertreten. Demgegenüber tritt Graf (Zum Beginn der subjektiven Verjährungsfrist bei mehrfach fehlerhafter Anlageberatung, ÖBA 2015, 624) für eine einheitliche Beurteilung des Laufs der Verjährungsfrist ein.
5.2. Bereits zuvor hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 144/11x zu einem Arzthaftungsfall ausgesprochen, dass dann, wenn der Kläger sein Begehren alternativ auf verschiedene Sachverhaltsvarianten stütze, in Wahrheit zwei Ansprüche vorliegen, die auch verjährungsrechtlich getrennt zu beurteilen sind. Dies sei in der Rechtsprechung für die Ableitung eines Amtshaftungsanspruchs aus dem Handeln verschiedener Organe anerkannt (RIS-Justiz RS0050355), ebenso dann, wenn wiederholte schädigende Handlungen vorliegen, von denen jede den Tatbestand einer neuen Rechtsverletzung verkörpert und jede für sich einen (weiteren) Schaden verursacht („fortgesetzte Schädigung“; RIS-Justiz RS0034365, RS0034536). Die Behauptung zweier verschiedener Behandlungsfehler anlässlich einer Operation, die jeweils für sich allein den geltend gemachten Schaden verursacht hätten, könne nicht anders beurteilt werden.
5.3. Entgegen M. Leitner geht es bei Anlegerschäden aufgrund einer Fehlberatung in mehreren Punkten nicht darum, dass hier verschiedene Schäden vorliegen, sondern darum, dass die Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt, wenn dem Kläger der anspruchsbegründende Sachverhalt bekannt geworden ist. Der Kläger kann sich aber aussuchen, auf welche Pflichtverletzung er sich stützt. Dieser Gesichtspunkt kann beim Fremdwährungskredit Bedeutung erlangen, weil hier mehrere spezifische Risiken (Wechselkurs, Zinsentwicklung, Entwicklung des Tilgungsträgers) und in der Regel mehrere Verträge (Kreditvertrag und mindestens ein Tilgungsträger) bestehen, hinsichtlich derer jeweils eine Verletzung von Aufklärungspflichten in Betracht kommt.
5.4. Dagegen spricht auch nicht der Einwand, die Lösung des BGH begünstige denjenigen Anleger, der mit der Geltendmachung seiner Ansprüche zuwarte, im Vergleich zu demjenigen, der sofort klage und dem dann im Fall der Abweisung seiner ersten Klage wegen der Rechtskraft dieses Urteils eine neuerliche Einklagung, gestützt auf einen anderen Beratungsfehler, nicht mehr möglich ist. Diese Auffassung erklärt sich vor dem Hintergrund des tendenziell weiteren Rechtskraftverständnisses des deutschen Rechts, das nach der Rechtsprechung auf die Lebenssachverhaltstheorie abstellt (vgl zB BGH NJW 1996, 3151; dazu Fasching/Klicka in Fasching/Konecny² § 411 ZPO Rz 42). Demgegenüber kann nach österreichischem Recht der Kläger nach Abweisung seiner ersten Klage eine neuerliche Klage mit abweichenden Klagsbehauptungen erheben; maßgeblich für die objektiven Grenzen der Rechtskraft ist, ob die anspruchserzeugenden Tatsachen ident sind (Fasching/Klicka aaO § 411 ZPO Rz 43).
5.5. Im vorliegenden Fall bedarf es jedoch keiner abschließenden Klärung dieser Frage (vgl dazu auch Graf, Zum Beginn der subjektiven Verjährungsfrist bei fehlerhafter Anlageberatung, ÖBA 2015, 624), weil die vom Kläger behaupteten weiteren Beratungsfehler - wie zu zeigen sein wird - nicht geeignet sind, einen selbständigen Lauf der Verjährungsfrist zu begründen.
6.1. Beim Anlegerschaden liegt der Eintritt des Schadens bereits darin, dass die Klägerin nicht ein risikoloses, sondern ein risikobehaftetes Papier erworben hat (6 Ob 103/08b uva). Dabei handelt es sich um den sogenannten „realen Schaden“; der Kläger kann „Naturalrestitution“ in Form der Rückgabe der Papiere gegen Rückzahlung des Kaufpreises begehren. Daher beginnt die Verjährungsfrist bereits mit Erkennbarkeit dieses Umstands; der Eintritt des rechnerischen Schadens („Differenzanspruch“) ist demgegenüber irrelevant. Diese Rechtsprechung will ein „Spekulieren auf dem Rücken des Beraters“ verhindern (dazu Kodek, Ausgewählte Fragen der Schadenshöhe bei Anlegerschäden, ÖBA 2012, 11).
6.2. Wird - wie vom Kläger behauptet - eine (weitgehend) risikolose Veranlagung gewünscht, ist der maßgebliche Zeitpunkt jener Moment, in dem sich herausstellt, dass die Papiere - entgegen den Annahmen des Geschädigten - tatsächlich risikobehaftet sind und daher die gewünschten Eigenschaften nicht erfüllen (RIS-Justiz RS0022537; 7 Ob 253/97z). Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn dem Geschädigten erstmalig Kursverluste erkennbar sind, da ihm in diesem Zusammenhang klar sein muss, dass keine Wertstabilität gegeben ist, sondern Kursschwankungen (auch nach unten) möglich sind und das Investment sohin die Gefahr eines Kapitalverlustes in sich birgt. Selbst eine zu diesem Zeitpunkt vorliegende Zukunftsprognose, die auf eine positivere Kursentwicklung hoffen lässt, ändert daran nichts (RIS-Justiz RS0087615 [T2]; 7 Ob 18/13t; 7 Ob 253/97z; 10 Ob 39/11z).
6.3. Aus der Entscheidung 6 Ob 103/08b ist - worauf P. Bydlinski (in seiner Glosse ÖBA 2009/1528, 144 [146 f]) zutreffend hinweist - nichts Gegenteiliges abzuleiten. Für den Beginn der Verjährung kommt es nicht auf eine messbare Vermögensverminderung, sondern auf die Kenntnis vom Fehlen der zugesagten Risikolosigkeit an. Der Anleger soll es nicht in der Hand haben, länger zuzuwarten und die Entwicklung zu beobachten: Stört ihn das ungewollte - und nunmehr erkannte - Risiko, so soll er seine Ansprüche umgehend geltend machen (P. Bydlinski aaO).
6.4. Die kurze Verjährungsfrist beginnt zwar nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Primärschadens zu laufen (vgl auch Brandstätter, Die verjährungsrechtliche Relevanz der Unterscheidung zwischen Primär- und Folgeschäden, ecolex 2015, 448). Mit dessen positiver Kenntnis wird sie aber schon dann in Gang gesetzt, wenn der Geschädigte die Höhe seines Schadens noch nicht beziffern kann, ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt bzw diese auch noch nicht zur Gänze eingetreten sind. Einer drohenden Verjährung muss der Geschädigte diesfalls mit einer Feststellungsklage begegnen. Ein nach Erkennen der Risikoträchtigkeit der gewählten Anlageform eingetretener weiterer Schaden ist als bloßer Folgeschaden zu qualifizieren, dessen Verjährung gleichfalls mit Kenntnis vom Eintritt des Erstschadens beginnt (RIS-Justiz RS0050338; RS0087615).
6.5. Überträgt man diese Auffassung auf Fremdwährungskredite, so ist auf den Vertragsabschlussschaden abzustellen. Für eine gesonderte Verjährung des „Mehraufwendungsschadens“ besteht in der Regel keine Grundlage. Damit würde entgegen der Einheitstheorie der an sich einheitliche Schaden in einen Primär- und verjährungsrechtlich selbständige Folgeschäden zerlegt. Die Auffassung von Graf entspricht auch nicht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. In der Entscheidung 7 Ob 176/06t hat der Oberste Gerichtshof den Schadenseintritt bereits mit Abschluss eines (ungünstigen) Vertrags über eine fondsgebunde Lebensversicherung (und eben nicht erst mit Feststehen eines ziffernmäßigen Schadens) angenommen.
6.6. In der Entscheidung 6 Ob 103/08b ging der erkennende Senat davon aus, dass ein nach Erkennen der Risikoträchtigkeit des gewählten Finanzierungskonzepts eintretender weiterer Schaden als bloßer Folgeschaden zu qualifizieren sei, dessen Verjährung gleichfalls mit Kenntnis vom Eintritt des Erstschadens beginne. Dem schloss sich auch die Entscheidung 7 Ob 18/13t an.
6.7. Dabei ist zu beachten, dass bereits der Abschluss eines - in dieser Form nicht gewollten - Vertrags aus verschiedenen Gründen einen Schaden darstellen kann. In den bisherigen Entscheidungen zum Anlegerschaden stand regelmäßig der Aspekt der Risikoträchtigkeit bzw Risikolosigkeit der gewählten Veranlagung im Vordergrund; ebenso könnten jedoch unzutreffende Erwartungen hinsichtlich der Rendite eine Rolle spielen. Beim Fremdwährungskredit kann die gewählte Konstruktion etwa hinsichtlich des Wechselkursrisikos, hinsichtlich der Kursentwicklung des Tilgungsträgers und/oder dessen Rendite oder auch aufgrund eines Zusammenwirkens dieser Faktoren hinter den Erwartungen des Anlegers zurückbleiben.
6.8. In diesem Sinne ist daher der Auffassung der Vorinstanzen zuzustimmen, dass der maßgebliche Primärschaden grundsätzlich bereits im Abschluss des Fremdwährungskreditvertrags liegt. Die Gegenauffassung würde dazu führen, dass der Geschädigte verjährungsrechtlich nach Erkennen des ungewollten Risikos zuwarten dürfte, ob sich dieses in der Folge tatsächlich verwirklicht. Dadurch würde ein „Spekulieren auf dem Rücken der Bank“ ermöglicht, das durch die bisherige Rechtsprechung zur Verjährung von Anlegerschäden gerade verhindert werden soll.
6.9. Im vorliegenden Fall ist ausschließlich die Verjährung eines klagsweise geltend gemachten Anspruchs zu beurteilen. Auf die in der Literatur unterschiedlich beantwortete Frage, inwieweit mit Schadenersatzansprüchen aufgrund von Aufklärungspflichtverletzungen bei Fremdwährungskrediten gegen Ansprüche der Bank aufgerechnet werden kann (vgl dazu Schopper, Aufrechnung bei Fremdwährungskrediten, VbR 2014, 40; Kodek, Verjährung von Schadenersatzansprüchen bei Fremdwährungs-krediten - ein Denkanstoß, in Leupold,Forum Verbraucherrecht 2015, 72) ist im vorliegenden Fall daher nicht einzugehen.
7.1. Im vorliegenden Fall hat der Kläger ein Feststellungsbegehren erhoben. Dies steht im Einklang mit Teilen der Lehre (Prückner, Zum Feststellungsanspruch des geschädigten Anlegers: Feststellungsklage trotz möglicher Leistungsklage? Zak 2012, 327) und der Rechtsprechung (zB 8 Ob 39/12m), wonach bei komplexen Finanzprodukten eine Naturalrestitution untunlich sein kann. Auf die in der neueren Literatur (Ramharter, Anlegerschaden: Klagebegehren bei komplexen Finanzprodukten, VbR 2015, 64; Kodek, Der schadenersatzrechtliche Freistellungsanspruch - das unbekannte Wesen, Zak 2015, 204) vorgeschlagene Möglichkeit, in solchen Fällen mit Leistungsklage einen Freistellungsanspruch geltend zu machen, kommt es in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht an, weil dem Kläger aus der Unterlassung der Erhebung eines im Zeitpunkt der Klagserhebung in Österreich in der Literatur nicht näher behandelten Anspruchs kein Nachteil erwachsen kann (vgl auch 8 Ob 66/14k).
7.2. Ein Feststellungsurteil entfaltet verjährungs-ausschließende Wirkung für alle zukünftigen Ansprüche, die innerhalb der für Judikatschulden normierten Frist erhoben werden (RIS-Justiz RS0049165). Damit schaltet ein Feststellungsurteil die Verjährungseinrede für Folgeschäden für 30 Jahre aus (vgl die Nachweise bei Mader/Janisch in Schwimann, ABGB3 § 1428 Rz 23).
7.3. Einer Entscheidung könnte entnommen werden, dass bei nachträglich entstehenden Schadenersatzansprüchen die lange Frist der Judikatsverjährung sogar erst ab Fälligkeit des einzelnen Anspruchs beginnt (2 Ob 58/91, 2Ob 59/91 JBl 1993, 726 [Huber]; vgl aber 2 Ob 211/00v JBl 2001, 386 [Riedler]). In der Literatur wird demgegenüber überwiegend mit im Einzelnen unterschiedlichen Begründungen auch bei nachträglichen Schäden eine dreijährige Verjährungsfrist ab Eintritt des jeweiligen Folgeschadens vertreten (F. Bydlinski, FS Steffen 69 FN 7; M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1478 Rz 7; Ertl, ZVR 1993, 39 ff; Riedler, ZVR 1993, 44, 51 ff und Anmerkung zu JBl 2001, 386; Apathy, JBl 1996, 315).
7.4. Eine zu großzügige Handhabung des Feststellungsurteils würde zu einer einseitigen Bevorzugung des Klägers führen. Aus diesem Grund geht die Rechtsprechung davon aus, dass, auch wenn Feststellungsansprüche aufgrund ihrer prozessualen Rechtsnatur (Fasching in Fasching/Konecny2 § 228 ZPO Rz 5 f; Vollmaier, Verjährung und Verfall 91 FN 365) grundsätzlich unverjährbar sind (2 Ob 242/99y; RIS-Justiz RS0032800 [T1]; M. Bydlinski in Rummel,ABGB3 § 1479 Rz 1 und § 1481 Rz 2; Madl in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 1479 Rz 3; Vollmaier aaO), an der Feststellung eines verjährten Rechts im Allgemeinen kein rechtliches Interesse besteht (RIS-Justiz RS0034358; M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1479 Rz 1 und § 1481 Rz 2; Madl in Kletečka/Schauer,ABGB-ON1.01 § 1479 Rz 3).
8.1. Von diesen Grundsätzen ist die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht abgewichen. Das Berufungsgericht hielt jedoch zusätzliche Feststellungen zu weiteren Behauptungen des Klägers für erforderlich. Dem ist jedoch nicht zu folgen:
8.2. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen erfolgte in den Jahren 2008 und 2010 eine ausführliche Aufklärung des Klägers über das Währungs- und Zinsrisiko; im Jahr 2008 wurde der Kläger zudem auf das Risiko der Entwicklung (Performance) des gewählten Ansparplans hingewiesen. Damit war dem Kläger aber spätestens ab diesem Zeitpunkt das betreffende Risiko bekannt. Ein eigenständiges Risiko des „Zusammenwirkens des Risikos von Zinsänderungen und Währungsschwankungen“ neben den dem Kläger ohnedies bereits bekannten Zins- und Wechselkursrisiken, auf das der Kläger gesondert hinzuweisen wäre, sodass die Unterlassung eines diesbezüglichen Hinweises allenfalls eine gesonderte Verjährungsfrist auslösen könnte, ist nicht anzuerkennen. Mit den ausführlichen Belehrungen in den Jahren 2008 und 2010 ist auch die angeblich im Jahr 2007 dem Kläger von einer Mitarbeiterin der Beklagten erteilte Auskunft überholt, der Kläger brauche sich keine Sorgen zu machen, weil ein Tilgungsträger erst nach ca zehn Jahren Profit abwerfen würde, weshalb der Kläger davon ausgegangen sei, dass sich aufgrund der zugesagten positiven Entwicklung beim Tilgungsträger am Ende der Laufzeit eine Rückzahlung des Kredits ausgehen würde.
8.3. Dass die Zinsen bei einem endfälligen Kredit bis zum Laufzeitende vom vollen Kreditbetrag berechnet werden, während sie beim Abstattungskredit vom fallenden Kapital berechnet werden, ist geradezu Wesensmerkmal des vom Kläger abgeschlossenen Kreditvertrags; eines ausdrücklichen Hinweises auf diesen Umstand bedurfte es nicht. Das Risiko lag im vorliegenden Fall nicht in dem - mit jedem endfälligen Kredit verbundenen - Umstand, dass Zinsen für die gesamte Laufzeit vom vollen Kreditbetrag zu entrichten sind (der ja dem Kläger auch für die volle Laufzeit in voller Höhe zur Verfügung steht), sondern im Risiko einer für den Kläger ungünstigen Entwicklung des Zinssatzes oder des Wechselkurses. Auf diese Risiken wurde der Kläger aber nach den Feststellungen ohnedies spätestens im Jahr 2008 hingewiesen.
8.4. Das Auseinanderfallen von Endfälligkeit des Kredits () und Fälligkeit des Tilgungsträgers () ist gleichfalls Inhalt des vom Kläger geschlossenen Rechtsgeschäfts. Im Übrigen ist nicht zu sehen, wie sich die vom Kläger vermissten Hinweise auf seinen seinerzeitigen Willensentschluss auswirkten, also die behaupteten Aufklärungspflichtverletzungen dafür überhaupt kausal waren.
9. Damit erweist sich aber die Sache als spruchreif, sodass sofort mit Urteil in der Sache selbst zu erkennen war (§ 519 Abs 2 Satz 2 ZPO). Dieser Umstand war von Amts wegen wahrzunehmen (Zechner in Fasching/Konecny² § 519 ZPO Rz 110). Das Verbot der reformatio in peius gilt im Verfahren über einen Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nicht (Zechner in Fasching/Konecny² § 519 ZPO Rz 109).
10. Aufgrund der Fällung einer Sachentscheidung war auch über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens abzusprechen. Diese Entscheidung gründet sich auf § 41 ZPO. Daher waren diese Kosten dem Kläger aufzuerlegen. Für den unzulässigen Rekurs der beklagten Partei waren jedoch keine Kosten zuzuerkennen; vielmehr hat der Kläger insoweit Anspruch auf Ersatz der Kosten seiner Rekursbeantwortung; weil diese Beträge gleich hoch sind, war insoweit mit Kostenaufhebung vorzugehen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras in der Rechtssache der klagenden Partei E***** H*****, vertreten durch Benedikt Wallner Rechtsanwalt Gesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagte Partei S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Alexander Haas, Rechtsanwalt in Seiersberg, wegen Feststellung (Streitwert 57.505 EUR), im Verfahren über die Rekurse beider Streitteile gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 59/15v-24, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 118 Cg 43/13v-20, aufgehoben wurde, über den Antrag der klagenden Partei auf Einsicht in den Akt des Obersten Gerichtshofs den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Antrag der klagenden Partei auf Einsicht in den Akt des Obersten Gerichtshofs wird mit der Einschränkung stattgegeben, dass sämtliche Beratungsprotokolle und Abstimmungsvermerke, Aufzeichnungen des Berichterstatters, Entscheidungsentwürfe und Anmerkungen, die auf die innere Willensbildung sowie die Person des Berichterstatters Rückschlüsse zulassen, von der Akteneinsicht ausgenommen werden.
Text
Begründung:
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Sitzung vom in dieser Rechtssache den Rekurs der beklagten Partei zurückgewiesen, aber über den Rekurs der klagenden Partei die Entscheidung des Berufungsgerichts dahin abgeändert, dass das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wurde. Diese Entscheidung wurde am der Geschäftsstelle des Obersten Gerichtshofs zur Ausfertigung übergeben. Mit Zustellungsdatum (gemäß § 89d Abs 2 GOG) wurde den Parteien eine mit dieser Entscheidung nicht übereinstimmende, nicht datierte Textdatei durch die Geschäftsstelle übermittelt. Dieser Fehler wurde bereits am folgenden Tag durch Übermittlung der richtigen Ausfertigung der Entscheidung behoben. Die richtigen, von der Leiterin der Geschäftsabteilung unterfertigten und mit dem Siegel des Obersten Gerichtshofs gestempelten Ausfertigungen wurden auch den Vorinstanzen übermittelt.
Die klagende Partei begründet ihren Antrag auf Akteneinsicht zusammengefasst damit, dass für sie ohne diese nicht ersichtlich sei, ob die erste, zwar nicht datierte und mit sprachlichen und redaktionellen Mängeln versehene „Entscheidung“, die den Mindesterfordernissen des § 417 ZPO entspreche, die „wirksame Entscheidung“ sei oder die zweite Entscheidung, trete doch gemäß § 416 Abs 2 ZPO die Bindung an die Entscheidung mit der Übergabe der schriftlichen Ausfertigung an die Geschäftsstelle ein. Nur durch die Akteneinsicht sei es der klagenden Partei möglich festzustellen, ob das Gericht an die erste zugestellte „Entscheidung“ gebunden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Antrag auf Akteneinsicht ist mit den aus dem Spruch ersichtlichen Einschränkungen berechtigt:
Nach § 5 Abs 1 OGHG hat über das Recht auf Akteneinsicht der Senatsvorsitzende allein zu entscheiden.
Gemäß § 219 Abs 1 ZPO können die Parteien in sämtliche ihre Rechtssache betreffenden, bei Gericht befindlichen Akten mit Ausnahme der Entwürfe zu Urteilen und Beschlüssen, der Protokolle über Beratungen und Abstimmungen des Gerichts und solcher Schriftstücke, welche Disziplinarverfügungen enthalten, Einsicht nehmen und sich davon auf ihre Kosten Abschriften (Kopien) und Auszüge (Ausdrucke) erteilen lassen.
Grundsätzlich ist anerkannt, dass die in § 219 ZPO normierten Ausnahmen, soweit nicht sondergesetzliche Regelungen bestehen - wie durch das Datenschutzgesetz oder bei der Inkognitoadoption -, als taxative Aufzählung zu verstehen sind (6 Ob 148/98b; RIS-Justiz RS0110043).
§ 20 OGHG bestimmt nun, dass in der Geschäftsstelle den Parteien nur darüber Auskunft erteilt werden darf, ob und zu welcher Zeit ein Geschäftsstück eingelangt und abgesendet und mit welchem Aktenzeichen es versehen worden ist. Der Name des Berichterstatters darf den Parteien nicht bekannt gegeben werden. Die Rechtsprechung hat in Strafverfahren daraus früher den Schluss gezogen, dass eine Einsicht in die Akten des Obersten Gerichtshofs durch eine Partei oder deren Vertreter generell ausgeschlossen sei (RIS-Justiz RS0071142 mwN). In weiterer Folge wurde diese Rechtsprechung jedoch relativiert. Es wurden nur die Beratungsprotokolle und sämtliche damit unmittelbar im Zusammenhang stehenden, die Willensbildung des Senats betreffenden und daher dem Beratungsgeheimnis unterliegenden Anträge, Stellungnahmen und Äußerungen von Senatsmitgliedern von der Einsicht ausgenommen (RIS-Justiz RS0071142 [T1]).
Allerdings hat der Oberste Gerichtshof in Zivilsachen Anträge einer Partei auf Einsicht in Rechtsmittelakten im Wesentlichen auch mit der Begründung abgewiesen, dass die verfahrensrechtlichen Interessen der Parteien durch die Übermittlung der Rechtsmittelentscheidung zumindest im Regelfall hinreichend gewahrt sind (kritisch Rassi in Fasching/Konecny3 II/3 § 219 ZPO Rz 19 ff). Bestehen doch Rechtsmittelakte in aller Regel nur aus den Ausfertigungen der vorinstanzlichen Entscheidungen und dem Entscheidungsentwurf sowie dem Protokoll über die Abstimmung bzw dem Abstimmungsvermerk, die gemäß § 219 Abs 1 ZPO von der Einsicht ausgenommen sind, was bedeutet, dass sie nur die „Entscheidung“ enthalten, deren Ausfertigung den Parteien ohnedies zugestellt wird. Daher ist im Regelfall die Zustellung der Entscheidungsausfertigung zur Wahrung der verfahrensrechtlichen Interessen der Partei hinreichend (6 Ob 551/90; allgemein zu Rechtsmittelakten 2 Ob 98/08p; 7 Ob 235/01m; Gitschthaler in Rechberger, ZPO4 § 219 Rz 5).
Genau dieser Regelfall liegt aber hier im Hinblick auf das der Geschäftsstelle unterlaufene Versehen nicht vor. Vielmehr ist ausgehend von der allgemeinen Anordnung des § 219 Abs 1 ZPO (vgl auch § 5 Abs 1 OGHG) der betroffenen Partei die Akteneinsicht zu gewähren (vgl allgemein Rassi in Fasching/Konecny3 II/3 § 219 ZPO Rz 19 f; zur Bedeutung der Akteneinsicht auch unter dem Aspekt des Art 6 EMRK RIS-Justiz RS0110043). Allerdings müssen sämtliche auf die Willensbildung des Senats, den Berichterstatter und die Abstimmung Rückschlüsse erlaubenden Aktenteile (Entwürfe, Anträge, Äußerungen, Stellungnahmen, Glossen, Anmerkungen; vgl auch Danzl, Geo6 § 170 Anm 21 mwN) ausgenommen werden. Insoweit ist auch die Einsicht in die Urschrift - die hier nur redaktionelle Ausbesserungen enthält - insbesondere durch Abdecken des letzten Teils nach der Beurkundung durch den Vorsitzenden so einzuschränken, dass nicht erkennbar ist, ob bloß ein Abstimmungsvermerk gesetzt oder ein Beratungsprotokoll verfasst wurde und ob es sich dabei um den Antrag des Berichterstatters handelt (Rassi aaO Rz 19 ff [21]; vgl dazu auch 6 Ob 551/90).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00153.15S.0925.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAD-53011