OGH vom 21.03.1950, 2Ob170/50
Norm
Außerstreitgesetz § 2 Abs 2 Z 5;
Prokuraturgesetz § 1;
Verbotsgesetz 1945 § 1;
Kopf
SZ 23/72
Spruch
Im Zivilprozeß kann die Finanzprokuratur nach § 1 Abs. 3 ProkuraturG. nur als Haupt- oder Nebenpartei teilnehmen, keinesfalls aber Rechtsmittel in einem Verfahren ergreifen, an dem sie bisher nicht teilgenommen hat.
Entscheidung vom , 2 Ob 170/50.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die von der beklagten Partei gegen das Urteil des Prozeßgerichtes eingebrachte Berufung wurde von ihr noch vor der Vorlage des Aktes an das Berufungsgericht auf Grund einer außergerichtlichen Einigung mit der klagenden Partei zurückgezogen. Das Urteil wurde aber auch von der Finanzprokuratur, die sich am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt hatte, unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 3 ProkuraturG. angefochten. Während sich die Akten noch beim Prozeßgericht befanden, kam es infolge einer Erklärung der Republik Österreich, in den Rechtsstreit auf Seite der beklagten Partei als Nebenintervenientin einzutreten, zu einem Zwischenverfahren, in dem auch die Legitimation der Finanzprokuratur zur Erhebung ihrer Berufung von den Parteien bestritten wurde.
Das Erstgericht ließ die Nebenintervention der Republik Österreich nicht zu, erklärte jedoch das Einschreiten der Finanzprokuratur für zulässig.
Das Rekursgericht bestätigte die Nichtzulassung der Nebenintervention und ließ auch das Einschreiten der Finanzprokuratur nicht zu.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Finanzprokuratur gegen den letzteren Ausspruch des Rekursgerichtes nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Insoweit die Unterinstanzen das Bestehen eines Interventionsinteresses für die auf Seite der Beklagten als Nebenintervenient einschreitende Republik, vertreten durch die Finanzprokuratur, verneint und darum im Inzidenzstreit diese Nebenintervention für unzulässig erklärt haben, ist diese Entscheidung gemäß § 528 ZPO. der formellen Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen.
Die Finanzprokuratur stützt ihr Einschreiten aber außerdem noch auf § 1 Abs. 3 ProkuraturG., der sie berechtigt, zum Schutz öffentlicher Interessen vor allen Gerichten einzuschreiten, wenn sie von der zuständigen Behörde hiefür in Anspruch genommen wird oder die Dringlichkeit des Falles ihr sofortiges Einschreiten erfordert. Dieses öffentliche Interesse erblickt sie darin, daß der Streitgegenstand gemäß § 1 VerbG. der Republik Österreich verfallen sei und der Rechtsstreit somit die Durchführung dieses Gesetzes, bzw. seine Auswirkungen zu beeinträchtigen geeignet sei. Das Erstgericht erachtete das behauptete öffentliche Interesse für gegeben, weil in § 1 Abs. 3 ProkuraturG. begrundet, wenn auch die Zivilprozeßordnung eine solche Beteiligung nicht vorsehe. Es komme die Stellung der Finanzprokuratur der eines Hauptintervenienten nach § 16 ZPO. gleich, weil sie eine zwischen zwei anderen Parteien streitverfangene Sache für sich in Anspruch nehme. Das Vorliegen öffentlicher Interessen gehe aber auch aus dem Verfallsbescheid vom , Z. 42.539-3/48, hervor, dessen Überprüfung im Zuge sei. Das Rekursgericht ließ das Bestehen eines öffentlichen Interesses dahingestellt, lehnte aber die Zulassung der Finanzprokuratur ab, weil keine gesetzliche Vorschrift, auch nicht § 1 Abs. 3 ProkuraturG., der Prokuratur ein so weitgehendes Recht einräumt, wie diese es für sich beanspruche, nämlich ohne nähere Anführung der Parteistellung oder der sonstigen Beteiligung am Rechtsstreit Rechtsmittel gegen ein in einem Zivilprozeß ergangenes Urteil erheben zu können. Die Norm des § 1 Abs. 3 müsse aus § 2 III Dienstinstruktion für die Finanzprokuratur vom 9. März 1898, RGBl. Nr. 41, ergänzt werden, welcher den Zusatz enthalte: "Wenn zum Schutz (der öffentlichen Interessen) das Einschreiten einer staatlichen Behörde zulässig erscheint." Das Ausbleiben dieses Satzes in § 1 Abs. 3 ProkuraturG. könne nicht dahin verstanden werden, daß der Gesetzgeber der Finanzprokuratur nunmehr ein weiterreichendes Recht zum Einschreiten vor Behörden einräumen wollte. Die Finanzprokuratur könne daher nicht in Umgehung der Zivilprozeßordnung in einem Rechtsstreit anders teilnehmen, als entweder als Partei oder als "Dritter" gemäß §§ 17 - 25 ZPO.
Die Ausführungen des Revisionsrekurses vermögen diese im wesentlichen richtigen Gründe nicht zu widerlegen. Wenn in der Judikatur der Finanzprokuratur das Recht eingeräumt wird, gegen gerichtliche Entscheidungen, die in Verfahren ergangen sind, an denen die Finanzprokuratur nicht beteiligt war, Rechtsmittel im öffentlichen Interesse zu ergreifen, so handelt es sich durchwegs um Verfahren außer Streitsachen, wie Grundbuchsangelegenheiten (SZ. XI/96, XXI/50), Handelsregister- (SZ. XXI/133) oder Rückstellungsverfahren (§ 21 Drittes Rückstellungsgesetz; Rkv 58/49, 266/49). In diesen Verfahren ist die Parteistellung nicht so scharf umrissen wie im Prozeß, weshalb im außerstreitigen Verfahren eher von Beteiligten oder Interessenten zu sprechen ist (Rintelen, S. 18) und im § 2 Abs. 2 Z. 5 AußstrG. unter Parteien auch Personen zu verstehen sind, deren Interessen durch das anhängige Verfahren berührt werden, auch wenn sie daran bisher nicht teilgenommen haben. Sinngemäß gewährt § 9 AußstrG. auch jedem, der sich durch die Verfügung der ersten Instanz beschwert erachtet, auch wenn er am bisherigen Verfahren als Partei nicht teilgenommen hat, das Recht zur Ergreifung von Rechtsmitteln (Rintelen, S. 24).
Der Zivilprozeß kennt nur den Parteibegriff als den solcher Personen, die sich im Verfahren unmittelbar als Gegner gegenüberstehen und die Tätigkeit des Gerichtes in Anspruch nehmen mit fest umrissenen Aufgaben. Dritte können an einem zwischen zwei anderen Parteien anhängigen Verfahren nur in der vom Gesetz zugelassenen Weise, also als Nebenintervenienten (§§ 17 bis 20 ZPO.), Hauptintervenienten (§ 16) oder in den Fällen der §§ 22 bis 25 ZPO. bei der Benennung des Auktors durch Eintritt teilnehmen. Außerhalb dieser geregelten Fälle kann eine Teilnahme Dritter nicht stattfinden. Sie würde das System der Zivilprozeßordnung zerstören und einen Eingriff der Staatsgewalt in die zwischen den Parteien anhängigen Verfahren begrunden, der mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren wäre. Dies vor allem dann, wenn, wie es in der Judikatur öfter ausgesprochen worden ist, die bloße Behauptung eines öffentlichen Interesses schon genügen würde, um, unüberprüfbar für das Prozeßgericht, die Intervention der Finanzprokuratur zu rechtfertigen. Diese könnte dann in jedem Rechtsstreit auch dann, wenn öffentliche Interessen gar nicht vorliegen, mit Berufung auf solche in einen anhängigen Rechtsstreit eintreten, sich an ihm beteiligen, Rechtsmittel selbst gegen den Willen der Parteien ergreifen und die Sache auf diese Weise durch die Instanzen führen, obwohl selbst dem Nebenintervenienten Rechtsmittel gegen den Willen der von ihm unterstützten Partei, oder wenn diese auf Rechtsmittel verzichtet hat, anzubringen verwehrt ist (§ 19 ZPO.).
Es kann also § 1 Abs. 3 ProkuraturG. tatsächlich nur mit der aus § 2 III der alten Dienstinstruktion sich ergebenden Einschränkung verstanden werden, daß eine Teilnahme der Finanzprokuratur an einem gerichtlichen Verfahren nur insoweit zulässig ist, als "ein Einschreiten der staatlichen Behörde zulässig ist". Dies ist ohne weiteres im außerstreitigen Verfahren der Fall und von der zitierten Rechtsprechung auch anerkannt. In diesen Fällen, wo es sich vorwiegend um die Richtigkeit des Grundbuchsstandes, der Personenstandsregister oder des Handelsregisters handelt, kann das Bestehen eines öffentlichen Interesses auch prima facie als gegeben angenommen werden. Im Zivilprozeß kann die Finanzprokuratur nur als Haupt- oder Nebenpartei teilnehmen. Zumindest wird man ihr das Recht absprechen müssen, Rechtsmittel in einem Verfahren zu ergreifen, an dem sie bisher in Partei- oder Intervenientenstellung nicht teilgenommen hat. Dies würde die Grundfesten der Zivilprozeßordnung völlig untergraben und einen autoritären Eingriff der Staatsgewalt in ein die Privatrechte Dritter betreffendes geregeltes Verfahren darstellen.
Die Untergerichte haben zutreffend das Interventionsinteresse des Fiskus in dieser Sache verneint. Wie immer der Streit endet, für den Fiskus, der behauptet, Eigentümer des Streitgegenstandes nach § 1 VerbG. geworden zu sein, ist nichts gewonnen, weil er gegen den Sieger im Prozeß nun erst seine Eigentumsansprüche durchsetzen muß, ganz abgesehen davon, daß, wenn sein Rechtsstandpunkt richtig ist, die Klage gegen ihn zu richten gewesen wäre. Ihm bleiben seine Rechte gewahrt, die er allenfalls gegenüber einer Exekution des siegreichen Klägers auch nach § 37 EO. wird geltend machen können, während er beim Obsiegen der Beklagten gegen diese wird vorgehen müssen. Das Vorliegen eines vom Interventionsinteresse verschiedenen öffentlichen Interesses ist hier nicht erkennbar.