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OGH vom 11.04.2013, 1Ob251/12m

OGH vom 11.04.2013, 1Ob251/12m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. J***** D*****, vertreten durch die Jarolim Flitsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei Medizinische Universität Graz, Graz, Universitätsplatz 3, vertreten durch Höhne, In der Maur Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 20.001 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 92/12g 85, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 46 Cg 4/11f 79, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil wie folgt lautet:

„Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für sämtlichen zukünftig entstehenden Schaden haftet, der daraus resultiert, dass die Nebenintervenientin im Studienjahr 2005/2006 keine Parallellehrveranstaltungen zu den Modulen 7 (Biologische Kommunikationssysteme und Regelkreise) und 8 (Vom Molekül zum Organismus) angeboten hat.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 26.610,43 EUR (darin 3.311,10 EUR an Barauslagen und 3.883,22 EUR an USt) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit dem Wintersemester 2004 Studierender der Humanmedizin an der Medizinischen Universität Graz (Nebenintervenientin). Nach dem maßgeblichen Studienplan war bei Lehrveranstaltungen mit immanentem Prüfungscharakter die Teilnehmerzahl im zweiten Studienabschnitt auf 264 Plätze beschränkt. Voraussetzung für die Zulassung zu Lehrveranstaltungen eines bestimmten Moduls des zweiten Studienabschnitts war die positive Absolvierung des ersten Studienabschnitts. Der Kläger hatte ursprünglich den ersten Studienabschnitt nicht positiv abgeschlossen, weil er eine Prüfung am nicht bestanden hatte; dies gelang ihm erst im Rahmen der Wiederholungsprüfung am . Da die Nebenintervenientin für die Reihung der Studierenden für den zweiten Studienabschnitt darauf abstellte, zu welchem Zeitpunkt die Aufnahmevoraussetzungen erfüllt wurden, belegte der Kläger in dieser Reihung Platz 364. Im Wintersemester 2005/2006 wurden jedoch nur Studierende bis zur Nummer 328 in das zweite Studienjahr aufgenommen. Der Kläger konnte in diesem Studienjahr die im Spruch genannten Lehrveranstaltungs Module nicht absolvieren; die Nebenintervenientin hat für die zurückgestellten Studierenden weder Parallellehrveranstaltungen in diesem Studienjahr angeboten noch zusätzliche Lehrveranstaltungen während der sonst lehrveranstaltungsfreien Zeit in den Monaten Juli bis September 2006. Um die geringstmögliche Verzögerung in seinem Studium zu erreichen, wäre dem Kläger ab dem zweiten Studienjahr (Wintersemester 2005/2006) die Möglichkeit offen gestanden, den erheblichen Teil der Lehrveranstaltungen für das Medizinstudium auch den Großteil jener des dritten Studienabschnitts bis zum Ende des Studienjahrs 2009/2010 zu absolvieren. Im darauffolgenden Wintersemester wären noch zwei Module zu je fünf Wochen zu absolvieren gewesen, wobei die Pflichtfamulatur aus Allgemeinmedizin auch schon in der vorlesungsfreien Zeit im Sommer absolviert werden konnte. Diese Famulatur wird in einer Lehrpraxis eines niedergelassenen Arztes absolviert und umfasst zusätzlich je einen Seminartag zu Beginn und am Ende der Praxiszeit. Will ein Studierender diese Famulatur in den Sommerferien absolvieren, bedarf dies einer Genehmigung durch das Vizerektorat für Studium und Lehre, die regelmäßig erteilt wird, wenn dadurch eine Studienverzögerung hintangehalten werden soll. Die erwähnten (eintägigen) Seminare konnten nur im Rahmen der Vorlesungszeit absolviert werden, also frühestens im Wintersemester 2010/2011. Der Kläger beendete sein Studium im Februar 2011.

Er begehrte nun die Feststellung, dass ihm die Beklagte für sämtlichen zukünftig entstehenden Schaden aus dem Unterlassen des Anbots von Parallellehrveranstaltungen im Wintersemester 2005/2006 hafte. Die Nebenintervenientin habe entgegen § 54 Abs 8 UG 2002 keine zusätzlichen Parallellehrveranstaltungen zu den im Spruch genannten Lehrveranstaltungen angeboten, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wäre, um eine Verlängerung der Studienzeit der von der Nichtberücksichtigung betroffenen 114 Studenten, also auch des Klägers, zu verhindern. Der Studienplan (Curriculum) habe entgegen der zitierten Gesetzesstelle keine ausreichenden Maßnahmen zur Verhinderung von derartigen Studienverlängerungen vorgesehen. Die Beklagte hafte für dieses Fehlverhalten der Universitätsorgane. Sie habe darüber hinaus auch ihrer Aufsichtspflicht nicht entsprochen und den gesetzwidrigen Zustand hingenommen. Wegen der Nichtzulassung zu Lehrveranstaltungen des zweiten Studienabschnitts mit beschränkter Teilnehmerzahl werde der Kläger eine Studienzeitverlängerung von zumindest einem Semester hinzunehmen haben. Er werde dadurch Schäden durch zusätzliche Lebenshaltungskosten während des verlängerten Studiums sowie durch Studiengebühren und darüber hinaus durch den verspäteten Eintritt in das Berufsleben erleiden.

Die Beklagte und die auf ihrer Seite beigetretene Nebenintervenientin wandten im Wesentlichen ein, es sei aus organisatorischen und administrativen, aber auch ressourcentechnischen Gründen (Anzahl der Patienten) nicht möglich, Studienplätze beliebig zu vermehren. Eine bedingungslose Befolgung des § 54 Abs 8 Satz 2 UG 2002 würde letztlich bedeuten, dass eine unbegrenzte Anzahl von Studienplätzen zur Verfügung gestellt werden müsste, um eine unbegrenzte Anzahl von Studierenden, ungeachtet qualitativer Maßstäbe, durch das Studium zu führen. Dies sei mit den Grundsätzen, Aufgaben und Zielen einer Universität nicht vereinbar. Gerade in den medizinischen Studien sei die Bereitstellung von praxisbezogenen Übungs und Seminarplätzen bei einer übergroßen Anzahl von Studierenden realistischerweise nicht immer möglich. Die Nebenintervenientin habe in Abwägung der Rechtsgüter der §§ 1 und 54 Abs 8 UG 2002 und ihrer Verantwortung, die vom Gesetzgeber bereitgestellten Ressourcen ökonomisch und zielorientiert einzusetzen, gesetzeskonform gehandelt. Im Bereich der medizinischen Studien seien Studienplätze schon deshalb nicht unbeschränkt vermehrbar, weil diese mit der Zahl von Patientinnen und Patienten der Universitätslehrkrankenhäuser korrelieren müssten. § 54 Abs 8 UG 2002 enthalte zwar eine Zielvorgabe für die Universitäten, der Gesetzestext normiere jedoch keine Verpflichtung, allen Interessenten an einer bestimmten Studienrichtung Ausbildungsplätze ohne Beschränkung zur Verfügung zu stellen. Eine ins Gewicht fallende Verlängerung der Studienzeit sei nicht zu befürchten, weil es den Studierenden im zweiten Studienabschnitt möglich sei, abgesehen von den Lehrveranstaltungen mit begrenzter Teilnehmerzahl alle Vorlesungen und Studienmodule zu besuchen, sich auf die entsprechenden Prüfungen vorzubereiten und die vorgeschriebenen Semesterstunden an freien Wahlfächern und Wahlpflichtfächern zu absolvieren. Unter Berücksichtigung des für den Kläger maßgeblichen Studienplans käme es zu einer Verlängerung der Studienzeit von längstens zehn Wochen. Dies ergebe sich bei einem fiktiv angenommenen Studienverlauf daraus, dass der Kläger nach dem sechsten Studienjahr noch die Fächergruppe 3 und die Pflichtfamulatur in der Dauer von jeweils fünf Wochen zu absolvieren habe. Bei Absolvieren der Famulatur in der lehrveranstaltungsfreien Zeit könne diese Verzögerung auf fünf Wochen reduziert werden. Eine solche Verzögerung sei zumutbar, zumal sie auf der Tatsache basiere, dass der Kläger eine Prüfung beim Erstantritt nicht bestanden und nur aufgrund des späten (erfolgreichen) Zweitantritts den Lehrveranstaltungsplatz im zweiten Studienabschnitt nicht bekommen habe.

Nachdem die Vorinstanzen das Klagebegehren im ersten Rechtsgang abgewiesen hatten, erkannte der erkennende Senat in seinem zu 1 Ob 93/10y gefassten Aufhebungsbeschluss das Unterlassen von zeitlich parallelen oder zusätzlichen nachträglichen Lehrveranstaltungen im Sommer als rechtswidrig, weil der unmissverständliche Wortlaut des § 54 Abs 8 UG 2002 in der damals anzuwendenden Fassung die Universität dazu verpflichtet hatte, jegliche Studienverzögerung durch das Anbieten entsprechender „Parallellehrveranstaltungen“ zu verhindern. Angesichts der von der Beklagten und der Nebenintervenientin erhobenen Einwendungen zur Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit des gesetzlich gebotenen Verhaltens trug es dem Erstgericht eine entsprechende Erörterung mit den Parteien und ergänzende Feststellungen zu den behaupteten Hinderungsgründen auf.

Die Beklagte hielt ihr im ersten Rechtsgang erhobenes Vorbringen, Zusatzveranstaltungen wären an dem Fehlen ausreichender Patientinnen und Patienten der Universitätslehrkrankenhäuser gescheitert, nicht aufrecht. Sie brachte nunmehr vor, die Zahl der Anwärter für den zweiten Studienabschnitt habe sich im Herbst 2005/2006 gegenüber den Vorjahren ganz erheblich erhöht. Eine Erweiterung der Kapazitäten um 114 Studierende sei wegen fehlenden Lehrpersonals, wegen fehlender Raumressourcen und aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich gewesen. Es habe aber von Beginn an von Seiten der Nebenintervenientin die klare Absicht bestanden, durch Flexibilisierungen des Studienplans dafür zu sorgen, dass die an sich drohende Studienzeitverlängerung von einem Jahr für die auf die Warteliste gesetzten Studierenden möglichst verringert werden sollte. Die Überzahl an Studierenden hätte sich auch nicht auf das genannte Studienjahr beschränkt, sondern wäre ebenso in den folgenden Studienjahren immer gleichermaßen durch parallele Veranstaltungen zu berücksichtigen gewesen. Aufgrund der vollständigen Auslastung des eigenen Lehrpersonals hätten zusätzliche Lehrleistungen faktisch zu 100 % durch externe Lehrende geleistet werden müssen, die aber mangels Vorhandenseins nicht rekrutierbar gewesen wären. Eine Entlastung durch Mitarbeiter der Medizinischen Universitäten in Wien und Innsbruck hätte nicht erfolgen können, weil dort zur gleichen Zeit ebenfalls Wartelisten bestanden hätten. Für die Aufstockung des eigenen Lehrpersonals hätte es einer Vorlaufzeit von etwa drei Jahren bedurft. Es seien auch keine finanziellen Ressourcen für eine ausreichende Anzahl von Parallellehrveranstaltungen vorhanden gewesen. Hätte der Kläger von den zur Verringerung des Problems eingeführten Flexibilisierungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht und die Prüfungen zeitgerecht absolviert und bestanden, hätte seine Studienzeitverzögerung gerade einmal fünf Wochen betragen.

Die Nebenintervenientin schloss sich dem Vorbringen der Beklagten im Wesentlichen an. Nachträgliche Lehrveranstaltungen in der Zeit vom 1. 7. bis hätten zudem erfordert, dass in einem Zeitraum von nur drei Monaten insgesamt 5 Module (7, 8, 10, 11 und 12) in nur drei Monaten nachzuholen gewesen wären, die im regulären Studienverlauf über zwei Semester angeboten worden waren. Auch in den Folgestudienjahren wäre es immer wieder zur Notwendigkeit des Anbietens von „nachträglichen Parallellehrveranstaltungen“ in den Sommermonaten gekommen, weil die Studienmodule mit Platzzahlbeschränkungen auch in den Folgestudienjahren bestanden hätten. Lehrende für diese zusätzlichen Lehrveranstaltungen wären nicht zu finden gewesen; Lehrkräfte der Medizinischen Universitäten in Wien und Innsbruck seien wegen auch deren kapazitätsmäßiger Überlastung nicht zur Verfügung gestanden. Auf habilitierte Personen anderer Einrichtungen zurückzugreifen, hätte, falls diese gefunden worden wären, unzumutbaren Aufwand erfordert.

Letztlich wandten die Beklagte und die Nebenintervenientin noch ein, durch den Studienabschluss des Klägers sei sein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung weggefallen.

Der Kläger wandte dagegen ein, das rechtliche Interesse bestehe weiterhin, da es immer noch möglich sei, dass durch das rechtswidrige Verhalten der Nebenintervenientin Schäden eintreten. Darüber hinaus führte er aus, generelle Zugangsbeschränkungen für medizinische Universitäten seien erstmals im Jahr 2005 [offenbar gemeint: für neue Studienanfänger] gesetzlich eingeführt worden. Wenn vorgebracht werde, die Beschränkung der einzelnen Lehrveranstaltungen sei notwendig gewesen, um die Teilnehmerzahl auch für die nachfolgenden Lehrveranstaltungen und im restlichen Studium gering zu halten, weise dies lediglich auf ein erneutes rechtswidriges Verhalten der Organe der Nebenintervenientin hin. Die Behauptung, eine Kapazitätsgrundlage von 360 Medizinstudenten (davon 24 Studierende der Zahnmedizin) sei seitens des Ministeriums anerkannt worden, bedeute nichts anderes als eine grob rechtswidrige Studienplatzbeschränkung durch eine ebenfalls rechtswidrige Übereinkunft zwischen der Beklagten und der Nebenintervenientin zu Lasten der Studierenden. Nicht nachvollziehbar sei, warum gerade 328 Studierende aufgenommen worden sind und eine höhere Anzahl „nicht verkraftbar“ gewesen wäre und warum es zwar möglich gewesen sein sollte, die zu Beginn des zweiten Studienabschnitts eingetretene Studienverzögerung durch diverse Maßnahmen angeblich auf fünf Wochen zu reduzieren, jedoch unmöglich, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen auch diese Verzögerung entfallen wäre. Es werde bestritten, dass geeignete Lehrkräfte für Parallellehrveranstaltungen nicht rekrutierbar und solche Parallellehrveranstaltungen nicht finanzierbar gewesen wären. Soweit sich die Beklagte darauf berufen wolle, sie wäre nicht in der Lage gewesen, der Nebenintervenientin ausreichende budgetäre Mittel zur Verfügung zu stellen, sei darauf zu verweisen, dass die finanzielle Leistbarkeit für die Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen kein Kriterium darstelle.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren (neuerlich) ab. Es stellte unter anderem fest, dass das neue Curriculum das Konzept verfolgte, den Unterricht in Kleingruppen zu konzentrieren, wobei Übungen für 12 und Seminare für 24 Studierende ausgerichtet waren. Der Überstand von 114 Studierenden hätte sich durch den weiteren Studienverlauf gezogen, weshalb es nötig gewesen wäre, eine komplette Parallelstruktur bis fast an das Studienende aufzubauen. Die Nebenintervenientin habe zwar keine Parallellehrveranstaltungen angeboten, den Studierenden aber durch eine Flexibilisierung innerhalb der Studienabschnitte die Möglichkeit geboten, die Zeit der Rückstellung sinnvoll zu nutzen, um die Studienzeitverzögerung möglichst gering zu halten. Das faktisch Limitierende sei die Personalsituation gewesen, wobei die Module 10 bis 12 in diesem Zusammenhang die neuralgischen Module darstellten. Für die betreffenden drei Fächer gäbe es nur eine „sehr geringe“ Anzahl von Lehrenden, die sämtliche an [gemeint offenbar: österreichischen] Universitäten lehrten und auch dort unabkömmlich seien. Eine Ausweitung der Lehrverpflichtung des bestehenden Personals sei nicht möglich gewesen. Zudem habe es noch eine große Anzahl von Studierenden der alten Studienordnung gegeben, für die noch bis ins Jahr 2008 Lehrveranstaltungen angeboten werden hätten müssen. Rechtlich sei dieser Sachverhalt dahin zu qualifizieren, dass es an einer Vorwerfbarkeit des Handelns bzw Unterlassens der Nebenintervenientin fehle, habe diese doch die Gesetzesbestimmung des § 54 Abs 8 UG 2002 aus Gründen mangelnder Personalverfügbarkeit gar nicht erfüllen können.

Das Berufungsgericht bestätigt diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Der Beklagten sei der ihr obliegende Beweis des mangelnden Verschuldens an der Studienzeitverlängerung des Klägers gelungen. Aus dem Gesamtzusammenhang ergebe sich, dass es grundsätzlich also auch für die vorlesungsfreie Zeit („Sommerferien“) an geeignetem Lehrpersonal gemangelt habe, um „Parallellehrveranstaltungen“, die sich durch das gesamte weitere Studium des Klägers und der übrigen 113 Studierenden gezogen hätten, anbieten zu können. Eine allenfalls unzureichende budgetäre Dotierung der Nebenintervenientin durch die Beklagte ändere an dieser Beurteilung nichts. Von einer Unschlüssigkeit der Einwendungen zur Unzumutbarkeit der Bereitstellung von Parallellehrveranstaltungen könne keine Rede sein. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO sei nicht zu lösen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Vorweg ist festzuhalten, dass die Beklagte und die Nebenintervenientin das rechtliche Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung lediglich formal in Zweifel gezogen haben, ohne aber dazu inhaltlich auch nur andeutungsweise etwas auszuführen; in der Revisionsbeantwortung kommt die Nebenintervenientin auf dieses Thema nicht mehr zurück. Der erkennende Senat geht ebenso wie im Aufhebungsbeschluss des ersten Rechtsgangs vom Bestehen eines Feststellungsinteresses aus, hat sich doch der Kläger von vornherein immer auch darauf berufen, er befürchte unter anderem Vermögensnachteile durch den verspäteten Eintritt in das Berufsleben.

Nachdem bereits im ersten Rechtsgang die Rechtswidrigkeit der Unterlassungen der Nebenintervenientin festgestellt worden war (1 Ob 93/10y = SZ 2010/81 = JBl 2010, 654 [ Lukas ] = RdM 2010/181 [ Perthold/Stoitzner ]), geht es nur noch um die Frage, ob ihre Rechtsauffassung zutrifft, ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen, weil rechtskonformes Verhalten unmöglich oder zumindest unzumutbar gewesen wäre.

Die Vorinstanzen haben in diesem Zusammenhang nicht ausreichend beachtet, dass sich das Feststellungsbegehren des Klägers was sich insbesondere auch aus seinem Klagevorbringen unmissverständlich ergibt allein auf die (regulär) zu Beginn des Wintersemesters 2005/2006 angebotenen Lehrveranstaltungen der Module 7 und 8 bezieht, wobei bereits feststeht, dass die Nichtaufnahme in diese Lehrveranstaltungen bzw das unterlassene Anbieten zeitlich entsprechend gelagerter „Parallellehrveranstaltungen“ Ursache für eine (nicht mehr einholbare) Studienverzögerung war. Weder aus den im Verfahren erhobenen Einwendungen der Beklagten und der Nebenintervenientin noch aus den Feststellungen der Vorinstanzen lässt sich aber ableiten, dass auch im Hinblick auf die Module 7 und 8 kein ausreichendes Personal für „Parallellehrveranstaltungen“ rekrutierbar gewesen wäre. Allfällige Schwierigkeiten, für die Module 10 bis 12 zusätzliches Lehrpersonal zu finden, vermögen die Nebenintervenientin somit schon grundsätzlich nicht hinsichtlich ihrer Versäumnisse bei den Modulen 7 und 8 zu entschuldigen.

Sollten die Einwendungen der Beklagten als Bestreiten der Kausalität des Fehlverhaltens der Nebenintervenientin im Hinblick auf die Module 7 und 8 zu verstehen sein, weil es auch bei pflichtgemäßem Verhalten später zu einer Studienverzögerung gleichen Ausmaßes gekommen wäre, könnte dem aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden. Auf rechtmäßiges Alternativverhalten könnte sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil auch das fehlende Anbot von Parallellehrveranstaltungen zu den Modulen 10 bis 12 aus demselben Grund rechtswidrig war bzw gewesen wäre. Im Fall des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens ist dem hypothetischen Kausalverlauf aber ein sonst gesetzeskonformes Verhalten des Schädigers zugrunde zu legen (vgl RIS Justiz RS0111706).

Mangelnde finanzielle Mittel und auch allgemeiner Personalmangel der Universität zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtungen im Rahmen des Lehrbetriebs könnten die Beklagte grundsätzlich schon deshalb nicht entschuldigen, weil sie als zuständiger und auch im Rahmen der Amtshaftung verantwortlicher Rechtsträger dazu verpflichtet war, den Universitäten jene Mittel zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen, um ihre gesetzlichen Verpflichtungen (auch bei einem Ansteigen der Studierendenzahlen) zu erfüllen. Die Vollziehung des Studienrechts ist auch nach der Vollrechtsfähigkeit der Universitäten weiterhin eine hoheitliche Aufgabe im Sinn des § 49 Abs 2 UG 2002. Im Falle von Verletzungen von Bestimmungen des Studienrechts hat daher grundsätzlich die Amtshaftung des zuständigen Rechtsträgers Bund einzutreten. Es wäre sinnwidrig, wenn dieser Rechtsträger sich darauf berufen könnte, den Organen der Universität sei wegen fehlender finanzieller Mittel kein Verschuldensvorwurf zu machen, wenn dieser Mangel darauf zurückgeht, dass der betreffende Rechtsträger die Universität unzureichend finanziell ausgestattet hat. Ebenso wenig kommt eine Berufung auf mangelndes Verschulden von Universitätsorganen in Betracht, wenn wie die Nebenintervenientin dies behauptet hat Organe der Beklagten die zum damaligen Zeitpunkt gesetzwidrige Beschränkung auf eine bestimmte Studierendenzahl genehmigt haben, was auch die Beklagte selbst mit ihrem Vorbringen, eine „Platzzahl“ von 360 Medizinstudenten (davon 24 Studierende der Zahnmedizin) sei „seitens des Ministeriums anerkannt“ worden, wohl zugesteht.

Vor allem aber hat die Beklagte entgegen der Auffassung der Vorinstanzen fehlendes Verschulden der Universitätsorgane an der Rekrutierung zusätzlichen Lehrpersonals (für die Module 10 bis 12) gar nicht ausreichend behauptet. Wie sich aus dem Vorbringen der Beklagten und der Nebenintervenientin klar ergibt, wurde allein die Heranziehung bereits an österreichischen Universitäten tätigen Lehrpersonals erwogen, was allerdings wegen der Belastung der in Betracht kommenden Personen als aussichtslos angesehen worden sei. Warum die Universitätsorgane nicht versucht haben, (deutschsprachige) Lehrende anderer europäischer Universitäten zu gewinnen oder geeignete Habilitierte außerhalb der Hochschulen anzusprechen, wurde nicht dargelegt. In diesem Zusammenhang kann auch auf die Zeugenaussage des Vizerektors verwiesen werden, der erklärte, man habe sich für die Bereiche Pathologie und Pharmakologie gar nicht auf die Suche nach potenziellen Lehrenden gemacht, weil es dafür (gemeint: in Österreich) keinen großen Markt gegeben habe. Dass es bei entsprechendem Honorarangebot nicht möglich gewesen wäre, andere Lehrende zu gewinnen als das Fachpersonal der österreichischen Medizinischen Universitäten, hat die Beklagte nicht behauptet; Derartiges wurde auch nicht festgestellt.

Damit erweist sich das Klagebegehren als berechtigt. Bei der Urteilsfällung war klar zum Ausdruck zu bringen, aus dem Fehlen welcher Zusatzlehrveranstaltungen der Kläger sein Begehren ableitet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Entsprechend den Einwendungen der Beklagten gegen die Kostennote gebührt für die anwaltlichen Leistungen, die ausschließlich das Verfahren gegen die ursprünglich mitgeklagte Universität betreffen, ebenso wenig Kostenersatz wie für die Schriftsätze (Fristerstreckungsanträge, Vertagungsbitten ...), die im Sinne des § 48 Abs 1 ZPO auf Umständen in der Sphäre des Klägers beruhen; der Antrag ON 54 ist allerdings objektiv gerechtfertigt, aber nur nach TP1 zu honorieren. An Zeugengebühren sind nach dem Akteninhalt nur 140,10 EUR angefallen. Der für den Zeugen gestellte Gebührenantrag fällt nicht unter die Verfahrenskosten des Klägers. Für die Rechtsmittel im letzten Rechtsgang ist entgegen dem Kostenverzeichnis des Klägers jeweils nur ein Differenzbetrag zu den bereits früher entrichteten Pauschalgebühren angefallen; insoweit sind daher nur 178 EUR zuzuerkennen. Der Streitwert (20.001 EUR) hat sich auch im Revisionsverfahren nicht geändert.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2013:0010OB00251.12M.0411.000