OGH vom 24.10.2017, 2Ob170/17i

OGH vom 24.10.2017, 2Ob170/17i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Fichtenau, Dr. Musger, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** L*****, vertreten durch MMag. Dr. Verena Rastner, Rechtsanwältin in Lienz, gegen die beklagte Partei J***** L*****, vertreten durch Peissl & Partner Rechtsanwälte OG in Köflach, wegen 28.374,01 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom , GZ 4 R 33/17f-34, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 10 Cg 110/15k-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.804,50 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 300,75 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt den Geldpflichtteil nach den §§ 762 ff ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015. Die Vorinstanzen gaben der Klage statt, weil der Klägerin die Ausübung eines Wohnrechtslegats nicht zugemutet werden könne, sodass dieses nicht auf den Pflichtteil anzurechnen sei. Nachträglich ließ das Berufungsgericht die Revision mit der Begründung zu, dass sich die Klägerin in erster Instanz auch auf einen Vergleich gestützt habe, bei dessen Wirksamkeit ihr Anspruch um etwa 4.000 EUR geringer gewesen wäre. Daraus könne unter Umständen die Unschlüssigkeit der Klage abgeleitet werden.

Rechtliche Beurteilung

Auf diese Frage kommt es allerdings nicht an. Denn die Klägerin hat in erster Instanz jedenfalls den (höheren) gesetzlichen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht und zum von ihr ebenfalls dargestellten Vergleich nur ausgeführt, dass der Beklagte dessen Erfüllung verweigere. Das konnte im Kontext nur dahin verstanden werden, dass sie sich auf den Vergleich als Anspruchsgrundlage nicht stützen wollte. Die Frage der allfälligen Unschlüssigkeit einer Klage bei alternativem Anführen zweier Anspruchsgrundlagen, die einander nicht nur ausschließen (vgl dazu RISJustiz RS0038130, zuletzt etwa 3 Ob 5/16f mwN), sondern auch zu unterschiedlichen Zusprüchen führen müssten, stellt sich daher nicht. Abgesehen davon haben die Vorinstanzen das Vorliegen eines Vergleichs ohnehin verneint, sodass sich die Klägerin jedenfalls auf das Gesetz stützen konnte.

In der Sache ist die Entscheidung der Vorinstanzen durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 774 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 gedeckt (1 Ob 2364/96w; 5 Ob 14/02y). Ob die Ausübung des Wohnrechts zumutbar ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Hier steht fest, dass die Klägerin wegen ihrer Pflegebedürftigkeit, aber auch wegen der verbalen Angriffe des Beklagten und der dadurch verursachten Depressionen und Angstzustände nicht mehr allein im Haus wohnen konnte. Daher wäre eine 24-Stunden-Pflege erforderlich gewesen. Die damit verbundenen Kosten konnte die Klägerin durch die Übersiedlung zu ihrem Sohn vermeiden. Ist aber die Inanspruchnahme eines vermachten Wohnrechts mit beträchtlichen, sonst nicht anfallenden Kosten verbunden, so liegt schon aus diesem Grund Unzumutbarkeit im Sinn der zitierten Rechtsprechung zu § 774 ABGB aF vor.

Aus diesen Gründen ist die Revision zurückzuweisen. Da die Klägerin in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, hat der Beklagte deren Kosten zu ersetzen (§§ 41, 50 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00170.17I.1024.000

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