OGH vom 07.04.1992, 4Ob525/92
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein "M*****, vertreten durch Dr.Christian Jelinek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Wilfried K*****, vertreten durch Dr.Paul Ladurner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 56.600 sA (Revisionsinteresse S 28.800), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 311/91-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 4 Cg 92/90-13, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil zur Gänze wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.746,04 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 1.207,84 Umsatzsteuer und S 1.500 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die "M***** GmbH & Co KG", welche ihren Geschäftspartnern auch unter der Bezeichnung "Vi*****" geläufig war, hatte sich bis Anfang des Jahres 1991 mit der Organisation von Konzerttourneen befaßt. Ab Sommer 1991 hat diese Gesellschaft keine Verträge mehr geschlossen; im Firmenbuch scheint sie aber nach wie vor auf. Ihr Unternehmen wurde vom klagenden Verein als Rechtsnachfolger übernommen.
Der Beklagte ist Veranstalter. Im Sommer 1987 wandte er sich an die "M***** GmbH & Co KG", um die Möglichkeit einer Zusammenarbeit bei der Veranstaltung eines "Wolfgang Ambros"-Konzertes zu erkunden; er war bei diesem ersten Geschäftskontakt am Zustandekommen einer längerfristigen Geschäftsverbindung mit der Gesellschaft interessiert. Die "M***** GmbH & Co KG" lehnte eine Zusammenarbeit mit dem Beklagten bei diesem Konzert ab, bot aber eine Zusammenarbeit bei einem "Nina Corti"-Konzert in Westösterreich an. Zwischen dem Beklagten und Alexander V***** von der "M***** GmbH & Co KG" kam es zu einer Einigung, wonach sich der Beklagte bereit erklärte, bei der Durchführung eines "Nina Corti"-Konzertes in Dornbirn als Veranstalter zu wirken. Er einigte sich mit Alexander V***** darauf, daß er der "M***** GmbH & Co KG" einen Fixbetrag von S 48.000 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer, insgesamt also S 57.600, zu zahlen habe. Die Hälfte dieses Betrages hatte nach dieser Vereinbarung der Beklagte 14 Tage vor dem für den angesetzten Konzert der "M***** GmbH & Co KG" zu entrichten, die andere Hälfte am Tag des Konzertes. Da der 14 Tage vor dem Konzert fällige Teilbetrag nicht rechtzeitig bei der "M***** GmbH & Co KG" eingelangt war, erkundigte sich Alexander V***** beim Beklagten nach dem Verbleib des Geldes. Unter Hinweis auf den äußerst schlechten Kartenvorverkauf ersuchte der Beklagte, den gesamten vereinbarten Betrag am Tag des Konzertes zahlen zu dürfen. Nach Rücksprache Alexander V*****s mit Hubert M***** wurde die Vereinbarung mit dem Beklagten im Sinne dieses Ersuchens geändert.
Am fand das Konzert im Kulturhaus Dornbirn statt. Danach zahlte der Beklagte der "M***** GmbH & Co KG" den nach Abzug der Auslagen von den Einnahmen verbleibenden Betrag von S 1.000. Im Hinblick auf das schlechte Einspielergebnis sowie wegen finanzieller Probleme ersuchte er um Gewährung von Raten zur Abstattung des Restbetrages. Da er aber entgegen der Forderung der "M***** GmbH & Co KG" keinen Ratenzahlungsvorschlag erstattete, kam keine Vereinbarung zustande.
Mit Rechnung vom , Nr. 880560, forderte die "M***** GmbH & Co KG" vom Beklagten den Betrag von S 57.600 als "Produktionskosten Nina Corti Dornbirn". Am erwiderte der Beklagte, "die Abrechnung der Einspielsumme bzw. des Gewinnes" sei vereinbarungsgemäß am Tag des Gastspiels mit dem anwesenden Tourneeleiter erfolgt.
Mit Erklärung vom trat die "M***** GmbH & Co KG" ihre Ansprüche gegen den Beklagten aus dem Konzert "Nina Corti" vom in der Höhe von S 57.600 dem Kläger ab. Mit Schreiben vom forderten die Klagevertreter den Beklagten auf, dem Kläger bis spätestens den Betrag von S 57.600 an Produktionskosten für das Konzert vom zu überweisen; gleichzeitig teilten sie dem Beklagten die Abtretung der Forderung der "M***** GmbH & Co KG" an den Kläger mit.
Mit der am beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger vom Beklagten zunächst S 57.600 sA für "Rg.Nr. 880560 vom ". Mit Schriftsatz vom berief sich der Kläger darauf, daß Gegenstand der Klage eine ihm abgetretene Forderung der "M***** GmbH & Co KG" sei, welcher der Beklagte vereinbarungsgemäß S 57.600 für das Konzert der Künstlerin Nina Corti in Dornbirn schulde. Während ursprünglich eine Teilzahlung 14 Tage vor dem Konzerttermin vereinbart gewesen sei, sei dann die Fälligkeit einvernehmlich auf den Tag der Abhaltung des Konzertes verlegt worden. Im Hinblick auf die Teilzahlung von S 1.000 werde das Begehren auf S 56.600 sA eingeschränkt.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die vom Kläger geltend gemachte Forderung bestehe nicht zu Recht, weil kein mündlicher Vertrag mit der Verpflichtung zur Zahlung von S 57.600 zustande gekommen sei. Gehe man aber von der Behauptung des Klägers aus, dann wäre der halbe Klagebetrag schon am fällig geworden, so daß dieser Teilanspruch bei Einbringung der Klage () schon verjährt gewesen sei.
Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Zwischen der "M***** GmbH & Co KG" und dem Beklagten sei ein mündlicher Vertrag zustande gekommen, durch welchen sich der Beklagte zur Zahlung von S 57.600 verpflichtet habe. Der Verjährungseinwand sei nicht berechtigt, weil die Fälligkeit des gesamten Betrages einvernehmlich auf den Konzerttermin verschoben und die Klage innerhalb der Frist von drei Jahren ab Fälligkeit erhoben worden sei.
Das Berufungsgericht erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin nur S 27.800 sA zu zahlen, und wies das Mehrbegehren von S 28.800 sA ab; es sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei. In der Vereinbarung, daß der Betrag von S 28.800, welcher ursprünglich 14 Tage vor dem Konzerttermin fällig gewesen wäre, gleichfalls erst am Konzerttag zu entrichten sei, liege eine Einigung über eine spätere Fälligkeit der Forderung, durch welche sich der Beginn der Verjährungsfrist hinausschiebe. Der Ansicht des Beklagten, daß eine "reine Stundung" ohne Verschiebung des Beginns der Verjährungsfrist vorliege, sei nicht zu folgen. Anläßlich der Rechtsrüge sei aber die rechtliche Lösung im Ersturteil in jeder Richtung zu überprüfen. Dabei erweise sich der Verjährungseinwand als begründet. Die gesamte Klageforderung sei am fällig geworden. In der am beim Erstgericht eingebrachten Klage sei als anspruchsbegründender Sachverhalt geltend gemacht worden, daß die Beklagte S 57.600 sA für eine näher bezeichnete Rechnung vom schulde; "die zur Weiterveräußerung verkaufte und gleichzeitig mit den Fakturen gelieferte Ware" sei unbeanstandet angenommen worden. Erst mit dem Schriftsatz vom habe die Klägerin ihren Anspruch auf eine Zession der Forderung durch die "M***** GmbH & Co KG" gestützt. Diese Änderung des Klagegrundes, über welche der Beklagte ohne Widerspruch verhandelt habe, sei somit erst nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist des § 486 Z 1 ABGB vorgenommen worden. Durch die Klage sei aber die Verjährung nur für die in ihr geltend gemachten Ansprüche, nicht aber für einen der "M***** GmbH & Co KG" zustehenden Anspruch, dessen Zession in der Klage auch nicht andeutungsweise vorgebracht worden sei, unterbrochen worden.
Gegen den abändernden Teil dieses Urteils wendet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Ersturteil wiederhergestellt werde.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung im Ergebnis von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht; sie ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der in der Revision aufgeworfenen Frage, ob das Gericht zweiter Instanz berechtigt war, die Verjährung aus einem anderen als dem vom Beklagten geltend gemachten Grund zu bejahen, kommt keine entscheidende Bedeutung zu, ist doch eine Verjährung nach der Aktenlage jedenfalls zu verneinen:
Der Kläger hat in seiner Klage vom den Betrag von S 57.600 auf eine näher bezeichnete Rechnung gestützt. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes kann nicht gesagt werden, daß er in der Klage eine Kaufpreisforderung geltend gemacht hätte, ist doch der vorgedruckte, dem Wortlaut des § 88 Abs 2 JN entsprechende Vordruck ("Die zur Weiterveräußerung verkaufte und gleichzeitig mit den Fakturen samt Vermerk 'zahlbar und klagbar
in'... gelieferte Ware wurde unbeanstandet angenommen. Als
Erfüllungs- und Gerichtsort wurde vereinbart ... ") unausgefüllt
geblieben; damit ist aber der gesamte Satz unbeachtlich. Der bloße Hinweis auf eine Rechnung - die zwar dem Beklagten ebenso wie die Zession der Forderung an den Kläger schon bekannt war
- reicht allerdings nicht aus. Das Klagevorbringen war zu kurz geraten; es hatte entgegen § 226 Abs 1 ZPO die Tatsachen, auf die sich der Anspruch des Klägers in Haupt- und Nebensachen gründet, nicht im einzelnen kurz und vollständig angegeben. Diesen Mangel hat aber der Kläger nachträglich - durch den Schriftsatz vom - behoben; wäre er nicht von sich aus tätig geworden, dann hätte ihn der Erstrichter im Zuge der materiellen Prozeßleitung (§ 182 ZPO) dazu anleiten müssen (Fasching LB2 Rz 1042). Die nachträgliche Ergänzung der Klage bedeutet aber nicht, daß nun ein anderer Anspruch geltend gemacht worden wäre. Eine Klageänderung liegt nicht vor; die Ergänzung wirkt vielmehr auf den Zeitpunkt der Klageeinbringung zurück (ÖBl 1988, 17). Die am in Lauf gesetzte Verjährungsfrist wurde demnach am , also rechtzeitig, unterbrochen.
Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, daß die Verjährung des Teilbetrages von S 28.800 auch dann zu verneinen wäre, wenn die festgestellte Vereinbarung zwischen den Parteien als "reine Stundung" zu werten wäre, könnte doch auch in diesem Fall der Gläubiger nicht - was Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist ist (§ 1478 ABGB) - die Leistung vom Schuldner verlangen (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1478; Koziol-Welser8 I 215).
Aus diesen Erwägungen war in Stattgebung der Revision das Ersturteil zur Gänze wiederherzustellen.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.