OGH vom 29.08.2017, 6Ob152/17x

OGH vom 29.08.2017, 6Ob152/17x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Dr. R***** K*****, Ungarn, vertreten durch Dr. Bernhard Schatz, Rechtsanwalt in Baden bei Wien, als Verfahrenshelfer, gegen die Antragsgegnerin Dr. S***** K*****, vertreten durch Dr. Hans Peter Kandler, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Rückführung der minderjährigen Maximilian, geboren am ***** 2005, und Laura, geboren am ***** 2007, K*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 16 R 172/17h-28, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Ziel des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, BGBl 512/1980, (HKÜ) ist es, die sofortige Rückgabe widerrechtlich in einem Vertragsstaat verbrachter oder dort zurückgehaltener Kinder sicherzustellen (Art 1 lit a HKÜ). Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach klargestellt, es ergebe sich aus der Präambel des Übereinkommens (... um eine sofortige Rückgabe in „den Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts sicherzustellen“ ...), dass sicherzustellen ist, dass das Kind in den Staat seines (bisherigen) gewöhnlichen Aufenthalts (Ursprungsstaat; zur Begriffsbildung vgl nunmehr IA 2243/A XXV. GP, Kinder-RückführungsG 2017) zurückkehrt (stRsp, siehe bloß 6 Ob 26/12k). Das Kind, das sich an seinem gewöhnlichen Aufenthalt befindet, kann daher dorthin weder verbracht noch dort zurückgehalten werden (8 Ob 121/03g; 2 Ob 80/03h; 9 Ob 59/09f; 6 Ob 26/12k).

2. Der Antragsteller argumentiert in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs ausschließlich damit, dass die beiden Kinder keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr in Ungarn hätten, womit die Voraussetzungen des Art 3 HKÜ gegeben seien.

2.1. Nach ständiger, die Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) berücksichtigender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0126369) ist unter einem gewöhnlichen Aufenthalt eines Kindes der Ort zu verstehen, der Ausdruck einer gewissen sozialen und familiären Integration des Kindes ist. Hiefür sind insbesondere die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthalts sowie die Gründe für diesen Aufenthalt und den Umzug der Familie in diesen Staat, die Staatsangehörigkeit des Kindes, Ort und Umstände der Einschulung, die Sprachkenntnisse sowie die familiären und sozialen Bindungen des Kindes in dem betreffenden Staat zu berücksichtigen. Dabei ist es Sache des nationalen Gerichts des Fluchtstaats, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes festzustellen; ob ein solcher vorliegt, stellt dabei regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (hier iSd § 63 Abs 1 AußStrG) dar (vgl 10 ObS 74/14a).

2.2. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen gehen die beiden Kinder zwar nunmehr in Österreich in die Schule und hat die Antragsgegnerin in Österreich eine Arbeitsstelle angenommen, wobei sie auch über eine Wohnung in Österreich verfügen; die Kinder und die Antragsgegnerin fahren während der Woche auch nur bei guten Fahrbedingungen in die Wohnung in Ungarn zurück. Sie verbringen aber die Wochenenden zum größten Teil in Ungarn und übernachten auch zumindest die Hälfte der Schulwochen in Ungarn, womit sie sich hauptsächlich in Ungarn aufhalten. Der Antragsteller, der über ein Kontaktrecht an jedem zweiten Wochenende verfügt, konnte dies bis zu einem Vorfall im Februar 2017 (geringfügige Verletzung von Maximilian am Kopf und Beschädigung des Mobiltelefons Lauras jeweils durch den Antragsteller) ohne Beeinträchtigung ausüben; seit damals weigern sich die Kinder allerdings, den Antragsteller zu besuchen (im Übrigen erfolgte danach erst die Antragstellung nach dem HKÜ).

Wenn die Vorinstanzen bei diesem Sachverhalt übereinstimmend davon ausgingen, die Kinder verfügten (jedenfalls auch) über einen gewöhnlichen Aufenthalt in Ungarn (die beiden Wohnungen befinden sich jeweils im grenznahen Bereich, eine Fahrt mit dem PKW dauert bei guten Fahrbedingungen etwa eine halbe Stunde), so ist dies – entgegen der Auffassung des Antragstellers, der in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs primär versucht, diese Feststellungen zu seinen Gunsten abzuändern – durchaus vertretbar.

3. Gemäß § 111a iVm § 107 Abs 5 AußStrG (§ 111d AußStrG idF KindRückG 2017 tritt erst mit in Kraft) findet in Rückführungsverfahren ein Kostenersatz nicht statt.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00152.17X.0829.000
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