Suchen Hilfe
OGH 23.01.2007, 1Ob250/06f

OGH 23.01.2007, 1Ob250/06f

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*****, vertreten durch Dr. Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. M***** GmbH, *****, 2. Adelheid S*****, beide vertreten durch Dr. Franz Burgemeister und Mag. Christian Alberer, Rechtsanwälte in Klosterneuburg, und 3. DI Franz S*****, vertreten durch Dr. Johannes Stieldorf, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 410.498,09 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 111/06k-62, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 32 Cg 19/04t-50, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts in der Hauptsache wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen nachstehende Beträge an anteiligen Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen:

der beklagten Partei EUR 3.762,50 (darin EUR 692,39 USt), der Erstnebenintervenientin EUR 3.990,76 (darin EUR 476,93 USt und EUR 1.129,17 Barauslagen),

der Zweitnebenintervenientin EUR 7.832,58 (darin EUR 1.117,22 USt und 1.129,17 Barauslagen), sowie

dem Drittnebenintervenienten EUR 7.073,70 (darin EUR 1.178,21 USt und EUR 4,40 Barauslagen).

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin errichtete als Generalunternehmerin über Auftrag der Erstnebenintervenientin ein Wohnhaus samt Tiefgarage. Unter Hinweis auf dieses Bauprojekt gab die Beklagte gegenüber der Klägerin folgende - auszugsweise wiedergegebene - als „unwiderrufliche Zahlungsanweisung" bezeichnete Erklärung ab:

„Wir teilen Ihnen mit, dass die Firma M*****gesellschaft mbH [Erstnebenintervenientin] ... uns unwiderruflich angewiesen hat, an Sie von der Auftragssumme S 22,300.000,-- (exkl MWSt) S 20,000.000,-- (i.W. Schilling zwanzig Millionen) für die Errichtung eines Wohnhauses über Ihre Aufforderung wie folgt zu bezahlen:

...

S 3,600.000,-- bei Innenputz, Fenster und Estrich fertig gegen Vorlage einer Bestätigung des Auftraggebers und Arch DI E*****. Im Falle der nachweislichen Unmöglichkeit dieser Bestätigung zB Verhinderung oder Ortsabwesenheit genügt die Bestätigung durch einen gerichtlich beeideten Sachverständigen, dass diese ohne wesentliche Mängel erbracht wurden.

S 3,530.000,-- bei Übergabe/Übernahme oder Feststellung der Fertigstellung gegen Vorlage einer Bestätigung des Auftraggebers und Arch DI E*****. Im Falle der nachweislichen Unmöglichkeit dieser Bestätigung zB Verhinderung oder Ortsabwesenheit genügt die Bestätigung durch einen gerichtlich beeideten Sachverständigen, dass diese ohne wesentliche Mängel erfolgt ist.

Wir haben diese Anweisung angenommen und verpflichten uns, aus dieser Zahlungsanweisung an Sie über Ihre erste schriftliche Aufforderung, innerhalb von vierzehn Tagen, gegen Vorlage der vorhin angeführten Bestätigung auf Ihr, von Ihnen noch bekanntzugebendes Konto, zur Überweisung zu bringen."

Die Beklagte leistete entsprechend der von ihr übernommenen Verpflichtung Zahlungen an die Klägerin bis einschließlich des fünften Bauabschnitts, wobei es schon bei Zahlung der fünften Teilrechnung zu Unstimmigkeiten wegen eines Wassereintritts im Kellergeschoss kam; die Beklagte bezeichnete ihre insoweit geleistete Zahlung als Entgegenkommen und forderte die rasche Behebung der Mängel ein. Für den sechsten und siebenten (letzten) Bauabschnitt stellten die erste Nebenintervenientin sowie der in der „Zahlungsanweisung" genannte Architekt die vorgesehenen Bestätigungen nicht aus, worauf die Beklagte (vorerst) weitere Zahlungen verweigerte. Die Klägerin machte daher ihre mit der sechsten Teilrechnung (sechster Bauabschnitt: „Innenputz, Fenster und Estrich fertig") geforderten Ansprüche gegenüber der ersten Nebenintervenientin als ihrer Vertragspartnerin klageweise geltend, nach Legen der Schlussrechnung (siebenter Bauabschnitt: „Übergabe/Übernahme oder Feststellung der Fertigstellung") auch ihre weiteren Entgeltansprüche. Nachdem im ersten Prozess ein Teilurteil in Rechtskraft erwachsen war, leistete die Beklagte entsprechende Zahlungen, nämlich in Höhe des zuerkannten Kapitalbetrags von S 1,2 Mio sowie von weiteren S 211.499 an (der Klägerin zuerkannten) Kosten und Zinsen. Weitere Zahlungen wurden trotz Aufforderungen verweigert. Ausfertigungen der in den beiden Verfahren in der Folge ergangenen weiteren Entscheidungen wurden nach deren Rechtskraft den Rechtsvertretern der Beklagten jeweils mit der Aufforderung, Zahlung zu leisten, übermittelt. Mit Schreiben vom wurden für den sechsten Bauabschnitt EUR 158.426,77 (= S 2,18 Mio) verlangt, mit Schreiben vom - unter Einschluss der Ansprüche für den letzten Bauabschnitt - insgesamt EUR 410.498,09, somit der nunmehrige Klagebetrag, samt Zinsen.

Im ersten Verfahren wurde der Klägerin im Endurteil ein (weiterer) Betrag von EUR 158.426,77 samt Zinsen zuerkannt. Im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen wurde festgehalten, dass die der sechsten Teilrechnung zugewiesenen Leistungen („Innenputz, Fenster und Estrich fertig") erbracht worden seien und dass diesem Leistungsbereich zuordenbare Mängel - insbesondere die hinsichtlich des Estrichs behaupteten - nicht feststellbar seien. Nach dem Sachverständigengutachten sei kein im Leistungsbereich der Klägerin gelegener Mangel am Estrich hervorgekommen. Die Klageabweisung im Umfang von EUR 15.988,02 beruhte darauf, dass für einen dem fünften Bauabschnitt zuzuordnenden Mangel (Undichtheit im Kellergeschoss/Tiefgarage) eine Preisminderung in der genannten Höhe angesetzt und vom Rechnungsbetrag der sechsten Teilrechnung in Abzug gebracht wurde.

Im zweiten Verfahren, das die weiteren Forderungen der Klägerin nach Legen der Schlussrechnung zum Gegenstand hatte, wurde die erste Nebenintervenientin schuldig erkannt, EUR 544.273,58 samt Zinsen zu zahlen. Aus der Urteilsausfertigung ergibt sich, dass die Klägerin bei der Ermittlung der Klageforderung eine Preisminderung von S 119.209,20 zugestanden und in Abzug gebracht hatte, wobei zur Begründung für diesen Abzug auf einen Schriftsatz verwiesen wird. Die erste Nebenintervenientin machte als Beklagte Preisminderung von mehr als S 12 Mio unter Berufung auf eine Vielzahl von Mängeln geltend. Nach den gerichtlichen Feststellungen erfolgte die Übernahme des Bauwerks am . Welche Mängel über die von der Klägerin zugestandenen hinaus allenfalls bestehen, konnte nicht festgestellt werden. Es seien keine ausreichenden Beweisergebnisse zur Beurteilung hervorgekommen, welche baulichen Gegebenheiten einen Mangel im Sinne eines Zurückbleibens der tatsächlich ausgeführten von den vereinbarten Leistungen darstellten, sodass insofern mit negativen Feststellungen das Auslangen habe gefunden werden müssen. Die Klägerin begehrte von der Beklagten nun EUR 410.498,09 samt Zinsen und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass sowohl der sechste Bauabschnitt ohne wesentliche Mängel abgeschlossen worden als auch die Freiheit von wesentlichen Mängeln bei Übergabe vorgelegen sei. Die Beklagte habe daher auf Grund ihrer „Zahlungsanweisung" (weitere) Zahlungen von EUR 158.426,77 sowie von EUR 252.071,32, jeweils samt Zinsen, zu leisten. Die Mangelfreiheit sei einerseits durch eine von der Klägerin in Auftrag gegebene Bestätigung eines Sachverständigen nachgewiesen worden, andererseits ergebe sie sich auch aus den der Beklagten übermittelten Ausfertigungen der im Verfahren zwischen der Klägerin und der ersten Nebenintervenientin ergangenen Urteile. Die Beklagte (und die Nebenintervenienten) wandte - soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist - im Wesentlichen ein, sie sei schon deshalb nicht leistungspflichtig, weil das Vorlegen der in der „unwiderruflichen Zahlungsanweisung" festgelegten Bestätigungen der ersten Nebenintervenientin sowie des Architekten unabdingbare Leistungsvoraussetzungen wären. Der Beklagten sei auch kein ordnungsgemäßer Abruf durch die Klägerin zugegangen. In den vorgelegten Urkunden sei die Mangelfreiheit der Leistungen nicht festgestellt worden. Tatsächlich sei das Werk mit einer großen Anzahl von wesentlichen Mängeln behaftet. Diese seien auch im Verfahren über die sechste Teilrechnung festgestellt worden. Da die Klägerin von nach Übergabe des Bauwerks aufgetretenen Schäden Kenntnis habe, nehme sie die Zahlungsanweisung rechtsmissbräuchlich in Anspruch. Weitere gravierende Mängel seien auch im Laufe des Verfahrens aufgetreten, und zwar Setzungen und neue Wassereinbrüche im Bereich der konstruktiven Teile des Bauwerks.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin EUR 158.426,77 samt Zinsen zu zahlen, und wies das Mehrbegehren von EUR 252.071,32 samt Zinsen ab. Die in der „unwiderruflichen Zahlungsanweisung" an sich geforderte Bestätigung des Auftraggebers und des Architekten über das Fehlen wesentlicher Mängel könne grundsätzlich durch Ausfertigungen rechtskräftiger Urteile ersetzt werden. Durch das Urteil im Verfahren über die sechste Teilrechnung werde ausreichende Klarheit über den Fertigstellungsgrad geschaffen. Auch die Feststellung, dass dem von der sechsten Teilrechnung umfassten Leistungsbereich zuordenbare Mängel nicht feststellbar seien, sei als ausreichender Ersatz betreffend die Bestätigung der Freiheit von wesentlichen Mängeln anzusehen. Mit Übermittlung dieses Urteils sowie der rechtskräftigen bestätigenden Entscheidung des Berufungsgerichts an den Beklagtenvertreter am sei daher Fälligkeit des Zahlungsanspruchs herbeigeführt worden. Ein von der ersten Nebenintervenientin erhobener Kompensationseinwand gehe ins Leere, weil nur die Beklagte einen solchen Einwand erheben könnte. Aus dem im zweiten Verfahren ergangenen Urteil über die Schlussrechnung ergebe sich eine Feststellung der Mangelfreiheit hingegen nicht. Vielmehr stehe fest, dass jedenfalls die von der Klägerin zugestandenen Mängel bestehen.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer vollständigen Klageabweisung ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Werde in einer Effektivklausel der Nachweis der tatsächlichen Leistungserbringung verlangt, könne der Begünstigte diesen Nachweis grundsätzlich auch auf andere, vom Beweiswert her gleichwertige Weise erbringen. Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im ersten Rechtsgang könne ein gleichwertiger Nachweis auch darin liegen, dass in einem zwischen den Parteien des Grundgeschäfts geführten Prozess eindeutig und rechtskräftig festgestellt werde, dass die geforderte Voraussetzung gegeben sei. Dann müsse die garantierende Bank insbesondere auch Nachteile im Verhältnis zu ihrem Auftraggeber nicht befürchten, da dieser ihr nicht entgegenhalten könne, die als maßgeblich erklärte Tatsache sei nicht eingetreten. Ausreichende Klarheit im dargestellten Sinn schaffe nur ein rechtskräftiges Urteil, in dem das Erreichen des entsprechenden Fertigstellungsgrads sowie das Fehlen wesentlicher Mängel notwendige Voraussetzung für die Entscheidung über das Klagebegehren war. Notwendig sei somit der Nachweis der Leistungserbringung „ohne wesentliche Mängel". Inhaltlich sei für die Gleichwertigkeit zu verlangen, dass die maßgeblichen Tatsachenfeststellungen in den Urteilsausfertigungen für den Garanten einen identischen Informations- bzw Verlässlichkeitswert wie die zu ersetzende Bestätigung aufweisen. Nach der Entscheidung im ersten Verfahren seien für die vertragsgemäße Herstellung zum Komplex „Undichtheit im Kellergeschoss/Tiefgarage" diverse Verbesserungsleistungen notwendig, die einen Gesamtaufwand von netto S 200.000 erforderten. Daraus ergebe sich, dass das Werk mit diversen Mängeln behaftet sei, die einen beträchtlichen Behebungsaufwand erforderten. Aus dem Urteil ergebe sich somit keinesfalls klar und eindeutig, dass das Gesamtwerk ohne wesentliche Mängel fertiggestellt worden wäre. Schon aus diesem Grund sei die Gleichwertigkeit des Urteils mit der Bestätigung der Auftraggeberin im Hinblick auf die Schlussrechnung zu verneinen. Zum sechsten Bauabschnitt enthalte das Urteil die Feststellung, dass diese Leistungen von der Klägerin erbracht worden und diesem Leistungsbereich zuordenbare Mängel „nicht feststellbar" seien. In der Beweiswürdigung werde auf das Gutachten verwiesen, nach dem kein im Leistungsbereich der Klägerin gelegener Mangel „hervorgekommen sei". Daraus folge nicht in eindeutiger Weise, dass zum fraglichen Leistungsbereich (Estrich) tatsächlich keine Mängel bestanden hätten. Eine Negativfeststellung könne aber die an sich vorgesehene Bestätigung über das Fehlen wesentlicher Mängel nicht ersetzen. Das Bestehen einer unklaren Situation aufgrund der Formulierung der Verpflichtungserklärung (Zahlungsanweisung) liege im Risikobereich der Klägerin. Müsse die Beklagte bei objektiver Beurteilung befürchten, dass ihr der Garantieauftraggeber entgegenhalte könne, die als maßgeblich erklärte Tatsache sei in Wirklichkeit nicht eingetreten, so könne sie nicht zur Auszahlung verhalten werden. Für die Beurteilung, ob vorliegende Urteile ausreichen, um die in der Zahlungsanweisung vorgesehene Bestätigung der Auftraggeberin zu ersetzen, sei allein der Inhalt der Urteilsausfertigung maßgeblich. Ob im „Vorverfahren" ein Sachverständiger beigezogen wurde, sei ohne Bedeutung. Die tatsächliche Mangelsituation sei gar nicht erhoben und beurteilt worden, weil für die Entscheidung in den Verfahren zwischen der Klägerin und der ersten Nebenintervenienten auf Grund der Beweislastverteilung mit Negativfeststellungen das Auslangen gefunden habe werden können. Auch das Urteil im zweiten Verfahren enthalte aber nicht die klare, eindeutige Feststellung, dass das Gesamtwerk tatsächlich ohne wesentliche Mängel übergeben bzw fertiggestellt worden wäre. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil der Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme und sich das Berufungsgericht an die einschlägige Judikatur des Höchstgerichts gehalten habe.

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist zulässig und teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der in der Revisionsbeantwortung der Erst- und Zweitnebenintervenientin erhobene Einwand, das Verfahren im zweiten - und teils auch im ersten - Rechtsgang sei nichtig, weil die Revision der Klägerin im ersten Rechtsgang verspätet erhoben worden sei, ist unberechtigt. Aus dem Vermerk der Einlaufstelle ergibt sich, dass die Revision am , dem letzten Tag der Revisionsfrist, zur Post gegeben wurde.

Vorweg ist festzuhalten, dass der erkennende Senat in seiner im ersten Rechtsgang ergangenen Entscheidung (1 Ob 44/05k) bereits einige Streitpunkte abschließend erledigt hat, sodass darauf nicht mehr einzugehen ist. Dies betrifft etwa den Verjährungseinwand sowie den Einwand der Ungültigkeit der Zahlungsverpflichtung der Beklagten wegen Fehlens einer Befristung. Darüber hinaus wurde klargestellt, dass die fehlenden Bestätigungen der ersten Nebenintervenientin sowie des Architekten durch rechtskräftige Urteile in den zwischen der Klägerin und der Erstnebenintervenientin geführten Verfahren ersetzt werden können, wenn sich aus den der Beklagten übermittelten Urteilsausfertigungen klar ergibt, dass die in der „unwiderruflichen Zahlungsanweisung" geforderte Tatsache (das Fehlen wesentlicher Mängel) eingetreten ist. Sei das Fehlen wesentlicher Mängel notwendige Voraussetzung für die Entscheidung über das Klagebegehren gewesen, müsse die Beklagte nicht befürchten, im Falle einer Zahlung an die Klägerin einen Rückersatz von ihrer Auftraggeberin nicht erhalten zu können, könnte ihr doch die Erstnebenintervenientin nicht entgegenhalten, die für maßgeblich erklärte Tatsache sei nicht eingetreten.

Zutreffend hat das Berufungsgericht betont, dass für die Beklagte als (allenfalls) Zahlungspflichtige ausschließlich der Wortlaut der Urteilsausfertigungen von Bedeutung ist, der auch nicht etwa durch zusätzliche Privatgutachten „ergänzt" werden kann. Nur wenn sich daraus die Freiheit der maßgeblichen Teilleistung bzw des Gesamtwerks von wesentlichen Mängel klar ergibt, kann die Klägerin Zahlung verlangen.

Was die Teilforderung von EUR 252.071,32 betrifft, die von der Beklagten nur zu erfüllen ist, wenn feststeht, dass das Gesamtwerk ohne wesentliche Mängel fertiggestellt wurde, sind die Revisionsausführungen nicht geeignet, die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts zu erschüttern. Auf Grund der übermittelten Urteilsausfertigungen hatte die Beklagte davon auszugehen, dass das Gesamtwerk mit mehreren Mängeln behaftet ist, nämlich einerseits mit (dem fünften Bauabschnitt zuzuordnenden) Undichtheiten im Kellergeschoss/Tiefgarage (Behebungsaufwand rund S 200.000) sowie mit weiteren, nicht näher konkretisierten Mängeln, für die die Klägerin selbst eine Preisminderung von S 119.209,20 zugestanden hatte. Obwohl nicht feststeht, ob diese Mängel „wesentliche Mängel" im Sinne der Formulierung in der „unwiderruflichen Zahlungsanweisung" darstellen, muss diese Unklarheit zu Lasten der Klägerin gehen, die mit dem Akzeptieren dieser „Zahlungsanweisung" das Risiko auf sich genommen hat, Zahlung von der Beklagten nicht zu erlangen, wenn die geforderte Bestätigung der ersten Nebenintervenientin und des Architekten über das Fehlen wesentlicher Mängel nicht ausgestellt wird. Wie bereits dargelegt, ist eine entsprechende Eindeutigkeit auch von dem als Surrogat für eine solche Bestätigung in Betracht kommenden Urteil zu fordern, sodass Unklarheiten darüber, ob bestehende Mängel als wesentlich oder als unwesentlich zu qualifizieren sind, die Klägerin treffen.

Anders verhält es sich hingegen im Hinblick auf den sechsten Bauabschnitt („Innenputz, Fenster und Estrich fertig"), für den nach dem Inhalt der Urteilsausfertigungen feststeht, dass diese - der sechsten Teilrechnung zugewiesenen - Leistungen erbracht wurden und diesem Leistungsbereich zuordenbare Mängel nicht feststellbar sind, weil aus dem Sachverständigengutachten ein behaupteter Mangel am Estrich nicht hervorgekommen sei.

Der Auffassung des Berufungsgerichts, es liege eine Negativfeststellung vor, die ein Bestehen von (wesentlichen) Mängeln nicht ausschließe, ist nicht beizutreten. Mit der Formulierung „Dem von der 6. Teilrechnung umfassten Leistungsbereich zuordenbare Mängel ... sind nicht feststellbar" hat das Handelsgericht Wien vielmehr positiv festgestellt, dass solche Mängel nicht gegeben sind, zumal es dies ausdrücklich damit begründete, der behauptete Mangel sei auch aus dem Gutachten des Sachverständigen „nicht hervorgekommen". Wie bereits in der Entscheidung im ersten Rechtsgang dargelegt wurde, ist in Fällen wie dem vorliegenden die von der Beklagten geäußerte Befürchtung, „zwischen die Stühle" zu geraten, unberechtigt, kann ihr doch die Erstnebenintervenientin als anweisende Auftraggeberin nicht entgegenhalten, die Auszahlungsvoraussetzungen wären deshalb nicht eingetreten, weil doch wesentliche Mängel vorgelegen seien bzw vorlägen. Die Beweislast für das Vorliegen von Mängeln - jedenfalls nach vorbehaltloser Übernahme des Werks - träfe in einem zwischen der Werkbestellerin (= Erstnebenintervenientin) und dem Werkunternehmer geführten Rechtsstreit den Werkbesteller (so etwa jüngst 1 Ob 224/05f). Demnach wäre die Erstnebenintervenientin in einem solchen allfälligen Rechtsstreit - auch wenn man die oben zitierte Feststellung als „Negativfeststellung" betrachtete - ebenfalls zur Bezahlung des Werklohns zu verhalten gewesen. In einem solchen Fall stellte das gegenüber der Beklagten ausgesprochene Verbot der Auszahlung des „Garantiebetrags" eine rechtsmissbräuchliche Maßnahme dar. Die Berufung darauf, es seien nach Schluss der Verhandlung (weitere) Mängel hervorgekommen, muss schon deshalb ins Leere gehen, weil der Auszahlungsanspruch der Klägerin mit der Vorlage der Ausfertigung der rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren über die sechste Teilrechnung (im Oktober 2003) fällig wurde. Dass die Erstnebenintervenientin wegen einer später hervorgekommenen Mangelhaftigkeit allenfalls Gewährleistungs- oder Schadenersatzansprüche erheben kann, ist auf die Zahlungspflicht der Beklagten aus der von ihr angenommenen Anweisung (§ 1402 ABGB) ohne Einfluss. Die in der Revisionsbeantwortung aufgestellte Behauptung, das Werk habe für sie eine („die einzige") Sicherheit dargestellt, weshalb sie auch ein besonderes Interesse an der verlässlichen Feststellung der Werthaltigkeit des Werks habe, stellt eine unbeachtliche Neuerung dar.

Unberechtigt ist auch der Einwand, das Teilbegehren von EUR 158.426,77 übersteige unter Berücksichtigung der bereits für den sechsten Bauabschnitt geleisteten Zahlungen den „Garantiebetrag". Dieser beträgt S 3,6 Mio, also EUR 261.622,20. Selbst wenn man neben dem nach dem Teilurteil bezahlten Kapitalbetrag von S 1,2 Mio die weiteren S 211.499 an Kosten und Zinsen berücksichtigen wollte, wäre der „Garantiebetrag" durch diese Zahlungen von insgesamt EUR 102.577,63 und die zugesprochene Klageforderung von weiteren EUR 158.426,77 gar nicht ausgeschöpft. Allfällige Preisminderungsansprüche der Erstnebenintervenientin aus früheren Bauabschnitten entbinden die Beklagte nicht von ihrer übernommenen Zahlungspflicht.

Soweit sich die Revisionsgegnerinnen weiters darauf berufen, das Vorgehen der Klägerin sei wegen der zahlreichen wesentlichen Mängel am Bauwerk sittenwidrig, übersehen sie, dass ein derartiger Einwand nur dann berechtigt sein könnte, wenn solche den hier allein maßgeblichen (sechsten) Bauabschnitt betreffende Mängel offensichtlich wären. Davon kann aber im vorliegenden Fall - insbesondere unter Berücksichtigung der in den gegen die Erstnebenintervenientin geführten Verfahren ergangenen Urteile - keine Rede sein.

Wegen der Teilabänderung der angefochtenen Entscheidung hat das Revisionsgericht gemäß § 50 Abs 1 ZPO über die Kosten des gesamten Verfahrens abzusprechen. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung ist im vorliegenden Fall trotz der in den Berufungen der Erst- und Zweitnebenintervenientin sowie des Drittnebenintervenienten enthaltenen Kostenrüge unverändert zu übernehmen. Zwar hat der Oberste Gerichtshof für den Fall, dass eine in zweiter Instanz abgeänderte Entscheidung des Erstgerichts wiederherstellt wird, eine in der Berufung enthaltene Kostenrüge, auf die das Gericht zweiter Instanz infolge Abänderung der Erstentscheidung nicht einzugehen hatte, mitzuerledigen (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 528 ZPO Rz 147), der Kostenrüge kommt im konkreten Fall aber keine Berechtigung zu: Nach herrschender Judikatur (RIS-Justiz RS0035807) hat der Nebenintervenient bei einem Teilerfolg einen Kostenersatzanspruch nur im selben Umfang wie die Hauptpartei, der er beigetreten ist. Im Berufungsverfahren waren die Berufungsgegner - ausgehend vom endgültigen Prozessergebnis - jeweils zur Gänze erfolgreich, sodass ihnen insoweit der volle Ersatz der Kosten ihrer Berufungsbeantwortungen zusteht. Das Kostenverzeichnis der Klägerin ist dabei insoweit zu korrigieren, als ihr Kostenersatz nur für eine Berufungsbeantwortung gebührt. Die Berufungen der Beklagten sowie der Nebenintervenienten wurden der Klägerin mit derselben Post am zugestellt. Die Erstattung von drei Berufungsbeantwortungen war - auch angesichts der über weite Strecken inhaltsgleichen Schriftsätze - zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig. Ein allfälliger Mehraufwand wird durch den Streitgenossenzuschlag abgegolten.

Bei den Kosten des Revisionsverfahrens ist auf Grund der Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung gemäß den §§ 50 Abs 1 und 43 Abs 1 ZPO von den jeweiligen Erfolgsquoten auszugehen. Die Beklagte war zu rund 61 % erfolgreich. Es stehen ihr sowie den auf Beklagtenseite beigetretenen Nebenintervenienten 22 % der Rechtsanwaltskosten sowie 61 % der Barauslagen zu; die Klägerin hat gemäß §§ 43 Abs 1 letzter Satz ZPO Anspruch auf Ersatz von 39 % ihrer Barauslagen. Das Kostenverzeichnis der Klägerin ist insoweit zu korrigieren, als im zweiten Rechtsgang eine weitere Gebührenpflicht nur mehr im Umfang der Differenz zum nunmehrigen Revisionsinteresse (Anm 4 zu TP 3 GGG), sohin von EUR 801,50, entstanden ist. Für die Revisionsbeantwortung der Erst- und Zweitnebenintervenientin sind Kosten (nach TP 3C RATG) lediglich auf Basis von (gerundet) EUR 1.500,80 zuzüglich 50 % Einheitssatz und eines Streitgenossenzuschlags von nur 10 % (vom Nebenintervenientenvertreter werden nur zwei Parteien vertreten, denen lediglich eine Partei gegenübersteht) angefallen. Der auf die Beklagte gegenüber der Klägerin entfallende Kostenersatz (für die Berufungsbeantwortung und die anteilige Pauschalgebühr im Revisionsverfahren) ist im Kostenzuspruch für die Beklagte zu saldieren.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*****, vertreten durch Dr. Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. M***** GmbH, *****, 2. Adelheid S*****, beide vertreten durch Dr. Franz Burgemeister und Mag. Christian Alberer, Rechtsanwälte in Klosterneuburg, und 3. DI Franz S*****, vertreten durch Dr. Johannes Stieldorf, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 410.498,09 sA, infolge des Berichtigungsantrags der Erst- und Zweitnebenintervenientin in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Entscheidung vom (ON 68) wird in dem die Erst- und Zweitnebenintervenientin betreffenden Kostenausspruch dahin berichtigt, dass dieser zu lauten hat:

„Die klagende Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen nachstehende Beträge an anteiligen Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen:

der Erstnebenintervenientin EUR 3.990,76 (darin EUR 476,93 USt und EUR 1.129,17 Barauslagen),

der Zweitnebenintervenientin EUR 7.832,58 (darin EUR 1.117,22 USt und EUR 1.129,17 Barauslagen)."

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Angesichts des einheitlichen Erscheinungsbilds des Rubrums der von den Vertretern der Erst- und Zweitnebenintervenientin eingebrachten Schriftsätze sowie des Umstands, dass etwa auch für die Revisionsbeantwortung Streitgenossenzuschlag verzeichnet wurde, ging der erkennende Senat bei seiner Kostenentscheidung irrtümlich davon aus, dass auch die Berufungsbeantwortung ON 57 und die Revisionsbeantwortung ON 66 namens beider Nebenintervenienten erstattet worden seien.

Da diese beiden Schriftsätze richtigerweise aber allein im Namen der Zweitnebenintervenientin eingebracht wurden, sind deren Kosten auch allein ihrer Prozessführung zuzuordnen. Die Kostenentscheidung ist daher gemäß § 419 ZPO - wie aus dem Spruch ersichtlich - zu berichtigen, wobei auch der auf demselben Irrtum beruhende Zuspruch von Streitgenossenzuschlag für die Revisionsbeantwortung zu entfallen hat.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
Schlagworte
Kennung XPUBL
Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in
bbl 2007,122/105 - bbl 2007/105
XPUBLEND
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2007:0010OB00250.06F.0123.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAD-52838